
Auch der langjährige, inoffizielle Doyen der Vatikanisten, Sandro Magister, befaßte sich inzwischen mit dem Skandal um das Zustandekommen des Motu proprio Traditionis custodes und den damit verbundenen Lügen von Papst Franziskus und seinem Hofstaat. Magister veröffentlichte seine Analyse und auch die vollständige originale Gesamtbewertung, die im Anhang in deutscher Sprache wiedergegeben wird. Ergänzt sei, daß die Autoren der Gesamtbewertung, die damalige Vierte Sektion der Glaubenskongregation, die ehemalige Päpstliche Kommission Ecclesia Dei, von Franziskus mit Traditionis custodes nicht nur völlig ignoriert wurde, sondern mit diesem Motu proprio von ihm auch aufgelöst wurde. Der willkürliche Rechtsakt sollte bergoglianisch Tabula rasa machen. Hier nun die Analyse von Sandro Magister und die vollständige Gesamtbewertung in deutscher Sprache:
Die Stellungnahmen der Bischöfe zum alten Ritus, deren Veröffentlichung Franziskus verboten hat
Von Sandro Magister
Anfang Juli machten auf unterschiedlichen Wegen, aber beinahe gleichzeitig, zwei ausgewiesene Vatikanexperten – die US-Amerikanerin Diane Montagna und der Italiener Saverio Gaeta – erstmals die wichtigsten Ergebnisse einer weltweiten Befragung bekannt, die Papst Franziskus im Jahr 2020 unter den Diözesen zur Feier der Heiligen Messe im alten Ritus angeordnet hatte.
Montagna veröffentlichte ihre Informationen in einem ausführlich belegten Artikel am 1. Juli auf Substack. Gaeta wiederum stellte die Ergebnisse in einem gemeinsam mit dem bekannten Liturgiker Don Nicola Bux verfaßten Buch vor, das vom Verlag Fede & Cultura herausgegeben wird. Dieses Buch erscheint nach Verzögerungen Ende Juli in Italien, kann jedoch bereits jetzt als Kindle-Ausgabe auf Amazon erworben und gelesen werden.
Die Feier der Messe im alten Ritus war im Jahr 2007 durch Benedikt XVI. mit dem Motu Proprio Summorum Pontificum erlaubt worden. Das erklärte Ziel war es, daß „die beiden Formen des römischen Ritus“, also die alte und die neue, „einander gegenseitig bereichern könnten“.
Doch Franziskus machte nie ein Geheimnis daraus, daß er diese Erlaubnis rückgängig machen wollte. Für ihn war die Feier der Messe im alten Ritus lediglich eine Quelle der Spaltung, verbunden mit „einer zunehmenden Ablehnung nicht nur der Liturgiereform, sondern des Zweiten Vatikanischen Konzils“. Am 16. Juli 2021 widerrief er mit dem Motu Proprio Traditionis custodes diese Freiheit wieder und erklärte den neuen, nachkonziliaren Meßritus zur „einzigen Ausdrucksform der ‚lex orandi‘ des römischen Ritus“. Für den alten Ritus ließ er nur noch stark eingeschränkte und marginale Ausnahmen zu.
Die vorgenannte Umfrage unter den Bischöfen hatte Franziskus eigens angeordnet, um von ihnen eine möglichst einmütige Forderung nach dieser Kursänderung zu erhalten. Und tatsächlich behauptete er, daß genau diese Forderung bei ihm angekommen sei – so jedenfalls schrieb er es selbst in dem Begleitbrief an die Bischöfe zum Motu Proprio Traditionis custodes:
„Die eingegangenen Antworten haben eine Situation offenbart, die mich traurig und besorgt macht und mich darin bestätigt, daß es notwendig ist einzugreifen. […] In Beantwortung Eurer Bitten treffe ich die feste Entscheidung, alle Normen, Instruktionen, Gewährungen und Gewohnheiten außer Kraft zu setzen, die diesem Motu Proprio vorausgegangen sind.“
Merkwürdigerweise untersagte Franziskus jedoch die Veröffentlichung der Ergebnisse der Umfrage. Der Grund für diese Weigerung ist genau der, der durch die jüngsten Enthüllungen von Montagna und Gaeta ans Licht gekommen ist:
Denn hätte Franziskus die Ergebnisse veröffentlicht, hätte er nicht mehr behaupten können, daß die Bischöfe mit ihm übereinstimmten – sondern hätte das genaue Gegenteil einräumen müssen.
Und noch mehr: Das Gewicht dieser bewußten Irreführung („Fake News“) wird dadurch noch größer, daß die Umfrage und deren Auswertung durch die damalige Kongregation für die Glaubenslehre durchgeführt wurden – unter der Leitung von Kardinal Luis Ladaria. Der Abschlußbericht enthält sogar eine „Gesamtbewertung“, die von der vierten Sektion dieser Kongregation verfaßt wurde – das war jene Sektion, die zuvor als Päpstliche Kommission Ecclesia Dei für die Überwachung der Feier des alten Ritus zuständig war.
Der Text dieser „Gesamtbewertung“ – von Diane Montagna im italienischen Original und in englischer Übersetzung veröffentlicht und ausführlich im Buch von Gaeta und Bux zitiert – wird weiter unten vollständig wiedergegeben. Er belegt eindeutig, daß die Einschätzung der Bischöfe – und der Kongregation – insgesamt sehr positiv hinsichtlich der Wirkung von Summorum Pontificum ausfiel und somit diametral den Entscheidungen von Papst Franziskus in Traditionis custodes widersprach.
Die „Gesamtbewertung“ ist nur ein Teil des umfangreichen Berichts, der Franziskus im Februar 2021 übergeben wurde – und den er anschließend verschwinden ließ.
Der Bericht umfaßt 224 Seiten. Im ersten Teil werden die neun Fragen des Fragebogens dargestellt, samt den Antworten der Bischöfe, gegliedert nach Kontinenten und Ländern. Im zweiten Teil folgt eine allgemeine Zusammenfassung. Darauf folgen die erwähnte „Gesamtbewertung“ sowie ein „Blütenlese von Zitaten“ aus den Antworten, jeweils mit Angabe der Diözese, aus der sie stammen.
Die Antworten kamen aus etwa einem Drittel der mehr als 3.000 angeschriebenen Diözesen – im wesentlichen also aus jenen, in denen der alte Ritus tatsächlich gefeiert wurde. Besonders stark vertreten waren dabei Nordamerika und Europa, während Afrika und Südamerika am wenigsten antworteten.
In Europa ist Frankreich das Land, in dem die Messe im alten Ritus in nahezu allen Diözesen gefeiert wird – mit überwiegend positiven Bewertungen durch die jeweiligen Bischöfe. In Italien hingegen finden solche Feiern nur in etwas mehr als der Hälfte der Diözesen statt, wobei viele Mißverständnisse und Fehler in der Umsetzung von Summorum Pontificum von den Autoren der Umfrage kritisiert wurden.
In Nordamerika sind vor allem die USA betroffen – etwa zwei von drei Diözesen sind involviert –, und auch hier überwiegend mit positiven Urteilen. In Asien und Afrika wird der alte Ritus nur in sehr wenigen Diözesen gefeiert, wobei einige Bischöfe dennoch ihre Hoffnung äußern, daß er künftig häufiger gefeiert werde, „um den Reichtum der kirchlichen Tradition erfahrbar zu machen“.
In Südamerika – ebenfalls mit nur wenigen betroffenen Diözesen – stechen insbesondere die Antworten aus Brasilien hervor. Dort sind die Rückmeldungen stark kritisch gegenüber Gläubigen und Priestern, die den alten Ritus feiern und laut Bischöfen „weder das Zweite Vatikanische Konzil noch Papst Franziskus wertschätzen“.
Im Buch von Gaeta und Bux wird dieser Überblick über die Rückmeldungen aus den verschiedenen Weltregionen ausführlich dargestellt.
Doch zurück zur Gesamtbewertung, die von der zuständigen Sektion der Glaubenskongregation verfaßt wurde. Im folgenden ist der vollständige Text wiedergegeben – und er steht in krassem Gegensatz zu dem, was Papst Franziskus später beschlossen hat.
Gesamtbewertung
(Aus dem unveröffentlichten Abschlußbericht der Umfrage unter den Bischöfen über die Feiern im alten Ritus, 2020–2021)
Aus der großen Menge eingesandter und bearbeiteter Dokumente geht hervor, daß das Motu Proprio Summorum Pontificum heute eine bedeutende, wenn auch zahlenmäßig begrenzte Rolle im Leben der Kirche spielt. Es wurde von Papst Benedikt XVI. nach Jahren teils heftiger Auseinandersetzungen zwischen den Befürwortern der liturgischen Reform von 1970 und jenen des Missale Romanum von 1962 verfaßt und hat es verstanden, die gleiche Würde beider Formen des römischen Ritus zu bekräftigen und günstige Bedingungen für einen echten liturgischen Frieden zu schaffen – auch in der Perspektive einer möglichen künftigen Vereinigung der beiden Formen.
Die gegenseitige Bereicherung und Weiterentwicklung des Missale Romanum von 1962, wie sie Papst Benedikt XVI. (vgl. Brief vom 7. Juli 2007) gewünscht hatte, wurde auch durch die Veröffentlichung der Ausführungsinstruktion Universae Ecclesiae vom 30. April 2011 und durch zwei Dekrete erfüllt, die Papst Franziskus am 5. Dezember 2019 nach einhelliger Zustimmung der Mitglieder der Glaubenskongregation bestätigt hatte (Quo Magis – über die Hinzufügung von sieben neuen Präfationen – und Cum Sanctissima – über die Aufnahme neuer Heiliger).
Die Verbreitung des alten römischen Ritus nach Summorum Pontificum betrifft etwa 20 % der lateinischen Diözesen weltweit. Seine Anwendung erfolgt heute in weitaus friedlicherer und entspannterer Weise als früher – wenn auch nicht überall; es bleiben vereinzelt noch ungelöste Fälle. Leider wurde in einigen Diözesen die „außerordentliche Form“ nicht als Bereicherung des kirchlichen Lebens wahrgenommen, sondern als störendes, überflüssiges oder gar „gefährliches“ Element, das unterdrückt, ignoriert oder streng kontrolliert werden sollte – in Erwartung seines Verschwindens oder seiner Aufhebung.
Die Mehrheit der Bischöfe, die den Fragebogen beantwortet und das Motu Proprio Summorum Pontificum großzügig und mit Umsicht umgesetzt haben, zeigt sich insgesamt zufrieden damit – insbesondere jene, die die Möglichkeit hatten, eine Personalpfarrei zu errichten, in der alle Sakramente in der „außerordentlichen Form“ gefeiert werden und sich eine stabile Gemeinschaft mit pastoralen Aktivitäten gebildet hat. Wo das Klerus mit dem Bischof eng zusammenarbeitet, ist die Situation vollständig befriedet.
Ein wiederkehrendes Thema, das die Bischöfe betonen, ist die Tatsache, daß vor allem junge Menschen diese alte Liturgie entdecken und wählen. Die meisten stabilen Gruppen weltweit bestehen aus Jugendlichen und jungen Konvertiten oder Rückkehrern zum Glauben und zu den Sakramenten. Sie bewundern die Sakralität, Ernsthaftigkeit und Feierlichkeit dieser Liturgie. Besonders geschätzt werden angesichts einer lärmenden, geschwätzigen Gesellschaft: die Wiederentdeckung der Stille in der heiligen Handlung, die sparsame und präzise Sprache, eine Predigt, die der Lehre der Kirche treu bleibt, die Schönheit des liturgischen Gesangs und die würdige Feierlichkeit – ein Gesamtbild, das sehr anziehend wirkt. Genau diese Personen bezeichnete Benedikt XVI. im Begleitbrief zum Motu Proprio Summorum Pontificum als seine besonderen Adressaten – neben all jenen, die seit Jahrzehnten eine Freigabe und Anerkennung der ehrwürdigen lateinisch-gregorianischen Liturgie in der kirchlichen Praxis erbeten hatten.
Die Entstehung stabiler Gruppen, wie sie vom Motu Proprio Summorum Pontificum und von der Instruktion Universae Ecclesiae vorgesehen ist, hat dem Heiligen Stuhl erlaubt, diesen Weg der Befriedung und Kirchlichkeit zu begleiten – zunächst durch die Päpstliche Kommission Ecclesia Dei, heute durch die Sectio Quarta (Vierte Sektion) der Glaubenskongregation. Dafür zeigen die Bischöfe Zufriedenheit und Dankbarkeit. Es braucht eine institutionelle Struktur und einen kompetenten Ansprechpartner, der diese Gruppen und die von ihnen abhängigen Klerikerinstitute begleitet und dem Bischofsamt zur Seite steht, um Willkür, Selbstverwaltung oder Machtmißbrauch durch lokale Bischöfe zu vermeiden. Der Heilige Stuhl und die Bindung an den Papst sind für alle – Gläubige wie Hirten – eine Garantie. Die kirchliche Gemeinschaft zwischen Diözesanbischof und den stabilen Gruppen bzw. Instituten sowie zwischen diesen und dem Papst zu fördern ist entscheidend für einen friedlichen und fruchtbaren apostolischen Weg. Diese Gläubigen möchten wie alle anderen auch seelsorglich begleitet werden – ohne Vorurteile.
Nach einer ersten schwierigen Phase – und bei noch einigen offenen Situationen – haben dank Summorum Pontificum diese Gläubigen, Bischöfe und Priester Stabilität und Frieden gefunden. Die Vierte Sektion war für sie ein ruhiger, stabiler und zugleich autoritativer Bezugspunkt, der ihre Rechte (und Pflichten) schützt. Einige Bischöfe betonen, wie notwendig es sei, diese Gruppen zu bewahren, um Abwanderungen in schismatische Kreise oder zur Piusbruderschaft (FSSPX) zu verhindern. Überall dort, wo stabile Gruppen vom Diözesanbischof oder einem beauftragten Priester begleitet werden, bestehen kaum noch Probleme – und die Gläubigen fühlen sich als Kinder ihres bischöflichen Vaters respektiert und angenommen.
Im Motu Proprio Summorum Pontificum und im Begleitbrief ist der Wille des Papstes zur innerkirchlichen liturgischen Versöhnung klar formuliert. In seiner berühmten Rede an die Römische Kurie vom 22. Dezember 2005 betonte Benedikt XVI. die Notwendigkeit, nicht in der Logik eines Bruchs, sondern in der Hermeneutik der Reform in Kontinuität mit der Tradition voranzuschreiten – auch liturgisch. Er schrieb: „Was für frühere Generationen heilig war, bleibt auch für uns heilig und groß und kann nicht plötzlich völlig verboten oder gar als schädlich angesehen werden. Es tut uns allen gut, die Reichtümer zu bewahren, die im Glauben und im Gebet der Kirche gewachsen sind, und ihnen ihren angemessenen Platz zu geben“ (Begleitbrief zum Motu Proprio). Diese ekklesiologische Perspektive einer Hermeneutik der Kontinuität mit der Tradition und kohärenter Entwicklung ist noch nicht bei allen Bischöfen vollständig angekommen – aber dort, wo sie rezipiert und angewendet wird, trägt sie bereits Früchte, vor allem in der Liturgie. Einige Bischöfe betonen auch die positiven Effekte des Motu Proprio für die „ordentliche Form“ der Liturgie – etwa die Wiedergewinnung von Sakralität und innerkirchliche Versöhnung.
Einige Bischöfe meinen, das Motu Proprio habe sein Ziel – die Versöhnung – nicht erreicht, und wünschen daher dessen Aufhebung, da die Einigung innerhalb der Kirche nicht vollständig gelungen und die FSSPX nicht zurückgekehrt sei. Aus der Gesamtauswertung der Antworten wird jedoch deutlich, daß diese Umfrage vielen Bischöfen erst den Zugang zum Dokument eröffnet hat. Zur ersten Einwendung sei gesagt: Versöhnungsprozesse in der Kirche sind langwierig. Das Motu Proprio hat dafür die Grundlagen geschaffen. Zur zweiten: Summorum Pontificum war nicht für die FSSPX gedacht – sie hatten bereits das, was damit freigegeben wurde.
Vielmehr steht das Motu Proprio Summorum Pontificum in organischer Kontinuität mit Ecclesia Dei adflicta von Johannes Paul II., mit dem dieser nach den Bischofsweihen von Erzbischof Lefebvre viele Katholiken vor einem Schisma bewahren wollte. Benedikt XVI. sagte, das Motu Proprio sei notwendig gewesen, um die Kirche mit sich selbst zu versöhnen. Deshalb veröffentlichte er auch das Motu Proprio Ecclesiae Unitatem, das Ecclesia Dei in die Glaubenskongregation integrierte. Dieses Projekt wurde mit dem Motu Proprio von Papst Franziskus im Januar 2019 abgeschlossen, das die Auflösung von Ecclesia Dei verfügte und stattdessen eine spezifische Sektion in der Glaubenskongregation schuf, der die Aufgabe übertragen wurde, „die bisherige Arbeit der Aufsicht, Förderung und des Schutzes fortzuführen“.
Bischöfe, die dem Thema besonders verbunden sind, betonen, daß die alte Liturgie ein Schatz der Kirche sei, der geschützt und bewahrt werden müsse: Es ist gut, mit der Vergangenheit in Einheit zu bleiben, aber man müsse auch in kohärenter Entwicklung und Fortschritt weitergehen – und diesen Gläubigen, soweit möglich, entgegenkommen. Wenn auf diözesaner Ebene eine Befriedung erreicht wird, besteht keine Gefahr von „zwei Kirchen“, wie manche Bischöfe befürchten. Diese weisen auch darauf hin, daß manche Gläubige der „außerordentlichen Form“ das Zweite Vatikanische Konzil ablehnen. Das ist teilweise zutreffend, aber nicht zu verallgemeinern. Auch in solchen Fällen war die pastorale Fürsorge des Bischofs entscheidend, um überhitzte Gemüter zu beruhigen und Klarheit zu schaffen.
Die Bischöfe verweisen außerdem auf das Wachstum der Berufungen in den ehemaligen Ecclesia Dei-Instituten – besonders im angelsächsischen und frankophonen Raum, aber auch in spanisch- und portugiesischsprachigen Ländern. Viele junge Männer entscheiden sich für eine Ausbildung in diesen Instituten anstelle der Diözesanseminare – sehr zum Bedauern mancher Bischöfe. Die Vierte Sektion hat einen signifikanten Anstieg der Berufungen registriert sowie ein wachsendes Engagement der Institute bei der spirituellen und intellektuellen Ausbildung – wenngleich diese Realitäten zahlenmäßig klein, aber keineswegs marginal im Leben der Kirche sind.
In spanischsprachigen Ländern scheint das Interesse der Bischöfe an Summorum Pontificum gering zu sein – obwohl es auch dort Gläubige mit entsprechender Nachfrage gibt. Auch unter den italienischen Bischöfen zeigt sich meist wenig Wertschätzung für die „außerordentliche Form“ und die diesbezüglichen Regelungen – mit einigen Ausnahmen. Die Gläubigen hingegen sind Benedikt XVI. und Papst Franziskus sehr dankbar, weil sie durch Summorum Pontificum aus einem kirchlichen Leben in der „Klandestinität“, Ablehnung und Spott sowie aus dem Machtmißbrauch mancher Bischöfe gegenüber ihnen und ihren Priestern befreit wurden. In den letzten Jahren haben sich viele stabile Gruppen gebildet, die oft als Vereine organisiert sind und die lateinisch-gregorianische Liturgie erbitten.
Einige Bischöfe wünschen sich eine Rückkehr zur Indult-Situation, um mehr Kontrolle zu erlangen. Die Mehrheit der antwortenden Bischöfe jedoch ist überzeugt: Eine Änderung des Summorum Pontificum würde mehr Schaden als Nutzen bringen. Eine Abschwächung oder Aufhebung würde die durch das Motu Proprio geschaffene Befriedung wieder zerstören. Der Erzbischof von Mailand äußert: „Ich habe den Eindruck, daß jeder ausdrückliche Eingriff mehr Schaden als Nutzen bringt: Wird die Linie von Summorum Pontificum bestätigt, werden die kritischen Reaktionen des Klerus (und anderer) zunehmen. Wird sie abgelehnt, nehmen die Reaktionen der Anhänger des alten Ritus an Dissens und Groll zu.“ Daher sei es besser, den eingeschlagenen Weg fortzusetzen und Erschütterungen zu vermeiden.
Andere betonen, daß eine Änderung der Rechtslage viele Gläubige enttäuschen und zur Abwanderung in Richtung FSSPX oder anderer Gruppen führen würde – und so den Eindruck bestätigen könnte, „Rom gebe mit der einen Hand, um mit der anderen wieder zu nehmen“. Eine Änderung könnte liturgische Kriege neu entfachen, ein neues Schisma begünstigen und zwei Päpste – Johannes Paul II. und Benedikt XVI. – delegitimieren, die sich für diese Gläubigen eingesetzt haben.
Ein Vorschlag, der in einigen Antworten erscheint und als Fazit dienen könnte: Man sollte – bei gleichzeitiger Bekräftigung der nachkonziliaren liturgischen Reform – in den Seminaren und theologischen Fakultäten Studienmodule zu beiden Formen des römischen Ritus einführen. Ziel wäre es, den Reichtum beider Formen im Dienst am christlichen Mysterium in der ganzen Kirche bewußt zu machen und eine friedliche Grundlage für deren Feier in den Ortskirchen mit geeigneten Priestern zu schaffen.
Zum Schluß schrieb ein Bischof von den Philippinen in seiner Antwort: „Laßt die Leute frei wählen.“ Benedikt XVI. sagte 2008 bei seinem Besuch in Frankreich zur Bischofskonferenz über das Summorum Pontificum: „Ich weiß um die Schwierigkeiten, denen Sie begegnen, aber ich zweifle nicht daran, daß Sie in angemessener Zeit zu Lösungen kommen werden, die alle zufriedenstellen, sodaß das nahtlose Gewand Christi nicht weiter zerrissen wird. Niemand ist in der Kirche überflüssig. Jeder, ausnahmslos, muß sich in ihr ‚zu Hause‘ fühlen – niemals abgelehnt. Gott, der alle Menschen liebt und nicht will, daß jemand verloren gehe, hat uns diese Mission anvertraut, indem er uns zu Hirten seiner Herde gemacht hat. Dafür können wir ihm nur danken. Seien wir stets Diener der Einheit.“ Papst Franziskus hat diese Worte Benedikts XVI. aufgenommen, sie sich zu eigen gemacht und sie als Maßstab gegen jede Form von Spaltung und Ausgrenzung in der Kirche bekräftigt. In gewisser Weise könnten genau diese Worte auch für uns heute Richtschnur und Beurteilungskriterium sein.
Einleitung/Übersetzung: Giuseppe Nardi
Bild: MiL