(Peking) Die Amtsführung von Xi Jinping, Staatspräsident der Volksrepublik China und Generalsekretär der KPCh, wird durch eine umfassende Anti-Korruptionskampagne geprägt. Ziel der Kampagne ist allerdings nicht nur, daß Funktionäre der Kommunistischen Partei Chinas keine Schmiergelder annehmen. Ziel ist es mehr noch, daß KP-Mitglieder keiner Religion angehören, vor allem nicht dem Christentum.
Wenn die „Mitglieder der Kommunistischen Partei“ sich dem Christentum anschließen, „könnten wir uns nicht mehr Kommunistische Partei Chinas nennen. Alles würde zusammenbrechen“, heißt es in der chinesischen Tageszeitung Huanqiu Shibào. Die Tageszeitung befindet sich im Besitz des offiziellen Parteiorgans Volkszeitung (Renmin Ribao) und veröffentlicht seit 2009 mit der Global Times auch eine englischsprachige Ausgabe.
Der Artikel ist von Zhu Weiqun gezeichnet, dem Vorsitzenden des Ausschusses für ethnische und religiöse Angelegenheiten des Nationalen Volkskongresses, dem volkschinesischen „Parlament“.
Religion verboten
Zhu Weiqun erinnert daran, daß ein KP-Mitglied kategorisch keiner Religion angehören darf. Das sei ein ideologischer Grundsatz, der von der KPCh seit ihrer Gründung beachtet worden sei. „Darüber kann es keine Zweifel geben“, so der Ausschußvorsitzende. Die Anti-Korruptionskampagne des totalitären Regimes, „um das Ende der Kommunistischen Partei zu verhindern“, ist das Markenzeichen der Amtsführung von Xi Jinping, der seit 2012 Generalsekretärs der KPCh und seit 2013 auch Staatspräsident der VR China ist. Durch diese Kampagne läßt Xi Jinping langsam, aber systematisch seine politischen Gegner beseitigen und konzentriert immer mehr Macht in seinen Händen. Manche politischen Beobachter sagen, nicht einmal Mao Tse-tung habe eine solche Machtfülle an Ämtern besessen. Die Korruption hat im kommunistischen Großreich endemische Ausmaße angenommen. Eine Bekämpfung scheint schwierig, da sie weitgehend ein Produkt des Einparteiensystems ist.
Religion und Korruption
Warum verfaßte der Vorsitzende des Parlamentsausschusses aber seinen kategorischen Artikel? In den vergangenen Monaten wagten verschiedene Kommentare in volkschinesischen Medien, wenn auch mit größter Vorsicht, die Meinung zu äußern, daß es vielleicht leichter wäre, die grassierende Korruption zu bekämpfen, wenn den Parteifunktionären eine Religionszugehörigkeit erlaubt würde. Der Artikel von Zhu Weiqun stellt die offizielle Antwort und gleichzeitig eine kategorische Absage an diesen Vorschlag dar. Die mächtige Zentralkommission für Disziplinarkontrollen der KPCh beendete vor kurzem ihre zweite Kontrollrunde und übte scharfe Kritik daran, daß zahlreiche Parteimitglieder in den Ortsgruppen „einer Religion angehören“.
Totaler Zusammenbruch
Für die Parteifunktionäre, die dieses Vorspiel der Zentralkommission nicht verstanden haben sollten, folgte der Artikel von Zhu Weiqun, mit dem jeder Zweifel beseitigt wurde. Auch im Jahr 2014 hält die Kommunistischen Partei am kategorischen ideologischen Grundsatz des Religionsverbots fest. Parteimitgliedschaft und Weltsicht hätten bei Kommunisten übereinzustimmen, so Zhu Weiqun. Für Religion gebe es da keinen Platz. Könnten Parteimitglieder das „Christentum“, die einzige von Zhu Weiqun namentlich genannte Religion, annehmen, „würden alle Ideologien, Theorien und Organisationen zusammenbrechen“.
Kreuze und Kirchen
Die Anti-Korruptionskampagne hat damit nicht Verbesserungen für die „Massen“ und das Allgemeinwohl der Bürger zum Ziel, sondern das Überleben des kommunistischen Regimes. Da mit der Annahme des Christentums „alles zusammenbrechen“ würde, wie Zhu Weiqun im Namen der KP geschrieben hat, ist dieses Risiko unter allen Umständen zu unterbinden. Fest steht auch, daß die KP Chinas im Christentum die größte Bedrohung sieht, weit mehr als durch das endemische Übel der Schmiergeldzahlungen, das vorgeblich bekämpft werden soll.
In den vergangenen Monaten wurden in Zhejiang, der Provinz mit dem höchsten Christenanteil in der Volksrepublik vom Regime Hunderte Kirchen zerstört und Hunderte und Aberhunderte Kreuze und andere, öffentlich sichtbare christliche Symbole entfernt (siehe Volksrepublik China reißt „zu sichtbare“ Kirchen ab – Harter Angriff gegen Christen). „Eine Kampagne gegen das Christentum von einer Radikalität, wie sie es seit der Kulturrevolution [1966–1976] nicht mehr gegeben hat“, so Joseph Kardinal Zen Ze-kiun, bis 2009 Bischof von Hong Kong.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Tempi