Bald Seligsprechungsverfahren für Benedikt XVI.?

Interview von Msgr. Georg Gänswein über drei Päpste


Erzbischof Georg Gänswein, am Freitag von Leo XIV. empfangen, spricht in einem Interview über die drei Päpste, denen er diente.
Erzbischof Georg Gänswein, am Freitag von Leo XIV. empfangen, spricht in einem Interview über die drei Päpste, denen er diente.

Erz­bi­schof Georg Gäns­wein, Apo­sto­li­scher Nun­ti­us in den drei bal­ti­schen Repu­bli­ken und frü­he­rer per­sön­li­cher Sekre­tär von Papst Bene­dikt XVI., wur­de am ver­gan­ge­nen Frei­tag, dem 12. Dezem­ber, von Papst Leo XIV. in Audi­enz emp­fan­gen. Heu­te ver­öf­fent­lich­te die römi­sche Tages­zei­tung Il Tem­po ein aus­führ­li­ches Inter­view mit dem ehe­ma­li­gen deut­schen Kuri­en­erz­bi­schof, der nach dem Tod des deut­schen Kir­chen­ober­haup­tes von Papst Fran­zis­kus aus dem Vati­kan ent­fernt wur­de und heu­te dem Diplo­ma­ti­schen Corps des Vati­kans ange­hört. In dem Inter­view gewährt er Ein­blicke in die letz­ten Jah­re des 2013 über­ra­schend zurück­ge­tre­te­nen deut­schen Pap­stes, an des­sen Sei­te Gäns­wein bis zu sei­nem Tod ver­blieb. Er spricht aber auch über Papst Fran­zis­kus und über sei­ne ersten Ein­drücke von Leo XIV. Dabei ist zu berück­sich­ti­gen, daß ein noch im akti­ven Dienst ste­hen­der Beam­ter über sei­ne direk­ten Dienst­her­ren spricht. Das Inter­view führ­te Fran­ces­co Capozza.

„Meine Wahrheit über drei Päpste“

Anzei­ge

Über Bene­dikt XVI. berich­tet Msgr. Gäns­wein, der 1995 an die Römi­sche Kurie beru­fen wur­de und 1996 unter Kar­di­nal­prä­fekt Joseph Ratz­in­ger an die Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on wech­sel­te, daß der deut­sche Papst beson­de­ren Wert auf die Lit­ur­gie leg­te: Bei der Pla­nung der Ope­ra Omnia sei­ner Schrif­ten soll­te der erste Band nicht Theo­lo­gie oder Ekkle­sio­lo­gie, son­dern die Lit­ur­gie behan­deln – ein kla­res Signal für die Prio­ri­tät, die Bene­dikt der hei­li­gen Fei­er des Got­tes­dien­stes einräumte.

Auch über die Pre­dig­ten des eme­ri­tier­ten Pap­stes gibt Gäns­wein Ein­blicke: Zwi­schen 2013 und 2018, als Bene­dikts Stim­me schwä­cher wur­de, wur­den sei­ne Sonn­tags­an­spra­chen heim­lich auf­ge­zeich­net, um sie für die Nach­welt zu bewah­ren. Die­se Auf­zeich­nun­gen bil­den die Grund­la­ge für die jüngst ver­öf­fent­lich­ten Bän­de der Bene­dikt-Pre­dig­ten, dar­un­ter „Gott ist die wah­re Wirk­lich­keit“, der die zen­tra­le Bot­schaft sei­nes Lebens zusammenfaßt.

Dar­über hin­aus hebt Erz­bi­schof Gäns­wein die pro­phe­ti­sche Weit­sicht Bene­dikts XVI. her­vor. Bereits 1958 warn­te Ratz­in­ger vor der fort­schrei­ten­den Säku­la­ri­sie­rung Euro­pas; sei­ne 2004 gehal­te­ne Lec­tio Magi­stra­lis über den „Selbst­haß Euro­pas“ ist auch heu­te von bedrücken­der Aktualität.

Bene­dikts Lie­be zur Musik, ins­be­son­de­re zur Kir­chen­mu­sik, und sei­ne Sor­ge um die Lit­ur­gie unter­strei­chen die kul­tu­rel­le und geist­li­che Dimen­si­on sei­nes Pon­ti­fi­kats. „Die Lit­ur­gie war für ihn ein Zei­chen der Ehr­erbie­tung gegen­über Gott“, betont Msgr. Gänswein.

Franziskus: schwieriger Anfang, spätere Anerkennung

Über Fran­zis­kus äußert Gäns­wein sich zurück­hal­tend, was ange­sichts sei­ner aktu­el­len Stel­lung wenig ver­wun­dert. Er schil­dert jedoch die Här­te des anfäng­li­chen Umgangs mit ihm nach Bene­dikts Tod. (sie­he dazu Erz­bi­schof Gäns­wein wur­den alle vati­ka­ni­schen Bezü­ge gestri­chen, auch Aka­de­mi­scher Fest­akt in Madrid abge­sagt – weil Erz­bi­schof Georg Gäns­wein spre­chen soll­te). Rück­blickend sieht er die Ernen­nung zum Nun­ti­us als Ver­söh­nungs­ge­ste: „Papst Fran­zis­kus hat ent­schie­den, mir eine Auf­ga­be zu über­tra­gen. Das war ein wich­ti­ger Schritt.“

Die diplo­ma­ti­sche Arbeit in den bal­ti­schen Staa­ten, die Gäns­wein nun lei­tet, sei beson­ders ange­sichts der Nähe zu Ruß­land eine Her­aus­for­de­rung. Den­noch beschreibt er die katho­li­schen Bevöl­ke­rung Litau­ens, aber auch die katho­li­schen Min­der­hei­ten Lett­lands und Est­lands als „ent­schlos­sen und widerstandsfähig“.

Leo XIV.: ein neuer Ton im Petrusamt

Sei­ne ersten Ein­drücke vom neu­en Papst Leo XIV. fal­len knapp aus, sei­en aber „sehr posi­tiv“, so der deut­sche Vati­kan­di­plo­mat. Msgr. Gäns­wein lobt die kla­re Rück­kehr der Chri­sto­zen­trik in Pre­dig­ten und Anspra­chen und die Aus­strah­lung von Ruhe und Frieden. 

Der Sei­ten­hieb gilt unaus­ge­spro­chen dem argen­ti­ni­schen Papst, in des­sen Anspra­chen und Doku­men­te die Erwäh­nung Jesu Chri­sti auf­fäl­lig sel­ten erfolg­te. Msgr. Gäns­wein geht auf die Fra­ge nicht näher ein, doch war­fen Kri­ti­ker Fran­zis­kus vor, durch das Ver­schwei­gen Chri­sti die Grund­la­ge für die soge­nann­ten „Abra­ha­mi­ti­schen Reli­gio­nen“ vor­be­rei­tet zu haben, also eine gemein­sa­me „welt­re­li­giö­se“ Grund­la­ge von Juden­tum, Chri­sten­tum und Islam. Und die­se mög­li­cher­wei­se nur als Etap­pe auf dem Weg zu einer Welt­ein­heits­re­li­gi­on, wie man­che behaupteten.

Seligsprechnung Benedikts XVI.?

Abschlie­ßend gibt Erz­bi­schof Gäns­wein bekannt, daß er bereits Zeug­nis­se über angeb­li­che Wun­der durch die Für­bit­te Bene­dikts XVI. sam­melt. Ein offi­zi­el­les Ver­fah­ren zur Selig­spre­chung sei zwar noch nicht eröff­net, doch der ehe­ma­li­ge Sekre­tär lei­te­te die Samm­lung der Unter­la­gen selb­stän­dig ein
– in Über­ein­stim­mung mit der Pra­xis der Hei­lig­spre­chungs­pro­zes­se, wie er betont.

Msgr. Gäns­wein setzt damit den ersten Schritt, um ein Kano­ni­sie­rungs­ver­fah­ren ein­zu­lei­ten. Tat­säch­lich ist das Grab Bene­dikts XVI. in den Vati­ka­ni­schen Grot­ten das Ziel zahl­rei­cher Pil­ger, die ihre Ver­bun­den­heit mit dem Ober­hir­ten der Jah­re 2005 bis 2013 zum Aus­druck brin­gen. Dies geschieht, obwohl im Hei­li­gen Jahr der Zugang durch die Len­kung von Pil­ger- und Besu­cher­strö­men im Peters­dom ver­wir­rend und ein­schrän­kend ist. Das Gegen­teil gilt für das Grab von Fran­zis­kus. In San­ta Maria Mag­gio­re wer­den die Pil­ger­strö­me so gelenkt, daß die Hei­li­ge Pfor­te der ein­zi­ge Zugang zu die­ser Patri­ar­chal­ba­si­li­ka ist und die Pil­ger oder Tou­ri­sten gezielt zum Grab von Fran­zis­kus gelenkt wer­den. Jemand im Vati­kan ver­folgt damit eine bestimm­te Absicht. Dadurch wird eine „Ver­eh­rung“ erzeugt, die es unge­lenkt so nicht gäbe.

Text: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Il Tem­po (Screen­shot)

Anzei­ge

Hel­fen Sie mit! Sichern Sie die Exi­stenz einer unab­hän­gi­gen, kri­ti­schen katho­li­schen Stim­me, der kei­ne Gel­der aus den Töp­fen der Kir­chen­steu­er-Mil­li­ar­den, irgend­wel­cher Orga­ni­sa­tio­nen, Stif­tun­gen oder von Mil­li­ar­dä­ren zuflie­ßen. Die ein­zi­ge Unter­stüt­zung ist Ihre Spen­de. Des­halb ist die­se Stim­me wirk­lich unabhängig.

Katho­li­sches war die erste katho­li­sche Publi­ka­ti­on, die das Pon­ti­fi­kat von Papst Fran­zis­kus kri­tisch beleuch­te­te, als ande­re noch mit Schön­re­den die Qua­dra­tur des Krei­ses versuchten.

Die­se Posi­ti­on haben wir uns weder aus­ge­sucht noch sie gewollt, son­dern im Dienst der Kir­che und des Glau­bens als not­wen­dig und fol­ge­rich­tig erkannt. Damit haben wir die Bericht­erstat­tung verändert.

Das ist müh­sam, es ver­langt eini­ges ab, aber es ist mit Ihrer Hil­fe möglich.

Unter­stüt­zen Sie uns bit­te. Hel­fen Sie uns bitte.

Vergelt’s Gott!

 




 

Hinterlasse jetzt einen Kommentar

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.


*