Leyde Ernesto Rodríguez Hernández gilt als erfahrener Diplomat. Er wurde heute als neuer Botschafter Kubas beim Heiligen Stuhle in Rom akkreditiert. Zuvor amtierte Rodríguez als Botschafter Kubas in Serbien, wo er die bilateralen Beziehungen zu Belgrad pflegte und kubanische Interessen in politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Fragen vertrat. In seiner bisherigen Tätigkeit betonte er wiederholt die Prinzipien kubanischer Außenpolitik, darunter Souveränität, Gleichheit und multilaterale Zusammenarbeit. Die Beziehungen zwischen Kuba und dem Heiligen Stuhl sind alt, waren aber alles andere als spannungsfrei.
Die diplomatischen Beziehungen zwischen dem Karibikstaat und dem Kirchenstaat bestehen seit 1935 und wurden auch in Zeiten tiefgreifender politischer Umbrüche nicht unterbrochen. Selbst nach der Machtergreifung der Kommunisten unter Fidel Castro und der Etablierung einer diktatorischen Einparteienherrschaft blieben die Kontakte bestehen. Dies macht die Beziehung zu einer der beständigsten diplomatischen Partnerschaften Kubas, trotz ideologischer Differenzen zwischen dem atheistisch ausgerichteten kubanischen Staat und der katholischen Kirche.
Die historische Beziehung zwischen Staate und Kirche in Kuba war vielfach von Spannung geprägt. Nach der Revolution von 1959 wurden kirchliche Institutionen eingeschränkt, kirchliche Organisationen überwacht und Kleriker häufig als potentiell regierungskritisch und damit Staatsfeinde eingestuft. Der Atheismus wurde zur Staatsdoktrin erklärt. Ab 1976 bezeichnete sich Kuba als sozialistischer Staat mit marxistisch-leninistischer Prägung.
Die katholische Kirche beklagte massive staatliche Eingriffe in Bildung, Kultur und Religion. Dennoch blieb der Dialog mit dem Heiligen Stuhle bestehen. Nach dem Zusammenbruch des Ostblocks und dem Ende der Sowjetunion setzte eine schrittweise Abschwächung des Atheismus ein. Seit 1992 wird Religion vom Regime nicht mehr per se als gesellschaftlicher Gegner betrachtet. In der Verfassungsreform von 2019 erkannte Kuba „die Vielfalt der Glaubensrichtungen“ und die Freiheit der Religionsausübung an. Marxismus-Leninismus bleibt die ideologische Grundlage, aber Religion darf seither offiziell praktiziert werden. Faktisch wurde damit die bestehene Realität verfassungsrechtlich anerkannt.
Kritik am Regime durch religiöse Einrichtungen führt auch heute zu sofortiger Überwachung. Die kubanische Führung mißt Religion in erster Linie nach ihrem Einfluß auf politische Loyalität. Im Klartext: Religiöse Organisationen werden toleriert, solange sie nicht die Autorität und den alleinigen Herrschaftsanspruch der kommunistischen Partei infrage stellen.
Fast 40 Jahre nach der kommunistischen Machtübernahme konnte erstmals ein Papst seinen Fuß auf kubanischen Boden setzen. Besuche von Papst Johannes Paul II. (1998), Benedikt XVI. (2012) und Franziskus (2015) unterstrichen die zunehmende Bedeutung der Kirche als vermittelnde Instanz und als moralische Stimme in der kubanischen Gesellschaft.
Dabei setzten die drei genannten Päpste unterschiedliche Schwerpunkte: Johannes Paul II. betonte sehr stark die Reevangelisierung, die persönliche Freiheit und die Öffnung als Heraustreten aus der Isolation des Landes, die nach dem Ende der Sowjetunion einsetzte. Er gab damit einen deutlichen Impuls für eine gesellschafte Transformation, wenngleich der politische Kontext indirekt blieb.
Benedikt XVI. betonte vor allem die Glubensstärke und die Kirche als Grundlage der Gesellschaft, aber auch die soziale Harmonie, die eine christliche Gesellschaft garantiere. Auch er betonte die Freiheitsrechte, formulierte politische Aspekte aber vorsichtiger als sein Vorgänger.
Franziskus schließlich sprach weniger von Freiheit, aber von „Freiräumen“. Franziskus sprach von Versöhnung und Vermittlung, verzichtete auf direkte oder indirekte Kritik und betonte die diplomatische Hoffnung. Sein Besuch auf Kuba war am sichtbarsten in größere geopolitische Entwicklungen eingebettet, konkret der Wiederaufnahme der Anfang 1961 abgebrochenen diplomatischer Beziehungen mit den USA unter Präsident Barack Obama. Zeitgleich mit dem Papstbesuch wurde erstmals wieder ein kubanischer Botschafter in Washington akkreditiert. Nicht von ungefähr flog Franziskus anschließend zu Obama nach Washington, denn die Kirche hatte bei dieser Wiederannäherung vermittelt.
Zu erwähnen ist auch ein zweiter Besuch von Franziskus auf Kuba, der weniger dem Land galt, sondern einer Begegnung mit dem Moskauer Patriarchen Kyrill. Es handelt sich um das erste Treffen in der Geschichte eines Papstes mit einem Patriarchen von Moskau und ganz Rußland, ein Amt, das zwar nicht mit dem Alter des Papsttums vergleichbar ist, aber immerhin seit dem Jahr 1589 existiert.
Die heutige Akkreditierung von Rodríguez Hernández erfolgt im Jubiläumsjahre des 90jährigen Bestehens der diplomatischen Beziehungen. Der Heilige Stuhl gilt für Kuba nicht nur als religiöser Partner, sondern auch als internationaler Vermittler und Gesprächspartner. Vatikanische Vertreter, darunter Kurienerzbischof Paul Gallagher, der vatikanische Außenminister, haben wiederholt die Bedeutung des Dialoges betont, selbst in Zeiten politischer Spannungen.
Die Berufung des neuen Botschafters spiegelt die kubanische Außenpolitik wider, die auf kontinuierliche diplomatische Präsenz und Pflege traditioneller Partnerschaften setzt, um schrittweise immer mehr der Isolation zu entgehen. Rodríguez Hernández bringt, wie es in Rom heißt, Erfahrung und Netzwerk mit, um die bilateralen Beziehungen zum Heiligen Stuhle fortzuführen und zu vertiefen – sowohl in diplomatischer als auch in symbolischer Hinsicht.
Insgesamt zeigt die Geschichte, daß die Beziehungen Kuba–Vatikan zwar wechselvoll, aber dennoch erstaunlich stabile sind, obwohl eine atheistische Ideologie, wenn auch in lateinamerikanischer Färbung, und Religion aufeinandertreffen. Die Ernennung eines erfahrenen Diplomaten wie Rodríguez Hernández signaliert Kubas Willen, wie es im vatikanischen Staatssekretariat heißt, diese Partnerschaft auch in Zukunft konstruktiv zu gestalten.
Trotz der Bemühungen um Annäherung fehlt es nicht an Spannungen, die vor allem Dissidenten betrifft, die sich auf ihre christlichen Überzeugungen berufen. Erst dieser Tage war der aus Mexiko stammende Priester José Ramírez des Landes verwiesen worden, weil die kubanischen Machthaber in ihm den Urheber einer regimkritischen Aktion sehen. Als es im Sommer 2021 zu landesweiten Protesten gegen die kommunistische Regierung kam, hatte Father Ramírez die Glocken seiner Kirche geläutet, um sich mit den Demonstranten zu solidarisieren.
Im vergangenen April waren Dissidenten nach kirchlicher Vermittlung freigelassen worden, darunter auch prominente Köpfe wie José Daniel Ferrer, aber kurz darauf wieder festgenommen worden. Dieser Rückschritt zeigte, daß das Regime Zugeständnisse ohne Vorwarnung wieder rückgängig macht und Oppositionelle weiterhin streng kontrolliert.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: X (Screenshot)

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