Der heilige Erzengel Michael siegt über die Mächte der Hölle

Maria, die Frau, die der Schlange den Kopf zertritt, und Michael, der Fürst der himmlischen Heerscharen


Das Heiligtum des Erzengels Michael über der Clusa Langobardorum im Piemont.
Das Heiligtum des Erzengels Michael über der Clusa Langobardorum, der Langobardischen Klause, im Piemont.

Von Cri­sti­na Siccardi*

Anzei­ge

Am 29. Sep­tem­ber wird in der Lit­ur­gie der Kir­che des hei­li­gen Erz­engels Micha­el gedacht. Der Micha­els­kult kam aus dem Osten nach Rom und hat­te sei­nen Ursprung an der Via Sala­ria, wo sich an der Mei­le VII eine berühm­te Basi­li­ka aus dem 5. Jahr­hun­dert befand, die dem Für­sten der himm­li­schen Heer­scha­ren gegen die dämo­ni­schen Kräf­te geweiht war. Das älte­ste Doku­ment, das die latei­ni­sche Ver­eh­rung des Erz­engels Micha­el am 29. Sep­tem­ber bezeugt und sich aus­drück­lich auf die­se Basi­li­ka bezieht, stammt aus dem 5. Jahr­hun­dert: Es han­delt sich um das Hie­ro­ny­mi­sche Mar­ty­ro­lo­gi­um. Der Liber Pon­ti­fi­ca­l­is fügt hin­zu, daß Papst Sym­ma­chus (498–514) „die Basi­li­ka des Erz­engels Micha­el ver­grö­ßer­te, eine Trep­pe errich­te­te und sie mit Was­ser ver­sorg­te“. Die Micha­els­ba­si­li­ka wird auch im Sacra­men­ta­ri­um Leo­nia­num erwähnt, das auf die Mit­te des 6. Jahr­hun­derts zurückgeht.

Im 7. Jahr­hun­dert wird im Rei­se­be­richt De Locis Sanc­tis zur Via Sala­ria die St. Micha­els-Kir­che an der VII. Mei­le die­ser Stra­ße erwähnt und in der Liste der von den Pil­gern regel­mä­ßig besuch­ten Kir­chen Roms ange­führt. Den histo­ri­schen Quel­len zufol­ge wur­de jedoch ab dem zwei­ten Vier­tel des 9. Jahr­hun­derts, als die Ver­eh­rung in der durch himm­li­sche Wei­he ent­stan­de­nen Basi­li­ka des Erz­engels Micha­el auf dem gleich­na­mi­gen Berg am Gar­ga­no in Apu­li­en zum Durch­bruch kam, die Kir­che an der Sala­ria auf­ge­ge­ben. Sie ver­fiel und wur­de nach und nach von der Vege­ta­ti­on über­wu­chert, bis sich ihre Spu­ren ver­lo­ren. 1996 wur­de die Basi­li­ka jedoch bei Kon­so­li­die­rungs­ar­bei­ten an einer klei­nen Vil­la von der Abtei­lung für Archäo­lo­gi­sche Güter des Denk­mal­am­tes der Stadt Rom wiederentdeckt.

Die anti­ke Kir­che Sanc­ti Michae­lis Arch­an­ge­li bestand aus drei lan­gen, par­al­le­len Berei­chen, wobei der zen­tra­le Bereich domi­nier­te und die Kir­chen­schif­fe durch zwei Säu­len­rei­hen geteilt waren. Die Basi­li­ka war in der ori­en­ta­li­schen Tra­di­ti­on mit typisch byzan­ti­ni­schen Maßen errich­tet. Das im Haupt­schiff gefun­de­ne Mosa­ik stammt aus den Jah­ren 380–450, also aus dem 4./5. Jahrhundert.

Die Wei­he der römi­schen Micha­els­ba­si­li­ka erfolg­te am 29. Sep­tem­ber. An die­sem Tag gedenkt die Kir­che der drei Erz­engel Micha­el, Gabri­el und Rapha­el gemein­sam. Die Hei­li­ge Schrift offen­bart ihre gemein­sa­me Rol­le: Tag und Nacht die­nen sie Gott und ver­herr­li­chen Ihn unab­läs­sig, indem sie Sein Ant­litz betrach­ten. Die pil­gern­de Kir­che auf Erden ist, beson­ders wäh­rend des hei­li­gen Altar­op­fers, mit den Heer­scha­ren der Engel ver­bun­den, die die Herr­lich­keit Got­tes im himm­li­schen Jeru­sa­lem besingen.

Der Erz­engel Micha­el ist in Euro­pa mit mit­tel­al­ter­li­chen Klö­stern, die ihm gewid­met sind, maje­stä­tisch prä­sent. Vom Nor­den bis zum Süden Euro­pas – in Ita­li­en befin­den sich zwei der bedeu­tend­sten Michaels­hei­lig­tü­mer: die Sacra di San Miche­le über der Clu­sa Lan­go­bar­dorum, der Lan­go­bar­di­schen Klau­se am Ein­gang zur Val di Susa im Pie­mont, und die Himm­li­sche Basi­li­ka am Mon­te San­t’An­ge­lo auf dem Gar­ga­no – macht der Erz­engel, der mit sei­nen Legio­nen gegen Satan und des­sen Jani­tscha­ren kämpft, sei­nen Schutz durch einen sym­bo­li­schen Flug von einem Ende des Ter­ri­to­ri­ums zum ande­ren spür­bar. Die­ser Micha­els­flug erin­nert an einen ande­ren Flug, dies­mal phy­sisch, der Sta­tue Unse­rer Lie­ben Frau von Fati­ma, die vor 62 Jah­ren aus Por­tu­gal kam. Zu dan­ken war das der muti­gen Initia­ti­ve von Pater Gabrie­le Amor­th (1925–2016), dem berühm­ten Exor­zi­sten, der, wie der Vati­ka­nist Dome­ni­co Agas­so in der in die­sen Tagen ver­öf­fent­lich­ten Bio­gra­phie schreibt, die christ­de­mo­kra­ti­sche Par­tei Demo­cra­zia Cri­stia­na (DC) ver­ließ, um Pater Gia­co­mo Alber­io­ne (1884–1971), dem Grün­der der Pau­lus­fa­mi­lie, zu fol­gen und sich dann mit Leib und See­le der furcht­erre­gen­den christ­li­chen Mis­si­on des Exor­zis­mus zu wid­men, als er geru­fen wur­de, die­sen Dienst in der Diö­ze­se Rom zu übernehmen.

Die Peregri­na­tio Mariae fand damals unter gro­ßer Betei­li­gung des Vol­kes statt und war ein gro­ßer Erfolg: Unse­re Lie­be Frau von Fati­ma flog in einem Hub­schrau­ber über Ita­li­en, um alle Haupt­städ­te zu errei­chen. Ein Jesu­it, Pater Mario Mason, hat­te die from­me Initia­ti­ve vor­ge­schla­gen. Es wur­de ein Kalen­der vor­be­rei­tet und von allen Bischö­fen gebil­ligt. Pater Gabrie­le bewarb die Initia­ti­ve, bevor sie in der Ita­lie­ni­schen Bischofs­kon­fe­renz, die damals von Kar­di­nal Gia­co­mo Ler­ca­ro gelei­tet wur­de, zur Abstim­mung gestellt wur­de. Das Pro­jekt wur­de von Bischö­fen, Pfar­rern und Gläu­bi­gen begei­stert begrüßt. Die Foto­gra­fien bezeu­gen das Aus­maß und die Wir­kung, die über­all zu spü­ren war. Ihren Anfang nahm sie in der Stadt Nea­pel am 25. April 1959. Die Flü­ge wur­den bis zum Ende des Som­mers und mit der Wei­he Ita­li­ens an das Unbe­fleck­te Herz Mari­ens am 13. Sep­tem­ber in der Stadt Cata­nia fort­ge­setzt. Ein oder zwei Tage blieb die Sta­tue in jeder Stadt, dann ging es wei­ter zu einer ande­ren Etap­pe: Es war ein unglaub­li­ches Kunst­stück, das alle wich­ti­gen Orte Ita­li­ens ein­be­zog. Die Sta­tue wur­de von applau­die­ren­den und beweg­ten Men­schen­men­gen emp­fan­gen. Es gab auch zwei unvor­her­ge­se­he­ne Auf­ent­hal­te, die von Pater Amor­th gewünscht und durch­ge­führt wur­den: einen bei Pater Pio in San Gio­van­ni Roton­do, des­sen geist­li­cher Sohn er war, und einen bei Pater Alber­io­ne im Hei­lig­tum Regi­na Apo­sto­lorum der Pau­lus­fa­mi­lie in Rom. Am 5. August 1959 gelang­te die Sta­tue zu Pater Pio auf den Gar­ga­no. Für Pater Amor­th, wie er sel­ber sagen soll­te, wur­de die­se maria­ni­sche Rei­se zum schön­sten Aben­teu­er sei­nes Lebens.

Mil­lio­nen von Men­schen hat­ten der maria­ni­schen Initia­ti­ve ihre Ehr­furcht bezeugt und Bei­fall gespen­det. Bei vie­len hat­te das Ereig­nis den Glau­ben wie­der auf­le­ben las­sen. Aber alles wur­de sofort und über­ra­schend zum Schwei­gen gebracht, als ob die Fein­de der katho­li­schen Fröm­mig­keit bei den höch­sten Hier­ar­chien der Kir­che vor­stel­lig gewor­den wären. Als Pater Amor­th der Ita­lie­ni­schen Bischofs­kon­fe­renz vor­schlug, eine Publi­ka­ti­on über die fan­ta­sti­schen Tage vor­zu­be­rei­ten, an denen die Pfar­rer und das gläu­bi­ge Volk in so gro­ßer Zahl teil­ge­nom­men hat­ten, erhielt er eine unmiß­ver­ständ­li­che Ableh­nung. „Sie woll­ten nichts mehr davon hören“, wie er selbst sagte.

War­um so viel Feind­se­lig­keit nach so einer wun­der­ba­ren Ernte?

Unse­re Lie­be Frau von Fati­ma war, wie wir wis­sen, mit dem berühm­ten und dra­ma­ti­schen Drit­ten Geheim­nis ver­bun­den, das 1960 ent­hüllt wer­den soll­te… Unse­re Lie­be Frau von Fati­ma war unmit­tel­bar davor von Por­tu­gal nach Ita­li­en gekom­men und hat­te ihren seli­gen Odem gebracht, der Ver­stand und Her­zen erleuch­ten hät­te kön­nen. Doch ande­re fie­ber­ten einem „neu­en Pfing­sten“ der Kir­che ent­ge­gen und so wur­de die Got­tes­mut­ter zum Schwei­gen gebracht. Bereits 1957 hat­te der Hei­li­ge Stuhl Schwe­ster Lucia dos San­tos ange­wie­sen, den Text des Drit­ten Geheim­nis­ses nach Rom zu schicken und ins­ge­samt zur gan­zen Sache abso­lu­tes Schwei­gen zu wah­ren. Wir schrei­ben das Jahr 1959: Das Zwei­te Vati­ka­ni­sche Kon­zil stand vor der Tür und öff­ne­te die Tore der Kir­che zur Welt für den „Dia­log“ mit allen, mit allen, außer mit ihrer eige­nen Ver­gan­gen­heit und ihrer Tra­di­ti­on, die auch aus Fröm­mig­keit besteht. Die Fröm­mig­keit wur­de jedoch von Athe­isten, Säku­la­ri­sten, Pro­te­stan­ten, Kom­mu­ni­sten und Moder­ni­sten miß­bil­ligt. Die neue öku­me­ni­sche und uni­ver­sa­le Theo­lo­gie, die im Begriff war, das Zwei­te Vati­ka­ni­sche Kon­zil zu durch­drin­gen, hielt Andachts­übun­gen für gefähr­lich, weil sie ein Vor­zim­mer des Aber­glau­bens seien…

1984, 25 Jah­re spä­ter, kam Pater Gabrie­le auf das The­ma zurück: Es war sein Wunsch, daß die Kir­che in irgend­ei­ner Wei­se den 25. Jah­res­tag jenes fan­ta­sti­schen Jah­res 1959 begeht, als die Mater Pere­gri­na über Ita­li­en geflo­gen war und der Nati­on ihren müt­ter­li­chen Schutz ange­bo­ten hat­te. Er sprach mit dem neu­en Vor­sit­zen­den der Ita­lie­ni­schen Bischofs­kon­fe­renz, dem Kar­me­li­ten Ana­sta­sio Bal­le­stre­ro, aber „er war ganz dage­gen, weil die Zur­schau­stel­lung der Fröm­mig­keit für ihn ein Alp­traum war. Er sag­te, das sei eine Form von Devo­tio­nis­mus, und lehn­te daher alle mei­ne Vor­schlä­ge ab, die ich der Bischofs­kon­fe­renz gemacht hat­te. Des­halb rühr­te sich nie­mand, und der Jah­res­tag blieb unge­hört“. So ist es in der neu­en Bio­gra­phie wie­der­ge­ge­ben, die dem bekann­ten Exor­zi­sten gewid­met ist, der nicht nur an die Exi­stenz Satans glaub­te, son­dern ihn mit der Kraft der Jung­frau Maria bekämpf­te, mit der ihn eine tie­fe kind­li­che Lie­be ver­band. Der pau­li­ni­sche Pater begnüg­te sich damit, ein Büch­lein über das Ereig­nis als Anlei­tung für die Pre­dig­ten der Pfar­rer im Monat Mai zu ver­fas­sen, eine Publi­ka­ti­on, die rei­ßen­den Absatz fand und immer wie­der in neu­en Auf­la­gen nach­ge­druckt wer­den mußte.

Die Micha­els­ba­si­li­ka, das älte­ste Hei­lig­tum des Erz­engels im Abend­land (im Bild nicht dar­ge­stellt), befand sich an der Via Sala­ria nörd­lich von Rom.

Der 13. Sep­tem­ber 1959 und der 29. Sep­tem­ber 2021 sind zwei Daten, die wir uns mer­ken soll­ten, denn die Got­tes­mut­ter und der Erz­engel Micha­el sind die Sie­ger gegen die Mäch­te der Unter­welt, einer Unter­welt, die sich in unse­rer Zeit mit gro­ßem Getö­se mani­fe­stiert inmit­ten einer völ­li­gen Unkennt­nis der Tra­gö­die der Tod­sün­den, die an den See­len nagen, die der Ver­zweif­lung und der Fäul­nis über­las­sen wer­den. Sie wer­den dem Satan aus­ge­lie­fert, damit er sie dem Erlö­ser ent­reißt und mit sich nimmt.

*Cri­sti­na Sic­car­di, Histo­ri­ke­rin und Publi­zi­stin, zu ihren jüng­sten Buch­pu­bli­ka­tio­nen gehö­ren „L’inverno del­la Chie­sa dopo il Con­ci­lio Vati­ca­no II“ (Der Win­ter der Kir­che nach dem Zwei­ten Vati­ka­ni­schen Kon­zil. Ver­än­de­run­gen und Ursa­chen, 2013); „San Pio X“ (Der hei­li­ge Pius X. Das Leben des Pap­stes, der die Kir­che geord­net und refor­miert hat, 2014); „San Fran­ces­co“ (Hei­li­ger Fran­zis­kus. Eine der am mei­sten ver­zerr­ten Gestal­ten der Geschich­te, 2019).

Von der Autorin zuletzt veröffentlicht:

Über­set­zung: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Cor­ri­spon­den­za Romana/​Wikicommons/​MiL

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