Leo XIV. zur alten Messe – einige Überlegungen

Will man anerkennen, daß das, was gestern heilig war, auch heute heilig ist und morgen heilig sein wird?


Wie hält es Papst Leo XIV. mit dem überlieferten Römischen Ritus? Wird er ihm Gerechtigkeit verschaffen und die seit 55 Jahren geltenden Einschränkungen beseitigen?
Wie hält es Papst Leo XIV. mit dem überlieferten Römischen Ritus? Wird er ihm Gerechtigkeit verschaffen und die seit 55 Jahren geltenden Einschränkungen beseitigen?

Von Aldo Maria Valli*

Anzei­ge

Die Wor­te, die Leo XIV. in dem Inter­view mit der Rom-Kor­re­spon­den­tin von Crux der alten Mes­se gewid­met hat, ver­die­nen eini­ge Bemerkungen.

Es ist posi­tiv, daß der Papst sich des Pro­blems bewußt zeigt (es wäre ja schlimm, wenn dem nicht so wäre), daß er aner­kennt, Anfra­gen und Brie­fe erhal­ten zu haben, und daß er nicht in Ver­bo­ten denkt. Doch die Art, wie er dar­über spricht, und die Per­spek­ti­ven, die er eröff­net, kön­nen jene, die der tra­di­tio­nel­len Mes­se treu sind und sie besu­chen möch­ten, nicht beruhigen.

Es läßt einen rat­los zurück, wenn er zur Fra­ge sagt: „Ich weiß nicht, wohin sie füh­ren wird“, und daß das Gan­ze „offen­sicht­lich sehr kom­pli­ziert“ sei.

Da er der Papst ist, liegt es gera­de an ihm, zu sagen, wohin die Rei­se geht. Es gibt nichts Kom­pli­zier­tes dar­an. Der Papst muß ent­schei­den und klar zu den Gläu­bi­gen sprechen.

Leo erkennt an, daß die Mes­se, wie sie nach Zwei­ten Vati­ka­ni­schen Kon­zil refor­miert wur­de, zu „Miß­bräu­chen“ geführt hat und daß das Gan­ze „jenen nicht gehol­fen hat, die eine tie­fe­re Gebets­er­fah­rung, einen Kon­takt mit dem Geheim­nis des Glau­bens suchten“.

Er erkennt also an, daß es Miß­bräu­che gab und impli­zit auch, daß die refor­mier­te Mes­se eine weni­ger tie­fe Erfah­rung bie­tet und weni­ger Kon­takt mit dem Geheim­nis des Glau­bens ermög­licht. Kurz danach läßt er jedoch anklin­gen, daß, wenn die refor­mier­te Mes­se „ange­mes­sen“ gefei­ert wird, das im Gro­ßen und Gan­zen in Ord­nung sei und es kei­ne „Pola­ri­sie­rung“ mehr geben soll­te. Eine ver­wir­ren­de Aus­sa­ge, denn hier geht es nicht dar­um, sich mit einer „ange­mes­se­nen“ Fei­er des Novus Ordo zufrie­den zu geben (und was bedeu­tet über­haupt „ange­mes­sen“?), son­dern dar­um anzu­er­ken­nen, daß der Vetus Ordo nie­mals auf­ge­ho­ben wur­de und daher zele­briert wer­den kann.

Der Papst berich­tet, er habe noch kei­ne Gele­gen­heit gehabt, Per­so­nen zu tref­fen, die den triden­ti­ni­schen Ritus unter­stüt­zen, sagt aber, „bald wer­de sich eine Gele­gen­heit erge­ben, sich zusam­men­zu­set­zen und zu spre­chen“. Sehr gut. Aber wenn er dann sagt, daß „viel­leicht im Rah­men der Syn­oda­li­tät“ dar­über gere­det wer­den soll­te, jagt das allen, die der tra­di­tio­nel­len Mes­se treu sind, einen Schau­er über den Rücken. Durch Syn­oda­li­tät wird nichts gelöst, viel­mehr ver­strickt man sich in eine end­lo­se Debat­te. Er ist der Papst, es liegt an ihm zu ent­schei­den, und die Syn­oda­li­tät kann dem nicht entgegenstehen.

Sich „in einem syn­oda­len Kon­text“ hin­zu­set­zen und zu dis­ku­tie­ren ist nicht die Metho­de der hei­li­gen katho­li­schen Kir­che. Es ist die ver­samm­lungs­de­mo­kra­ti­sche Metho­de, die die Kir­che von der Welt über­nom­men hat und die sie zu einer Kari­ka­tur der poli­ti­schen Demo­kra­tie macht. Eine Metho­de, die, wenn sie gut läuft, eine end­lo­se Rei­he von Miß­ver­ständ­nis­sen erzeugt und, wenn sie schlecht läuft, den Glau­ben offen verrät.

Zu sug­ge­rie­ren, wie Leo im Inter­view, daß die Lage sehr unge­wiß sei, bedeu­tet, wei­te­re Zwei­fel dort zu säen, wo der Papst eigent­lich nur klar einen Weg auf­zei­gen müß­te. Denn nur er kann und muß das tun.

Zu unter­stel­len, die Fra­ge sei völ­lig offen und müs­se in einer syn­oda­len Dis­kus­si­on ange­gan­gen wer­den, bedeu­tet auch, zu igno­rie­ren, daß die soge­nann­te triden­ti­ni­sche Mes­se – da von Papst Pius V. nach dem Kon­zil von Tri­ent kodi­fi­ziert, in ihrer Essenz aber viel älter – nie­mals auf­ge­ho­ben wur­de. Papst Bene­dikt XVI. hat dies im Motu pro­prio Sum­morum Pon­ti­fi­cum bekräf­tigt, und nie­mand kann das wider­le­gen. Den Gläu­bi­gen wur­de klar gesagt: Was für ver­gan­ge­ne Gene­ra­tio­nen hei­lig und groß war, bleibt auch für uns hei­lig und groß und kann nicht plötz­lich ver­bo­ten oder als schäd­lich ange­se­hen wer­den. Das ist eine Tat­sa­che, kei­ne Fra­ge des per­sön­li­chen Geschmacks oder eines Expe­ri­ment, über die man dis­ku­tie­ren müß­te. Eine „sehr kom­pli­zier­te Fra­ge“? Nein. Sie wird nur kom­pli­ziert, wenn man sie nicht lösen will.

Der Appell an die Syn­oda­li­tät ist ein zwei­deu­ti­ger Umweg, der des Pap­stes nicht wür­dig ist. Die Lit­ur­gie kann nicht dem Mehr­heits­vo­tum der Bischö­fe und einer Grup­pe von Lai­en unter­wor­fen wer­den. Sie ist kei­ne Mode, die kul­tu­rel­le Zustim­mung braucht. Die Kir­che über­lie­fert objek­tiv, was sie emp­fan­gen hat, nicht das, was ein Ver­wal­tungs­aus­schuß aus­ar­bei­tet. Der Kult, den die Kir­che zu bewah­ren hat, ist nicht Gegen­stand von Ver­hand­lun­gen, Revi­sio­nen oder Kom­pro­mis­sen. Wenn man so denkt, fällt man in Histo­ris­mus und Relativismus.

Aus der Sicht von Men­schen wie uns, die die tra­di­tio­nel­le Mes­se lie­ben, kön­nen die Aus­sa­gen des Pap­stes kei­nes­wegs beru­hi­gend sein. Die Gefahr besteht dar­in, in einen Nebel zu gera­ten, in dem alles ver­lo­ren geht. Wenig beru­hi­gend ist auch, daß der Papst kein ein­zi­ges Wort für die tra­di­tio­nel­len Gemein­schaf­ten auf­bringt, die wei­ter­hin Beru­fun­gen her­vor­brin­gen und Gläu­bi­ge anzie­hen, auch jun­ge. Bedeu­tet das, der Hir­te kennt sei­ne Her­de nicht?

Nun gut, es ist ein Inter­view, kein Lehr­satz. Aber es reicht. Wenn der Papst sagt, er wis­se nicht, wohin die Sache „füh­ren wird“, erfüllt uns das mit Unru­he und Trau­rig­keit. Unru­he, weil wir sehen, daß unser geist­li­ches Zuhau­se uns jeder­zeit ver­wei­gert wer­den könn­te. Trau­rig­keit, weil wir einen Petrus sehen, der sei­nem Amt und sei­nen Pflich­ten entsagt.

Die Kir­che lehrt, daß die Lit­ur­gie ein Trä­ger der Leh­re ist und daß die Art, wie wir beten, das formt, wor­an wir glau­ben. Hier scheint alles auf eine Fra­ge des Geschmacks redu­ziert zu wer­den, eine blo­ße ästhe­ti­sche Angelegenheit.

Die Katho­li­ken, die die Tra­di­ti­on lie­ben, for­dern kei­ne Debat­te. Sie for­dern Gerech­tig­keit. Gerech­tig­keit für die Lit­ur­gie, die nie auf­ge­ho­ben wur­de, Gerech­tig­keit für die Gemein­schaf­ten, die durch sie auf­blüh­ten, Gerech­tig­keit für die Hei­li­gen und Mär­ty­rer, die sie über Jahr­hun­der­te fei­er­ten, Gerech­tig­keit für die Gläu­bi­gen, die aus­ge­grenzt und wie eine Gefahr betrach­tet wer­den. Geschwätz haben wir schon mehr als genug. Der Papst muß nur sagen: „Die­se Mes­se ist euer Erbe. Sie gehört euch. Nie­mand kann sie euch weg­neh­men.“ Aber er sagt es nicht.

Die Kir­che braucht alles, nur kei­ne neu­en Dosen der Zwei­deu­tig­keit. Wenn das, was gestern hei­lig war, heu­te hei­lig ist und mor­gen hei­lig sein wird, dann muß die­se Wahr­heit ein­fach aner­kannt wer­den. Will man das tun?

*Aldo Maria Val­li, Stu­di­um der Poli­tik­wis­sen­schaf­ten an der Katho­li­schen Uni­ver­si­tät von Mai­land, seit 1978 Publi­zist, seit 1985 Berufs­jour­na­list, ab 1995 für das Staats­fern­se­hen RAI tätig, von 2007 bis 2019 Lei­ter der Reli­gi­ons­ab­tei­lung und Chef-Vati­ka­nist der RAI – als sol­cher ging er nach län­ge­rem inne­ren Rin­gen ab 2016 auch öffent­lich auf Distanz zur Linie von Papst Fran­zis­kus, die er als „kon­fus“ kri­ti­sier­te –, 2019 wur­de er des­halb zu RAI Sport ver­setzt und 2020 pen­sio­niert. Er ist Buch­au­tor und betreibt den Blog Duc in altum.

Über­set­zung: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Duc in Altum

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