
Es war eine Audienz wie viele andere – und doch eine, die Fragen aufwirft. Am Mittwoch empfing Papst Leo XIV. eine Delegation US-amerikanischer Bischöfe, angeführt vom progressiven Bischof von El Paso (Texas) Msgr. Mark Joseph Seitz. Begleitet wurde die Gruppe von Vertretern des Hope Border Institute, einer Organisation, die sich seit Jahren offen für die Migrationsagenda und gegen die Migrationspolitik der US-Regierung unter Donald Trump positioniert. Und genau darum ging es auch bei der Audienz.
Wie so oft bei solchen Treffen wurde der eigentliche Inhalt nicht offiziell vom Vatikan bestätigt. Doch noch vor dem Treffen hatten die Begleiter von Bischof Seitz bereits gegenüber Reuters-Korrespondent Joshua McElwee durchblicken lassen, worum es gehen würde. Und wie erwartet, ließ der entsprechende Reuters-Artikel nicht lange auf sich warten: Der Papst, so heißt es dort, habe seine „persönliche Sorge“ um die Situation von Migranten an der US-Grenze zum Ausdruck gebracht und die Bischofskonferenz der USA dazu aufgefordert, sich „mit Nachdruck“ zum Thema zu äußern. Die Stoßrichtung bleibt damit eindeutig: bergoglianisch. Die Souveränität der Nationalstaaten wird übergangen, einem angeblich universellen Recht auf Migration wird Vorrang eingeräumt. Im Klartext: Hinter einem humanitär klingenden Anliegen verbirgt sich eine Agenda, die auf die Schwächung der Nationalstaaten zugunsten eines supranationalen Überbaus hinausläuft.
Dieser Agenda folgten – ob real, konstruiert oder rhetorisch überhöht – nahezu alle Krisen der vergangenen 25 Jahre: vom Klimawandel über die Corona-Pandemie und massenhafte Migration bis hin zu Krieg und, auf einer wenn auch anderen Ebene, auch zur LGBTQ+-Ideologie.
Mit dem gestrigen Auftrag, den Leo XIV. erteilte, setzt er eine Linie fort, die bereits seinen Vorgänger Franziskus prägte – und die in weiten Teilen der Weltkirche, insbesondere aber unter konservativen Katholiken, für erhebliches Unverständnis sorgt. Während Papst Franziskus sich wiederholt und teils vehement in migrationspolitische Fragen einmischte, oftmals in scharfer Kritik an nationalen Regierungen, hatte man bei der Wahl Leos XIV. gehofft, ein gewisser Ausgleich könne wiederhergestellt werden – eine Rückbesinnung auf die spirituelle Mitte der Kirche, fernab ideologischer Lager. Mehrere Kardinäle, darunter Kardinal Gerhard Müller, hatten diesen Wunsch erst in den vergangenen Wochen mit Nachdruck geäußert.
Doch diese Hoffnung scheint sich nicht zu erfüllen. Zwar gibt sich Papst Leo bisher deutlich zurückhaltender als sein impulsiver Vorgänger. Aber inhaltlich scheinen sich die Positionen kaum zu unterscheiden. Bereits am 30. September hatte der Papst öffentlich Zweifel geäußert, ob die restriktive Einwanderungspolitik der USA mit der Lehre der Kirche zum Lebensrecht (pro life) vereinbar sei – ein bemerkenswerter Vorwurf, der sich im Kontext unmittelbar gegen katholische Unterstützer von Trump richtete. Damit trifft Leo XIV. nicht nur die politische Rechte, sondern auch viele gläubige Katholiken in den USA, die sich seit Jahren für den Lebensschutz, für Ehe und Familie sowie für Recht und Ordnung einsetzen – und in dieser natürlichen Ordnung auch dem Nationalstaat eine klare Bedeutung beimessen. Doch zu allen diesen Themen ist seit 2013 aus dem Vatikan nur mehr wenig zu hören. Sie wurden von den Themen der politischen Linken und vor allem der globalistischen Agenda – sprich von Finanzoligarchen – abgelöst.
Es stellt sich also die Frage, wie ausgewogen die moralischen Maßstäbe gesetzt werden. Wenn ein Papst die Sorge um Migranten über alles andere stellt, aber kaum ein Wort zu Themen wie Abtreibung, Gender-Ideologie oder Christenverfolgung verliert, entsteht der Eindruck einer einseitigen Agenda – genau das war unter Franziskus geschehen. Und wenn jene, die sich dieser Agenda verpflichtet fühlen, sogar noch medienwirksam Briefe von Migranten überreichen – selbstverständlich direkt von Reuters und anderen Oligarchen-Medien bereitwillig verbreitet –, dann drängt sich der Verdacht auf, daß hier weniger pastorale Fürsorge als vielmehr politische Einflußnahme im Spiel ist.
Daß das vatikanische Presseamt sich zu all dem nicht äußerte, ist bezeichnend. Es entspricht leider einer inzwischen gewohnten Taktik: Die Botschaft wird über inoffizielle Kanäle lanciert, die Presse springt darauf an, und am Ende steht ein öffentliches Bild, das zwar nicht offiziell bestätigt ist, aber dennoch als authentisch gilt.
Wer gehofft hatte, mit Papst Leo XIV. werde eine neue kirchliche Nüchternheit Einzug halten, eine Rückbesinnung auf das Eigentliche, das Unverrückbare des Glaubens, der wird sich zunehmend enttäuscht sehen. Die Fortführung der migrationspolitischen Agenda seines Vorgängers Franziskus scheint festgeschrieben – und mit ihr eine Fortsetzung jener weltlich-humanitären Rhetorik, die oft mehr an internationale Organisationen als an die Verkündigung der Frohen Botschaft erinnert. Was das für die Einheit der Kirche bedeutet, bleibt offen. Gewiß ist jedoch: Viele Katholiken – nicht nur in den USA – empfinden diese Entwicklung als eine wachsende Entfremdung von dem, was sie als den wahren Auftrag der Kirche verstehen.
Wie bereits in der Krise der sogenannten Corona-Pandemie scheint es erneut der Papst selbst zu sein, der verhindert, daß die Kirche sich als das offenbart, was sie allein zu sein vermag: die wahre Alternative zur Welt und zu ihren Ideologien, das eine, heilende Gegenüber zu allen Machtspielen, Verwirrungen und falschen Heilsversprechen. Denn nur die Kirche weiß – oder sollte wissen – wie es um die Schöpfung steht, um den Menschen, um das Wesen seines Daseins und um den wahren Sinn des Lebens. Und nur in Christus, ihrem Herrn, liegt jenes Heil, das dem Wesen des Menschen allein entspricht – jenseits von politischem Zeitgeist und moralischer Selbstgerechtigkeit.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Instagram/Diözese El Paso (Screenshot)
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