„Ich finde, die Kirchen benehmen sich schäbig“

Die Kirchenhierarchie versagt in der Coronakrise. Und was ist mit den Gemeinschaften der Tradition?


Selbst Roland Tichy ist aufgefallen, daß sich die Kirche "schäbig" benimmt.
Selbst Roland Tichy ist aufgefallen, daß sich die Kirche "schäbig" benimmt.

Am Drit­ten Advents­sonn­tag leg­te Roland Tichy den Fin­ger in die Wun­de. Auch damit hat er bewie­sen, inmit­ten von Lücken- und Lügen­pres­se die Ehre des Jour­na­lis­mus zu ret­ten. Im Video­ge­spräch 5 vor 12 mit Achim Win­ter sag­te er:

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„Ich fin­de, die Kir­chen, bei­de gro­ßen, die evan­ge­li­sche wie die katho­li­sche Kir­che, beneh­men sich schä­big. Sie ver­ra­ten ihre Her­kunft. Es waren immer die Kir­chen, oder vor allem die katho­li­sche Kir­che zunächst, dann auch die ande­ren, par­ti­el­len Kir­chen, es gibt da ja vie­le, die­se Kir­chen waren immer die Kir­chen der Aus­ge­grenz­ten. Das waren die Kir­chen der Armen, der Skla­ven, der Frau­en, der Unter­drück­ten. Und die Prie­ster sind zu den Pest­kran­ken gegan­gen, das muß man sich vor­stel­len, und die Prie­ster sind auf die Schlacht­fel­der gegan­gen, und die Prie­ster sind – Kol­be – in die KZs gegan­gen, mit ihren Gläu­bi­gen. Und heu­te sper­ren sie die Kran­ken, die Müh­se­li­gen, die Bela­de­nen aus.“

Was Tichy aus­spricht, ist nicht nur eine ern­ste Anfra­ge. Es ist eine Ankla­ge. Selbst ihm, dem Libe­ra­len, fällt auf, wie die Kir­che versagt.

  • In Ber­lin wer­den Obdach­lo­se ohne 3G-Nach­weis nicht mehr in die Bahn­hö­fe gelas­sen. Der Staat sperrt sie aus, jetzt, mit­ten im Win­ter. Wo aber ist die Kirche?
  • In Öster­reich betreibt die Cari­tas „Wär­me­stu­ben“, Orte für ein kurz­zei­ti­ges Unter­kom­men, zum Auf­wär­men, für eine Mahl­zeit. Der Zutritt ist aber nur mehr mit eCard und 2G-Nach­weis gestattet. 

Sieht die Kirche die Not nicht mehr?

Was Tichy wahr­nimmt, muß jeden Gläu­bi­gen ent­set­zen. Die Wohl­fahrt ist ein Urele­ment der Kir­che. Die staat­li­che Wohl­fahrt kam erst viel spä­ter, aus dem Chri­sten­tum her­aus. Die täti­gen Wer­ke der Barm­her­zig­keit waren immer unei­gen­nüt­zig, viel­fach spon­tan, manch­mal pre­kär, denn sie sind ein Anruf an das Gewis­sen des Ein­zel­nen. Sie sind Aus­druck der Näch­sten­lie­be und damit der Got­tes­lie­be. Es wur­de nicht nach dem Wer, Woher und War­um gefragt, nicht nach Freund oder Feind. Wenn jemand Hun­ger hat­te, wur­de er gespeist. Das ist katho­lisch. Durch die Cari­tas wur­de das in jüng­ster Zeit pro­fes­sio­na­li­siert, durch­or­ga­ni­siert, aber auch anony­mi­siert und distan­ziert. Die dabei erfolg­te Ver­schrän­kung mit dem Staat und sei­ner büro­kra­ti­sier­ten Art des (poli­ti­sier­ten) Ver­sor­gungs­den­kens erweist sich als ansteckend und unge­sund. In Coro­na-Zei­ten ist sie gera­de­zu toxisch.

Die Coro­na-Büro­kra­ten über­schat­ten mit ihrer Eng­stir­nig­keit sogar die Armen­spei­sung. Und die Kir­che macht mit. Sie sieht die Not nicht mehr. Sie sieht nicht die Not der Men­schen, die unter staat­li­cher Repres­si­on und arro­gan­ter Bevor­mun­dung lei­den. Sie sieht nicht den Grund­rechts­ent­zug. Sie sieht nicht, wie das Gemein­we­sen von oben zum Kip­pen gebracht wird. Sie sieht nicht die Not derer, die sich durch die dro­hen­de Impf­pflicht auch phy­sisch bedroht sehen. Sie sieht nicht ein­mal die Not der Obdach­lo­sen mehr.

Wenn sie das heu­te alles nicht sieht, was sieht sie dann noch, wenn die Kir­che erst offen ver­folgt wird?

Wo sind die Gemeinschaften der Tradition?

Tichys Vor­wurf trifft nicht nur die kirch­li­che Hier­ar­chie und ihren Appa­rat. Sie trifft auch die Gemein­schaf­ten der Tra­di­ti­on, die Eccle­sia-Dei-Gemein­schaf­ten wie die Pius­bru­der­schaft. Die wert­vol­len Aus­nah­men unter den Prie­stern, es könn­ten eini­ge nament­lich genannt wer­den, bestä­ti­gen die Regel. Wo aber sind die ande­ren wäh­rend der Woche? Sie zele­brie­ren, ver­wal­ten die Sakra­men­te und pre­di­gen am Sonn­tag, das ist sehr gut. 

Prie­ster haben aber Vor­bild­wir­kung. Wenn die staat­li­chen und kirch­li­chen Wohl­fahrts­ein­rich­tun­gen ver­sa­gen, war­um ver­su­chen nicht wenig­stens die Gemein­schaf­ten der Tra­di­ti­on ein­zu­sprin­gen? Zumin­dest dort, wo es mög­lich ist? Auch für die Gläu­bi­gen an den Meß­or­ten des über­lie­fer­ten Ritus und für mit ihnen ver­bun­de­ne Men­schen guten Wil­lens wür­den sich wich­ti­ge Mög­lich­kei­ten auf­tun, in die­ser schwie­ri­gen Zeit sinn­vol­le und wert­vol­le Arbeit zu lei­sten. Die Bereit­schaft ist da. War­um nicht eine Sup­pen­kü­che aufmachen?

Vie­le Prie­ster schei­nen statt­des­sen in ihren Häu­sern ver­bar­ri­ka­diert. Sie war­ten, daß die Gläu­bi­gen zu den Mes­sen kom­men. Sie gehen ihnen nicht ent­ge­gen. Sie suchen sie nicht. Was ist aus dem Mis­si­ons­ge­dan­ken gewor­den? Auch in der Tra­di­ti­on scheint das staat­lich oder bischöf­lich ver­häng­te Ver­bot öffent­li­cher Mes­sen man­chen Obe­ren nicht wirk­lich gestört zu haben. Einer mein­te sogar, es sei ihnen [den Prie­stern die­ser tra­di­tio­nel­len Gemein­schaft] egal, wenn die Kir­chen und Kapel­len geschlos­sen wer­den. Die Prie­ster könn­ten ja pri­vat und ohne Gläu­bi­ge zele­brie­ren. Des­halb müs­se man unein­ge­schränkt den staat­li­chen Coro­na­maß­nah­men nicht nur zustim­men, son­dern ihnen auch mit Eifer Fol­ge lei­sten. Die fak­tisch zur Tür hin­aus­kom­pli­men­tier­ten Gläu­bi­gen, die das hör­ten, waren entsetzt.

Wer antwortet auf die Heidenangst, wenn es nicht die Kirche tut?

Wegen Coro­na sind vie­le Staats­füh­run­gen in Hei­den­angst erstarrt. Die Bedeu­tung die­ses Begriffs war in die­ser Gene­ra­ti­on nie greif­ba­rer als jetzt. Außer Zusper­ren, Aus­sper­ren, Ein­sper­ren fällt ihnen nichts ein. Sie ver­sa­gen dort, wo sie han­deln müß­ten, und set­zen auf ein „Wun­der­mit­tel“, das sie „erlö­sen“ soll. Big­Phar­ma war gleich zur Stel­le, um im Gegen­zug für das größ­te Geschäft sei­ner Geschich­te ein sol­ches Mit­tel zu ver­spre­chen. Um auf die­ses zu war­ten, wur­de viel kost­ba­re Zeit ver­geu­det, und als das „Wun­der­mit­tel“ end­lich da war, ent­pupp­te es sich als Versager. 

Die Kran­ken aber läßt man im Stich. Man schickt sie seit bald zwei Jah­ren in Qua­ran­tä­ne und läßt sie von der Poli­zei über­wa­chen. Von der Poli­zei läßt man ver­ur­teil­te Ver­bre­cher über­wa­chen, aber nicht Kran­ke. Hilft die Poli­zei einem Kran­ken? Ist Qua­ran­tä­ne eine The­ra­pie zur Gene­sung? Man sperrt die Men­schen im Klar­text zu Hau­se ein ohne irgend­ei­ne Hil­fe, irgend­ei­nen Hin­weis, was sie nun für ihre Gene­sung tun soll­ten oder könn­ten. Wenn sie gesund wer­den, wird das vom Staat büro­kra­tisch abge­hakt, zählt aber nichts. Gene­se­ne wer­den über­haupt oder spä­te­stens nach sechs Mona­ten diskriminiert. 

Wer nicht gesund wird, son­dern mehr erkrankt, sodaß er schließ­lich hos­pi­ta­li­siert wer­den muß, wird von den­sel­ben Regie­ren­den als Vor­wand miß­braucht, um wegen der „Über­la­stung der Spi­tä­ler“ noch mehr Repres­si­on gegen das gan­ze Volk aus­zu­üben. Dabei gab es von Anfang an Medi­ka­men­te, mit deren Hil­fe in der Qua­ran­tä­ne­zeit even­tu­ell auf­tre­ten­de Pro­ble­me recht­zei­tig abge­wehrt wer­den kön­nen. Die Regie­ren­den wol­len das aber nicht. Vie­le Coro­na­to­te gehen daher direkt auf ihre Rech­nung. Bischö­fe und Moral­theo­lo­gen schau­en weg. Schlim­mer. Sie zie­hen mit den Regie­run­gen an einem Strang. Die Regie­run­gen woll­ten die Kir­che ver­stricken und die Kir­chen­hier­ar­chie ließ sich bereit­wil­lig ver­stricken. Sie seg­net das ver­hee­ren­de Ver­sa­gen der Coro­na-Poli­tik und die Repres­si­on der Regie­ren­den ab. Und sie kopiert sie auch in der Dia­log­ver­wei­ge­rung. Auf Anfra­gen reagie­ren Bischö­fe, Moral­theo­lo­gen und Obe­re ent­we­der gar nicht oder her­ab­las­send. Bei­des ist Zei­chen der Arro­ganz. Das schlech­te Bei­spiel kommt dabei von Papst Fran­zis­kus selbst. Das ent­schul­digt ande­re Hier­ar­chen aber nicht.

Seit das Ver­sa­gen der gen­ma­ni­pu­lie­ren­den Covid-Prä­pa­ra­te offen­kun­dig wur­de, wen­den die Regie­ren­den noch mehr Ener­gie zur Mei­nungs­kon­trol­le und zur Ver­tu­schung ihres Ver­sa­gens auf. Das treibt sie zu einer zuneh­men­den Eska­la­ti­on der Wor­te und Maß­nah­men. Das ist die grau­sa­me Rea­li­tät der Coro­na-Poli­tik. Und die Kir­che befin­det sich im Tiefschlaf.

Sie könn­te der Hei­den­angst die Heils­bot­schaft Jesu Chri­sti ent­ge­gen­set­zen, tut es aber nicht. Sie hat sich an den Rock­zip­fel des Staa­tes gehängt und ist, von ihm hyp­no­ti­siert, in die glei­che Schock­star­re gefallen.

Ange­sichts des Ver­sa­gens staat­li­cher Sozi­al­ein­rich­tun­gen steht die Fra­ge im Raum, ob der kirch­li­che Umgang mit den Obdach­lo­sen nicht teils schon sünd­haf­tes Ver­hal­ten ist.

Tichys fas­sungs­lo­se Tat­sa­chen­fest­stel­lung ist ein Weck­ruf an die Kir­che, eben­so an die Gemein­schaf­ten der Tra­di­ti­on, aus dem Tief­schlaf auf­zu­wa­chen, sich auf ihren Mis­si­ons­auf­trag zu besin­nen und die täti­gen Wer­ke der Näch­sten­lie­be zu prak­ti­zie­ren, unei­gen­nüt­zig und ohne Vor­lei­stung. Was ihre Pflicht ist – Gott ist in Sei­ner Ord­nung wun­der­bar –, ist ohne­hin zugleich eine Chan­ce. Die Chan­ce zu evan­ge­li­sie­ren, allein aus dem sehn­li­chen und lie­ben­den Wunsch her­aus, daß man selbst, aber auch der Näch­ste geret­tet wird.

Text: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Tichys Einblick/​Youtube (Screen­shot)

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