Keine Religion besitzt die Wahrheit? – Eine Antwort auf den Relativismus

Die Wahrheit ist Person – daher gibt es keine Gleichheit der Religionen


Kardinal Cristóbal López Romero SDB formulierte aus, was Papst Franziskus in seinem Pontifikat vorbereitet hatte: Die Selbstdemontage des Wahrheitsanspruchs, den Jesus Christus der Kirche anvertraute
Kardinal Cristóbal López Romero SDB formulierte aus, was Papst Franziskus in seinem Pontifikat vorbereitet hatte: Die Selbstdemontage des Wahrheitsanspruchs, den Jesus Christus der Kirche anvertraute

Anläß­lich des 60. Jah­res­ta­ges der Kon­zils­er­klä­rung Nost­ra Aet­a­te ver­öf­fent­lich­te der aus Spa­ni­en stam­men­de Kar­di­nal Cri­stó­bal López Rome­ro, Erz­bi­schof von Rabat, eine Stel­lung­nah­me zum inter­re­li­giö­sen Dia­log, die für deut­li­che theo­lo­gi­sche Irri­ta­ti­on sorgt. Und dar­an erin­nert, wie Papst Fran­zis­kus die Nach­fol­ger der Apo­stel auswählte.

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In sei­ner Refle­xi­on erklärt der Kar­di­nal aus dem Sale­sia­ner­or­den, den Papst Fran­zis­kus 2019 in den Kar­di­nals­rang erhob, Chri­sten müß­ten „den fal­schen Gegen­satz zwi­schen wah­rer und fal­scher Reli­gi­on“ auf­ge­ben, weil „kei­ne Reli­gi­on die Wahr­heit besit­zen kön­ne – viel­mehr besitzt die Wahr­heit uns“. Die­se For­mu­lie­rung klingt zunächst wie ein Aus­druck von Demut und Offen­heit. Doch unter der Ober­flä­che ver­birgt sich eine Aus­sa­ge, die das Fun­da­ment des christ­li­chen Glau­bens in Fra­ge stellt.

Das Chri­sten­tum bekennt kei­nen vagen „Glau­ben an das Gött­li­che“, son­dern den leben­di­gen Gott, der sich in der Geschich­te offen­bart hat. In Jesus Chri­stus ist die Wahr­heit selbst Mensch gewor­den: „Ich bin der Weg, die Wahr­heit und das Leben“ (Joh 14,6). Wer behaup­tet, kei­ne Reli­gi­on kön­ne die Wahr­heit besit­zen, wider­spricht damit der zen­tra­len Bot­schaft des Evan­ge­li­ums, wonach Gott sich in Chri­stus ein für alle­mal mit­ge­teilt hat. Der Glau­be der Kir­che besteht nicht in einer mensch­li­chen Suche nach dem Gött­li­chen, son­dern in der gött­li­chen Initia­ti­ve, die den Men­schen begeg­net. Wahr­heit ist für den Chri­sten kein phi­lo­so­phi­sches Ide­al, son­dern eine Person.

Der Hin­weis des Kar­di­nals – der auch durch Papst Leo XIV. bereits geehrt wur­de, indem in die­ser im Juni zum Mit­glied des zum Mit­glied des Dik­aste­ri­ums für die Insti­tu­te geweih­ten Lebens und für die Gesell­schaf­ten apo­sto­li­schen Lebens ernann­te –, auf den angeb­li­chen „Feh­ler“ zwi­schen wah­rer und fal­scher Reli­gi­on zu unter­schei­den, steht somit im kras­sen Gegen­satz zur bestän­di­gen Leh­re des kirch­li­chen Lehr­am­tes. Schon das Zwei­te Vati­ka­ni­sche Kon­zil rief in Nost­ra Aet­a­te, dem viel­leicht umstrit­ten­sten Kon­zils­do­ku­ment, zwar zur Ach­tung und zum Dia­log mit ande­ren Reli­gio­nen auf, doch aus­drück­lich, ohne den Wahr­heits­an­spruch des Chri­sten­tums zu rela­ti­vie­ren. Es erkann­te in ande­ren reli­giö­sen Tra­di­tio­nen ledig­lich „Samen des Wor­tes“ – Hin­wei­se auf das gött­li­che Wir­ken, das in Chri­stus sei­ne Fül­le erreicht. Die­se pasto­ra­le Öff­nung, die als Ein­la­dung zur Wahr­heits­su­che in der Leh­re der Kir­che gedacht war, aller­dings nicht die erhoff­ten Früch­te brach­te, darf nicht als theo­lo­gi­sche Gleich­set­zung aller Reli­gio­nen miß­ver­stan­den werden.

Sech­zig Jah­re nach der Ver­öf­fent­li­chung von Nost­ra Aet­a­te scheint jedoch genau dies in man­chen kirch­li­chen Krei­sen gesche­hen zu sein. Damit wäre Nost­ra Aet­a­te als kata­stro­pha­les Eigen­tor bestä­tigt, als das es Kri­ti­ker schon immer gese­hen hat­ten. Aus dem legi­ti­men Bemü­hen um Ver­stän­di­gung ist man­cher­orts offen­sicht­lich ein offe­ner Rela­ti­vis­mus gewor­den, der alle Reli­gio­nen als glei­cher­ma­ßen gül­ti­ge Wege zu Gott betrach­tet. Unter Schlag­wor­ten wie „uni­ver­sa­le Brü­der­lich­keit“ oder „Ethik des Frie­dens“ wird die christ­li­che Wahr­heit in ein huma­ni­sti­sches Ide­al umge­deu­tet, das den Anspruch der gött­li­chen Offen­ba­rung ver­wäs­sert. Damit droht das Chri­sten­tum zu einem rein hori­zon­ta­len Pro­jekt der Mensch­heits­ver­bes­se­rung zu ver­kom­men – einer Reli­gi­on der Tole­ranz ohne Transzendenz.

Aller­dings: Wen wun­dert die­se Ent­wick­lung, nach­dem das berg­o­glia­ni­sche Pon­ti­fi­kat von genau die­ser Rela­ti­vie­rung des Wahr­heits­an­spruchs der Kir­che geprägt war? Es genügt an das erste Video vom Papst zu erin­nern, in dem ande­re Reli­gio­nen als gleich­wer­tig mit Jesus Chri­stus ins Bild gesetzt wur­den. Oder an das von Fran­zis­kus in Abu Dha­bi unter­zeich­ne­te Doku­ment über die Brü­der­lich­keit aller Men­schen, in dem die „Häre­sie aller Häre­si­en“ zu Papier gebracht ist.

Die­ser moder­ne Rela­ti­vis­mus hat jedoch nicht nur theo­lo­gi­sche, son­dern auch logi­sche Schwä­chen. Wer sagt, „kei­ne Reli­gi­on besitzt die Wahr­heit“, erhebt damit selbst einen abso­lu­ten Wahr­heits­an­spruch, und den gleich über alle Reli­gio­nen – und wider­spricht sich somit selbst. Der Satz ist in sich wider­sprüch­lich: Er bean­sprucht uni­ver­sa­le Gel­tung, wäh­rend er genau die­se Mög­lich­keit leug­net. Außer­dem zer­stört er jede Grund­la­ge des Glau­bens. Wenn alle Reli­gio­nen gleich wahr oder gleich unwahr sind, ver­liert der Glau­be sei­nen Sinn. Die Offen­ba­rung wird dann zu blo­ßer kul­tu­rel­ler Sym­bol­spra­che, und die Per­son Chri­sti zu einer Figur unter vielen.

Das kirch­li­che Lehr­amt hat wie­der­holt vor die­ser Gefahr gewarnt. In der Erklä­rung Domi­nus Iesus (2000) bekräf­tig­te Kar­di­nal Joseph Ratz­in­ger mit Zustim­mung von Papst Johan­nes Paul II., daß „es gegen den Glau­ben wäre zu mei­nen, die Kir­che sei eine unter vie­len Heils­we­gen“. Die Kir­che glaubt, daß sie durch den Wil­len Chri­sti das uni­ver­sa­le Sakra­ment des Heils ist. Das bedeu­tet nicht, daß Gott außer­halb der sicht­ba­ren Gren­zen der Kir­che nicht wir­ken kön­ne – wohl aber, daß die Fül­le der Wahr­heit und des Heils nur in Chri­stus und in sei­ner Kir­che gege­ben ist, da Gott sich die Kir­che als Sein Instru­ment dafür geschaf­fen hat.

Die Hal­tung des Kar­di­nals, der in einem über­wie­gend mus­li­mi­schen Land den inter­re­li­giö­sen Dia­log pflegt, mag von diplo­ma­ti­schen Rück­sich­ten geprägt sein. Doch gera­de dort, wo Chri­sten in der Min­der­heit leben, bedarf es einer kla­ren und muti­gen Ver­kün­di­gung des Evan­ge­li­ums, nicht einer Ver­ne­be­lung sei­ner Wahr­heit. Der Dia­log mit ande­ren Reli­gio­nen ist not­wen­dig, aber er darf nie­mals zur Selbst­auf­ga­be füh­ren. Dia­log ist kein Ersatz für Mis­si­on, son­dern deren Ver­län­ge­rung in den Raum der Begegnung.

Die Äuße­run­gen des Kar­di­nals wer­fen auch die Fra­ge nach den Ernen­nun­gen von Fran­zis­kus auf: Er hat­te López 2017 zum Erz­bi­schof von Rabat ernannt und ihn zwei Jah­re spä­ter in das Kar­di­nals­kol­le­gi­um auf­ge­nom­men. Die Din­ge gesche­hen nicht wie eine Art Natur­er­eig­nis, son­dern weil jemand, einer oder meh­re­re Men­schen, es so will. Dafür gibt es einer per­sön­li­che Verantwortung.

Zudem: Wah­re Tole­ranz bedeu­tet nicht, die Wahr­heit zu ver­schwei­gen, son­dern sie in Lie­be zu bezeu­gen. Die christ­li­che Ver­kün­di­gung ist kei­ne Über­heb­lich­keit, son­dern Aus­druck gött­li­cher Barm­her­zig­keit: Gott will, daß alle Men­schen geret­tet wer­den und zur Erkennt­nis der Wahr­heit gelan­gen (1 Tim 2,4). Die­se Wahr­heit hat einen Namen – Jesus Christus.

Die Kir­che kann daher den Rela­ti­vis­mus nicht akzep­tie­ren, ohne ihre Iden­ti­tät zu ver­ra­ten. Wenn Chri­stus nur „eine“ Wahr­heit unter ande­ren wäre, dann wäre sein Kreuz sinn­los, die Auf­er­ste­hung ein Mythos und die Mis­si­on ein Miß­ver­ständ­nis. Schon der Apo­stel Pau­lus sprach dies offen aus. Doch er wuß­te, daß Chri­stus nicht einer von vie­len Wegen ist – Er ist der Weg. Dar­um bleibt es die Auf­ga­be der Kir­che, die­se Wahr­heit mit Demut, aber auch mit Klar­heit zu bezeugen.

Wäh­rend in man­chen west­li­chen Bischofs­re­si­den­zen, aber offen­bar auch in Rom, die Ver­su­chung gege­ben scheint, die Wahr­heit aus diplo­ma­ti­schen Grün­den zu ver­schwei­gen, bezeu­gen Chri­sten in vie­len Tei­len der Welt die­se Wahr­heit mit ihrem Leben – und mit ihrem Blut. Ihr Zeug­nis erin­nert die Kir­che dar­an, daß die Wahr­heit nicht ver­han­del­bar ist. Sie ist kein Besitz, den man aus poli­ti­scher Klug­heit tei­len oder ver­ber­gen könn­te, son­dern ein Geschenk Got­tes, das die Gläu­bi­gen ergreift und verwandelt.

Der reli­giö­se Rela­ti­vis­mus erscheint äußer­lich als Frie­dens­pro­jekt, ist aber in Wahr­heit ein sanf­ter Ver­rat an der Offen­ba­rung. Denn eine „Brü­der­lich­keit“ ohne Chri­stus mag freund­lich klin­gen, doch sie grün­det auf Sand. Nur die Wahr­heit, die in Lie­be ver­kün­det wird, kann wirk­lich befrei­en – und die­se Wahr­heit ist, war und bleibt Jesus Chri­stus, der Herr.

Text: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Wiki­com­mons

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Die­se Posi­ti­on haben wir uns weder aus­ge­sucht noch sie gewollt, son­dern im Dienst der Kir­che und des Glau­bens als not­wen­dig und fol­ge­rich­tig erkannt. Damit haben wir die Bericht­erstat­tung verändert.

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