(Rom) Papst Franziskus ernannte einen neuen Bischof für die mexikanische Diözese San Cristobal de Las Casas. Das Bistum galt lange Zeit als Experimentierfeld eines neuen, „indigenen Klerus“ für eine „autochthone Kirche“. Das Ziel war die Brechung des Priesterzölibats durch Einführung eines verheirateten Priestertums. Obwohl die Forderung ein typisch „westliches“ Phänomen ist, wurde sie „indigen“ begründet. Mit anderen Worten: Über den außerwestlichen Umweg hoffen vor allem westliche oder westlich geprägte Kreise, den Priesterzölibat abzuschaffen. 63 Prozent der Menschen im Bistum San Cristobal de Las Casas bezeichnen sich selbst als Angehörige von Indio-Völkern. Die Ernennung des neuen Diözesanbischofs löste nun einiges Staunen aus.
Das „Expertiment“ im Bistum San Cristobal de Las Casas
Im Zusammenhang mit dem Mexiko-Besuch von Papst Franziskus und der „Amazonas-Werkstatt“ spielte das Bistum San Cristobal de Las Casas wiederholt eine Rolle. Die Diözese liegt im Chiapas, der wegen des Zapatistenaufstandes in die Weltnachrichten kam.
Zweiter Bischof des 1539 errichteten Bistums war der Dominikaner Bartolomé de Las Casas, der vom Conquistador zum Bettelmönch wurde. Für sein erfolgreiches Eintreten vor den habsburgischen Königen Spaniens für die Rechte der Indios wurde er berühmt und wird als „Apostel der Indianer“ verehrt.
Berühmt wurde das Bistum San Cristobal de Las Casas in neuerer Zeit auch durch Bischof Samuel Ruiz García, der von 1950–2000 die Diözese leitete. Samuel Ruiz García (1924–2011) hatte nicht nur eine Neigung zur Befreiungstheologie. Er zeigte auch deutliche Sympathien für die marxistische Zapatistische Armee der Nationalen Befreiung (EZLN) und deren bewaffneten Aufstand, der 1994 ausbrach.
Das „Experiment“ von Bischof Ruiz García bestand in einem neuen, „indigenen“ Priestertum. Damit wurde gleichzeitig Anspruch auf ein „anderes“ Priestertum erhoben. In den 90er Jahren weihte er mit der Begründung „Priestermangel“ in großer Zahl verheiratete Männer zu ständigen Diakonen. Sie waren als Vorstufe für ein verheiratetes Priestertum gedacht. In einer ungewöhnlichen Zeremonie wurden dabei, auf eine nicht näher definierte Weise, auch die Frauen der Diakon „mitgeweiht“.
Bischof Ruiz García behauptete wiederholt, das sei notwendig, weil die Indios keinen Zugang zum Zölibat hätten.
Bischof Samuel Ruiz García
Wegen seiner Vermittlerrolle zwischen Regierung und EZLN, eine Aufgabe, die er sogar mit dem Mittel des Hungerstreiks wahrnahm, und um den schwelenden bewaffneten Konflikt im Chiapas nicht anzufachen, beließ Papst Johannes Paul II. Samuel Ruiz García in seinem Amt.
Erst mit Vollendung des 75. Lebensjahres wurde er 2000 emeritiert. Welchen Schwerpunkt er in seinen 40 Jahren als Bischof gesetzt hatte, bringen einige Zahlen zum Ausdruck. 1959 hatte er sein Bistum mit 610.000 Gläubigen und 33 Diözesanpriestern übernommen. 2000 zählte das Bistum 1,2 Millionen Katholiken, aber nur mehr 24 Diözesanpriester, dafür aber 341 verheiratete Diakone.
Das mexikanische Bistum stellte damit zahlenmäßig aber auch geographisch eine absolute Ausnahme dar, denn das Phänomen des verheirateten Diakons ist eindeutig ein westliches Phänomen. Durch das Zweite Vatikanische Konzil eingeführt gab es 2014 weltweit rund 40.000 solcher „ständiger Diakone“. Von ihnen leben fast 98 Prozent in Europa und Nordamerika.
Weiheverbot für verheiratete Diakone
2000 folgte ihm als Bischof Felipe Arizmendi Esquivel nach. Diesem wurde mit der Ernennung von der römischen Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung „empfohlen“, keine ständigen Diakone mehr zu weihen. 2002 wurde es ihm sogar ausdrücklich untersagt, weitere verheiratete Männer zum Diakonat zuzulassen. Wegen der großen Zahl von ständigen Diakonen, die von Bischof Ruiz Garcia geweiht worden war, gab es in Rom „ernstes Mißtrauen“ gegenüber dem Bistum, wie Bischof Arizmendi 2014 in einem Artikel schrieb.
Im Gegensatz zu seinem Vorgänger begann Bischof Arizmendi Priesterberufungen zu fördern. 2014 zählte das Bistum nur mehr 316 ständige Diakone, dafür aber 67 Diözesanpriester und 41 Ordenspriester. Innerhalb von 14 Jahren hatte sich die Zahl der Priester im Bistum von 54 (2000) auf 108 (2014) verdoppelt. Die neuen Priesterberufungen kamen zudem alle aus der Diözese selbst, womit widerlegt wurde, was Bischof Ruiz García behauptet hatte: Der„indigenen“ Bevölkerung sei das „westliche“, zölibatäre Priestertum fremd. 2014 bereiteten sich 39 Seminaristen auf das Priestertum vor. Im selben Jahr waren zudem 19 Kandidaten in das Propädeutikum eingetreten. „Der kirchliche Dialog innerhalb der Bischofskonferenz und mit Rom hat seine Früchte getragen“, so Bischof Arizmendi 2014 in seinem Artikel.
2015: Papst Franziskus betet am Grab von Bischof Ruiz García
Im Februar 2015 besuchte Papst Franziskus Mexiko. Auf seinen ausdrücklichen Wunsch wurde San Cristobal de Las Casas in das Besuchsprogramm aufgenommen. Am 15. Februar suchte er in der Kathedrale das Grab des 2011 verstorbenen Bischofs Samuel Ruiz García auf. Er verweilte längere Zeit dort zum Gebet. Das Zeichen der Ehrerbietung für diesen Bischof war deutlich. Dabei wurde der Einsatz für die Indios, für die Menschenrechte und für die Ärmsten betont. Dennoch wurde auch spekuliert, ob die sichtbare Ehrung für Samuel Ruiz García durch den Papst auch seinem „Experiment“ galt, das seit 2014 mit der „Amazonas-Werkstatt“ in Brasilien eine Art Neuauflage erlebt, jedenfalls wiederholt erwähnt wird.
Nicht nur der Grabbesuch war Grund für solche Spekulationen. Im September 2013 hatte Papst Franziskus den „Ratzingerianer“ Kardinal Mauro Piacenza vorzeitig als Präfekten der römischen Kleruskongregation abgesetzt. Zum neuen Präfekten ernannte er seinen Vertrauten, Kurienerzbischof Beniamino Stella, den er im Februar 2014 in den Kardinalsstand erhob. Stella erteilte 2014, nach vierzehn Jahren des Verbots, dem Bistum San Cristobal de Las Casas wieder die Erlaubnis, ständige Diakone zu weihen.
Mit der Erlaubnis, wieder verheiratete Männer zum Diakonat zuzulassen, wurde Bischof Arizmendi von Papst Franziskus ein Bischofkoadjutor zur Seite gestellt. Dieses Amt übte der frühere Weihbischof Enrique Diaz Diaz aus, der im vergangenen März überraschend zum Bischof von Irapuato ernannt wurde.
Franziskus spricht mit Kräutler über San Cristobal de Las Casas
Am 3. November wurde Bischof Felipe Arizmendi Esquivel nun von Papst Franziskus emeritiert. Erstaunlicherweise hatte Franziskus ihn bis zum 78. Lebensjahr im Amt belassen, was eine Seltenheit darstellt. Allerdings hatte er ihm einen Bischofkoadjutor zur Seite gestellt, der die eigentliche Leitung des Bistums innehatte. Erstaunlicherweise wurde aber nicht der Koadjutor mit Nachfolgerecht zum neuen Bischof ernannt.
Die Ernennung von Diaz Diaz war im Mai 2014 erfolgt. Das war einen Monat nach der Audienz, die Papst Franziskus am 4. April dem österreichischen Missionsbischof Erwin Kräutler gewährt hatte. Die Salzburger Nachrichten berichteten am Tag danach, daß Kräutler mit dem Papst über die „schwierige Situation“ in den Amazonas-Gemeinschaften gesprochen habe. Franziskus sei es gewesen, der Kräutler „von einer Diözese in Mexiko“ erzählt habe, in der jede Gemeinschaft einen Diakon, aber viele keinen Priester hätten. Es gäbe mehr als 300 Diakone, so Kräutler über die Schilderung des Papstes, die „natürlich“ keine Eucharistie zelebrieren dürfen. Wie Kräutler erzählte, sei die Frage im Gespräch zwischen ihm und dem Papst gewesen, wie diese Sache weitergehen könne.
40 Tage später, am 15. Mai 2014, wurde dem Bistum San Cristobal de Las Casas die Erlaubnis zurückgegeben, ständige Diakone zu weihen. Seit 2011 hatte das Bistum in Rom darauf gedrängt, doch erst das neue Pontifikat von Franziskus machte es möglich.
Der neue Bischof Rodrigo Aguilar Martínez
Zum neuen Bischof von San Cristobal de Las Casas ernannte Franziskus am vergangenen Freitag Rodrigo Aguilar Martínez. Msgr. Aguilar wurde 1997 von Papst Johannes Paul II. zum Bischof von Matehuala und 2006 von Papst Benedikt XVI. zum Bischof von Tehuacan ernannt.
Diese Ernennung gibt derzeit Rätsel auf. Bischof Aguilar weihte in keinem seiner bisherigen Bistümer einen ständigen Diakon. Weder das Bistum Matehuala noch das Bistum Tehaucan hat einen verheirateten Diakon.
Der neue Bischof ist Vorsitzender der Kommission für Familie, Jugend und Laien der Mexikanischen Bischofskonferenz. Als solcher setzte er sich wiederholt für das Lebensrecht der ungeborenen Kinder und gegen die Abtreibung ein. 2012, das war noch unter Benedikt XVI., suspendierte er Anastacio „Tacho“ Hidalgo Miramón, einen bekannten Vertreter der Befreiungstheologie, von seinem Priestertum.
Die Einberufung einer Amazonas-Sondersynode wird als Signal gedeutet, daß Papst Franziskus mit dem Versuch ernst machen will, den Priesterzölibat abzuschaffen. Einflußreiche Stimmen aus dem Kreis derer, die ihn zum Papst machten, drängen mit Ungeduld darauf. Aufhänger soll ein „indigener Klerus“ sein, mit dem ein Präzedenzfall geschaffen wird. Darin liegen die Parallelen zwischen dem „Experiment“ von Bischof Ruiz García im mexikanischen Chiapas und der „Amazonas-Werkstatt“ von Kardinal Claudio Hummes und Bischof Erwin Kräutler im brasilianischen Amazonas-Becken.
Die Ernennung von Rodrigo Aguilar Martínez zum neuen Bischof von San Cristobal de Las Casas ist daher im Augenblick schwer zu deuten.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: diocesisdepapantla.org.mx /Diocesis de Tehuacan/Puig Reixach (Screenshots)