Den Papst gibt es in der Bibel nicht?

Eine Antwort an die Protestanten


Leo XIV.: Petrus, das Papsttum und die Bibel
Leo XIV.: Petrus, das Papsttum und die Bibel

In der Bibel gibt es weder den Papst noch ein Kon­kla­ve, so wen­den es pro­te­stan­ti­sche Chri­sten gegen­über Katho­li­ken ein: Das Papst­tum habe kei­ne bibli­sche Grund­la­ge; es sei eine im Lau­fe der Zeit ent­stan­de­ne Insti­tu­ti­on, in der Schrift nicht vor­han­den und von Jesus nicht gewollt. Dem ist aber nicht so.

Anzei­ge

Was sagt die Bibel über den Papst oder das Papst­tum? War­um gibt es das Kon­kla­ve nicht in der Bibel? Was ist die bibli­sche Grund­la­ge des Papst­tums? Das sind Fra­gen, die einem katho­li­schen Chri­sten von einem nicht­ka­tho­li­schen Chri­sten gestellt wer­den könn­ten, etwa von einem Evangelikalen.

Als Bei­spiel von vie­len wird der Arti­kel eines pro­te­stan­ti­schen Pre­di­gers als Aus­gangs­punkt genom­men, der alle Grün­de dar­legt, wes­halb die Gestalt des Pap­stes nicht in der Bibel zu fin­den sei und der Begriff des Papst­tums biblisch nicht begrün­det sei.1

Die Pro­te­stan­ten („getrenn­te Brü­der“, wie Johan­nes Paul II. sie nann­te) mei­nen zudem, daß die Aner­ken­nung des Pap­stes für einen Chri­sten nicht not­wen­dig sei; da sie nicht auf der Bibel beru­he, hal­ten sie die päpst­li­che Auto­ri­tät für dem Evan­ge­li­um fremd.

Da der Papst in der Bibel nicht vor­kommt, sei er als Gestalt eine spä­te­re Hin­zu­fü­gung, Frucht geschicht­li­cher Ent­wick­lun­gen und nicht eines aus­drück­li­chen Wil­lens Chri­sti. Die offe­ne Feind­se­lig­keit Mar­tin Luthers gegen­über dem Papst und dem Papst­tum tat das Ihre, um die Hal­tung des Pro­te­stan­tis­mus in die­ser Fra­ge nach­hal­tig nega­tiv zu bedingen.

Aber ist das wirk­lich so, wie es die Pro­te­stan­ten den­ken? Wie ant­wor­tet man denen, die sol­che Argu­men­te vertreten?

Mit dem fol­gen­den Dos­sier wer­den die häu­fig­sten Ein­wän­de gegen die bibli­sche Fun­die­rung des Papst­tums dar­ge­legt – und widerlegt.

1. Das protestantische Problem der „Sola Scriptura“

Bevor wir in die Argu­men­ta­ti­on ein­stei­gen, ist vor­weg­zu­schicken, daß die­se Ein­wän­de gegen das Papst­tum von einem typisch pro­te­stan­ti­schen Grund­satz aus­ge­hen: der Sola Scrip­tu­ra.

Die­ser Ansatz behaup­tet, alles, was den Glau­ben betrifft, müs­se aus­drück­lich in der Bibel ent­hal­ten sein.

Aber die­ser Gedan­ke ist schon aus dem ein­fa­chen Grund umstrit­ten, daß er selbst nicht biblisch ist: Kein Vers erklärt, die Bibel allein sei die ein­zi­ge nor­ma­ti­ve Quel­le des Glaubens.

Das ist der­sel­be Feh­ler wie bei jeman­dem, der behaup­tet: „Es gibt kei­ne abso­lu­te Wahr­heit“, und dabei vor­gibt, eine abso­lu­te Wahr­heit aus­zu­spre­chen und sich damit selbst wider­spricht. Oder bei dem, der behaup­tet, nur das sei wahr, was empi­risch über­prüf­bar ist – ohne zu mer­ken, daß das Prin­zip selbst es nicht ist.

Tech­nisch nennt man das einen per­for­ma­ti­ven Feh­ler. Man kann tat­säch­lich sagen: Die Bibel selbst lehrt die Sola Scrip­tu­ra nicht!

Im Gegen­teil schreibt der hei­li­ge Paulus:

„So steht also fest, Brü­der, und hal­tet euch an die Über­lie­fe­run­gen, in denen ihr unter­wie­sen wur­det, sei es durch ein Wort oder durch einen Brief von uns“ (2 Thes­sa­lo­ni­cher 2,15).

Der christ­li­che Glau­be wird durch Schrift und Tra­di­ti­on über­lie­fert, bewahrt und vom Lehr­amt der Kir­che aus­ge­legt – allen vor­an vom Nach­fol­ger Petri. Die Schrift kommt aus der Tra­di­ti­on und wur­de durch die kirch­li­che Hier­ar­chie fixiert, nicht zuletzt durch die des Petrus bzw. sei­ner Nachfolger.

Neben­bei bemerkt glau­ben die aller­mei­sten Pro­te­stan­ten an die Tri­ni­tät (Drei­fal­tig­keit). Auch die­ser Begriff fehlt als Wort in der Bibel; das ist jedoch wenig bedeut­sam, denn der Inhalt ist voll­stän­dig vor­han­den, wie von ihnen aner­kannt wird.

2. Petrus und die unmittelbare Einsetzung durch Jesus

Ein zwei­tes Argu­ment als Ant­wort an jene, die den Petrus­pri­mat bezwei­feln, besteht dar­in, sich auf die Gestalt des Apo­stels Petrus selbst zu konzentrieren.

Wäh­rend pro­te­stan­ti­sche Chri­sten behaup­ten, Petrus habe kei­ner­lei Vor­rang­stel­lung gegen­über den ande­ren Apo­steln aus­ge­übt, genügt ein sorg­fäl­ti­ger Blick ins Neue Testa­ment, um die Vor­stel­lung zu wider­le­gen, Petrus sei nur „ein Apo­stel unter vie­len“ gewesen.

Jesus selbst sagt zu ihm: „Du bist Petrus, und auf die­sen Fel­sen wer­de ich mei­ne Kir­che bau­en“ (Mt 16,18). Er sagt nicht „ihr“, wie sonst, wenn er sich an sei­ne Jün­ger wen­det, son­dern „du“.

Katho­li­sche Bibel­wis­sen­schaft­ler erin­nern jedoch an eine wich­ti­ge Prä­zi­sie­rung zu die­sem Vers.

Der her­aus­ra­gen­de Exeget John P. Mei­er (Uni­ver­si­ty of Not­re Dame) schreibt bei­spiels­wei­se, man sol­le im Begriff „Kir­che“ hier nicht den ursprüng­li­chen Sinn von ekklē­sia lesen, also die spä­te­re christ­li­che Kir­che, lokal oder uni­ver­sal, son­dern die Ver­samm­lung Jesu, sei­ne escha­to­lo­gi­sche Samm­lung, das zum Hören und Anbe­ten Got­tes ver­sam­mel­te Volk Isra­el. So schreibt J. P. Meier:

„Petrus soll­te der Fels für die escha­to­lo­gi­sche Samm­lung Isra­els sein. In sei­ner Füh­rungs­rol­le soll­te Petrus, der Fels, einen festen Schutz gegen alle zer­stö­re­ri­schen Kräf­te der Sün­de und des Todes bil­den, die die Ver­samm­lung des Got­tes­vol­kes anfal­len wür­den […]. Die auto­ri­ta­ti­ve Leh­re des Petrus, an Isra­el hier auf Erden gerich­tet, wür­de von Gott im Him­mel bestä­tigt wer­den und so ein siche­rer Schutz gegen die feind­li­chen Mäch­te der Sün­de und des Todes sein, die die escha­to­lo­gi­sche Ver­samm­lung zu zer­stö­ren suchen.“2

Der Name „Petrus“ (ara­mä­isch Kepha) bedeu­tet „Fels/​Stein“. Es ist kein Zufall, daß Chri­stus den Namen des Simon in Petrus geän­dert hat – ein Akt, der in der Bibel stets eine beson­de­re Sen­dung anzeigt (Abra­ham, Jakob usw.). Die­ses Ereig­nis wird in ver­schie­de­ner Wei­se von allen vier Evan­ge­li­en bezeugt.

Unmit­tel­bar danach über­trägt Jesus ihm die Schlüs­sel des Him­mel­reichs (Vers 19), ein in der jüdi­schen Kul­tur sicht­lich auto­ri­täts­sym­bo­li­sches Zei­chen (vgl. Jesa­ja 22,20–22).

Im Johan­nes­evan­ge­li­um ver­traut der auf­er­stan­de­ne Jesus zudem ein­zig Petrus die Sor­ge um sei­ne Her­de per­sön­lich und direkt an: „Wei­de mei­ne Läm­mer … wei­de mei­ne Scha­fe“ (Joh 21,15–17). Er wie­der­holt es fei­er­lich drei­mal. Kei­nem der ande­ren Apo­stel sagt er das einzeln.

Das weist auf einen pasto­ra­len Pri­mat hin, nicht auf eine blo­ße Ehrenstellung.

Auch der US-Exeget J. P. Mei­er erkennt dar­in eine Ein­set­zung des Petrus „zu einer Auto­ri­tät über die gan­ze Kir­che“.3 Und er fügt hinzu:

„Sowohl in Mt 16,18–19 als auch in Joh 21,15–17 wählt Jesus den Petrus unter den ande­ren im Kon­text genann­ten Jün­gern aus und ver­leiht allein Petrus eine beson­de­re Funk­ti­on und Auto­ri­tät über die Kir­che bzw. die Her­de Jesu […]. Nun, nach der Auf­er­ste­hung, wird allein Petrus vom auf­er­stan­de­nen Jesus damit beauf­tragt, die Läm­mer und Scha­fe der Her­de zu wei­den, zu näh­ren und für sie zu sor­gen, wobei er sei­ne Hir­ten­rol­le dadurch erweist, daß er – in Nach­ah­mung Jesu – sein Leben als Mär­ty­rer hin­gibt. Die Auto­ri­tät, die Petrus direkt von Jesus erhält, erstreckt sich allem Anschein nach ohne Ein­schrän­kung auf die gesam­te Kir­che: Petrus wird vom johannei­schen Jesus beauf­tragt, ‚mei­ne‘ Läm­mer und ‚mei­ne‘ Scha­fe zu wei­den. Gewiß nicht nur eine bestimm­te Orts­ge­mein­de.“4

Die Rol­le des Petrus ist also unmit­tel­bar durch Jesus eingesetzt.

Zusam­men­ge­faßt ist es gera­de die Schrift, die die Son­der­stel­lung des Petrus klar aufzeigt:

  • Er steht in den Apo­stellisten stets an erster Stel­le (Mt 10,2; Mk 3,16; Lk 6,14; Apg 1,13).
  • Er ist der ein­zi­ge, der zu Jesus über das Was­ser geht (Mt 14,29).
  • Er ist der ein­zi­ge Apo­stel, der die Schlüs­sel des Him­mel­reichs emp­fängt (Mt 16,19).
  • Er ist der erste Apo­stel, dem der Auf­er­stan­de­ne erscheint (Lk 24,34).
  • Nur er erhält vom auf­er­stan­de­nen Chri­stus einen drei­fa­chen Auf­trag und eine drei­fa­che Bestä­ti­gung (Joh 21,15–17).
  • Er hält an Pfing­sten die erste nach­öster­li­che Rede (Apg 2).
  • Er ist es, der Ent­schei­dun­gen anführt (Apg 15).
  • Er eröff­net die Hei­den­mis­si­on (Apg 10).
  • Er ergreift die Initia­ti­ve zur Nach­wahl des Judas (Apg 1,15–26).

Blicken wir auf den ersten Punkt: Petrus steht in allen Ver­zeich­nis­sen der zwölf immer an erster Stel­le (ein­schließ­lich der vor­pau­li­ni­schen For­mel in 1 Kor 15,5).

Man­che neh­men an, das lie­ge dar­an, daß Petrus der zuerst beru­fe­ne Jün­ger gewe­sen sei.

Das stimmt jedoch nicht, wie wie­der­um J. P. Mei­er erläu­tert5: Sei­ne Beru­fung erfolgt zusam­men mit ande­ren Jün­gern und im Johan­nes­evan­ge­li­um erst, nach­dem zwei ande­re (Andre­as und Johan­nes) Jesus bereits begeg­net waren.

Die ein­zi­ge Erklä­rung dafür, daß Petrus immer zuerst genannt wird, bleibt dem­nach diese:

„Alle vier Evan­ge­li­en (plus die Apo­stel­ge­schich­te) stel­len Petrus als Spre­cher und/​oder Füh­rer der Jün­ger im all­ge­mei­nen oder der zwölf im beson­de­ren dar (Mk 1,36; 8,29; 9,5; 10,28; 14,29–37; Mt 15,15; 16,18; 17,24; 18,21; Lk 12,41; Joh 6,68). Das – und nicht die zwei­fel­haf­te Behaup­tung, er sei der zuerst Beru­fe­ne gewe­sen – erklärt zumin­dest teil­wei­se, war­um Petrus in den vier Listen der zwölf (die die mar­k­in­i­sche und die L‑Tradition reprä­sen­tie­ren) immer als erster genannt wird.“6

Dem­nach sind Pri­mat, Suk­zes­si­on und sogar eine anfäng­li­che Form von Unfehl­bar­keit bereits in den bibli­schen Tex­ten impliziert.

Was hat es mit der Unfehl­bar­keit auf sich? Gemeint sind die Wor­te Jesu an Petrus (und nur an ihn): „Alles, was du auf Erden bin­den wirst, wird im Him­mel gebun­den sein, und alles, was du auf Erden lösen wirst, wird im Him­mel gelöst sein“ (Mt 16,19).

Die­se Ver­hei­ßun­gen las­sen sich nicht ein­fach mit der „per­sön­li­chen Aus­strah­lung“ des Petrus erklä­ren. Sie sind nur ver­ständ­lich, wenn Chri­stus ihn als sicht­ba­ren Füh­rer der Kir­che ein­ge­setzt hat.

2.1 Der Einwand vom „Ältesten“

Ein erster Ein­wand gegen die eben dar­ge­leg­te Son­der­rol­le des Petrus ver­weist gewöhn­lich auf eine Bibel­stel­le, näm­lich 1 Petrus 5,1–5.

In die­sem Brief wen­det sich Petrus an die „Älte­sten“ (Pres­by­ter), also die Lei­ter der Gemein­den, und schreibt: „Eure Älte­sten ermah­ne ich, da ich ein Älte­ster bin wie sie und ein Zeu­ge der Lei­den Chri­sti und auch an der Herr­lich­keit teil­ha­ben soll, die sich offen­ba­ren wird“ (1 Petrus 5,1–5).

Nach Auf­fas­sung derer, die die­sen Ein­wand erhe­ben, bewei­se die Aus­sa­ge, er sei ein Älte­ster „wie sie“, daß er weder einen Pri­mat noch eine beson­de­re Auto­ri­tät gehabt habe.

Das beweist die Abwe­sen­heit eines Pri­mats jedoch keineswegs.

Ech­te christ­li­che Auto­ri­tät äußert sich näm­lich immer in Demut. Auch Pau­lus erklärt in 1 Korin­ther 15,9, er sei „der letz­te der Apo­stel“, und doch bestrei­tet nie­mand sei­ne lehr­amt­li­che Autorität.

Daß Petrus einen demü­ti­gen Ton anschlägt, ent­spricht dem Modell des Ser­vus ser­vor­um, des Knech­tes der Knech­te Got­tes, Die­ners der Die­ner Got­tes, das spä­ter selbst der Titel der Päp­ste sein wird.

So waren etwa im Jahr 2025 die ersten Wor­te von Papst Leo XIV.: „Es gibt eine unver­zicht­ba­re Anfor­de­rung für alle, die in der Kir­che ein Lei­tungs­amt aus­üben: zu ver­schwin­den, damit Chri­stus bleibt, sich klein zu machen, damit ER erkannt und ver­herr­licht wird.“7

Zudem wird Auto­ri­tät auch im Neu­en Testa­ment nie als Herr­schaft, son­dern als Dienst ver­stan­den (vgl. Mt 20,25–28).

Daß sich Petrus also als einer unter den Älte­sten vor­stellt, heißt nicht, daß er nicht zugleich der erste unter Glei­chen gewe­sen wäre.

2.2 Der Einwand betreffend das Konzil von Jerusalem

Ein zwei­ter Ein­wand, der gewöhn­lich vor­ge­bracht wird, um zu behaup­ten, Petrus habe kei­ne beson­de­re Auto­ri­tät gehabt, ist die angeb­lich feh­len­de Füh­rungs­rol­le beim ersten Kon­zil der Kir­che, dem Kon­zil von Jerusalem.

In der Apo­stel­ge­schich­te wird geschil­dert, wie die Jün­ger dar­über strit­ten, ob die Hei­den sich zur Ret­tung beschnei­den las­sen müßten.

Wer die­se Pas­sa­ge als Ein­wand nutzt, meint, aus den Dyna­mi­ken der Wort­mel­dun­gen der ver­schie­de­nen Jün­ger sei eine feh­len­de Füh­rungs­rol­le des Petrus abzulesen.

Tat­säch­lich aber trifft das Gegen­teil zu.

Zunächst gilt es fest­zu­hal­ten, daß Petrus als erster das Wort ergriff und erklär­te: „Brü­der, ihr wißt, daß Gott schon vor län­ge­rer Zeit unter euch die Ent­schei­dung getrof­fen hat, daß durch mei­nen Mund die Hei­den das Wort des Evan­ge­li­ums hören und gläu­big wer­den soll­ten“ (Apg 15,7).

Dann leg­te er einen grund­le­gen­den Lehr­satz fest: „War­um stellt ihr also jetzt Gott auf die Pro­be und legt den Jün­gern ein Joch auf den Nacken, das weder unse­re Väter noch wir tra­gen konn­ten? Wir glau­ben im Gegen­teil, durch die Gna­de Jesu, des Herrn, geret­tet zu wer­den, auf die glei­che Wei­se wie jene“ (Apg 15,10–11).

Als die Ver­samm­lung schwieg, ergrif­fen Pau­lus und Bar­na­bas das Wort, und Jako­bus war es, der laut Text das Kon­zil abschloß und das letz­te Wort sprach.

Nie­mand wider­sprach jedoch Petrus, und Jako­bus schloß die Ver­samm­lung schlicht in Erin­ne­rung an das, was Simon Petrus ein­gangs fest­ge­legt hat­te, und stimm­te ihm zu: „Brü­der, hört mich an! Simon hat berich­tet, daß Gott selbst zuerst ein­ge­grif­fen hat, um aus den Hei­den ein Volk für sei­nen Namen zu gewin­nen“ (Apg 15,14).

All das zeigt genau das, was die Kir­che immer geglaubt hat: Petrus han­delt nicht als iso­lier­ter Tyrann, son­dern als Lei­ter in der apo­sto­li­schen Gemein­schaft. Sein Bei­trag ist lehr­mä­ßig ent­schei­dend, auch wenn die Form syn­odal ist.

2.3 Der Einwand vom Tadel des Paulus

Ein drit­ter Ein­wand, der häu­fig erho­ben wird, um zu behaup­ten, Petrus habe kei­ne beson­de­re Auto­ri­tät gehabt, ist der Tadel, den er von Pau­lus erhielt.

Gemeint ist die bekann­te Epi­so­de im Gala­ter­brief (2,11–14), in der Pau­lus berich­tet, Petrus wegen sei­ner Unstim­mig­keit im Ver­hal­ten gegen­über Chri­sten aus dem Juden­tum zurecht­ge­wie­sen zu haben.

Beach­ten wir hier­zu folgendes:

1. Pau­lus tadelt Petrus wegen sei­nes Ver­hal­tens (aus Angst vor Kri­tik aß er nicht mehr mit hei­den­christ­li­chen Brü­dern), nicht wegen sei­ner Leh­re. Bei­de stimm­ten in der Frei­heit der Hei­den gegen­über dem Gesetz über­ein. Petrus irrt aus Furcht („zog er sich von den Hei­den zurück und trenn­te sich von ihnen, weil er die Beschnit­te­nen fürch­te­te“, sagt Pau­lus), nicht in der Lehre;

2. daß Pau­lus Petrus kor­ri­giert, negiert des­sen Pri­mat nicht. Auch heu­te kann ein Bischof den Papst in prak­ti­schen oder dis­zi­pli­nä­ren Fra­gen kri­ti­sie­ren (das kam etwa unter Papst Fran­zis­kus öfter vor), ohne daß damit sei­ne Stel­lung in Fra­ge gestellt wor­den wäre.

Der Tadel selbst zeigt viel­mehr, wie bedeut­sam der Ein­fluß des Petrus war: Sein Ver­hal­ten erreg­te Anstoß, weil es als Vor­bild gese­hen wur­de („Eben­so unauf­rich­tig wie er ver­hiel­ten sich die ande­ren Juden, sodaß auch Bar­na­bas durch ihre Heu­che­lei ver­führt wur­de“, prä­zi­siert Pau­lus). Wäre Petrus ein „Apo­stel wie jeder ande­re“ gewe­sen, hät­te nie­mand so viel Auf­he­bens gemacht.

Daß Petrus in Gemein­schaft wirkt und sich demü­tig kor­ri­gie­ren läßt, wider­legt also nicht das zuvor beschrie­be­ne katho­li­sche Modell des Pri­mats, son­dern bestä­tigt es: ein Pri­mat des Dien­stes, nicht der Herrschaft.

Zu die­ser Epi­so­de zitie­ren wir einen Kir­chen­va­ter, den hei­li­gen Cypri­an, aus dem 3. Jahrhundert:

„Nicht ein­mal Petrus, den der Herr als ersten aus­wähl­te und auf dem er sei­ne Kir­che grün­de­te, woll­te unver­schämt recht behal­ten oder eine hoch­mü­ti­ge Hal­tung ein­neh­men, als hät­te er den Pri­mat und als wäre es eher ange­bracht, daß die Neu­an­ge­kom­me­nen und Jün­ge­ren ihm gehorch­ten; noch ver­ach­te­te er Pau­lus, weil die­ser in der Ver­gan­gen­heit ein Ver­fol­ger der Kir­che gewe­sen war; viel­mehr erkann­te er die Grün­de der Wahr­heit an und stimm­te bereit­wil­lig der Ver­nünf­tig­keit zu, auf die Pau­lus poch­te. So hin­ter­ließ er uns ein Zeug­nis der Ein­mü­tig­keit und Geduld, damit wir nicht ver­bohrt an unse­ren eige­nen Posi­tio­nen hän­gen, son­dern viel­mehr das Nütz­li­che und Heil­sa­me anneh­men, das uns bis­wei­len von unse­ren Brü­dern und Mit­bi­schö­fen vor­ge­schla­gen wird, sofern es wahr und recht­mä­ßig ist.“8

3. Das Papsttum ist kein mittelalterliches Konstrukt

Ein drit­tes The­ma, das im Dia­log mit einem pro­te­stan­ti­schen Chri­sten auf­kom­men kann, lau­tet, ob das Papst­tum eine im Lauf der Geschich­te – ins­be­son­de­re im Mit­tel­al­ter – ent­stan­de­ne Insti­tu­ti­on sei, die sich eher aus histo­ri­schen und poli­ti­schen Not­wen­dig­kei­ten als aus einem evan­ge­li­ums­ge­mä­ßen Auf­trag ent­wickelt habe.

Der genann­te Bap­ti­sten­pa­stor Adam Doo­ley schreibt zum Bei­spiel: „Der erste aner­kann­te Papst trat erst im 5. Jahr­hun­dert her­vor, als Leo I. Bischof von Rom wur­de“. Außer­dem sei­en Bischö­fe wie Atha­na­si­us von Alex­an­dria oder Cypri­an von Kar­tha­go lie­be­voll „Papa“ genannt wor­den, was im Grie­chi­schen schlicht „geist­li­cher Vater“ bedeu­te. In der kop­ti­schen Kir­che wird der Patri­arch von Alex­an­dria noch heu­te Papa (arab. Baba) genannt.

Die­se Betrach­tung gibt zwar rea­le histo­ri­sche Ele­men­te wie­der, ver­wech­selt aber die Ent­wick­lung des Papst­tums mit des­sen Ursprung.

Zunächst ist es rich­tig, daß der Titel „Papst“ in den ersten Jahr­hun­der­ten wei­ter gefaßt ver­wen­det wur­de; doch kei­ner der genann­ten Bischö­fe wur­de so zu Rate gezo­gen oder ihm so gehorcht wie dem Bischof von Rom.

Was das Papst­tum betrifft, ist sei­ne Ent­wick­lung im Lauf der Jahr­hun­der­te selbst­ver­ständ­lich – wie bei jeder leben­di­gen Insti­tu­ti­on –, aber wie wir im ersten Punkt gese­hen haben, sind sei­ne Wur­zeln zutiefst biblisch.

Die Aner­ken­nung der ein­zig­ar­ti­gen Rol­le des Bischofs von Rom geht zudem Leo dem Gro­ßen lan­ge vor­aus und beschränkt sich nicht auf die Ver­wen­dung eines Titels.

Apo­sto­li­sche Suk­zes­si­on und römi­scher Pri­mat sind bereits in den ersten Jahr­hun­der­ten bezeugt:

  • Poly­karp von Smyr­na, um 100 n. Chr., war ein direk­ter Schü­ler des Apo­stels Johan­nes. Anläß­lich der ersten Aus­ein­an­der­set­zung über das Oster­da­tum rei­ste er – obwohl fast hun­dert­jäh­rig – aus Asi­en nach Rom, um beim Bischof von Rom Nach­sicht zu erwir­ken. Ein so bedeut­sa­mer Besuch, daß der hei­li­ge Ire­nä­us noch vier­zig Jah­re spä­ter in einem Brief an Papst Vik­tor davon sprach.9
  • Papst Cle­mens I., Ende des 1. und Anfang des 2. Jahr­hun­derts n. Chr., wur­de auf­ge­for­dert, einen Streit in der Kir­che von Korinth zu schlich­ten. Sein fei­er­li­cher, von Auto­ri­täts­be­wußt­sein gepräg­ter Brief wur­de von der Kir­che von Korinth sofort ange­nom­men und – wie Dio­ny­si­us von Korinth in einem an Papst Soter gerich­te­ten Schrei­ben bezeugt10 – lan­ge Zeit in den eige­nen lit­ur­gi­schen Ver­samm­lun­gen verlesen.
  • Der hei­li­ge Igna­ti­us von Antio­chi­en nennt zu Beginn des 2. Jahr­hun­derts die Kir­che von Rom jene, die „der all­um­fas­sen­den Gemein­schaft der Lie­be vor­steht, die das Gesetz Chri­sti trägt“.11
  • Der hei­li­ge Ire­nä­us von Lyon schrieb gegen Ende des 2. Jahr­hun­derts: „In Rom haben Petrus und Pau­lus das Evan­ge­li­um ver­kün­digt und die Kir­che gegrün­det“12, und: „Mit die­ser Kir­che \[von Rom] muß schon um ihrer vor­züg­li­che­ren Her­kunft wil­len not­wen­dig jede Kir­che über­ein­stim­men, das heißt die Gläu­bi­gen von über­all­her – denn in ihr ist die von den Apo­steln stam­men­de Tra­di­ti­on immer für alle Men­schen bewahrt wor­den“13. Ire­nä­us, ein sehr frü­her Zeu­ge, schrieb dies nicht aus Rom, son­dern aus Gal­li­en – und sprach vom römi­schen Pri­mat als von einer bereits bekann­ten und aner­kann­ten Gegebenheit.
  • Das Kon­zil von Sar­di­ka (343/​344 n. Chr.) leg­te in Kanon 3 das Recht eines von einer Pro­vin­zi­al­syn­ode abge­setz­ten Bischofs fest, beim Bischof von Rom Beru­fung einzulegen.
  • Auf dem Kon­zil von Chal­ke­don (451 n. Chr.) rie­fen die ori­en­ta­li­schen Bischö­fe aus: „Petrus hat durch Leos Mund gespro­chen!“ – eine Aner­ken­nung der Ver­bin­dung zwi­schen dem regie­ren­den Papst und Petrus auch sei­tens des Ostens.

Die römi­sche Kir­che, gelei­tet von den Nach­fol­gern Petri, genoß also bereits eine aner­kann­te Auto­ri­tät, ehe Rom ein poli­ti­sches Zen­trum des latei­ni­schen Chri­sten­tums wur­de und ihm mit dem Kir­chen­staat welt­li­che Macht zuwuchs. Rom wur­de auch nicht des­halb Zen­trum des Glau­bens, weil es kai­ser­li­che Haupt­stadt war, son­dern weil dort Petrus und Pau­lus star­ben und dort ihre apo­sto­li­sche Suk­zes­si­on unun­ter­bro­chen bewahrt wurde.

Die Fra­ge ist daher nicht, wann der Titel „Papst“ for­mell erst­mals ver­wen­det wur­de oder ob der Begriff „Papst“ in der Bibel steht, son­dern ob Petrus von Chri­stus einen Auto­ri­täts­pri­mat erhal­ten hat – und ob die­se Auto­ri­tät an sei­ne Nach­fol­ger wei­ter­ge­ge­ben wurde.

3.1 Der Einwand des Abendländischen Schismas

Ein ver­brei­te­ter Ein­wand nimmt das Abend­län­di­sche Schis­ma (1378–1417) in den Blick, wäh­rend des­sen – so heißt es – das Papst­tum erst als geein­te­re und aner­kann­te­re Insti­tu­ti­on her­vor­ge­tre­ten sei.

Das ist histo­risch rich­tig, doch die inne­re Kri­se der latei­ni­schen Kir­che mit meh­re­ren Prä­ten­den­ten stritt dar­über, wer der wah­re Papst sei, ohne die Funk­ti­on des Papst­tums je selbst in Zwei­fel zu zie­hen (das taten nicht ein­mal die gemä­ßig­ten Hussiten).

Im Gegen­teil: Das Kon­zil von Kon­stanz (1414–1418) arbei­te­te dar­an, die Ein­heit um den recht­mä­ßi­gen Nach­fol­ger Petri wie­der­her­zu­stel­len. Das Papst­tum ent­stand nicht erst damals – es wur­de viel­mehr verteidigt.

Wer dar­an Anstoß nimmt, daß die Gestalt des Papst­tums im Lau­fe der Zeit gewach­sen ist, muß ver­ste­hen, daß dies für jede Leh­re etwas Natür­li­ches ist.

Bei­spiels­wei­se wur­de Maria nicht erst 1950 in den Him­mel auf­ge­nom­men, als das Dog­ma ver­kün­det wur­de. Jesus wur­de nicht im Jahr 325 gött­lich, als Nicäa sei­ne Gott­heit defi­nier­te. Und die Bücher der Hei­li­gen Schrift wur­den nicht erst auf dem Kon­zil von Tri­ent irrtumsfrei.

Es braucht manch­mal Zeit, bis die Kir­che for­mal aner­kennt – oft im Zuge von auf­ge­wor­fe­nen Streit­fra­gen –, was von Anfang an vor­han­den ist. Solan­ge etwas nicht in Fra­ge gestellt wird, wird es all­ge­mein ange­nom­men. Erst Streit­fra­gen machen aus­drück­li­che, kon­kre­te lehr­amt­li­che Defi­ni­tio­nen notwendig.

Es ist, als woll­te man die Eiche in der Eichel sehen: Es schei­nen zwei ver­schie­de­ne Din­ge zu sein. Und doch wird aus dem Samen in einem orga­ni­schen und kon­ti­nu­ier­li­chen Wachs­tum erst ein Keim, dann ein kräf­ti­ger Baum. So ver­steht die katho­li­sche Sicht die Lehrentwicklung.

3.2 Die historische Anwesenheit des Petrus in Rom

Zwar ist für den Pri­mat nicht not­wen­dig, die Anwe­sen­heit des Petrus in Rom zu bele­gen; den­noch wird die Tat­sa­che, daß Petrus in Rom war, von ver­schie­de­nen alten Quel­len bezeugt.

Dazu zäh­len Cle­mens von Rom (1. Jh.), Papi­as, Ire­nä­us und Kle­mens von Alex­an­dria (2. Jh.), Euse­bi­us von Cäsarea (4. Jh.).

Außer­dem akzep­tiert die erdrücken­de Mehr­heit der For­scher dies als gesi­cher­ten Befund.14

Auch die archäo­lo­gi­schen Aus­gra­bun­gen unter dem Peters­dom in Rom aus den 1940er und 1950er Jah­ren ste­hen in Ein­klang mit der Loka­li­sie­rung des Mar­ty­ri­ums des Petrus auf dem Vati­kan­hü­gel.15

Ein ver­brei­te­ter Ein­wand gegen die Anwe­sen­heit des Petrus in Rom ist sein Feh­len in den Grü­ßen des Römer­brie­fes des Paulus.

Das beweist jedoch nicht, daß Petrus nie in Rom war. Ver­schie­de­ne alte Quel­len (Euse­bi­us, Hie­ro­ny­mus, Oro­si­us) bezeu­gen, daß Petrus um 42 n. Chr. dort­hin kam, 49 n. Chr. auf­grund des Clau­di­us-Edikts Rom ver­las­sen muß­te und spä­ter zurück­kehr­te, bis zu sei­nem Mar­ty­ri­um unter Nero 64 n. Chr.

Es ist daher plau­si­bel, daß Petrus zum Zeit­punkt des Römer­brie­fes (etwa 57 n. Chr.) schlicht nicht in Rom war, weil er auf Mis­si­on unter­wegs war.

4. Die Aufgabe des Papstes: die Kirche und die Einheit

War­um soll­te ein Christ den Papst brau­chen, fra­gen unse­re pro­te­stan­ti­schen Brü­der. Die Kir­che kön­ne sehr wohl ohne ein irdi­sches Ober­haupt leben; sie wer­de direkt von Chri­stus geführt.

Wenn dem so wäre, war­um hät­te Jesus Petrus dann eine so spe­zi­fi­sche Rol­le zuge­dacht und ihm eine so kon­kre­te Auf­ga­be über­tra­gen? War­um ergreift Petrus nach der Him­mel­fahrt regel­mä­ßig im Namen der Apo­stel das Wort (Apg 1–15)? War­um ent­schei­det er über die Wahl des Mat­thi­as, spricht an Pfing­sten, lei­tet das erste Kon­zil von Jerusalem?

Die Kir­che ist der mysti­sche Leib Chri­sti, aber auch eine sicht­ba­re, geschicht­li­che Wirk­lich­keit. Jeder Leib hat einen sicht­ba­ren Kopf: In der Kir­che ist das der Papst, der Stell­ver­tre­ter Christi.

Ohne zen­tra­le Auto­ri­tät droht die lehr­mä­ßi­ge Zer­split­te­rung: Das zeigt gera­de die unüber­schau­ba­re Viel­zahl an pro­te­stan­ti­schen Deno­mi­na­tio­nen, die in grund­le­gen­den Leh­ren uneins sind. Das zeigt auch die Gefahr der Spal­tung inner­halb des Katho­li­zis­mus in jenen Berei­chen, die die päpst­li­che Auto­ri­tät in Fra­ge stellen.

Wozu dient der Papst? Er dient der Bewah­rung der Ein­heit in der Wahr­heit. Sei­ne Sen­dung ist, der Wahr­heit zu die­nen, nicht, sie zu schaf­fen. Der Beleg zeigt sich in der Ein­heit der katho­li­schen Kir­che, wäh­rend alle ande­ren Deno­mi­na­tio­nen und Reli­gio­nen kei­ne Ein­heit kennen.

Wie der hei­li­ge Cypri­an im 3. Jahr­hun­dert sagte: 

„Er kann Gott nicht zum Vater haben, der die Kir­che nicht zur Mut­ter hat“, und er füg­te hin­zu: „Dem Petrus zuerst, auf den er sei­ne Kir­che gebaut hat und von dem die Ein­heit ihren Ursprung nahm und offen­bar wur­de, gab der Herr die­se Voll­macht: daß auf Erden gelöst sei, was er löst“.16

In sei­ner Schrift De catho­li­cae Eccle­siae unita­te, ent­stan­den um 251 n. Chr. im Zusam­men­hang mit den Spal­tun­gen des Novat­us (in Kar­tha­go) und des Nova­ti­an (in Rom), leg­te der­sel­be Kir­chen­va­ter Cypri­an eine sehr kla­re Auf­fas­sung vom Papst­tum dar:

„Der Herr spricht zu Petrus: ‚Und ich sage dir‘, sagt er, ‚du bist Petrus, und auf die­sen Fel­sen will ich mei­ne Kir­che bau­en, und die Pfor­ten der Unter­welt wer­den sie nicht über­wäl­ti­gen; und ich will dir die Schlüs­sel des Him­mel­reichs geben; und was immer du auf Erden bin­den wirst, wird im Him­mel gebun­den sein, und was immer du auf Erden lösen wirst, wird im Him­mel gelöst sein‘. Und nach der Auf­er­ste­hung sagt er zu ihm: ‚Wei­de mei­ne Läm­mer‘. Auf ihn baut er die Kir­che, und ihm gibt er den Auf­trag, die Scha­fe zu wei­den; und obwohl er die glei­che Voll­macht allen Apo­steln über­trägt, setzt er doch einen ein­zi­gen Stuhl ein und begrün­det mit sei­ner Auto­ri­tät Ursprung und Sinn der Ein­heit. Gewiß waren auch die ande­ren das, was Petrus war, aber Petrus wur­de der Pri­mat gege­ben, und eine ein­zi­ge Kir­che und ein ein­zi­ger Stuhl wur­den gezeigt; und alle sind Hir­ten, doch eine ein­zi­ge ist die Her­de, die als von allen Apo­steln in ein­mü­ti­ger Über­ein­stim­mung umsorgt gezeigt wird. Wer die­se in Petrus gegen­wär­ti­ge Ein­heit nicht bewahrt, glaubt er, sich im Glau­ben zu hal­ten? Wer den Stuhl Petri ver­läßt, auf dem die Kir­che gegrün­det ist, meint er, in der Kir­che blei­ben zu kön­nen?“17

Die Bibel, in ihrer Gesamt­heit gele­sen und in Kon­ti­nui­tät mit der apo­sto­li­schen Tra­di­ti­on, aus der sie her­vor­ge­gan­gen ist, erlaubt nicht nur das Papst­tum, son­dern ver­langt es viel­mehr als sicht­ba­res Fun­da­ment der Einheit.

Es han­delt sich nicht um eine mensch­li­che Macht, son­dern um einen Dienst, den Chri­stus selbst gewollt hat. Nicht zufäl­lig zeigt die Geschich­te, daß, wer sich vom Papst trennt, unwei­ger­lich auch vom übri­gen Teil der Kir­che auseinandergerät.

Die eigent­li­che Fra­ge lau­tet nicht: „Ist das Papst­tum nütz­lich?“, Son­dern: „Woll­te Chri­stus ein sicht­ba­res Fun­da­ment für sei­ne Kir­che?“, und die Schrift sagt – wie wir gese­hen haben: ja.

5. Der Papst und die Bibel

Letzt­lich beru­hen die von pro­te­stan­ti­scher Sei­te gegen das Papst­tum vor­ge­brach­ten Ein­wän­de auf einer selek­ti­ven Aus­le­gung der Schrift und auf einem der Bibel selbst frem­den Grund­satz: der Sola Scriptura.

Im Gegen­teil haben wir gese­hen, daß das Neue Testa­ment klar zeigt, daß Petrus von Chri­stus eine beson­de­re Rol­le erhal­ten hat – bestä­tigt sowohl durch Taten als auch durch Wor­te. Aber auch durch die Geschich­te und die Zeug­nis­se der frü­hen Kirchenväter.

Die gewöhn­lich vor­ge­brach­ten Ein­wän­de, auf die wir geant­wor­tet haben, wider­le­gen nicht, son­dern bestä­ti­gen im Gegen­teil ein Lei­tungs­mo­dell, das zugleich sicht­bar, auto­ri­ta­tiv und brü­der­lich ist. Das Papst­tum ist kei­ne spä­te Hin­zu­fü­gung: Es ist der sicht­ba­re Aus­druck der von Chri­stus für sei­ne Kir­che gewoll­ten Einheit.

Der Petrus­pri­mat ist eine biblisch begrün­de­te Wirk­lich­keit, bestä­tigt von der leben­di­gen Tra­di­ti­on der Kirche.

Damit stellt sich auch viel­mehr die Fra­ge, war­um schis­ma­ti­sche Tei­le der Kir­che im Osten und die pro­te­stan­ti­schen Deno­mi­na­tio­nen wirk­lich das Papst­tum ableh­nen. Han­delt es sich dabei nicht viel­mehr um eine Auf­leh­nung? Um die Wei­ge­rung, sich einer von Jesus selbst ein­ge­setz­ten Auto­ri­tät zu unterwerfen?

*UCCR, Uni­on Ratio­na­ler Katho­li­scher Chri­sten, ein seit 2011 akti­ves Infor­ma­ti­ons­por­tal, das sich iro­nisch in bewuß­tem Kon­trast zu eini­gen sich ähn­lich nen­nen­den ita­lie­ni­schen Athe­isten­ver­bän­den so benannte. 

Bild: Vati​can​.va (Screen­shot)


1 A. Doo­ley, Is the papa­cy bibli­cal?, in: The Chri­sti­an Post 05.05.2025.

2 John P. Mei­er: A Mar­gi­nal Jew: Rethin­king the Histo­ri­cal Jesus. Com­pa­n­ions and Com­pe­ti­tors, 3. Bd, Yale Uni­ver­si­ty Press 2001, zitiert nach der ita­lie­ni­schen Aus­ga­be: Un ebreo mar­gi­na­le, Que­re­nia­na 2003, S. 250f.

3 Ebd. S. 255.

4 Ebd. S. 256.

5 Ebd. S. 238.

6 Ebd. S. 238f.

7 Pre­digt von Papst Leo XIV. in der Hei­li­gen Mes­se mit den wahl­be­rech­tig­ten Kar­di­nä­len, Six­ti­ni­sche Kapel­le, 9. Mai 2025.

8 Cipria­nus: Epi­stu­la 71, ad Quintum.

9 Euse­bi­us: Sto­ria eccle­sia­sti­ca, V, 24,16.

10 Ebd.

11 Igna­ti­us von Antio­chi­en: Brief an die Römer.

12 Ire­nä­us von Lyon: Adver­sus Haere­ses, III, 1,1.

13 Ebd. III, 3,2.

14 Dani­el W. Con­nor: Peter in Rome, Colum­bia Uni­ver­si­ty 1969; Engel­bert Kirsch­baum: Die Grä­ber der Apo­stel­für­sten St. Peter und St. Paul in Rom, Socie­tas-Ver­lag, Frank­furt am Main 1974; Rudolf Pesch: Simon Petrus. Geschich­te und geschicht­li­che Bedeu­tung des ersten Jün­gers Jesu Chri­sti, Hier­se­mann, Stutt­gart 1980.

15 Joce­lyn Toyn­bee & John W. Per­kins: The Shi­ne of St. Peter and the Vati­can Excava­tions, Pan­the­on 1957; John P. Mei­er: A Mar­gi­nal Jew: Rethin­king the Histo­ri­cal Jesus. Com­pa­n­ions and Com­pe­ti­tors, 3. Bd, Yale Uni­ver­si­ty Press 2001, zitiert nach der ita­lie­ni­schen Aus­ga­be: Un ebreo mar­gi­na­le, Que­re­nia­na 2003, S. 242; M. Guar­duc­ci: Le reli­quie di Pie­tro sot­to la Con­fes­sio­ne del­la Basi­li­ca Vati­ca­na, Vati­kan­ver­lag, Rom 1965; J.E. Walsh, The bones of St. Peter, Dou­ble­day 1982.

16 Cipria­nus: Epi­stu­la 73, ad Iubaianum.

17 Cipria­nus: De catho­li­cae Eccle­siae unitate.

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