
Am 4. September 2025 empfing Papst Leo XIV. den israelischen Präsidenten Isaac Herzog zu einer offiziellen Audienz im Vatikan. Während die Welt mit wachen Augen auf das Geschehen im Nahen Osten blickt, wurde dieses Treffen von mancher Seite als symbolträchtiger Akt dargestellt – doch die Wahrheit liegt tiefer und verdient eine Einordnung.
Zunächst zur Faktenlage: Entgegen der Darstellung aus dem Umfeld des israelischen Präsidenten Herzog war es nicht Papst Leo XIV., der eine Einladung ausgesprochen hatte. Vielmehr stellte das vatikanische Presseamt unmißverständlich klar, daß Audienzen für Staatsoberhäupter „auf deren Wunsch“ erfolgen – eine deutliche Richtigstellung gegen den Versuch, das Treffen als päpstliches Wohlwollen zu deuten oder gar zu instrumentalisieren. Daß Herzog nach der Korrektur behauptete, die Einladung sei vom „verstorbenen Papst Franziskus“ gekommen, vermittelte den Eindruck eines diplomatisches Nachspiels mit zweifelhaftem Beigeschmack.
Die katholische Kirche – durch die Stimme des neuen Papstes Leo XIV. – hat sich in der Nahostfrage als moralische Instanz gezeigt. In einer Zeit, in der die Stimmen der Vernunft im Getöse von Raketen, Propaganda, Desinformation und ideologischen Grabenkämpfen oft untergehen, spricht der Vatikan eine klare Sprache: Freiheit für die Geiseln von Hamas, ein sofortiger Waffenstillstand, humanitäre Hilfe für die notleidende Bevölkerung in Gaza – und das alles im Licht des internationalen humanitären Rechts.
Dabei spart der Heilige Stuhl nicht mit Kritik – weder gegenüber Hamas noch gegenüber Israel. Während Hamas durch den barbarischen Angriff am 7. Oktober 2023, bei dem 1.200 Menschen ermordet und 251 als Geiseln verschleppt wurden, jegliche moralische Legitimität verspielt hat, gerät auch Israel zunehmend unter Druck. Die harten Worte des Papstes über kollektive Bestrafung, Zwangsvertreibungen und den Verdacht auf Völkermord zeigen, daß die Kirche nicht bereit ist, Unrecht als Antwort auf Unrecht zu akzeptieren und mit dem Mantel der politischen Opportunität zu verdecken.

Papst Leo XIV. behauptete nicht, daß Israel einen Völkermord durchführt. Er bezeichnete die Angriffe Israels in Gaza als „unmoralisch“ und „unverhältnismäßig“ und forderte eine Untersuchung, um festzustellen, ob sie den Tatbestand des Völkermordes darstellen. Damit steht der Verdacht zumindest im Raum.
Dabei betonte der Papst offenbar auch gestern besonders die Rolle der Christen im Nahen Osten. Inmitten eines Konflikts zwischen jüdisch-israelischer Staatsgewalt auf der einen Seite und islamistischen Terrororganisationen wie Hamas auf der anderen Seite stehen sie oft schutzlos da – als kleine Minderheit, als Zielscheibe, als Mahner zur Versöhnung und mit beeindruckender Standhaftigkeit. 1945 waren nach 1200 Jahren islamischer Herrschaft noch 21 Prozent der Einwohner Jerusalems Christen. 75 Jahre nach Gründung des Staates Israel und des dadurch herrschenden Nahost-Konfliktes sind es nur noch 1,8 Prozent. Der Vatikan betonte im Gespräch mit Herzog, wie es heißt, die Bedeutung der christlichen Gemeinden vor Ort. Ihre Schulen, Krankenhäuser und sozialen Werke sind Leuchttürme der Hoffnung in einer Region, die allzu oft von Haß und Zerstörung geprägt ist.
Während Präsident Herzog in seinen öffentlichen Stellungnahmen nach der Audienz den Papst lobte, verschwieg er auffällig die klaren Mahnungen des Vatikans. Israel kann sich aber nicht auf die christliche Unterstützung berufen, wenn es gleichzeitig die humanitären Appelle der Kirche ignoriert.
Leo XIV. zeigte sich bemüht, die Kirche und seine Person in diesem Konflikt nicht instrumentalisieren zu lassen. Weder durch einseitige Narrative aus Tel Aviv, noch durch die tödliche Ideologie islamistischer Gruppen. Der Papst, wie es in Rom heißt, habe betont, daß der einzige Weg zu einem gerechten Frieden über die Wahrheit, das Mitgefühl und den Mut zur Gerechtigkeit führe.
Beim offiziellen Fototermin zeigte Leo XIV. eine auffallend ernste Miene.
Anders als sein Vorgänger Franziskus folgte der regierende Papst dem für einen Staatsbesuch vorgesehenen Protokoll und trug über der weißen Soutane ein Rochett und eine rote Mozetta. So ist es für besondere, lichtliturgische offizielle Anlässe vorgesehen. Die Art der Mozetta ändert sich gemäß der Jahreszeit. Gestern trug Leo XIV. eine rote Mozetta aus Seide, wie das Hofprotokoll es für den Sommer vorsieht.
Im Winter ist eine rote Mozetta mit weitem Hermelinbesatz vorgesehen und während der Osteroktav eine weiße Mozetta aus Damast mit weißem Hermelin.
Die Farbsymbolik kombiniert die rote Farbe der Mozetta, die für das Blut Christi, das Opfer und das Leiden steht und daran erinnert, daß der Papst auch Stellvertreter Christi auf Erden ist, mit dem Weiß des Rochetts und der Soutane, die auf die Reinheit und Unschuld Christi hinweist.
Text: Andreas Thiel
Bild: VaticanMedia/X (Screenshots)
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