von Dr. Markus Büning*
Es ist inzwischen über fünfundvierzig Jahre her. Wir saßen im Wohnzimmer meiner Großmutter und schauten im Fernsehen, damals noch schwarz-weiß, eine Papstmesse aus Rom. Als Kind sah ich wohl zum ersten Mal bewusst den Papst. Verwundert über seine Aufmachung fragte ich meine Oma, wer denn dieser Mann sei, der dem Hl. Nikolaus so ähnlich sehe, nur ohne Bart. Meine liebe Großmutter, die während der Nazidiktatur vieles zu erleiden hatte und einer zweistelligen Anzahl an Kindern das Leben schenken durfte, schaute mich sehr ernst an und flüsterte so: „Das ist der Stellvertreter Gottes! Vor ihm müssen wir Katholiken eine große Achtung haben.“ Das war die erste Katechese zum Petrusamt, die bis heute in meinem Gehörgang erklingt, das leise und fromme Flüstern der Großmutter über die göttliche Stiftung der Kirche.
Und nun, im Jahr 2018 unter Papst Franziskus? Hätte meine Großmutter, die einen tiefen und unerschütterlichen Glauben hatte, auch so ehrfurchtsvoll ihrem Enkel diese Frage beantwortet, nach den Chaostagen von Amoris Laetitia, Interkommuniondebatte, Missbrauchskrise und Förderung der LGBT-Lobby? Ich weiß es ehrlich gesagt nicht. Ich bin froh, dass meine von mir sehr verehrte Oma dieses Pontifikat nicht mehr erleben muss. Sehr wahrscheinlich wäre meine Oma spätestens seit dem Tag über diesen Papst entsetzt gewesen, wo er auf ganz unmögliche Weise den Kinderreichtum katholischer Familien ins Lächerliche zog. Wir erinnern uns, die Rede von den Karnickeln.
Diese von der Oma „eingeimpfte“ Ehrfurcht vor dem Papstamt war es übrigens, die mich anfänglich noch antrieb, auch diesem Papst ganz selbstverständlich Vertrauen und kindliche Ergebenheit entgegenzubringen. Ja, aus dieser Haltung habe ich dann auch die Aktion „Pro Pope Francis“ für eine gewisse Zeit mitgetragen. Aber dann wurde mir klar, dass ich all dies so nicht mehr kann. Spätestens seit dem Schlingerkurs in Sachen Interkommunion und dem Brief des Papstes an die Gläubigen bezüglich der Missbrauchskrise ist mir klar geworden, wie verworren die Dinge derzeit in unserer Kirche sind. Bei aller Liebe, aber es gibt Grenzen!
Und nun auch noch das: Die „Chaos-Causa“ Wucherpfennig. Rein in die Kartoffeln, raus aus den Kartoffeln! Zunächst, aus meiner Sicht völlig korrekt, die angedachte Verweigerung des Nihil obstat durch die zuständige Kongregation, weil der Herr Professor nun mal nicht wahrhaben will, was der Hl. Paulus im Römerbrief zur praktizierten Homosexualität geschrieben hat. Der Katechismus (vgl. Nr. 2357–2359) scheint ihn schon gar nicht mehr zu interessieren. In Zeiten wirksamsten LGBT-Lobbyismus, der offenkundig bis hinauf in die Führungsetagen des Vatikans Urstände feiert, nimmt es kein Wunder, dass die Empörung über diese Entscheidung groß war. Ja, es kam geradezu zu einem medialen „Sturm auf die Bastille“. Eine deutsche Kirchenzeitung sprach sogar von einem neuen Fall von Missbrauch durch die ach so böse Amtskirche. Ja, selbst der Bischof vor Ort, der aus Staatsleistungen gut dotierte Herr aus Limburg, konnte nicht umhin, sein Unverständnis über die zunächst angedachte römische Entscheidung zum Ausdruck zu bringen. Umso größer nun bei ihm die Genugtuung! Wen wundert´s? Auch Kardinal Marx aus München tönte in bekannter Art und Weise, dass sowas mit ihm so einfach nicht zu machen sei (siehe hier). Mir sind nur zwei innerkirchliche Stimmen in Erinnerung, die tapfer zum depositum fidei standen. Der Nuntius aus Berlin (siehe hier) und Kardinal Müller (siehe hier). Danke für diesen Glaubensmut!
Doch nun kommt die von vielen ersehnte römische Kehrtwende: Er darf doch Rektor werden, der Herr Jesuitenpater aus Frankfurt mit dem bezeichnenden Namen Wucherpfennig. Was hier wuchert ist nur eines: Der Hang zur Häresie! Es geht hier letztlich um die Leugnung der guten Schöpfungsordnung Gottes. Dazu habe ich bereits in der letzten Zeit einige Anmerkungen gemacht (siehe hier und hier und hier). Und nun lässt man all dies weiter wuchern. Priesteramtskandidaten, Gott Dank sind es ja nur noch wenige, möchte man angesichts dieses Missstandes sagen, werden diesem offenkundigen Schrift- und Katechismusverdreher weiter ausgeliefert werden. Und man meine doch bitte nicht, dass es nun kirchenamtlicherseits zu Protesten kommen wird.
Nein, diese Causa ist ein weiterer Schritt, langsam aber sicher die moraltheologische Einordnung praktizierter Homosexualität einem kompletten Paradigmenwechsel zu unterziehen. Was wird der nächste Schritt sein? Die Änderung des Katechismus? Die Eliminierung des ersten Kapitels des Römerbriefes aus dem Kanon des Neuen Testamentes? Fragen über Fragen!
Und wer trägt hierfür die Verantwortung: Der Papst, ja nur der Papst! Zumindest hat er seinen Laden nicht im Griff. Aber, es könnte auch etwas anderes dahinter stecken. Ich erspare mir hierzu weitere Ausführungen, weil sie letztlich nur rein spekulativ wären. Aber eines wird für mich immer klarer. Dieses Pontifikat hat über die Kirche in den letzten fünf Jahren folgendes gebracht: Chaos und Verunsicherung! Die bedeutsamen Fragen der Dubia-Kardinäle und die des Erzbischofs Viganò werden vom Papst nicht beantwortetet. Mit dem Fußnotentrick wird die Lehre über Ehe und Familie klammheimlich geändert. Glaubenstreue Katholiken werden als pharisäische „Museumschristen“ in vielen Ansprachen des Pontifex noch mehr ins Abseits gestellt. Als ob solche Katholiken nicht schon genug in ihren Diözesen geschlagen sind. Das päpstliche Mitleid über diese innerkirchliche Verfolgung scheint sich sehr in Grenzen zu halten. Da wird der eucharistische Herr während der alljährlichen Fronleichnamsprozession nicht mehr vom Papst begleitet. Bei dieser wichtigen Demonstration unseres heiligen Glaubens glänzt der oberste Hirte durch Abwesenheit und dies noch aus ganz unglaublichen Gründen der von ihm ach so gerne beschworenen Bescheidenheit: Man wolle dem Herrn nicht die Aufmerksamkeit stehlen! Da wird ein Ministrant vom Papst korrigiert, weil er allzu fromm seine Hände faltet. Wäre ich der Vater dieses Jungen, dann hätte ich dem Herrn Bischof von Rom aber meine Leviten gelesen! Da wird im Wenders-Film die Null-Toleranz-Linie in Sachen Missbrauch an Kindern und Jugendlichen vom Papst großspurig verkündet. In der Realität sieht das dann aber ganz anders aus. Anstatt die wahren Ursachen zu benennen, versteckt man sich hinter der Kunstfigur des nicht näher definierten Klerikalismus. Der klare Wille, auch Bischöfe zur Verantwortung zu ziehen, ist nicht erkennbar. Da werden synkretistische Videos zur Gebetsmeinung für viel Geld produziert. Auf der anderen Seite soll die Kirche doch die der Armen sein. Aber für die päpstliche „Propaganda“ ist ganz offenkundig immer genug Geld vorhanden. Da wird eine liturgische Lieblosigkeit an den Tag gelegt, wie sie das päpstliche Rom seit Jahrhunderten nicht mehr gesehen hat. Auf der einen Seite fordert der Papst die Zunahme der Autonomie der nationalen Bischofskonferenzen, auf der anderen Seite greift er – so jüngst in den U.S.A. – ganz autoritär ein. Immer so, wie es gerade beliebt! Die Liste der Mängel ließe sich noch weiter fortsetzen.
Und nun frage ich mich, wann denn endlich aus den bischöflichen Reihen ein klarer Protest gegen all diese Mängel päpstlicher Amtsführung wahrzunehmen ist. Warum sagt eigentlich keiner, wie im Märchen, dass der „Kaiser nackt ist“? Ja, dieser Kaiser ist ganz offenkundig nackt. Und alle Hofschranzen tun so, als ob er in den schönsten Kleidern daher kommt. All dies ist nicht mehr ernst zu nehmen.
Und nun zurück zum Einstieg meines Kommentars: Ich bin froh, dass mich noch kein Enkelkind fragen kann, wer denn dieser Mann in Weiß sei. Ich habe noch keine Enkelkinder und ich wüsste ehrlich gesagt nicht, was ich sagen würde. Sehr wahrscheinlich folgendes: „Weißt Du, dieser Mann ist eigentlich von Gott dazu berufen, die Menschen in der Kirche im Glauben zu stärken. Er soll der erste Hirte seiner Herde sein. Ja, er soll unseren Heiland auf Erden vertreten. Aber dieser Mann ist sehr schwach. Wir müssen viel für ihn beten, dass er diesen schweren Auftrag erfüllen kann.“ Diese Antwort wäre allerdings noch sehr diplomatisch. Was muss, ja was wird noch alles in diesem Pontifikat geschehen? Wir wissen es nicht. Ich weiß aber eines: Die Kirche wird auch diesen Papst überstehen. Sie hat die Päpste des saeculum obscurum überstanden, sie hat die Päpste der Renaissance überstanden und sie wird auch diesen Papst überleben. Das ist derzeit mein einziger Trost, den ich aus der Kirchengeschichte ziehen kann. Non praevalebunt! Ja, diese Zusage des Herrn betrifft ganz offenkundig gerade die Phasen der Kirchengeschichte, in denen Männer auf dem Stuhl Petri sitzen, die die Glaubwürdigkeit der Kirche auf schlimme Weise beschädigen.
*Markus Büning, geboren 1966 in Ahaus (Westfalen), studierte katholische Theologie und Philosophie in Münster in Westfalen und München sowie Rechtswissenschaften an den Universitäten von Konstanz und Münster; 2001 Promotion zum Doktor der Rechtswissenschaften, zunächst Assistent an den Universitäten Konstanz und Münster, dann Eintritt als Jurist in den Verwaltungsdienst. Der ausgewiesene Kirchenrechtler veröffentlichte zahlreiche Publikationen zu kirchenrechtlichen und theologischen Themen und über Heilige. Dr. Markus Büning ist verheiratet und Vater von zwei Kindern.
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