Mariologische Wegmarken

Tagung über die „Glorien Mariens“ zwischen Dogma, Geschichte und geistlicher Krise


Krönung Mariens von Gentile da Fabriano (um 1420)
Krönung Mariens von Gentile da Fabriano (um 1420)

In unmit­tel­ba­rer Nähe des Peters­do­mes fand am 9. Dezem­ber im Isti­tu­to Maria San­tis­si­ma Bam­bi­na eine Tagung statt, die bewußt gegen den Strom kirch­li­cher Ver­fla­chung schwimmt. Unter dem Titel „Le glo­rie di Maria tra XIX e XX seco­lo“ („Die Glo­ri­en Mari­ens im 19. und 20. Jahr­hun­dert“), ent­lehnt dem Titel des bekann­ten Buches des hei­li­gen Alfons von Liguo­ri, wid­me­te sich das vom Comi­ta­to Papa Pacel­li – Asso­cia­zio­ne Pio XII gemein­sam mit der Fon­da­zio­ne Lepan­to ver­an­stal­te­te Stu­di­en­tref­fen der gro­ßen mario­lo­gi­schen Epo­che der ver­gan­ge­nen bei­den Jahr­hun­der­te. Anlaß waren zwei mar­kan­te Jubi­lä­en: der 75. Jah­res­tag der Ver­kün­di­gung des Dog­mas von der leib­li­chen Auf­nah­me Mari­ens in den Him­mel (1950) und das hun­dert­jäh­ri­ge Geden­ken an die Erschei­nung von Pon­te­ve­dra (1925).

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Den Vor­sitz führ­te Kar­di­nal Domi­ni­que Mam­ber­ti, Prä­fekt der Apo­sto­li­schen Signa­tur und Kar­di­nal­pro­to­dia­kon. In sei­ner Eröff­nung erin­ner­te er dar­an, daß die inten­si­ve Mario­lo­gie des 19. und 20. Jahr­hun­derts kein sen­ti­men­ta­ler Über­schwang war, son­dern eine theo­lo­gisch prä­zi­se Ant­wort der Kir­che auf Ratio­na­lis­mus, Mate­ria­lis­mus und geist­li­che Ver­wahr­lo­sung. Die Wie­der­ent­deckung die­ser Epo­che sei heu­te dring­li­cher denn je.

Newman und Maria: Mariologie als Prüfstein der Christologie

Den ersten Haupt­vor­trag hielt Msgr. Edo­ar­do Cer­ra­to CO, Bischof von Ivrea, der die maria­ni­sche Theo­lo­gie des hei­li­gen John Hen­ry New­man, seit dem 1. Novem­ber Kir­chen­leh­rer, beleuch­te­te. Msgr. Cer­ra­to zeig­te, daß New­man Maria nicht am Rand, son­dern im Zen­trum der Theo­lo­gie ver­or­te­te: als Neue Eva, untrenn­bar mit dem Erlö­sungs­werk Chri­sti ver­bun­den. Für New­man – so der Refe­rent – ist eine gesun­de Mario­lo­gie stets ein Garant ech­ter Chri­sto­lo­gie. Wo Maria rich­tig ver­stan­den wird, bleibt auch Chri­stus vor Ver­zeich­nung geschützt.

Die maria­ni­schen Dog­men der Neu­zeit erschie­nen New­man daher nicht als Neu­erfin­dun­gen, son­dern als legi­ti­me Ent­fal­tung des über­lie­fer­ten Glau­bens. Cer­ra­to zeich­ne­te New­man als Vor­bild theo­lo­gi­scher Aus­ge­wo­gen­heit: tie­fe maria­ni­sche Fröm­mig­keit ohne Über­schwang, ver­bun­den mit stren­ger dog­ma­ti­scher Klarheit.

Pontevedra: Sühnefrömmigkeit und geschichtliche Verantwortung

Einen dezi­diert histo­ri­schen Zugriff wähl­te Prof. Rober­to de Mat­tei, Vor­sit­zen­der der Fon­da­zio­ne Lepan­to. Im Zen­trum stand die Erschei­nung von Pon­te­ve­dra vom 10. Dezem­ber 1925, in der die Got­tes­mut­ter von Sr. Lucia dos San­tos die Andacht der fünf ersten Sams­ta­ge als Akt der Süh­ne ver­lang­te. De Mat­tei ord­ne­te Pon­te­ve­dra in die Ket­te der aner­kann­ten Mari­en­er­schei­nun­gen seit dem 19. Jahr­hun­dert ein – von der Rue du Bac über La Salet­te und Lour­des bis Fatima.

Die­se Kon­ti­nui­tät, so der Histo­ri­ker, bezeu­ge das Wir­ken der gött­li­chen Vor­se­hung in der Geschich­te der Kir­che. Beson­ders ein­drück­lich war der Hin­weis auf eine Epi­so­de aus dem Leben des am 7. Sep­tem­ber von Papst Leo XIV. hei­lig­ge­spro­che­nen Car­lo Acu­tis, der kurz nach dem Tod Sr. Luci­as von ihr geträumt hat­te. Die Bot­schaft: Durch die Pra­xis der ersten Sams­ta­ge könn­ten die Geschicke der Welt gewen­det wer­den. Ange­sichts glo­ba­ler Span­nun­gen und rea­ler Kriegs­ge­fahr sei die­se Aus­sa­ge alles ande­re als from­me Folk­lo­re. De Mat­tei schloß mit der nüch­ter­nen, aber hoff­nungs­vol­len Erin­ne­rung an die Ver­hei­ßung von Fati­ma: Der Tri­umph des Unbe­fleck­ten Her­zens Mari­ens sei gewiß.

Pius XII. und das Dogma der Assunta

Der Jurist Emi­lio Artig­lie­ri wid­me­te sich der Dog­ma­ti­sie­rung der Auf­nah­me Mari­ens in den Him­mel durch Papst Pius XII. Er mach­te deut­lich, daß das Dog­ma kei­ne iso­lier­te päpst­li­che Ent­schei­dung war, son­dern auf dem welt­wei­ten Epi­sko­pat und dem sen­sus fide­li­um beruh­te. Nach den Ver­wü­stun­gen des Zwei­ten Welt­krie­ges habe Pius XII. bewußt ein Zei­chen der Hoff­nung set­zen wol­len: gegen Nihi­lis­mus, Leib­ver­ach­tung und mate­ria­li­sti­sche Ideologien.

Die Assump­ta, so Artig­lie­ri, steht für das christ­li­che Men­schen­bild schlecht­hin: Leib und See­le sind zur Ver­herr­li­chung bestimmt. Damit erhielt das Dog­ma nicht nur eine escha­to­lo­gi­sche, son­dern auch eine zutiefst kul­tu­rel­le und mora­li­sche Dimension.

Garrigou-Lagrange und die geistliche Mutterschaft Mariens

Den theo­lo­gi­schen Schluß­punkt setz­te der Domi­ni­ka­ner P. Mario Pao­lo Maria Pado­va­no OP, der auf das Werk „Die Mut­ter des Erlö­sers und unser inne­res Leben“ von Regi­nald Gar­ri­gou-Lagran­ge ein­ging, das im Rah­men der Tagung vor­ge­stellt wur­de. Pado­va­no ent­fal­te­te eine Mario­lo­gie, die weder sen­ti­men­tal noch abstrakt ist. Er prä­sen­tier­te Maria als Mut­ter Chri­sti und der Kir­che, als Erzie­he­rin der See­len und als wirk­sa­me Fürsprecherin.

Beson­ders beton­te er die klas­si­sche Leh­re von der Hyper­du­lia, der ein­zig­ar­ti­gen Ver­eh­rung Mari­ens, die streng von der Gott allein gebüh­ren­den Anbe­tung unter­schie­den bleibt. Gera­de die­se kla­re Unter­schei­dung bewah­re die maria­ni­sche Fröm­mig­keit vor Miß­ver­ständ­nis­sen – und mache sie zugleich frucht­bar für das geist­li­che Leben.

Aktuelle Spannungen: Miterlöserin und Mittlerin aller Gnaden

Vor dem Hin­ter­grund die­ser rei­chen Tra­di­ti­on erhält der gegen­wär­ti­ge mario­lo­gi­sche Streit um die Mari­en­ti­tel „Mit­erlö­se­rin“ und „Mitt­le­rin aller Gna­den“ beson­de­res Gewicht. In einer jüng­sten Stel­lung­nah­me beton­te das Dik­aste­ri­um für die Glau­bens­leh­re, daß sol­che Bezeich­nun­gen zwar in der theo­lo­gi­schen Geschich­te und in der Fröm­mig­keit ver­an­kert sei­en, jedoch miß­ver­stan­den wer­den könn­ten, wenn sie nicht streng im Sin­ne der ein­zig­ar­ti­gen Mitt­ler­schaft Chri­sti aus­ge­legt wür­den. Maria wir­ke stets nur teil­neh­mend, unter­ge­ord­net und abhän­gig vom einen Erlöser.

Die­ses vati­ka­ni­sche Doku­ment steht exem­pla­risch für eine Span­nung, die auch durch die römi­sche Tagung spür­bar war: zwi­schen der Fül­le der maria­ni­schen Über­lie­fe­rung und der Zurück­hal­tung des heu­ti­gen kirch­li­chen Lehr­am­tes, neue dog­ma­ti­sche Fest­le­gun­gen vor­zu­neh­men. Gera­de hier zeig­te sich die Aktua­li­tät des Rück­blicks auf das 19. und 20. Jahr­hun­dert, in dem die Kir­che den Mut besaß, maria­ni­sche Wahr­hei­ten klar zu benen­nen und ver­bind­lich (dog­ma­tisch) zu formulieren.

Die Tagung mach­te deut­lich, daß die mario­lo­gi­sche Blü­te­zeit zwi­schen 1800 und 1950 kein abge­schlos­se­nes Kapi­tel ist. In einer Kir­che, die um ihre Iden­ti­tät ringt, erweist sich der Blick auf Maria als Weg­wei­ser. Die Jubi­lä­en von Pon­te­ve­dra und der Assump­ta sind mehr als histo­ri­sche Gedenk­ta­ge: Sie erin­nern an eine theo­lo­gi­sche Klar­heit und geist­li­che Tie­fe, die vie­ler­orts schmerz­lich ver­mißt wird.

Daß die­se Akzen­te aus­ge­rech­net in Rom gesetzt wur­den – wenn auch fern­ab media­ler Auf­merk­sam­keit –, ver­leiht der Tagung eine stil­le, aber nach­hal­ti­ge Bedeu­tung. Maria ist, wie die Refe­ren­ten über­ein­stim­mend beton­ten, nicht Rand­fi­gur der Fröm­mig­keit, son­dern Schlüs­sel­ge­stalt zum Ver­ständ­nis von Kir­che, Erlö­sung und christ­li­cher Hoffnung.

Text: Gui­do Garo­fa­lo
Bild: Wiki­com­mons

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