
Von Giuseppe Stevi
Der gegenwärtige Beginn des neuen Pontifikats soll in uns das Bewußtsein der Zugehörigkeit zur Kirche erneuern. Er soll allen Gläubigen helfen, diese Zugehörigkeit zur Ehre Gottes und zum Wohl der gesamten katholischen Herde einzusetzen. Zugleich muß vermieden werden, die Chancen, die ein solches Zugehörigkeitsbewußtsein bietet, zu verspielen – sei es durch persönlichen Geltungsdrang, intellektualistische Selbstzufriedenheit oder, schlimmer noch, durch ideologische Vorgaben, die nicht nur keine Grundlage in den Erfordernissen der Kirche finden, sondern ebenso wenig auf theologischer Ebene zu rechtfertigen sind.
Zum Thema Bewußtsein sei eine kurze Vorbemerkung erlaubt.
Der Bewußtseinsbegriff läßt sich anhand zweier Situationen erläutern: der Erkenntnis der eigenen Stellung – in verschiedenen Lebensbereichen – und der daraus folgenden Verantwortung gegenüber sich selbst und gegenüber anderen.
Das Bewußtsein entfaltet sich daher auf zwei Ebenen. Die erste könnte man als Ebene der Zugehörigkeit bezeichnen: Zugehörigkeit zu einer Institution, zu einer Familie, zu einer Gemeinschaft, zu einer sozialen Realität.
Die zweite betrifft das, was diese Zugehörigkeit mit sich bringt – insbesondere unter dem Aspekt der Verantwortung, die sie gegenüber sich selbst und gegenüber anderen erfordert. Gegenüber sich selbst bedeutet das, die eigene Stellung zu erkennen und zu würdigen, um das eigene Wachstum zu fördern; gegenüber anderen bedeutet es vor allem – wie gesagt – Verantwortung innerhalb jener Institution oder sozialen Wirklichkeit, der man angehört.
Im Kontext der Zugehörigkeit zur katholischen Kirche ist es unabdingbar, daß eine Haltung, die durch echtes Bewußtsein geprägt ist, nicht nur von allen Getauften, sondern in besonderem Maße von jenen eingefordert wird, die das Weihesakrament empfangen haben. Unter den Getauften, die Gott gehören und von ihm geliebt sind, hat Gott selbst nämlich festgelegt und gewollt, daß einigen das Weihesakrament anvertraut wird.
„Durch die heilige Priesterweihe “, erinnert uns der ehrwürdige Pius XII. in seiner Enzyklika Mystici Corporis Christi, „aber werden jene Gott völlig zum Dienste geweiht, welche die eucharistische Hostie opfern, die Schar der Gläubigen mit dem Brote der Engel und mit der Speise der Lehre nähren, sie mit den göttlichen Geboten und Räten leiten und mit den übrigen himmlischen Gaben stärken sollen“ (Pius XII., Enzyklika Mystici Corporis Christi, Teil I, 29. Juni 1943).
Diese Aussage verdeutlicht die Notwendigkeit, die verschiedenen Rollen innerhalb der Kirche zu unterscheiden – und zwar jene der Getauften allgemein und, unter diesen, speziell derjenigen, die das Weihesakrament empfangen haben, wie es die genannte Enzyklika erläutert. Was hier von Belang ist, ist der ausdrückliche Wunsch, sich dieser Unterscheidung bewußt zu sein.
Das Bewußtsein über diese Rollendifferenzierung – zwischen den allgemein Getauften und denen mit dem Weihesakrament – hilft auch, einer Gefahr entgegenzuwirken, die bisweilen im Raum steht.
Nämlich jener Gefahr, die sich in bestimmten Momenten des Austauschs oder – wie es heute gerne heißt – der „Teilhabe“ konkretisieren kann, in denen die Gemeinschaft der Getauften auf bestimmte akademische, intellektuelle oder erfahrungsbezogene Milieus beschränkt wird (also im wesentlichen auf „Experten“), die jedoch nicht in erster Linie Christus und der Kirche treu ergeben sind.
In einem solchen Fall hätten wir es offenkundig mit Getauften zu tun, die innerhalb der katholischen Kirche eine Ausnahme darstellen würden, denen jedoch – man muß es sagen – möglicherweise unverantwortlicherweise die Möglichkeit eingeräumt würde, Entscheidungen und Handlungen innerhalb der Kirche zu beeinflussen. Und dies in einem Rahmen, der schwerlich noch als authentisch katholisch zu bezeichnen wäre.
Um das Gesagte mit einem aktuellen Beispiel zu untermauern, sei erwähnt, daß sich eine solche Risikosituation – wie eben beschrieben – möglicherweise im Rahmen des sogenannten „synodalen Prozesses“ manifestiert hat und weiterhin manifestiert. Dieser Prozeß wurde im September 2021 gestartet und ist – das sei nebenbei bemerkt – weiterhin geprägt von einer schwer faßbaren und überdehnten organisatorischen und propagandistischen Spannung.
Diese künstlich erzeugte Spannung findet statt in einer Arena, die sich zunehmend als unangemessener Ressourcenfresser auf persönlicher Ebene innerhalb vieler kirchlicher Realitäten entpuppt – Realitäten, die sich immer näher an einem Zustand der mangelnden Zugehörigkeit und am Abgrund des Glaubensverlustes wiederfinden. In der Arena dieses „synodalen Prozesses“ treten denn auch Vorgänge, Haltungen und Entscheidungen zutage, die einerseits eine Rollenkonfusion zwischen Getauften offenbaren und andererseits ein Handeln des Gottesvolkes zeigen, das in den Händen jener trüben, intellektuellen und erfahrungsbezogenen Zirkel liegt, von denen wir oben sprachen.
Wir fragen uns daher: Gibt es noch einen Weg für die katholische Kirche, um die Rollen unter den Getauften richtig zu verstehen, jeder Position unter den Gläubigen zu ihrer Echtheit zu verhelfen, sowohl denen mit dem Weihesakrament als auch jenen, die „nur“ die Taufe empfangen haben – und um dabei das oben beschriebene Risiko zu bannen?
Auch hier kommt uns wieder die zitierte Enzyklika zu Hilfe. In ihr wird daran erinnert, daß unser Herr den Aposteln und ihren Nachfolgern eine dreifache Vollmacht übertragen hat: zu lehren, zu leiten und – so wird betont – die Menschen zur Heiligkeit zu führen. Es wird dort ein einheitlicher Weg aufgezeigt, den die ganze Kirche beschreiten kann, sodaß jene „Männer und Frauen“, die „aus dem Schoß der Mutter Kirche hervorgehen“ und „im Glanz der Heiligkeit“ leuchten, als Vorbild für alle Christen besonders hervorgehoben werden (Pius XII., Mystici Corporis Christi, Teil I, 29. Juni 1943).
Kurz gesagt: Der Weg zur Heiligkeit – und auf diesem zur vollen kirchlichen Identität – ist der Pfad, den alle Getauften gehen müssen. Auf diesem Weg formt sich die Echtheit einer katholischen Haltung, die ihrerseits in der Lage sein wird, die zuvor beschriebene Gefahr auf Distanz zu halten.
Dieser Weg zur Heiligkeit ist nicht nur verbindlich für die ganze Kirche, sondern wird auch im Bewußtsein der verschiedenen – jedoch hierarchisch verbundenen und geordneten – Glieder der katholischen Kirche gegangen.
Welche Realität der katholischen Kirche tritt also auf diesem Weg zur Heiligkeit zutage? Es ist vor allem die Kirche, die – durch und aus dem ewigen und universalen Rom – über die Grenzen von Raum und Zeit hinausblickt und ihr eigenes Bewußtsein formt, indem sie sich am Felsen Petri verankert. Nur dann sind wir wirklich innerhalb der katholischen Kirche. Und wir werden die Botschaft Christi nicht verbiegen zugunsten einer Welt, die mit Christus und seiner heiligen Kirche nur wenig gemein hat.
Und wir laufen dann auch nicht Gefahr – wie es sich zum Beispiel in letzter Zeit womöglich im Zusammenhang mit dem erwähnten „synodalen Prozeß“ andeutet –, in Gesprächen ständig den Heiligen Geist zu „bemühen“, sodaß man fast meinen könnte, es gebe Leute, die „wohl ständig seinen Namen auf den Lippen führen, deren Glaube an ihn jedoch sehr trüb ist“ (Leo XIII., Enzyklika Divinum illud munus, 9. Mai 1897).
Übersetzung: Giuseppe Nardi
Bild: Wikicommons