Die „Corredemptrix“ zur Zeit Papst Johannes Pauls II.

Kardinal Cottier: "Maria ist in einzigartiger Weise Miterlöserin"


Maria Miterlöserin, ein Marientitel, der seit Jahrhunderten in Verwendung ist
Maria Miterlöserin, ein Marientitel, der seit Jahrhunderten in Verwendung ist

Von Pater Pao­lo M. Siano*

Anzei­ge

Unter dem Pon­ti­fi­kat Johan­nes Pauls II. (1978–2005) kam es zu einer kraft­vol­len Wie­der­be­le­bung der theo­lo­gi­schen Mit­er­lö­sungs-Bewe­gung (movi­men­to cor­re­den­zio­ni­sta).

In der Zeit­schrift La Civil­tà Cat­to­li­ca (Bd. II, 1980, S. 218–230) erklärt P. Jean Galot in sei­nem Auf­satz Maria e la libe­ra­zio­ne dell’umanità („Maria und die Befrei­ung der Menschheit“):

„Der Titel Cor­re­den­tri­ce (Mit­erlö­se­rin) soll­te kei­nen Anstoß erre­gen, denn er bedeu­tet ‚Mit­hel­fe­rin an der Erlö­sung‘. Man muß zuge­ben, daß in gewis­sem Sinn die gan­ze Kir­che mit­erlö­send ist, daß die Chri­sten Mit­erlö­ser sind, inso­fern sie beru­fen sind, an dem Werk des Heils mit­zu­wir­ken. In Anspie­lung auf sei­ne apo­sto­li­sche Tätig­keit zöger­te der hei­li­ge Pau­lus nicht zu schrei­ben: Wir sind Got­tes Mit­ar­bei­ter (1 Kor 3,9)“ (S. 229f).

Galot fährt fort:

„Doch Maria ist Mit­erlö­se­rin in einem ein­zig­ar­ti­gen Sinn; sie hat nicht nur an der Anwen­dung der von Chri­stus gewirk­ten Erlö­sungs­früch­te auf die Mensch­heit mit­ge­wirkt. Obwohl sie selbst an der erlö­sen­den Gna­de Chri­sti Anteil hat­te, arbei­te­te sie unmit­tel­bar an der Voll­brin­gung des erlö­sen­den Opfers mit. […] Ohne hier in die Ein­zel­hei­ten der Dis­kus­si­on ein­zu­tre­ten, beschrän­ken wir uns auf die Fest­stel­lung, daß alle Hin­wei­se der Evan­ge­li­en­tex­te auf eine müt­ter­li­che Mit­wir­kung Mari­ens an dem gesam­ten Erlö­sungs­werk und an der Geburt der Kir­che hin­wei­sen. Indem der Christ Maria als Mit­erlö­se­rin und Mut­ter der Kir­che anruft, grün­det er sei­ne Hal­tung auf die­se wesent­li­che Offen­ba­rung.“ (S. 230)

Nun also zu Papst Johan­nes Paul II. – selig­ge­spro­chen von Papst Bene­dikt XVI. im Jahr 2011 und hei­lig­ge­spro­chen von Papst Fran­zis­kus im Jahr 2014 –, der wäh­rend sei­nes lan­gen Pon­ti­fi­kats Maria sie­ben­mal aus­drück­lich Cor­re­demptrix („Mit­erlö­se­rin“) nann­te, also mehr als dop­pelt so oft wie Papst Pius XI., der die­sen Titel drei­mal gebrauchte.

1) Gene­ral­au­di­enz, Mitt­woch, 10. Dezem­ber 1980: Der Papst nennt Maria „die Miterlöserin“.

2) Gene­ral­au­di­enz, Mitt­woch, 8. Sep­tem­ber 1982: „Maria, obwohl ohne Makel der Erb­sün­de emp­fan­gen und gebo­ren, hat in wun­der­ba­rer Wei­se an den Lei­den ihres gött­li­chen Soh­nes teil­ge­nom­men, um Mit­erlö­se­rin der Mensch­heit zu sein.“

3) Ange­lus, Sonn­tag, 4. Novem­ber 1984: Der Hei­li­ge Vater nennt die Jung­frau wie­der­um „die Miterlöserin“.

4) Pre­digt im Hei­lig­tum Nue­stra Seño­ra de la Alb­ora­da, Gua­ya­quil (Ecua­dor), 31. Janu­ar 1985: „Die mit­erlö­sen­de Rol­le Mari­ens ende­te nicht mit der Ver­herr­li­chung des Sohnes.“

5) Ange­lus am Palm­sonn­tag, 31. März 1985: Er spricht von „Maria, der Miterlöserin“.

6) Anspra­che an die Pil­ger des Ope­ra Fede­ra­ti­va Tra­s­por­to Ammala­ti a Lour­des (OFTAL), Sams­tag, 24. März 1990: „Maria, die hei­lig­ste Jung­frau, Mit­erlö­se­rin des Men­schen­ge­schlech­tes an der Sei­te ihres Soh­nes, schen­ke euch immer Mut und Ver­trau­en! Es beglei­te euch auch mein Segen, den ich euch nun von Her­zen erteile!“

7) Ange­lus, Sonn­tag, 6. Okto­ber 1991: „Wie ent­schei­dend war die Gegen­wart der aller­se­lig­sten Jung­frau auf dem aske­ti­schen und mis­sio­na­ri­schen Weg der hei­li­gen Bri­git­ta! […] Bri­git­ta schau­te auf Maria als auf ihr Vor­bild und ihre Stüt­ze in den ver­schie­de­nen Augen­blicken ihres Lebens. Mit Nach­druck ver­kün­de­te sie das gött­li­che Vor­recht der unbe­fleck­ten Emp­fäng­nis Mari­ens. Sie betrach­te­te ihre wun­der­ba­re Sen­dung als Mut­ter des Erlö­sers, rief sie an als die Unbe­fleck­te, die Schmer­zens­rei­che und die Mit­erlö­se­rin, und pries ihre ein­zig­ar­ti­ge Rol­le in der Heils­ge­schich­te und im Leben des christ­li­chen Volkes.“

Der Papst hat Maria zudem mehr­fach mit gleich­wer­ti­gen Titeln bezeich­net, die ihrem Rang als Cor­re­demptrix ent­spre­chen.

In sei­nem Apo­sto­li­schen Schrei­ben „A Con­ci­lio Con­stan­ti­no­po­li­ta­no I“ (25. März 1981) spricht er von der

„Got­tes­mut­ter, der ersten Mit­ar­bei­te­rin der Macht des Allerhöchsten“.

Beim Ange­lus vom 21. August 1983 nennt er sie

„Mut­ter und Mit­ar­bei­te­rin des Erlösers“.

In der Gene­ral­au­di­enz vom 7. Dezem­ber 1994 erklärt er:

„Maria ist Mit­ar­bei­te­rin des Hei­les geworden.“

In der Gene­ral­au­di­enz vom 24. Janu­ar 1996:

„Maria ist Mit­ar­bei­te­rin des Erlösers.“

In der Gene­ral­au­di­enz vom 18. Dezem­ber 1996:

„Maria ist die treue Mit­ar­bei­te­rin des Soh­nes für das Heil des Menschengeschlechtes.“

In der Gene­ral­au­di­enz vom 9. April 1997:

„Maria, die ein­zig­ar­ti­ge Mit­ar­bei­te­rin der Erlösung.“

Im Jahr 1984 ver­öf­fent­lich­te der Ver­lag Casa Maria­na Madon­na del Buon Con­siglio in Fri­gen­to (Avel­li­no) das Buch La San­tis­si­ma Ver­gi­ne. Note di mario­lo­gia e rifles­sio­ni maria­ne („Die Hei­lig­ste Jung­frau. Mario­lo­gi­sche Noti­zen und maria­ni­sche Betrach­tun­gen“) des Kar­di­nals Pie­tro Palazzini (1912–2000). Dar­in heißt es:

„Da es gewiß ist, daß die Jung­frau mit dem Erlö­ser an der Ret­tung der Welt mit­ge­wirkt hat, ist anzu­neh­men, daß sie auch an jener Königs­wür­de Anteil hat, die sich der Sohn durch sein Blut erwor­ben hat. Die Mit­er­lö­sung ist ein neu­er Titel ihrer uni­ver­sa­len Königs­herr­schaft. […] Von dem Augen­blick an, da sie an der Sei­te ihres Soh­nes stand, in ihrer Auf­nah­me in den Him­mel, übt Maria, indem sie die Früch­te der Mit­er­lö­sung sam­melt, ihre uni­ver­sa­le Königs­herr­schaft über die Erlö­sten und über die Welt aus, deren Geschick mit dem der See­len soli­da­risch ver­bun­den ist (Röm 8, 19–22)“ (S. 60).

Maria ist:

  • „die neue Eva (die Mit­erlö­se­rin), gege­ben dem neu­en Adam (dem Erlö­ser)“ (S. 189),
  • „Mit­erlö­se­rin des Men­schen­ge­schlech­tes, Spen­de­rin aller gött­li­chen Gna­den, unver­gleich­li­ches Vor­bild unse­res Lebens“ (S. 191),
  • „Mit­erlö­se­rin, socia pas­sio­nis“ – Genos­sin der Lei­den (S. 163).

Wei­ter schreibt Palazzini:

„Chri­stus, der sich selbst für alle dahin­ge­ge­ben hat und für die Erlö­sung der Welt kei­ner mensch­li­chen Mit­ar­beit irgend­ei­nes Geschöp­fes bedurf­te, ist der ein­zi­ge voll­kom­me­ne Mitt­ler zwi­schen Gott und den Men­schen (vgl. 1 Tim 2,5); den­noch hat dies nicht ver­hin­dert, daß er sei­ne Mut­ter mit sich ver­band als unter­ge­ord­ne­te Mit­erlö­se­rin des Men­schen­ge­schlech­tes. Es ist eine unter den Theo­lo­gen immer all­ge­mei­ne­re Leh­re, daß man neben die­ser uni­ver­sa­len, auf­stei­gen­den Mitt­ler­schaft Mari­ens auch eine uni­ver­sa­le, abstei­gen­de Mitt­ler­schaft anneh­men muß. Denn es ist höchst ange­mes­sen, daß die Gna­den, die Maria gemein­sam mit Jesus ver­dient hat, nicht ohne ihr Zutun ver­teilt wer­den. […] Maria ist also wahr­haft Mitt­le­rin aller Gna­den; und da ihre Mitt­ler­schaft gänz­lich von der Chri­sti abhängt, bringt sie deren Wert und Frucht­bar­keit umso deut­li­cher zum Leuch­ten“ (S. 229).

In den 1980er Jah­ren fin­den wir Bezü­ge zur Mit­erlö­se­rin in eini­gen Arti­keln im Osser­va­to­re Roma­no. Am 24. April 1985 fand in der Late­ran­ba­si­li­ka ein Gebets­tref­fen zur Wie­der­gut­ma­chung wegen des blas­phe­mi­schen Films von Jean-Luc Godard „Je vous salue, Marie“ statt. In der Aus­ga­be des Osser­va­to­re Roma­no vom 24. April 1985 (S. 1f) beklagt der Jour­na­list Rai­mon­do Manzini die­sen got­tes­lä­ster­li­chen Film und ver­tei­digt die Ehre der selig­sten Jung­frau Maria, die er „Mut­ter Got­tes und der Men­schen, Mit­erlö­se­rin des Men­schen­ge­schlech­tes“ nennt (zit. nach: Miles Imma­cu­la­tae, Jahr XXII, Heft I–II, Januar–Juni 1986, S. 147).

In der Aus­ga­be des Osser­va­to­re Roma­no vom 24. Mai 1985, S. 3, fin­det sich in einem Arti­kel über das musi­ka­li­sche Genie Mozarts eine Anspie­lung auf „die mario­lo­gi­sche Leh­re, von der Unbe­fleck­ten Emp­fäng­nis bis zur gött­li­chen Mut­ter­schaft, von der Jung­fräu­lich­keit bis zur geist­li­chen Mut­ter­schaft, bis hin zur Mit­er­lö­sung, zur Auf­nah­me in den Him­mel, zur Mitt­ler­schaft und zur Königs­wür­de Mari­ens“ (zit. nach: Miles Imma­cu­la­tae, Heft I–II, 1986, S. 173).

In der Aus­ga­be des Osser­va­to­re Roma­no vom 30. Mai 1985, S. 3, wird in einem Arti­kel über die Dar­stel­lung der Madon­na in der ita­lie­ni­schen Dich­tung vom 14. Jahr­hun­dert bis in die Gegen­wart auf die aller­se­lig­ste Jung­frau Maria als „Mit­erlö­se­rin an der Sei­te des Erlö­sers“ bezug­ge­nom­men (zit. nach: Miles Imma­cu­la­tae, Heft I–II, 1986, S. 177).

Am 8. März 1988 erklär­te die Abge­ord­ne­te Rosa Jer­vo­li­no, Mini­ste­rin für Sozia­le Ange­le­gen­hei­ten (1987–1992), beim Kon­greß im Hei­lig­tum der Gött­li­chen Lie­be (San­tua­rio del Divi­no Amo­re, Rom) mit dem The­ma „Das Enga­ge­ment der Frau in Kir­che und Gesell­schaft an der Schwel­le zum Jahr 2000“:

„Wir erken­nen in Maria die Mit­erlö­se­rin des Men­schen­ge­schlech­tes, das höch­ste Bei­spiel für den Wert und die Wür­de der Frau, und ihrem Bei­stand, in kind­li­cher Lie­be, ver­trau­en wir unser Wir­ken an.“ (Miles Imma­cu­la­tae, Jahr XXV, Heft I–II, Januar–Juni 1989, S. 217)

Im Jahr 1993 ver­öf­fent­lich­te Mark I. Mira­val­le, ein Laie und außer­or­dent­li­cher Pro­fes­sor für Theo­lo­gie und Mario­lo­gie an der Fran­ciscan Uni­ver­si­ty of Steu­ben­ville (Ohio, USA), mit dem Impri­matur von Bischof Gil­bert Shel­don, Bischof von Steu­ben­ville, das Büch­lein „Mary: Core­demptrix, Media­trix, Advo­ca­te“ („Maria, Mit­erlö­se­rin, Mitt­le­rin, Für­spre­che­rin“), gewid­met „Papst Johan­nes Paul II. und den Bischö­fen der Welt­kir­che“ – erschie­nen bei Queen­ship Publi­shing, San­ta Bar­ba­ra, Kali­for­ni­en, USA. Beson­ders her­vor­zu­he­ben ist das Vor­wort des Buches, ein Brief von Kar­di­nal Mario Lui­gi Ciap­pi OP (1909–1996), „Eme­ri­tier­ter Päpst­li­cher Theo­lo­ge für die Päp­ste Pius XII., Johan­nes XXIII., Paul VI., Johan­nes Paul I. und Johan­nes Paul II.“, datiert auf den 5. Mai 1993, auf Brief­pa­pier mit der Auf­schrift „Der Pro-Theo­lo­ge Eme­ri­tus des Päpst­li­chen Hau­ses“. Der Brief des Kar­di­nals beginnt so: 

„Mit Freu­de und Bewun­de­rung lese ich die­se theo­lo­gi­sche Stu­die über Maria, die Mit­erlö­se­rin, Mitt­le­rin, und Für­spre­che­rin. Alles ist im Ein­klang mit der gött­li­chen Offen­ba­rung, wie sie in der Hei­li­gen Schrift des Alten und Neu­en Testa­ments ent­hal­ten ist, in der Über­lie­fe­rung der Kir­che seit der Zeit der Apo­stel und im fei­er­li­chen wie im ordent­li­chen Lehr­amt der Kir­che, bis hin zu Papst Johan­nes Paul II. und sei­ner Enzy­kli­ka ‚Redempto­ris Mater‘. […] Die Leh­re des hei­li­gen Alber­tus Magnus (heu­te wahr­schein­lich Pseu­do-Alber­tus) und des hei­li­gen Tho­mas von Aquin über die müt­ter­li­che Mit­wir­kung der jung­fräu­li­chen Mut­ter an der Erlö­sung als Mit­erlö­se­rin, Mitt­le­rin und Für­spre­che­rin hat­te gro­ßen Ein­fluß in der Kir­che. Ich tei­le die Hoff­nung von Dr. Mark Mira­val­le: ‚Mit dem tief­grei­fen­den Bei­trag unse­res der­zei­ti­gen Hei­li­gen Vaters […] zum Ver­ständ­nis des Geheim­nis­ses der Mitt­ler­schaft Mari­ens mit Chri­stus und mit der Kir­che bleibt nur noch eine letz­te Hand­lung zu voll­brin­gen, näm­lich die maria­ni­schen Rol­len der Mit­erlö­se­rin, Mitt­le­rin aller Gna­den und Für­spre­che­rin für das Got­tes­volk als gött­lich offen­bar­tes christ­li­ches Dog­ma zu ver­kün­den – zur rech­ten Ver­eh­rung der Mut­ter Jesu und zum Wohl der Kir­che Chri­sti, die eine eine, hei­li­ge, katho­li­sche und apo­sto­li­sche ist‘“ (S. IX).

In der Civil­tà Cat­to­li­ca (Bd. III, 1994) erscheint der Arti­kel „Maria Cor­re­den­tri­ce. Con­tro­ver­sie e pro­ble­mi dottri­na­li“ („Maria, die Mit­erlö­se­rin. Kon­tro­ver­sen und lehr­mä­ßi­ge Pro­ble­me“) von P. Jean Galot (S. 213–225). Dar­in erklärt Galot, daß wäh­rend des Zwei­ten Vati­ka­ni­schen Kon­zils „eini­ge eine Abnei­gung emp­fan­den oder Ein­wän­de gegen die Begrif­fe ‚Mit­er­lö­sung‘ und ‚Mit­erlö­se­rin‘ erho­ben“ (S. 213). Er fährt fort: „Doch wir kön­nen sagen, daß die Mit­wir­kung Mari­ens am erlö­sen­den Opfer im all­ge­mei­nen immer grö­ße­re Zustim­mung fin­det“ (S. 213).

Im Unter­schied zum Aus­druck „Erlö­se­rin“ birgt der Begriff „Mit­erlö­se­rin“ kei­ne sol­che Schwie­rig­keit, „denn er drückt klar eine Mit­wir­kung aus und gefähr­det nicht das sou­ve­rä­ne Han­deln Chri­sti“ (S. 214).

Maria „ist das ein­zi­ge Geschöpf, das das Vor­recht erhal­ten hat, an der Voll­endung der objek­ti­ven Erlö­sung mit­zu­wir­ken: Ihr Ja zum gött­li­chen Plan war im Moment der Ver­kün­di­gung ent­schei­dend“ (S. 217). Maria hat „direkt an der Dar­brin­gung des erlö­sen­den Opfers mit­ge­wirkt“ (S. 217).

In bezug auf die Kon­zils­tex­te Lumen gen­ti­um Nr. 56 und 61 schreibt Galot: „Ohne den Begriff ‚Mit­erlö­se­rin‘ zu ver­wen­den, legt das Kon­zil sei­ne Leh­re doch klar dar: eine Mit­wir­kung eige­ner Art, eine müt­ter­li­che Mit­wir­kung am Leben und Werk des Erlö­sers, die ihren Höhe­punkt in der Teil­nah­me am Opfer von Gol­ga­tha fin­det und auf die über­na­tür­li­che Erneue­rung der See­len aus­ge­rich­tet ist“ (S. 218). Maria ist „die Mit­erlö­se­rin“ (S. 225).

Im Jahr 1996 fand im Hei­lig­tum der Schmer­zens­mut­ter von Castel­pe­tro­so (Iser­nia) ein Sym­po­si­on über die Mit­erlö­se­rin statt, durch das die Fran­zis­ka­ner der Imma­ko­la­ta sich öffent­lich zur theo­lo­gi­schen Mit­er­lö­sungs-Bewe­gung bekann­ten. Es folg­ten wei­te­re Sym­po­si­en, Buch­rei­hen, Wer­ke und Arti­kel zugun­sten des Titels und der Leh­re von Maria als Mit­erlö­se­rin. Die­ses Enga­ge­ment, das vom Orden geschlos­sen getra­gen wur­de, dau­er­te bis zum Jahr 2013.

In dem zwi­schen dem 7. und 11. Dezem­ber 2000 in Mon­te­cas­si­no geführ­ten Inter­view mit dem Jour­na­li­sten Peter See­wald zeig­te sich Kar­di­nal Joseph Ratz­in­ger, damals Prä­fekt der Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on, lei­der sowohl dem Dog­ma als auch dem maria­ni­schen Titel „Mit­erlö­se­rin“ gegen­über ableh­nend und erklär­te sogar, „die For­mel ‚Mit­erlö­se­rin‘ wei­che zu sehr von der Spra­che der Hei­li­gen Schrift und der Kir­chen­vä­ter ab und kön­ne daher Miß­ver­ständ­nis­se her­vor­ru­fen“ (J. Ratz­in­ger: Gott und die Welt. Christ­sein im neu­en Jahr­tau­send. Ein Gespräch mit Peter See­wald, Stuttgart/​München 2000, hier zitiert nach der ital. Aus­ga­be Edi­zio­ni San Pao­lo, Cini­sel­lo Bal­sa­mo [Mai­land] 2001, S. 278).

Tat­säch­lich, wie wir wis­sen, nann­ten die Kir­chen­vä­ter Maria sogar „Erlö­se­rin“. Im Licht der theo­lo­gi­schen Tra­di­ti­on des Begriffs „Mit­erlö­se­rin“ (wie er von Theo­lo­gen, Hei­li­gen, Bischö­fen und Päp­sten gebraucht wur­de), die ich bis­lang auf­ge­zeigt habe (vgl. mei­ne frü­he­ren Arti­kel), scheint es, daß in Kar­di­nal Ratz­in­ger noch jene anti-mit­er­lö­sungs­be­zo­ge­nen Vor­ur­tei­le fort­wirk­ten, die unter den Kon­zils­vä­tern und den theo­lo­gi­schen Sach­ver­stän­di­gen deut­scher Spra­che fest ver­wur­zelt waren.

Bemer­kens­wert ist, daß im Jahr 2001 der Vati­kan­ver­lag (Libre­ria Editri­ce Vati­ca­na) die ita­lie­ni­sche Aus­ga­be von „Appel­li del mess­ag­gio di Fati­ma“ („Appel­le der Bot­schaft von Fati­ma“) von Schwe­ster Lucia veröffentlichte.

Auf Sei­te 2 ist zu lesen: „Mit der Geneh­mi­gung der Kon­gre­ga­ti­on für die Glaubenslehre.“

Das bedeu­tet, daß das Buch von eben jener Kon­gre­ga­ti­on geneh­migt wur­de, deren Prä­fekt Kar­di­nal Ratz­in­ger war – der­sel­be Prä­lat, der in dem genann­ten Inter­view von 2000 den Begriff „Mit­erlö­se­rin“ zurück­ge­wie­sen hat­te! In die­sem Buch aber begeg­net der maria­ni­sche Titel „Mit­erlö­se­rin“ gan­ze acht­mal. Ein „Scherz“ der gött­li­chen Vorsehung?

In der Tat nennt Schwe­ster Lucia dos San­tos (1907–2005) in den „Appel­li del Mess­ag­gio di Fati­ma“ die Madon­na „die Mit­erlö­se­rin des Men­schen­ge­schlech­tes“ (vier­mal: S. 105, 128, 281, 300), „Mit­erlö­se­rin mit Chri­stus der Mensch­heit“ (S. 191) und „Mit­erlö­se­rin mit Chri­stus der Mensch­heit“ (S. 282). Außer­dem schreibt sie: „Jesus Chri­stus kam, um uns durch Lei­den zu erlö­sen; und sei­ne Mut­ter teil­te die­ses über­aus schmerz­li­che Lei­den als Mit­erlö­se­rin, da sie uns am Fuße des Kreu­zes als Mut­ter gege­ben wur­de“ (S. 173).

Schwe­ster Lucia bekräf­tigt hin­sicht­lich der Madon­na „ihre Sen­dung als Mit­erlö­se­rin mit Chri­stus“ (S. 268).

Das Buch ent­hält ein Vor­wort (S. 3–6) des Bischofs von Lei­ria-Fati­ma, Mon­si­gno­re Ser­a­fim de Sou­sa Fer­rei­ra e Sil­va (13. Okto­ber 1997), sowie eine Ein­füh­rung (S. 7–15) von P. Jesús Castel­lano Cer­ve­ra OCD, „Kon­sul­tor der Kon­gre­ga­ti­on für die Glau­bens­leh­re“, der erklärt, daß Schwe­ster Lucia „in vol­ler Über­ein­stim­mung mit dem Glau­ben der Kir­che und mit dem Glau­ben der Ein­fa­chen“ ste­he (S. 11), „Sen­sus fidei und Sen­sus fide­li­um“ (S. 11). Schwe­ster Lucia sei „Toch­ter Mari­ens“ und „Toch­ter der Kir­che“ (vgl. S. 15), und ihr Buch sei „zugleich Evan­ge­li­um und Kate­chis­mus von Fati­ma“ (S. 15).

Im Jahr 2002 wur­de unter Her­aus­ge­ber­schaft von Mark Mira­val­le der Sam­mel­band „Mary Co-redemptrix. Doc­tri­nal Issues Today“ („Maria, die Mit­erlö­se­rin. Lehr­fra­gen der Gegen­wart“) ver­öf­fent­licht (Queen­ship Publi­shing Co., Gole­ta, Kali­for­ni­en, USA), mit Bei­trä­gen ver­schie­de­ner Autoren, unter ihnen Kar­di­nal Luis Apon­te Mar­tí­nez, P. Jean Galot, Msgr. Arthur Bur­ton Cal­kins und P. Ste­fa­no Manel­li. Die Ein­lei­tung (S. VII–VIII) stammt von Kar­di­nal Edouard Gagnon, eme­ri­tier­ter Vor­sit­zen­der des Päpst­li­chen Rates für die Fami­lie und des Päpst­li­chen Komi­tees für Inter­na­tio­na­le Eucha­ri­sti­sche Kon­gres­se. Auch Kar­di­nal Gagnon war ein Befür­wor­ter der „kirch­li­chen Leh­re und der päpst­li­chen Leh­re über unse­re Frau als Mit­erlö­se­rin“ (S. VII).

Kar­di­nal Gagnon schreibt unter ande­rem: „Ich glau­be, daß es in die­sem geschicht­li­chen Augen­blick sehr wich­tig ist, daß unser Glau­be an die Rol­le Mari­ens als Mit­erlö­se­rin klar ver­kün­det und defi­niert wird. Möge die Wahr­heit von Maria, der Mit­erlö­se­rin, in unse­re Her­zen und Leben ein­drin­gen und uns mit neu­er Kraft und Gna­de erfül­len, die wir als christ­li­che Zeu­gen im per­sön­li­chen und kirch­li­chen Lei­den, zu dem wir von der Vor­se­hung beru­fen sind, anneh­men und ertra­gen“ (S. VIII). Der Band trägt das Impri­matur von Kar­di­nal Erne­sto Cor­ri­pio Ahu­ma­da, Erz­bi­schof von Mexi­ko-Stadt (12. Dezem­ber 2001), und von Mon­si­gno­re Sid­ney A. Charles, Bischof von St. George’s‑in-Grenada (8. Dezem­ber 2001).

Noch unter dem Pon­ti­fi­kat Johan­nes Pauls II. erläu­ter­te Kar­di­nal Geor­ges Cot­tier OP (1922–2016), Theo­lo­ge des Päpst­li­chen Hau­ses seit 1989 bis zum 1. Dezem­ber 2005 und 2003 zum Kar­di­nal erho­ben, in der von der Kle­rus­kon­gre­ga­ti­on orga­ni­sier­ten Kon­fe­renz vom 29. Mai 2002, daß man im Licht von Lumen gen­ti­um Nr. 61 über die Mit­wir­kung der Jung­frau an dem Werk der Erlö­sung Maria auch den Titel „Mit­erlö­se­rin“ geben kön­ne. „Maria ist in ein­zig­ar­ti­ger Wei­se Mit­erlö­se­rin“, und „in pro­por­tio­na­ler Wei­se ist die Kir­che Mit­erlö­se­rin“.

*Pater Pao­lo Maria Sia­no gehört dem Orden der Fran­zis­ka­ner der Imma­ku­la­ta (FFI) an; der pro­mo­vier­te Kir­chen­hi­sto­ri­ker gilt als einer der besten katho­li­schen Ken­ner der Frei­mau­re­rei, der er meh­re­re Stan­dard­wer­ke und zahl­rei­che Auf­sät­ze gewid­met hat. In zahl­rei­chen sei­ner Ver­öf­fent­li­chun­gen geht es ihm dar­um, den Nach­weis zu erbrin­gen, daß die Frei­mau­re­rei von Anfang an eso­te­ri­sche und gno­sti­sche Ele­men­te ent­hielt, die bis heu­te ihre Unver­ein­bar­keit mit der kirch­li­chen Glau­bens­leh­re begründen.

Über­set­zung: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Cor­ri­spon­den­za Romana


In der Rei­he Mario­lo­gie der Mit­erlö­ser­schaft:

1. Die „Cor­re­demptrix“ im 17. und 18. Jahr­hun­dert
2. Die „Cor­re­demptrix“ im 19. Jahr­hun­dert
3. Die „Cor­re­demptrix“ im 20. Jahr­hun­dert bis Papst Pius XI.
4. Die „Cor­re­demptrix“ im 20. Jahr­hun­dert zur Zeit Papst Pius‘ XII.
5. Die „Cor­re­demptrix“ in der Vor­be­rei­tungs­pha­se des Zwei­ten Vati­ka­ni­schen Kon­zils
6. Die „Cor­re­demptrix“ auf dem Zwei­ten Vati­ka­ni­schen Kon­zil
7. Die „Cor­re­demptrix“ zur Zeit von Papst Paul VI.
8. Die „Cor­re­demptrix“ zur Zeit von Papst Johan­nes Paul II.
9. Die „Cor­re­demptrix“ zwi­schen Papst Bene­dikt XVI. und Papst Franziskus

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