Sagt mir warum! Eine scharfe Kritik an den Liturgie-Reformern

Klären wir das jetzt ein für alle Mal


Wie kann man erklären, gar rechtfertigen, was alles durch die liturgischen Veränderungen verlorengegangen ist?
Wie kann man erklären, gar rechtfertigen, was alles durch die liturgischen Veränderungen verlorengegangen ist?

Antho­ny Eso­len, Dozent, Über­set­zer und Autor (zu sei­nen Büchern zäh­len unter ande­rem Out of the Ashes: Rebuil­ding Ame­ri­can Cul­tu­re, Nost­al­gia: Going Home in a Home­l­ess World sowie zuletzt The Hundred­fold: Songs for the Lord) ist Distin­gu­is­hed Pro­fes­sor am Tha­les Col­lege und betreibt die Inter­net­sei­te Word and Song.
Bei The Catho­lic Thing, einer US-ame­ri­ka­ni­schen Online-Publikation,veröffentlichte er eine eben­so poin­tier­te wie pro­vo­ka­ti­ve und lei­den­schaft­li­che Kri­tik am Ver­lust des lit­ur­gi­schen Erbes. Die Gläu­bi­gen wer­den im Novus Ordo lit­ur­gisch und geist­lich ent­wur­zelt, so Eso­len, weil die Lit­ur­gie zu viel an Tie­fe, Schön­heit, Ehr­furcht, Sym­bo­lik und Geschich­te ver­lo­ren hat. Die heu­ti­gen For­men wür­den immer fla­cher, bana­ler, emo­tio­nal ober­fläch­li­cher oder femi­ni­sier­ter. Kir­chen­räu­me sei­en zuneh­mend funk­tio­nal, pro­fan und leer an Sym­bo­lik, statt hei­lig. Der Autor for­dert daher von den Ver­ant­wort­li­chen eine ehr­li­che Aus­ein­an­der­set­zung mit den sich auf­drän­gen­den Fra­gen, von denen er eini­ge for­mu­liert.
Die Ver­öf­fent­li­chung fällt zeit­lich mit dem von Kar­di­nal Ger­hard Mül­ler bei Papst Leo XIV. depo­nier­ten Desi­de­rat zusam­men, daß es drin­gend einer Ent­schei­dung zu Tra­di­tio­nis cus­to­des bedürfe:

Nur zu: Möge alles Verborgene ans Licht kommen

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Von Antho­ny Esolen

Bischof Micha­el Tho­mas Mar­tin von Char­lot­te hat mit sei­ner Anord­nung, wenn ich mir eine Meta­pher erlau­ben darf, daß der Vetus Ordo nur noch in einer bestimm­ten Besen­kam­mer in Swann­a­noa zele­briert wer­den darf, Schlag­zei­len gemacht. Es scheint auch, daß er eini­ge der Merk­ma­le des über­lie­fer­ten latei­ni­schen Ritus ver­bie­ten woll­te, die auch tra­di­ti­ons­be­wuß­te Men­schen, die den Novus Ordo besu­chen, bevor­zu­gen, wie z. B. das Knien zum Kom­mu­nion­emp­fang oder das Beten ad ori­en­tem mit Blick auf den auf­er­stan­de­nen Chri­stus. Nach der Auf­re­gung um letz­te­res – nicht aber um erste­res – hat Mar­tin einen Rück­zie­her gemacht und ver­si­chert, daß es kei­ne gro­ßen Ände­run­gen geben wird – zumin­dest bis Oktober.

In der Zwi­schen­zeit habe ich auf der Inter­net­sei­te der Jesui­ten von Saint Lou­is einen kur­zen Arti­kel gele­sen, in dem der ehe­ma­li­ge Prie­ster Bob Duf­ford beschreibt, wie sehr er als Jun­ge Hol­ly­wood-Musi­cals lieb­te und Rod­gers und Ham­mer­stein sowie Ler­ner und Loe­we als sei­ne wich­tig­sten Ein­flüs­se nennt.
Das habe ich mir auch gedacht. Die in der Mes­se übli­che „Folk“-Musik hat weder in der Melo­die noch im Text etwas mit irgend­ei­ner Volks­tra­di­ti­on irgend­wo auf der Welt zu tun. Sol­che Lie­der wie Duf­fords „Like a She­p­herd“ oder Dan Schuttes „Here I Am“ sind Show­me­lo­dien. Sie sind weder ver­gleich­bar mit dem mit­tel­al­ter­li­chen Cho­ral oder dem schot­ti­schen Psal­ter, noch mit den von Bach bear­bei­te­ten luthe­ri­schen Kir­chen­lie­dern, den ame­ri­ka­ni­schen Erweckungs­lie­dern oder den eng­li­schen Weihnachtsliedern.

Volks­me­lo­dien sind oft von ein­dring­li­cher Schön­heit: Picar­dy („Let All Mor­tal Fle­sh Keep Silence“), Sla­ne („Be Thou My Visi­on“), St. Eli­sa­beth („Jesus, the Very Thought of Thee“). Sie kön­nen von Men­schen jeden Alters und bei­der­lei Geschlechts gemein­sam gesun­gen wer­den. Sie sind nicht für Soli­sten gedacht. Sie wei­sen kei­ne bizar­ren Tem­pi und selt­sa­men Inter­val­le auf. Ihre Tex­te bestehen aus Stro­phen mit erkenn­ba­rer Struk­tur. Sie sind daher leicht zu merken.

Show­me­lo­dien! Es ist, als ob wir alle für die Mes­se eine Adap­ti­on von „I Feel Pret­ty“ aus der West Side Sto­ry oder von dem schwül­sti­gen und nar­ziß­ti­schen „Climb Every Moun­tain“ aus The Sound of Music sin­gen sollten.

Einer der häu­fig­sten Kri­tik­punk­te am Novus Ordo, so wie er zele­briert wird, ist jedoch genau die­ser Hang zum Nar­ziß­mus, mit ein wenig Ver­weich­li­chung als Wür­ze und einer bizar­ren Sorg­lo­sig­keit dar­über, ob die Gemein­de als gan­zes – Män­ner und Frau­en, Jun­gen und Mäd­chen – die­se Show-Melo­dien sin­gen kann oder sich die Mühe machen wird, es zu versuchen.

Las­sen Sie uns also den Kampf um die Ein­zel­hei­ten auf­neh­men. Ich besu­che den Novus Ordo; mei­ne Grün­de sind pri­vat. Aber ich bin gespannt dar­auf, wie die­je­ni­gen, die den alten Ritus ver­ab­scheu­en, ver­su­chen wer­den, jede Ände­rung und jede neue lit­ur­gi­sche Gewohn­heit zu recht­fer­ti­gen, eine nach der andern.

Neh­men wir an, jemand sagt: „Ich neh­me am alten Ritus teil, weil ich am Ende jedes Hoch­am­tes das Schluße­van­ge­li­um hören möch­te.“ Wel­che Ant­wort gibt es dar­auf? War­um wur­de das unterdrückt?

Oder: „Der alte lit­ur­gi­sche Kalen­der macht für mich mehr Sinn und hilft mir, mei­ne Tage zu ord­nen. Dazu gehört die Zeit der Epi­pha­nie, die der neue Ritus abge­schafft hat, und die Sep­tuage­si­ma. Sie umfaßt auch die Pfingst­ok­tav. War­um ver­dient die­ser Geburts­tag der Kir­che nicht zusam­men mit Weih­nach­ten und Ostern sei­ne Oktav?“
Wel­che Ant­wort gibt es dar­auf? Wie recht­fer­tigt man den abrup­ten Sprung von der gewöhn­li­chen Zeit zur Fasten­zeit, ohne Vor­be­rei­tung? Wie recht­fer­tigt man die­se Her­ab­stu­fung von Pfingsten?

Oder: „Der Mensch ist ver­bun­den durch das, was ihn über­steigt. Im alten Ritus füh­le ich mich nicht gesprä­chig. Das hebe ich mir für nach der Mes­se auf. Aber ich füh­le eine star­ke Ver­bun­den­heit mit den Men­schen, die neben mir knien, wäh­rend wir auf das Sakra­ment war­ten. Ich kann ihre Gesich­ter sehen. Ich muß mir kei­ne Sor­gen machen, daß ich ihnen auf die Füße trete.“

Ich möch­te auch die­se Stil­le, die­se Momen­te, in denen ich nichts ande­res tue, als mich dar­auf vor­zu­be­rei­ten, mei­nen Erlö­ser zu emp­fan­gen. War­um soll Schlan­ge­ste­hen wie bei McDonald’s bes­ser sein als Knien?

Holen wir die Gesang­bü­cher her­vor. Betrach­ten wir die Tex­te bei Tages­licht. Man erklä­re: War­um soll­ten Her­aus­ge­ber alte Lie­der moder­ni­sie­ren, indem sie [die alten eng­li­schen Per­so­nal­pro­no­men] „thou“ und „thee“ raus­wer­fen, wenn wir die­se doch ohne­hin in unse­ren lieb­sten Gebe­ten verwenden?

Selbst tra­di­ti­ons­be­wuß­te Katho­li­ken haben kaum eine Vor­stel­lung davon, wie häu­fig, radi­kal und gram­ma­ti­ka­lisch und poe­tisch unge­schickt sol­che Ände­run­gen waren. Schau­en wir uns an, wie die Gedich­te ursprüng­lich waren. Sehen wir, wel­che Stro­phen weg­ge­las­sen wur­den. Schau­en wir, wel­che Art von Hym­nen die Chri­sten zu sin­gen pfleg­ten. Wir sehen, daß gan­ze Berei­che des christ­li­chen Lebens gestri­chen wurden.

Her­aus­ge­ber, Lit­ur­gen, Musik­di­rek­to­ren – zeigt mir auch nur ein ein­zi­ges eurer Lieb­lings­lie­der, das sich im gering­sten an Män­ner (und nicht nur an Män­ner) als Kämp­fer rich­tet. Abge­se­hen von For All the Saints, das wegen des Fei­er­tags über­lebt hat – und selbst das wird oft „ent­mannt“. Kurz­um: Es gibt kein einziges.

Neh­men wir an, jemand sagt: „Ich bevor­zu­ge Latein für das Sanc­tus und das Agnus Dei in der Novus-Ordo-Mes­se wäh­rend der Advents­zeit, der Fasten­zeit, der Weih­nachts­zeit und der Oster­zeit, und ich möch­te mich dabei nicht auf den Gesang beschrän­ken müs­sen, der frü­her für Requi­em-Mes­sen ver­wen­det wur­de. Sagt mir, war­um eigent­lich alles immer auf Eng­lisch sein muß. Erklärt mir auch, wie die­se stän­di­ge Beto­nung auf Eng­lisch jene Men­schen beru­hi­gen soll, die gar kein Eng­lisch spre­chen oder es nur schlecht beherr­schen. Oder wollt ihr mir sagen, daß Jesus nie­mals die Psal­men auf Hebrä­isch gele­sen oder gesun­gen hat, son­dern nur in der Volks­spra­che Aramäisch?“

Und so weiter.

Sagt mir, war­um die­se Filz-Ban­ner nicht den Ein­druck ver­mit­teln, daß die Mes­se wie ein Kin­der­gar­ten wirkt.

Sagt mir, wie ihr jun­ge Män­ner für das Prie­ster­amt begei­stern wollt, wenn ihr den Prie­ster mit Mini­stran­tin­nen umgebt.

Sagt mir, war­um das tri­ni­ta­ri­sche Kyrie gekürzt wer­den mußte.

Sagt mir, war­um wir bei der Wand­lung kei­ne Glocken läu­ten sollen.

Sagt mir, war­um wir die alten Stu­fen­ge­be­te strei­chen muß­ten, mit die­sem gewal­ti­gen Vers: „Ich will zum Alta­re Got­tes tre­ten, zu Gott, der mich erfreut von Jugend auf.“

Sagt mir, war­um ich Bob Duf­ford dem hei­li­gen Ambro­si­us vor­zie­hen sollte.

Sagt mir, war­um ich nicht ermu­tigt wer­den darf, Ehr­furcht zu empfinden.

Sagt mir, war­um kein Raum in der Kir­che als hei­lig emp­fun­den wer­den darf.

Nur zu, ver­su­chet es.

Legt los. Wie vie­le Katho­li­ken wis­sen über­haupt noch, was das Schluße­van­ge­li­um war oder das Asper­ges? Oder haben schon ein­mal „O Salu­t­a­ris Hostia“ gesun­gen? Klä­ren wir das jetzt ein für alle Mal.

Einleitung/​Übersetzung: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: MiL/​FSSP (Screen­shot)

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