Die SPD-Richterkandidatin Brosius-Gersdorf verschleiert ihre radikale Abtreibungsposition

Eine Gefährdung des höchsten deutschen Gerichts


Wie konnte es überhaupt zur Nominierung umstrittener Kandidaten für das Amt eines Bundesverfassungsrichters kommen?
Wie konnte es überhaupt zur Nominierung umstrittener Kandidaten für das Amt eines Bundesverfassungsrichters kommen?

Ein Gast­kom­men­tar von Hubert Hecker*

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Ein wesent­li­ches Ele­ment unse­res Rechts­staats besteht in der kate­go­ri­schen Ver­pflich­tung der Rich­ter, unab­hän­gig, vor­ur­teils­los, unbe­fan­gen und neu­tral gegen­über Par­tei­en und Mei­nung zu sein sowie objek­tiv und ergeb­nis­of­fen Streit­fra­gen im Pro­zess der Urteils­bil­dung zu behan­deln. Ins­be­son­de­re Ver­fas­sungs­rich­tern ist es strikt unter­sagt, zu Rechts­po­si­tio­nen vor­ab öffent­lich ihre per­sön­li­chen Mei­nun­gen zu ver­brei­ten. Die­se Zurück­hal­tungs­pflicht hat Aus­wir­kun­gen auch auf die Pha­se vor der Ernen­nung für das Amt.

Wenn die SPD-Kan­di­da­tin für das Ver­fas­sungs­rich­ter­amt, Jura­pro­fes­so­rin Frau­ke Bro­si­us-Gers­dorf, in ihren Schrif­ten immer wie­der ‚pola­ri­sie­ren­de Posi­tio­nen ver­tre­ten hat – etwa zu Lebens­recht und Men­schen­wür­de, zum Kopf­tuch­ver­bot von Rich­te­rin­nen, zum Wahl­recht und AfD-Ver­bot sowie zur Coro­na-Impf­pflicht‘ (FAZ, 8.7.25), dann ist nicht mehr gewähr­lei­stet, dass sie als Rich­te­rin die gebo­te­ne Unvor­ein­ge­nom­men­heit und Ergeb­nis­of­fen­heit in Rechts­fra­gen ein­neh­men wird. Ins­be­son­de­re zum Lebens­schutz steht die Kan­di­da­tin im dia­me­tra­len Gegen­satz zu den Ent­schei­dun­gen des Verfassungsgerichts.

Drei neue Ver­fas­sungs­rich­ter sol­len der­zeit vom Bun­des­tag mit Zwei-Drit­tel-Mehr­heit gewählt wer­den. Vor­her hat ein Wahl­aus­schuss von zwölf par­tei­en­re­prä­sen­tie­ren­den Abge­ord­ne­ten die Kan­di­da­ten bestimmt. Schon im Vor­feld hat­ten Medi­en die SPD-Kan­di­da­tin Bro­si­us-Gers­dorf als „zu links für Karls­ru­he?“ (ZDF) oder „nicht wähl­bar“ für Christ­de­mo­kra­ten (FAZ) bezeich­net. Das waren kei­ne „rech­ten Hetz­sei­ten“, wie SPD und Medi­en spä­ter behaup­te­ten. Trotz­dem stimm­ten am Mon­tag, dem 7. Juli, fünf lei­ten­de CDU/C­SU-Abge­ord­ne­te der SPD-Favo­ri­tin zu. Bei einer Pro­be­ab­stim­mung in der Frak­ti­on stell­te sich aber her­aus, dass ca. 60 Abge­ord­ne­te der christ­de­mo­kra­ti­schen Par­tei­en der umstrit­te­nen Kan­di­da­tin nicht ihre Zustim­mung geben wür­den. Die Mehr­heit wäre ver­fehlt wor­den, die Wahl muss­te vor­erst abge­sagt werden.

Wie konn­te es zu der Fehl­ein­schät­zung des CDU/C­SU-Vor­stands kommen?

Die gewief­te Jura­pro­fes­so­rin ver­steht es, in öffent­li­chen Erklä­run­gen ihre radi­ka­len Posi­tio­nen zum Lebens­schutz zu ver­schlei­ern und damit Öffent­lich­keit und Par­tei­en zu täu­schen. So ver­steckt sie etwa ihre For­de­rung nach dem ‚Recht auf Abtrei­bung‘ in der Früh­pha­se der Schwan­ger­schaft unter den gegen­tei­li­gen Begrif­fen wie ‚Recht auf Leben‘ und ‚Lebens­schutz‘ für den Embryo.

Die­ser sophi­sti­schen Sinn­ver­dre­hung sind sowohl Bun­des­kanz­ler Merz mit sei­nem „Ja“ wie auch der CSU-Lan­des­grup­pen­vor­sit­zen­de Alex­an­der Hoff­mann auf den Leim gegan­gen. Der hat­te nach der Nomi­nie­rung im Wahl­aus­schuss die „respek­ta­ble Kan­di­da­tin der SPD“ ver­tei­digt: „Die (geplan­te) Wahl von Frau Bro­si­us-Gers­dorf ist kein Angriff auf den Schutz des unge­bo­re­nen Lebens. Sie hat unmiss­ver­ständ­lich in ver­schie­de­nen juri­sti­schen Schrif­ten klar­ge­stellt, dass das Grund­recht auf Leben nicht erst ab Geburt gilt, son­dern bereits dem Embryo zusteht.“

In Wirk­lich­keit hat­te die Kan­di­da­tin mit ihren bedeu­tungs­ver­bie­gen­den Aus­sa­gen die ver­fas­sungs­recht­li­chen Nor­men zum Lebens­schutz höchst miss­ver­ständ­lich verunklart.

Das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt hat in sei­nen zwei ein­schlä­gi­gen Grund­satz­ur­tei­len von 1975 und 1993 als nor­mie­ren­de Norm des Grund­ge­set­zes fest­ge­stellt: Men­schen­wür­de (Art 1 GG) und Lebens­recht (Art 2 GG) kom­men dem unge­bo­re­nen mensch­li­chen Leben für die gan­ze Dau­er der Schwan­ger­schaft zu. Das eige­ne Lebens­recht des Unge­bo­re­nen darf auch nicht in der begrenz­ten Zeit der Früh­pha­se der frei­en Ent­schei­dung der schwan­ge­ren Mut­ter über­tra­gen wer­den (Leit­sät­ze 1 und 4, 1993).

Bro­si­us-Gers­dorf dage­gen geht in ihrem Gut­ach­ten-Bei­trag von 2024 auf radi­ka­len Kon­fron­ta­ti­ons­kurs zum Ver­fas­sungs­ge­richt. Sie dif­fa­miert des­sen stän­di­ge Recht­spre­chung zum Lebens­schutz als „bio­lo­gi­stisch-natu­ra­li­sti­schen Fehl­schluss“. In die­ser Ver­wer­fung liegt für den Rechts­wis­sen­schaft­ler Ekke­hard Rei­mer „ein Bruch mit der gesam­ten bis­he­ri­gen Recht­spre­chung des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts zu Art 2 GG“.

Wenn die Juri­stin aus­führt: „Dem Embryo steht ab Nida­ti­on (Ein­ni­stung auf der Gebär­mut­ter­schleim­haut) das Recht auf Leben“ zu, dann erweckt sie gezielt den fal­schen Anschein von Über­ein­stim­mung mit dem BVerfG-Ent­scheid. Eini­ge Sei­ten wei­ter ver­steckt sie dann den wah­ren Kern ihrer Aus­sa­ge: Da redu­ziert sie die Bedeu­tung von „Recht auf Leben“ auf ein mini­ma­les Lebens­recht von ganz „gerin­gem Gewicht“.

Aber ‚ein biss­chen Lebens­schutz‘ gibt es eben­so wenig wie ein ‚biss­chen Schwan­ger­schaft‘ oder ein biss­chen Schutz vor Fol­ter. Ein ‚Stück weit‘ Men­schen­wür­de zuzu­ge­ste­hen und das Lebens­recht den Unge­bo­re­nen bruch­stück­haft zuzu­schrei­ben, heißt bei­de Grund­rech­te abzuschaffen.

Auch die Qua­li­fi­zie­rung des Lebens­rechts als Men­schen­recht (d. h. Recht qua Mensch­sein ohne ein­schrän­ken­de Bedin­gun­gen) sowie die Unan­tast­bar­keit der Men­schen­wür­de ver­bie­ten von vorn­her­ein jede Ein­schrän­kung oder Mini­ma­li­sie­rung von Rech­ten. „Jede Anta­stung der Men­schen­wür­de (und des Lebens­rechts) bedeu­tet eo ipso ihre Ver­let­zung“ – so das BVerfG 1993 und zahl­rei­che Grundgesetzkommentare.

Doch genau in die­se Rich­tung geht die Argu­men­ta­ti­on von Bro­si­us-Gers­dorf, wenn sie das selbst­ver­ständ­lich vol­le Lebens­recht eines unge­bo­re­nen Men­schen zu einem ‚gering­ge­wich­ti­gen Lebens­recht‘ des Embry­os will­kür­lich her­ab­stuft. Und aus die­sem angeb­lich nied­ri­gen Rechts­sta­tus‘ des Unge­bo­re­nen fol­gert sie in ihrem Gut­ach­ten-Bei­trag 2024: Ange­sichts des Min­der­rechts des Embry­os in der Früh­pha­se ste­he der Frau ein „Recht auf Schwan­ger­schafts­ab­bruch“ zu (S. 252), also ein Recht auf Abtrei­bung oder auf lega­li­sier­te Tötung eines sich ent­wickeln­den Menschen.

Die öffent­li­che Bal­lon-Behaup­tung von Bro­si­us-Gers­dorf, sie sei „stets für das Grund­recht auf Leben des Embry­os ein­ge­tre­ten“, löst sich durch die Nadel der seman­ti­schen Ana­ly­se in Luft auf. Sie meint mit ihrer The­se vom Lebens­schutz das Gegen­teil: Kein Lebens­recht für den Embryo in der Frühphase!

Das Ver­steck­spiel mit Wor­ten und anders­mei­nen­den Bedeu­tun­gen geht wei­ter. Ist schon die vage Rede vom gering­ge­wich­ti­gen Lebens­schutz für eine zu kla­ren Begrif­fen ver­pflich­te­ten Juri­stin ein Unding, so geht ihre Argu­men­ta­ti­on mit will­kür­li­chen Fol­ge­run­gen weiter.

Ein zum Zeit­punkt der Ver­schmel­zung von Samen- und Eizel­le gene­tisch iden­ti­fi­zier­ba­rer Mensch hat nach Bro­si­us-Gers­dorf kei­ner­lei Recht auf Leben oder Men­schen­wür­de. Erst ab dem Zeit­punkt der Nida­ti­on begin­ne ein kon­ti­nu­ier­li­cher Zuwachs­pro­zess an Lebens­recht und Men­schen­wür­de. Das ist dem­nach so vor­stell­bar, dass dem Embryo etwa alle drei Tage jeweils ein Pro­zent­punkt an Rech­ten zuwächst, so dass er bei der Geburt das vol­le Maß an Lebens­recht und die „vol­le Men­schen­wür­de­ga­ran­tie“ erreicht hätte.

Die­se Denk­fi­gur von gestuf­ten Rech­ten im Ent­wick­lungs­pro­zess des Embry­os ver­wirft das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt (1993) aus­drück­lich, wenn es schreibt, dass „auf Sei­ten des unge­bo­re­nen Lebens auf kei­nen Fall ein Mehr oder Weni­ger an Rech­ten oder die Hin­nah­me von Nach­tei­len oder Ein­schrän­kun­gen“ zu akzep­tie­ren wäre.

Ab der 22. Schwan­ger­schafts­wo­che, so Bro­si­us-Gers­dorf wei­ter, wenn der Fetus Lebens­fä­hig­keit außer­halb des Ute­rus hat, sei­en die Rech­te des Unge­bo­re­nen soweit ange­wach­sen, dass man von einem „star­ken Schutz“ an Lebens­recht und Men­schen­wür­de spre­chen müsse.

Nach die­sem eben­falls vagen Wort vom star­ken, aber nicht vol­len Lebens­schutz soll nun eine Abtrei­bung grund­rechts­wid­rig sein, so dass der Gesetz­ge­ber sie unter­sa­gen müss­te – eine eben­so will­kür­li­che Fest­le­gung wie die Abtrei­bungs­frei­heit in den 21 Schwan­ger­schafts­wo­chen vorher.

Aber wie gesagt, der „star­ke Schutz“ für das Unge­bo­re­ne ab der 22. Woche meint eben nicht „vol­len Schutz“ wie nach der Geburt. Bei schwe­rer Behin­de­rung etwa könn­te „unter dem Gesichts­punkt des Grund­rechts des Kin­des auf selbst­be­stimm­tes Ster­ben (!)“ eine Abtrei­bung bis zur Geburt „zuläs­sig“ sein. Eine sol­che wahr­haft hals­bre­che­risch-tod­brin­gen­de Argu­men­ta­ti­on wird nie­mals kon­sens­fä­hig und erst recht nicht ver­fas­sungs­mä­ßig sein.

Für ihre The­se vom nied­ri­gen Lebens­recht der Unge­bo­re­nen will die Juri­stin auch Argu­men­te aus dem Per­sön­lich­keits­recht der Schwan­ge­ren her­aus­de­stil­lie­ren: Da Schwan­ger­schaft, Geburt und Mut­ter­schaft eine tief­grei­fen­de Ver­än­de­rung für Per­sön­lich­keits­ent­fal­tung und Lebens­pla­nung der Frau bedeu­te­ten, müs­se ihrem Selbst­be­stim­mungs­recht der „Vor­rang“ zukom­men gegen­über dem Lebens­recht des Unge­bo­re­nen, das eben des­halb in der Früh­pha­se her­ab­zu­stu­fen ist. Das (sub­jek­ti­ve) Ver­lan­gen der Frau nach Abtrei­bung (d. h. Tötung eines unge­bo­re­nen Men­schen) habe des­halb „star­ken grund­recht­li­chen Schutz“. Die­se Argu­men­ta­ti­on zum Recht auf Abtrei­bung steht dia­me­tral der stän­di­gen Recht­spre­chung des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts ent­ge­gen: „Das eige­ne Lebens­recht des Unge­bo­re­nen darf auch nicht in der begrenz­ten Zeit der Früh­pha­se der frei­en Ent­schei­dung der schwan­ge­ren Mut­ter über­tra­gen werden.“

Bro­si­us-Gers­dorf gibt einen wei­te­ren Grund für den nach ihrer Mei­nung min­de­ren Rechts­sta­tus des Embry­os an: Weil das Unge­bo­re­ne in der ersten und mitt­le­ren Pha­se der Schwan­ger­schaft in „exi­sten­ti­el­ler Abhän­gig­keit vom Kör­per der Schwan­ge­ren“ ste­he, des­halb habe es gerin­ge­re Schutz­rech­te an Lebens­recht und Menschenwürde.

Was für eine zyni­sche Logik! „Im Kern läuft das auf ein ‚Recht des Stär­ke­ren‘ hin­aus“, kom­men­tier­te Mathi­as Brod­korb in CICERO.

„Ange­sichts die­ser Befun­de“, so Brod­korb wei­ter, „soll­te Bro­si­us-Gers­dorf die Reiß­lei­ne zie­hen und auf ihre Kan­di­da­tur ver­zich­ten. Das wäre nicht nur ein Dienst an der poli­ti­schen Kul­tur des Lan­des, son­dern auch an der höch­sten deut­schen Gerichtsbarkeit.“

Aber auch die SPD muss sich ange­sichts der Ver­tu­schungs­ar­gu­men­ta­ti­on und pola­ri­sie­ren­den Posi­tio­nen ihrer Favo­ri­tin mit der Opti­on der Rück­nah­me ihres Per­so­nal­vor­schlags beschäf­ti­gen. Nach ihren teils radi­ka­len Vor­ab-Stel­lung­nah­men zu vie­len ver­fas­sungs­recht­li­chen Fra­gen sowie ihrem „Bruch mit der gesam­ten bis­he­ri­gen Recht­spre­chung des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts zu Art 2 GG“ wür­de sie als Ver­fas­sungs­rich­te­rin die gebo­te­ne Unvor­ein­ge­nom­men­heit in Rechts­fra­gen nicht mehr ein­neh­men kön­nen. Damit wür­de sie das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt beschä­di­gen, des­sen Anse­hen und Akzep­tanz auf der vor­ur­teils­lo­sen, unbe­fan­ge­nen, objek­ti­ven und ergeb­nis­of­fe­nen Behand­lung von Streit­fra­gen im Pro­zess der Urteils­bil­dung beruht. Die­se Gefähr­dung des höch­sten deut­schen Gerichts darf die SPD nicht zulassen.

*Hubert Hecker, Ober­stu­di­en­rat a. D.

Bild: Bild­col­la­ge (Screen­shots)

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