(Rom/Warschau) Der Vatikan übt Druck auf die polnischen Bischöfe aus, ihren Widerstand gegen Amoris laetitia aufzugeben – und erzielte damit einen ersten Erfolg. Die Polnische Bischofskonferenz veröffentlichte in diesen Tagen neue Richtlinien zur Umsetzung des umstrittenen päpstlichen Schreibens, obwohl es solche bereits gibt.
Seit mehr als zwei Jahren spaltet das nachsynodale Schreiben Amoris laetitia die Kirche. Die Polnische Bischofskonferenz stellte sich gegen die von Papst Franziskus geförderte Interpretation, mit der die Deutsche Bischofskonferenz oder die Bischöfe Maltas faktisch Scheidung und Zweitehe anerkannt haben. Offiziell gilt diese Anerkennung zwar nur in „Ausnahmefällen“, doch die Wirklichkeit rollt über bestimmte Sophismen hinweg. Erst recht, wenn dies gewollt ist.
Seit 2013 arbeitet Franziskus, beraten von Kardinal Walter Kasper, an einer „Überwindung“ des tiefen Grabens, der sich in den vergangenen Jahrzehnten zwischen dem kirchlichem Anspruch und der „Lebenswirklichkeit“ vieler Katholiken aufgetan hat. Gemeint ist, daß auch zahlreiche Katholiken in Scheidung und Zweit- oder sogar Drittehe leben, weil sie mehr dem vorherrschenden Zeitgeist und den Möglichkeiten der staatlichen Gesetzgebung folgen als der Kirche. Dadurch sind sie allerdings laut kirchlicher Lehre von den Sakramenten ausgeschlossen. Da die betroffenen Gläubigen vielfach ihre Situation nicht mehr als Sünde verstehen und auch gar nicht mehr als solche erkennen wollen, suchen progressive Kirchenkreise die Anpassung der Kirche an den Zeitgeist.
Anders ausgedrückt: Wenn die Gläubigen nicht mehr im Einklang mit der Kirche sind, müsse sich die Kirche in Einklang mit den Gläubigen bringen. Damit werden die Dinge allerdings auf den Kopf gestellt. Die Kirche, Mutter und Lehrmeisterin der Gläubigen, wird zur Schülerin degradiert, und die Schüler, die lernen und sich führen lassen sollten, schwingen sich zu Lehrern auf. Das ist die revolutionäre Logik der 68er-Generation und aller Revolutionäre.
Die Folge ist ein schwerwiegender Widerspruch zur immerwährenden Lehre und Praxis der Kirche.
Um diesen Widerspruch nicht zu offensichtlich werden zu lassen, wurden seit 2013 allerlei dialektische Kunstgriffe bemüht. Einer davon lautet, daß nicht die Lehre, sondern nur die Praxis geändert werde. Damit soll der offenkundig irrige Eindruck erzeugt werden, daß Praxis und Lehre zwei voneinander getrennte und autonome Bereiche seien. In Wirklichkeit, wie der gesunde Hausverstand nahelegt, ist die Praxis die Umsetzung der Lehre und daher ihre direkte Folge.
Papst Franziskus und Kardinal Kasper wollen aber gegen die Lehre und Praxis der Kirche eine Neuerung durchsetzen – zumindest in Ausnahmefällen, wie sie betonen. Ob Ausnahme oder Regel ändert aber nichts daran, daß das Prinzip der ausnahmslosen Gültigkeit verletzt wird. Damit kann aus den wenigen Ausnahmen von heute morgen schon eine neue Regel werden. Die Absicht wurde bereits erwähnt: Durch Anpassung soll die Kirche mit der Welt in Einklang gebracht werden. Um die absehbaren Widerstände in der Kirche möglichst gering zu halten, wurden dazu in den vergangenen Jahren verschiedene Verschleierungstaktiken bemüht.
Die Dezentralisierung, die einen neuen Zentralismus meint
Kasper hatte es vorweggenommen, 2016 wurde es offizielle Linie: Jeder Bischof solle für seinen Jurisdiktionsbereich selbst entscheiden. Diese Betonung der Selbstbestimmung und Eigenverantwortung stellt allerdings den kirchlichen Grundsatz in Frage, daß es nur eine Lehre gibt, die weltweit dieselbe ist und für alle gilt – logischerweise auch in der Praxis. Die einheitliche Ebene der Weltkirche wurde durch die fraktionierte Ebene der Ortskirchen ersetzt. Damit wurde auch mit einer latenten anti-römischen Stimmung kokettiert. Nicht Rom entscheide mehr, sondern der Ortsbischof.
In Wirklichkeit ist nicht der Ortsbischof gemeint, sondern die jeweilige Bischofskonferenz. Was auf Weltebene nicht mehr gelten soll, nämlich die Einheitlichkeit, soll auf Landesebene sehr wohl gelten. Doch der Reihe nach, denn die formalen Aspekte sind nur von sekundärer Bedeutung. Das Ziel ist eine Änderung der Inhalte.
Den Auftakt machte die frühere Kirchenprovinz von Papst Franziskus: Buenos Aires. Franziskus ließ dort seinen Einfluß gelten, um die von ihm gewünschte Interpretation von Amoris laetitia, in pastoralen Richtlinien umzusetzen.
Um diese Absicht zu verschleiern, führte der Vatikan ein Dreivierteljahr einen unwürdigen Tanz auf, indem im September 2016 alles geleugnet wurde, was sich im Juni 2017 als wahr herausstellte. Diese Bestätigung verlief stillschweigend, sodaß die Öffentlichkeit erst ein halbes Jahr später Kenntnis davon erhielt, und das nur zufällig durch einen aufmerksamen Journalisten. Franziskus stellte die Welt vor vollendete Tatsachen. Dieses Vorgehen wurde als Trickserei und eines Papstes unwürdig bezeichnet.
Das war aber erst der erste Schritt. Sobald die pastoralen Richtlinien von Buenos Aires unter Dach und Fach waren, und die Kritiker von Amoris laetitia, darunter auch die Dubia-Kardinäle, überrumpelt waren, ging Rom zum zweiten Schritt über. Plötzlich war nichts mehr mit Eigenverantwortung und Selbstbestimmung. Die übrigen Bischöfe Argentiniens ließ man nun wissen, daß Rom sich von ihnen Einheit bei der Interpretation von Amoris laetitia wünsche. Im Klartext, die anderen Kirchenprovinzen und Bischöfe des Landes haben sich den Richtlinien von Buenos Aires anzupassen.
Doch auch damit nicht genug.
Das Nein der polnischen Bichöfe
Die Polnische Bischofskonferenz wurde zum Wortführer einer Gegenposition zu den päpstlichen Neuerungen. Die Bischöfe zwischen Ostsee und Beskiden machten es sich nicht leicht. Für Bischöfe ist es grundsätzlich ein Problem, sogar ein großes Problem, sich gegen den erkennbaren Willen des Papstes zu stellen. Am Ende obsiegte aber der Standpunkt, daß die Treue zur immerwährenden kirchlichen Lehre wichtiger sei, als die Übereinstimmung mit den Launen des gerade regierenden Papstes. Kritiker von Amoris laetitia hatten wiederholt betont, daß auch kein Papst die Vollmacht habe, die Unauflöslichkeit der sakramentale Ehe zu ändern. In Rom war man gar nicht begeistert darüber.
Obwohl es auch innerhalb der polnischen Bischöfe unterschiedliche Meinungen und Rücksichtnahmen gab, einigte sich die Bischofskonferenz schließlich auf eine Linie, die besagte, daß Amoris laetitia nur mit den Instrumenten der Kirche, also im Licht der Kontinuität und der kirchlichen Tradition gelesen werden könne. Damit könne nur umgesetzt werden, was mit der Überlieferung übereinstimmt. Ein klares Nein zur Kommunion für wiederverheiratete Geschiedene.
Den Neuerungen Kaspers wurde damit die Tür gewiesen. Die Folge war das absehbare Paradox, daß in zwei benachbarten Ländern dieselbe Kirche ganz unterschiedliche Positionen einnimmt. In Deutschland dürfen wiederverheiratete Geschiedene zu den Sakramenten, in Polen nicht. Offiziell dürfen sie es auch in Deutschland nur in „Ausnahmefällen“, doch jeder weiß, in primis ihr Erfinder Kasper, daß die „Ausnahme“ in Wirklichkeit einen Dammbruch bedeutet. Genau der wurde auch angestrebt, allen verschleiernden Leugnungen zum Trotz.
Franziskus betonte mehrfach, „nur“ Prozesse anstoßen zu wollen. Der „Prozeß“ ist ein progressives Instrument, denn er geht von einer Eigendynamik aus. Wer „nur“ einen Prozeß anstoßen will, rechnet mit weitergehenden Folgen durch die Macht des Faktischen und einen Dominoeffekt.
Roms Druck auf Polens Bischöfe
Wo dieser nicht schnell genug eintritt, wird etwas nachgeholfen. So wie Argentinien auf Landesebene im Sinne der Neuerung vereinheitlicht wurde, so soll letztlich die Welt vereinheitlicht werden. Ein Jahr nachdem die polnischen Bischöfe ihre Verteidigung der kirchlichen Lehre gegen die Kasper-Franziskus-Interpretation formuliert haben, wurde bekannt, daß Rom massiven Druck auf die polnischen Bischöfe ausübte, damit auch sie sich der päpstlichen Linie anpassen.
Die Information stammt aus erster Hand, dem päpstlichen Hausvatikanisten Andrea Tornielli. Ein Zeichen, daß man sich in Rom auch in Sachen Polen schon ziemlich sicher fühlt. Kaum beachtet, titelte Tornielli am vergangenen 10. Juni:
„Amoris laetitia, die polnischen Bischöfe suchen die Übereinstimmung mit Franziskus“.
Am selben Tag war von der Polnischen Bischofskonferenz das Dokument „Pastorale Richtlinien im Licht des Apostolischen Schreibens Amoris laetitia“ veröffentlicht worden. Damit standen einige Frage im Raum: Warum noch ein zweites Richtliniendokument? Reichen die Richtlinien von Oktober 2017 nicht aus?
Die Betonung Torniellis lüftet das Geheimnis. Er verweist auf eine kleine Stelle in der Erklärung der Pressestelle der Bischofskonferenz, die mit dem Dokument der Öffentlichkeit übergeben wurde. Das neue Dokument der polnischen Bischöfe „behandelt nicht“ die Frage der Kommunion für wiederverheiratete Geschiedene.
In ihren Richtlinien vom Oktober 2017 hatten Polens Bischöfe Amoris laetitia und die Frage der wiederverheirateten Geschiedenen im Licht von Familiaris consortio von Papst Johannes Paul II. interpretiert. Familiaris consortio schließt eine Zulassung zu den Sakramenten aus und verlangt als Zulassungsvoraussetzung, daß die Betroffenen, die sch durch das Fortbestehen einer gültigen sakramentalen Ehe im Stand des Ehebruchs befinden, wie Bruder und Schwester zusammenleben.
Genau diese Lesart soll durch Amoris laetitia überwunden werden. Dazu wurde 2014 und 2015 die Doppelsynode über die Familie durchgeführt. Eine andere Notwendigkeit gab es dafür nicht.
Polens Bischöfe sollen ihren Widerstand aufgeben
Gestern folgten weitere Bestätigungen, daß Rom „Druck auf die polnischen Bischöfe ausübt, um ihre Position zu Amoris laetitia abzuschwächen“. Die neuen, zweiten Richtlinien dienen diesem Zweck. Die polnischen Bischöfe haben ihre Position zu den wiederverheirateten Geschiedenen, die bis vor kurzem in der Kirche allgemein noch Ehebrecher genannt wurden, zwar nicht revidiert. Sie haben sie aber unsichtbar gemacht. Ein offensichtlicher Etappensieg Roms.
Seit der Veröffentlichung der ersten Richtlinien vor acht Monaten konnte keine Rede mehr davon sein, daß Rom die Interpretation von Amoris laetitia der Verantwortung der einzelnen Bischöfe überläßt. Öffentlich wurde das nicht gesagt. Hinter den Kulissen, soweit bisher rekonstruierbar, setzte aber schon bald die Ausübung von Druck ein.
Das Ziel?
Die Polnische Bischofskonferenz sollte dazu gebracht werden, ein neues Dokument zur Umsetzung von Amoris laetitia zu verfassen, das sich deutlich von jenem unterscheidet, das im vergangenen Herbst verbreitet wurde, und das Papst Franziskus und seinem Umfeld gar nicht gefiel.
Seither sind acht Monate vergangen, die nach außen sehr still wirkten. Der Schein trog. Das kräftige Nein der polnischen Bischöfe gegen die Kommunion für Ehebrecher wurde von Rom mit immer heftigerer „Überzeugungsarbeit“ quittiert. Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin, jüngst durch seine Teilnahme an der diesjährigen Bilderberger-Konferenz aufgefallen, habe persönlich an der Weichsel interveniert.
Die Drohungen des Kardinalstaatssekretärs
Il Fatto Quotidiano (FQ) gibt unter Berufung auf Quellen in Krakau und Warschau die Deutlichkeit der Botschaften wieder. Parolin habe demnach polnischen Bischöfen folgende Suggestivfragen gestellt:
„Wollt Ihr wirklich die Einheit mit dem Papst brechen? Ist Euch das bewußt?“
Den Rest habe der Apostolische Nuntius, Msgr. Salvatore Pennacchio, erledigt, der vom Staatssekretariat angewiesen wurde, eine „kontinuierliche Überzeugungsarbeit“ zu leisten.
Auch bestimmte Ernennungen von polnischen Bischöfen für prestigeträchtige Aufgaben seien als Teil dieser „Überzeugungsarbeit“ zu verstehen, so etwa die Ernennung von Erzbischof Henryk Hoser von Warschau zum Päpstlichen Sondergesandten für Medjugorje und die Kardinalserhebung von Erzbischof Konrad Krajewski.
In den vergangenen Monaten soll sich die Lage mehrfach so zugespitzt haben, sodaß ein Bruch tatsächlich möglich schien. Nicht wenige polnische Bischöfe empörte von Anfang an die Vorgehensweise Roms zugunsten von Scheidung und Zweitehe. Letztlich siegte aber der Wunsch nach Einheit. Beobachter sagen, daß gerade bei glaubenstreuen Katholiken, Bischöfen, Priestern wie Gläubigen, die Bereitschaft zum Gehorsam ein Wesensmerkmal ist. Ein Faktor, mit dem progressive Kreise spekulieren – meist erfolgreich. Die neuen Richtlinien wurden mit der stets angestrebten Einhelligkeit beschlossen, allerdings „mit großen Bauchschmerzen“, so FQ.
Darüber sind erhebliche Teile des polnischen Klerus alles andere als begeistert, ebensowenig Radio Marija und die Tageszeitung Nasz Dziennik. Polen verfügt über eine starke, unabhängige, katholische Medien.
Erzbischof Skworc für neuen Text verantwortlich
Das umstrittene achte Kapitel von Amoris laetitia wurde in den neuen Richtlinien der polnischen Bischöfe ausgeklammert. Nicht wenige Bischöfe sind sich des Widerspruchs bewußt. Man wolle aber „kein Öl ins Feuer gießen“. Die Befürworter der römischen „Empfehlungen“ hingegen sagen, daß das zweite Dokument die „weniger barmherzigen“ Stellen des ersten Dokuments beseitigt habe.
Redaktionsleiter des neuen Dokuments war Wiktor Skworc, der Erzbischof von Kattowitz, der von Papst Franziskus sehr geschätzt wird.
Skworc, der enge Kontakte mit dem deutschen Episkopat pflegt, war zuletzt durch die Entlassung des Chefredakteurs seiner diözesanen Kirchenzeitung Gość Niedzielny aufgefallen. Offiziell wurden keine Gründe für die Entlassung genannt. Inoffiziell störte Skworc die „zu traditionalistische“ Haltung seines Chefredakteurs Marek Gancarczyk, der seit 2003 die Zeitung geleitet hatte.
Polens Bischöfe sind damit nicht auf den Kasper-Franziskus-Kurs eingeschwenkt. Sie haben aber ihren sichtbaren Widerstand aufgegeben. Vor allem scheint Franziskus genau zu wissen, auf wen er sich vor Ort stützt.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Vatican Insider/Episkopat.pl (Screenshots)
Die polnischen Bischöfe werden jetzt unter Druck gesetzt und sollen AL im Sinne des Papstes interpretieren. Papst Fransikus ändert die Lehre de Kirche und verlangt, dass die polnischen Bischöfe zu stimmen. So einfach ist das. Papst Fransikus soll erklären, das er die Lehre ändern will und das offiziell. Aber das traut sich nicht und deshalb diese merkwürdigen Aktionen. Die Familiensynode wurde einberufen um das Ehesakrament zur Debatte zu stellen. Papst Fransikus wird das Zölibat abschaffen, Frauen werden zunächst Diakonin werden können und dann werden Sie auch zu „Priestern“ geweiht. Die katholische Kirche wird zu einer x- beliebigen Freikirche. Die sakramentale Verehrung ist diesem Papst nicht so sehr wichtig, das hat er immer wieder sichtbar zu Ausdruck gebracht. Wer als Bischof sich weigert an Fronleichnam an der Prozession zu Ehren Christi teilzunehmen, ist kein Bischof mehr.
Diese Nachgiebigkeit der polnischen Bischöfe (gegenüber dem mittlerweile häretisch gewordenen Rom) wird langfristig auch das Ende der polnischen Nation einläuten.
Auch diese Nation kann man im gewünschten Sinne komplett verändern. Man braucht dazu nur Zeit. Zugegeben, mehr Zeit als in Deutschland.
Ich bin nach dem Lesen dieses Artikels von den polnischen Bischöfen sehr enttäuscht. Hätte sich dieser Krimi (um nichts anderes handelt es sich hier) so in Deutschland abgespielt, wäre ich schon lange nicht mehr enttäuscht.
Denn vom deutschen Episkopat erwarte ich sowieso keinen Widerstand mehr.