Die Unterlagen zum alten Ritus, die Franziskus verschwinden ließ

Die diametral im Widerspruch stehende Entscheidung


Die Gesamtbewertung der Umfrage unter den Diözesanbischöfen der Welt zum Motu proprio Summorum Pontificum im Wortlaut
Die Gesamtbewertung der Umfrage unter den Diözesanbischöfen der Welt zum Motu proprio Summorum Pontificum im Wortlaut

Auch der lang­jäh­ri­ge, inof­fi­zi­el­le Doy­en der Vati­ka­ni­sten, San­dro Magi­ster, befaß­te sich inzwi­schen mit dem Skan­dal um das Zustan­de­kom­men des Motu pro­prio Tra­di­tio­nis cus­to­des und den damit ver­bun­de­nen Lügen von Papst Fran­zis­kus und sei­nem Hof­staat. Magi­ster ver­öf­fent­lich­te sei­ne Ana­ly­se und auch die voll­stän­di­ge ori­gi­na­le Gesamt­be­wer­tung, die im Anhang in deut­scher Spra­che wie­der­ge­ge­ben wird. Ergänzt sei, daß die Autoren der Gesamt­be­wer­tung, die dama­li­ge Vier­te Sek­ti­on der Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on, die ehe­ma­li­ge Päpst­li­che Kom­mis­si­on Eccle­sia Dei, von Fran­zis­kus mit Tra­di­tio­nis cus­to­des nicht nur völ­lig igno­riert wur­de, son­dern mit die­sem Motu pro­prio von ihm auch auf­ge­löst wur­de. Der will­kür­li­che Rechts­akt soll­te berg­o­glia­nisch Tabu­la rasa machen. Hier nun die Ana­ly­se von San­dro Magi­ster und die voll­stän­di­ge Gesamt­be­wer­tung in deut­scher Sprache:

Die Stellungnahmen der Bischöfe zum alten Ritus, deren Veröffentlichung Franziskus verboten hat

Anzei­ge

Von San­dro Magister

Anfang Juli mach­ten auf unter­schied­li­chen Wegen, aber bei­na­he gleich­zei­tig, zwei aus­ge­wie­se­ne Vati­kan­ex­per­ten – die US-Ame­ri­ka­ne­rin Dia­ne Mon­tagna und der Ita­lie­ner Save­r­io Gaeta – erst­mals die wich­tig­sten Ergeb­nis­se einer welt­wei­ten Befra­gung bekannt, die Papst Fran­zis­kus im Jahr 2020 unter den Diö­ze­sen zur Fei­er der Hei­li­gen Mes­se im alten Ritus ange­ord­net hatte.

Mon­tagna ver­öf­fent­lich­te ihre Infor­ma­tio­nen in einem aus­führ­lich beleg­ten Arti­kel am 1. Juli auf Sub­stack. Gaeta wie­der­um stell­te die Ergeb­nis­se in einem gemein­sam mit dem bekann­ten Lit­ur­gi­ker Don Nico­la Bux ver­faß­ten Buch vor, das vom Ver­lag Fede & Cul­tu­ra her­aus­ge­ge­ben wird. Die­ses Buch erscheint nach Ver­zö­ge­run­gen Ende Juli in Ita­li­en, kann jedoch bereits jetzt als Kind­le-Aus­ga­be auf Ama­zon erwor­ben und gele­sen werden.

Die Fei­er der Mes­se im alten Ritus war im Jahr 2007 durch Bene­dikt XVI. mit dem Motu Pro­prio Sum­morum Pon­ti­fi­cum erlaubt wor­den. Das erklär­te Ziel war es, daß „die bei­den For­men des römi­schen Ritus“, also die alte und die neue, „ein­an­der gegen­sei­tig berei­chern könnten“.

Doch Fran­zis­kus mach­te nie ein Geheim­nis dar­aus, daß er die­se Erlaub­nis rück­gän­gig machen woll­te. Für ihn war die Fei­er der Mes­se im alten Ritus ledig­lich eine Quel­le der Spal­tung, ver­bun­den mit „einer zuneh­men­den Ableh­nung nicht nur der Lit­ur­gie­re­form, son­dern des Zwei­ten Vati­ka­ni­schen Kon­zils“. Am 16. Juli 2021 wider­rief er mit dem Motu Pro­prio Tra­di­tio­nis cus­to­des die­se Frei­heit wie­der und erklär­te den neu­en, nach­kon­zi­lia­ren Meß­ri­tus zur „ein­zi­gen Aus­drucks­form der ‚lex oran­di‘ des römi­schen Ritus“. Für den alten Ritus ließ er nur noch stark ein­ge­schränk­te und mar­gi­na­le Aus­nah­men zu.

Die vor­ge­nann­te Umfra­ge unter den Bischö­fen hat­te Fran­zis­kus eigens ange­ord­net, um von ihnen eine mög­lichst ein­mü­ti­ge For­de­rung nach die­ser Kurs­än­de­rung zu erhal­ten. Und tat­säch­lich behaup­te­te er, daß genau die­se For­de­rung bei ihm ange­kom­men sei – so jeden­falls schrieb er es selbst in dem Begleit­brief an die Bischö­fe zum Motu Pro­prio Tra­di­tio­nis cus­to­des:

„Die ein­ge­gan­ge­nen Ant­wor­ten haben eine Situa­ti­on offen­bart, die mich trau­rig und besorgt macht und mich dar­in bestä­tigt, daß es not­wen­dig ist ein­zu­grei­fen. […] In Beant­wor­tung Eurer Bit­ten tref­fe ich die feste Ent­schei­dung, alle Nor­men, Instruk­tio­nen, Gewäh­run­gen und Gewohn­hei­ten außer Kraft zu set­zen, die die­sem Motu Pro­prio vor­aus­ge­gan­gen sind.“

Merk­wür­di­ger­wei­se unter­sag­te Fran­zis­kus jedoch die Ver­öf­fent­li­chung der Ergeb­nis­se der Umfra­ge. Der Grund für die­se Wei­ge­rung ist genau der, der durch die jüng­sten Ent­hül­lun­gen von Mon­tagna und Gaeta ans Licht gekom­men ist:

Denn hät­te Fran­zis­kus die Ergeb­nis­se ver­öf­fent­licht, hät­te er nicht mehr behaup­ten kön­nen, daß die Bischö­fe mit ihm über­ein­stimm­ten – son­dern hät­te das genaue Gegen­teil ein­räu­men müssen.

Und noch mehr: Das Gewicht die­ser bewuß­ten Irre­füh­rung („Fake News“) wird dadurch noch grö­ßer, daß die Umfra­ge und deren Aus­wer­tung durch die dama­li­ge Kon­gre­ga­ti­on für die Glau­bens­leh­re durch­ge­führt wur­den – unter der Lei­tung von Kar­di­nal Luis Lada­ria. Der Abschluß­be­richt ent­hält sogar eine „Gesamt­be­wer­tung“, die von der vier­ten Sek­ti­on die­ser Kon­gre­ga­ti­on ver­faßt wur­de – das war jene Sek­ti­on, die zuvor als Päpst­li­che Kom­mis­si­on Eccle­sia Dei für die Über­wa­chung der Fei­er des alten Ritus zustän­dig war.

Der Text die­ser „Gesamt­be­wer­tung“ – von Dia­ne Mon­tagna im ita­lie­ni­schen Ori­gi­nal und in eng­li­scher Über­set­zung ver­öf­fent­licht und aus­führ­lich im Buch von Gaeta und Bux zitiert – wird wei­ter unten voll­stän­dig wie­der­ge­ge­ben. Er belegt ein­deu­tig, daß die Ein­schät­zung der Bischö­fe – und der Kon­gre­ga­ti­on – ins­ge­samt sehr posi­tiv hin­sicht­lich der Wir­kung von Sum­morum Pon­ti­fi­cum aus­fiel und somit dia­me­tral den Ent­schei­dun­gen von Papst Fran­zis­kus in Tra­di­tio­nis cus­to­des widersprach.

Die „Gesamt­be­wer­tung“ ist nur ein Teil des umfang­rei­chen Berichts, der Fran­zis­kus im Febru­ar 2021 über­ge­ben wur­de – und den er anschlie­ßend ver­schwin­den ließ.

Der Bericht umfaßt 224 Sei­ten. Im ersten Teil wer­den die neun Fra­gen des Fra­ge­bo­gens dar­ge­stellt, samt den Ant­wor­ten der Bischö­fe, geglie­dert nach Kon­ti­nen­ten und Län­dern. Im zwei­ten Teil folgt eine all­ge­mei­ne Zusam­men­fas­sung. Dar­auf fol­gen die erwähn­te „Gesamt­be­wer­tung“ sowie ein „Blü­ten­le­se von Zita­ten“ aus den Ant­wor­ten, jeweils mit Anga­be der Diö­ze­se, aus der sie stammen.

Die Ant­wor­ten kamen aus etwa einem Drit­tel der mehr als 3.000 ange­schrie­be­nen Diö­ze­sen – im wesent­li­chen also aus jenen, in denen der alte Ritus tat­säch­lich gefei­ert wur­de. Beson­ders stark ver­tre­ten waren dabei Nord­ame­ri­ka und Euro­pa, wäh­rend Afri­ka und Süd­ame­ri­ka am wenig­sten antworteten.

In Euro­pa ist Frank­reich das Land, in dem die Mes­se im alten Ritus in nahe­zu allen Diö­ze­sen gefei­ert wird – mit über­wie­gend posi­ti­ven Bewer­tun­gen durch die jewei­li­gen Bischö­fe. In Ita­li­en hin­ge­gen fin­den sol­che Fei­ern nur in etwas mehr als der Hälf­te der Diö­ze­sen statt, wobei vie­le Miß­ver­ständ­nis­se und Feh­ler in der Umset­zung von Sum­morum Pon­ti­fi­cum von den Autoren der Umfra­ge kri­ti­siert wurden.

In Nord­ame­ri­ka sind vor allem die USA betrof­fen – etwa zwei von drei Diö­ze­sen sind invol­viert –, und auch hier über­wie­gend mit posi­ti­ven Urtei­len. In Asi­en und Afri­ka wird der alte Ritus nur in sehr weni­gen Diö­ze­sen gefei­ert, wobei eini­ge Bischö­fe den­noch ihre Hoff­nung äußern, daß er künf­tig häu­fi­ger gefei­ert wer­de, „um den Reich­tum der kirch­li­chen Tra­di­ti­on erfahr­bar zu machen“.

In Süd­ame­ri­ka – eben­falls mit nur weni­gen betrof­fe­nen Diö­ze­sen – ste­chen ins­be­son­de­re die Ant­wor­ten aus Bra­si­li­en her­vor. Dort sind die Rück­mel­dun­gen stark kri­tisch gegen­über Gläu­bi­gen und Prie­stern, die den alten Ritus fei­ern und laut Bischö­fen „weder das Zwei­te Vati­ka­ni­sche Kon­zil noch Papst Fran­zis­kus wertschätzen“.

Im Buch von Gaeta und Bux wird die­ser Über­blick über die Rück­mel­dun­gen aus den ver­schie­de­nen Welt­re­gio­nen aus­führ­lich dargestellt.

Doch zurück zur Gesamt­be­wer­tung, die von der zustän­di­gen Sek­ti­on der Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on ver­faßt wur­de. Im fol­gen­den ist der voll­stän­di­ge Text wie­der­ge­ge­ben – und er steht in kras­sem Gegen­satz zu dem, was Papst Fran­zis­kus spä­ter beschlos­sen hat.

Gesamtbewertung

(Aus dem unver­öf­fent­lich­ten Abschluß­be­richt der Umfra­ge unter den Bischö­fen über die Fei­ern im alten Ritus, 2020–2021)

Aus der gro­ßen Men­ge ein­ge­sand­ter und bear­bei­te­ter Doku­men­te geht her­vor, daß das Motu Pro­prio Sum­morum Pon­ti­fi­cum heu­te eine bedeu­ten­de, wenn auch zah­len­mä­ßig begrenz­te Rol­le im Leben der Kir­che spielt. Es wur­de von Papst Bene­dikt XVI. nach Jah­ren teils hef­ti­ger Aus­ein­an­der­set­zun­gen zwi­schen den Befür­wor­tern der lit­ur­gi­schen Reform von 1970 und jenen des Mis­sa­le Roma­num von 1962 ver­faßt und hat es ver­stan­den, die glei­che Wür­de bei­der For­men des römi­schen Ritus zu bekräf­ti­gen und gün­sti­ge Bedin­gun­gen für einen ech­ten lit­ur­gi­schen Frie­den zu schaf­fen – auch in der Per­spek­ti­ve einer mög­li­chen künf­ti­gen Ver­ei­ni­gung der bei­den Formen.

Die gegen­sei­ti­ge Berei­che­rung und Wei­ter­ent­wick­lung des Mis­sa­le Roma­num von 1962, wie sie Papst Bene­dikt XVI. (vgl. Brief vom 7. Juli 2007) gewünscht hat­te, wur­de auch durch die Ver­öf­fent­li­chung der Aus­füh­rungs­in­struk­ti­on Uni­ver­sae Eccle­siae vom 30. April 2011 und durch zwei Dekre­te erfüllt, die Papst Fran­zis­kus am 5. Dezem­ber 2019 nach ein­hel­li­ger Zustim­mung der Mit­glie­der der Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on bestä­tigt hat­te (Quo Magis – über die Hin­zu­fü­gung von sie­ben neu­en Prä­fa­tio­nen – und Cum Sanc­tis­si­ma – über die Auf­nah­me neu­er Heiliger).

Die Ver­brei­tung des alten römi­schen Ritus nach Sum­morum Pon­ti­fi­cum betrifft etwa 20 % der latei­ni­schen Diö­ze­sen welt­weit. Sei­ne Anwen­dung erfolgt heu­te in weit­aus fried­li­che­rer und ent­spann­te­rer Wei­se als frü­her – wenn auch nicht über­all; es blei­ben ver­ein­zelt noch unge­lö­ste Fäl­le. Lei­der wur­de in eini­gen Diö­ze­sen die „außer­or­dent­li­che Form“ nicht als Berei­che­rung des kirch­li­chen Lebens wahr­ge­nom­men, son­dern als stö­ren­des, über­flüs­si­ges oder gar „gefähr­li­ches“ Ele­ment, das unter­drückt, igno­riert oder streng kon­trol­liert wer­den soll­te – in Erwar­tung sei­nes Ver­schwin­dens oder sei­ner Aufhebung.

Die Mehr­heit der Bischö­fe, die den Fra­ge­bo­gen beant­wor­tet und das Motu Pro­prio Sum­morum Pon­ti­fi­cum groß­zü­gig und mit Umsicht umge­setzt haben, zeigt sich ins­ge­samt zufrie­den damit – ins­be­son­de­re jene, die die Mög­lich­keit hat­ten, eine Per­so­nal­pfar­rei zu errich­ten, in der alle Sakra­men­te in der „außer­or­dent­li­chen Form“ gefei­ert wer­den und sich eine sta­bi­le Gemein­schaft mit pasto­ra­len Akti­vi­tä­ten gebil­det hat. Wo das Kle­rus mit dem Bischof eng zusam­men­ar­bei­tet, ist die Situa­ti­on voll­stän­dig befriedet.

Ein wie­der­keh­ren­des The­ma, das die Bischö­fe beto­nen, ist die Tat­sa­che, daß vor allem jun­ge Men­schen die­se alte Lit­ur­gie ent­decken und wäh­len. Die mei­sten sta­bi­len Grup­pen welt­weit bestehen aus Jugend­li­chen und jun­gen Kon­ver­ti­ten oder Rück­keh­rern zum Glau­ben und zu den Sakra­men­ten. Sie bewun­dern die Sakra­li­tät, Ernst­haf­tig­keit und Fei­er­lich­keit die­ser Lit­ur­gie. Beson­ders geschätzt wer­den ange­sichts einer lär­men­den, geschwät­zi­gen Gesell­schaft: die Wie­der­ent­deckung der Stil­le in der hei­li­gen Hand­lung, die spar­sa­me und prä­zi­se Spra­che, eine Pre­digt, die der Leh­re der Kir­che treu bleibt, die Schön­heit des lit­ur­gi­schen Gesangs und die wür­di­ge Fei­er­lich­keit – ein Gesamt­bild, das sehr anzie­hend wirkt. Genau die­se Per­so­nen bezeich­ne­te Bene­dikt XVI. im Begleit­brief zum Motu Pro­prio Sum­morum Pon­ti­fi­cum als sei­ne beson­de­ren Adres­sa­ten – neben all jenen, die seit Jahr­zehn­ten eine Frei­ga­be und Aner­ken­nung der ehr­wür­di­gen latei­nisch-gre­go­ria­ni­schen Lit­ur­gie in der kirch­li­chen Pra­xis erbe­ten hatten.

Die Ent­ste­hung sta­bi­ler Grup­pen, wie sie vom Motu Pro­prio Sum­morum Pon­ti­fi­cum und von der Instruk­ti­on Uni­ver­sae Eccle­siae vor­ge­se­hen ist, hat dem Hei­li­gen Stuhl erlaubt, die­sen Weg der Befrie­dung und Kirch­lich­keit zu beglei­ten – zunächst durch die Päpst­li­che Kom­mis­si­on Eccle­sia Dei, heu­te durch die Sec­tio Quar­ta (Vier­te Sek­ti­on) der Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on. Dafür zei­gen die Bischö­fe Zufrie­den­heit und Dank­bar­keit. Es braucht eine insti­tu­tio­nel­le Struk­tur und einen kom­pe­ten­ten Ansprech­part­ner, der die­se Grup­pen und die von ihnen abhän­gi­gen Kle­ri­ker­insti­tu­te beglei­tet und dem Bischofs­amt zur Sei­te steht, um Will­kür, Selbst­ver­wal­tung oder Macht­miß­brauch durch loka­le Bischö­fe zu ver­mei­den. Der Hei­li­ge Stuhl und die Bin­dung an den Papst sind für alle – Gläu­bi­ge wie Hir­ten – eine Garan­tie. Die kirch­li­che Gemein­schaft zwi­schen Diö­ze­san­bi­schof und den sta­bi­len Grup­pen bzw. Insti­tu­ten sowie zwi­schen die­sen und dem Papst zu för­dern ist ent­schei­dend für einen fried­li­chen und frucht­ba­ren apo­sto­li­schen Weg. Die­se Gläu­bi­gen möch­ten wie alle ande­ren auch seel­sorg­lich beglei­tet wer­den – ohne Vorurteile.

Nach einer ersten schwie­ri­gen Pha­se – und bei noch eini­gen offe­nen Situa­tio­nen – haben dank Sum­morum Pon­ti­fi­cum die­se Gläu­bi­gen, Bischö­fe und Prie­ster Sta­bi­li­tät und Frie­den gefun­den. Die Vier­te Sek­ti­on war für sie ein ruhi­ger, sta­bi­ler und zugleich auto­ri­ta­ti­ver Bezugs­punkt, der ihre Rech­te (und Pflich­ten) schützt. Eini­ge Bischö­fe beto­nen, wie not­wen­dig es sei, die­se Grup­pen zu bewah­ren, um Abwan­de­run­gen in schis­ma­ti­sche Krei­se oder zur Pius­bru­der­schaft (FSSPX) zu ver­hin­dern. Über­all dort, wo sta­bi­le Grup­pen vom Diö­ze­san­bi­schof oder einem beauf­trag­ten Prie­ster beglei­tet wer­den, bestehen kaum noch Pro­ble­me – und die Gläu­bi­gen füh­len sich als Kin­der ihres bischöf­li­chen Vaters respek­tiert und angenommen.

Im Motu Pro­prio Sum­morum Pon­ti­fi­cum und im Begleit­brief ist der Wil­le des Pap­stes zur inner­kirch­li­chen lit­ur­gi­schen Ver­söh­nung klar for­mu­liert. In sei­ner berühm­ten Rede an die Römi­sche Kurie vom 22. Dezem­ber 2005 beton­te Bene­dikt XVI. die Not­wen­dig­keit, nicht in der Logik eines Bruchs, son­dern in der Her­me­neu­tik der Reform in Kon­ti­nui­tät mit der Tra­di­ti­on vor­an­zu­schrei­ten – auch lit­ur­gisch. Er schrieb: „Was für frü­he­re Gene­ra­tio­nen hei­lig war, bleibt auch für uns hei­lig und groß und kann nicht plötz­lich völ­lig ver­bo­ten oder gar als schäd­lich ange­se­hen wer­den. Es tut uns allen gut, die Reich­tü­mer zu bewah­ren, die im Glau­ben und im Gebet der Kir­che gewach­sen sind, und ihnen ihren ange­mes­se­nen Platz zu geben“ (Begleit­brief zum Motu Pro­prio). Die­se ekkle­sio­lo­gi­sche Per­spek­ti­ve einer Her­me­neu­tik der Kon­ti­nui­tät mit der Tra­di­ti­on und kohä­ren­ter Ent­wick­lung ist noch nicht bei allen Bischö­fen voll­stän­dig ange­kom­men – aber dort, wo sie rezi­piert und ange­wen­det wird, trägt sie bereits Früch­te, vor allem in der Lit­ur­gie. Eini­ge Bischö­fe beto­nen auch die posi­ti­ven Effek­te des Motu Pro­prio für die „ordent­li­che Form“ der Lit­ur­gie – etwa die Wie­der­ge­win­nung von Sakra­li­tät und inner­kirch­li­che Versöhnung.

Eini­ge Bischö­fe mei­nen, das Motu Pro­prio habe sein Ziel – die Ver­söh­nung – nicht erreicht, und wün­schen daher des­sen Auf­he­bung, da die Eini­gung inner­halb der Kir­che nicht voll­stän­dig gelun­gen und die FSSPX nicht zurück­ge­kehrt sei. Aus der Gesamt­aus­wer­tung der Ant­wor­ten wird jedoch deut­lich, daß die­se Umfra­ge vie­len Bischö­fen erst den Zugang zum Doku­ment eröff­net hat. Zur ersten Ein­wen­dung sei gesagt: Ver­söh­nungs­pro­zes­se in der Kir­che sind lang­wie­rig. Das Motu Pro­prio hat dafür die Grund­la­gen geschaf­fen. Zur zwei­ten: Sum­morum Pon­ti­fi­cum war nicht für die FSSPX gedacht – sie hat­ten bereits das, was damit frei­ge­ge­ben wurde.

Viel­mehr steht das Motu Pro­prio Sum­morum Pon­ti­fi­cum in orga­ni­scher Kon­ti­nui­tät mit Eccle­sia Dei adflic­ta von Johan­nes Paul II., mit dem die­ser nach den Bischofs­wei­hen von Erz­bi­schof Lefeb­v­re vie­le Katho­li­ken vor einem Schis­ma bewah­ren woll­te. Bene­dikt XVI. sag­te, das Motu Pro­prio sei not­wen­dig gewe­sen, um die Kir­che mit sich selbst zu ver­söh­nen. Des­halb ver­öf­fent­lich­te er auch das Motu Pro­prio Eccle­siae Unitatem, das Eccle­sia Dei in die Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on inte­grier­te. Die­ses Pro­jekt wur­de mit dem Motu Pro­prio von Papst Fran­zis­kus im Janu­ar 2019 abge­schlos­sen, das die Auf­lö­sung von Eccle­sia Dei ver­füg­te und statt­des­sen eine spe­zi­fi­sche Sek­ti­on in der Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on schuf, der die Auf­ga­be über­tra­gen wur­de, „die bis­he­ri­ge Arbeit der Auf­sicht, För­de­rung und des Schut­zes fortzuführen“.

Bischö­fe, die dem The­ma beson­ders ver­bun­den sind, beto­nen, daß die alte Lit­ur­gie ein Schatz der Kir­che sei, der geschützt und bewahrt wer­den müs­se: Es ist gut, mit der Ver­gan­gen­heit in Ein­heit zu blei­ben, aber man müs­se auch in kohä­ren­ter Ent­wick­lung und Fort­schritt wei­ter­ge­hen – und die­sen Gläu­bi­gen, soweit mög­lich, ent­ge­gen­kom­men. Wenn auf diö­ze­saner Ebe­ne eine Befrie­dung erreicht wird, besteht kei­ne Gefahr von „zwei Kir­chen“, wie man­che Bischö­fe befürch­ten. Die­se wei­sen auch dar­auf hin, daß man­che Gläu­bi­ge der „außer­or­dent­li­chen Form“ das Zwei­te Vati­ka­ni­sche Kon­zil ableh­nen. Das ist teil­wei­se zutref­fend, aber nicht zu ver­all­ge­mei­nern. Auch in sol­chen Fäl­len war die pasto­ra­le Für­sor­ge des Bischofs ent­schei­dend, um über­hitz­te Gemü­ter zu beru­hi­gen und Klar­heit zu schaffen.

Die Bischö­fe ver­wei­sen außer­dem auf das Wachs­tum der Beru­fun­gen in den ehe­ma­li­gen Eccle­sia Dei-Insti­tu­ten – beson­ders im angel­säch­si­schen und fran­ko­pho­nen Raum, aber auch in spa­nisch- und por­tu­gie­sisch­spra­chi­gen Län­dern. Vie­le jun­ge Män­ner ent­schei­den sich für eine Aus­bil­dung in die­sen Insti­tu­ten anstel­le der Diö­ze­san­se­mi­na­re – sehr zum Bedau­ern man­cher Bischö­fe. Die Vier­te Sek­ti­on hat einen signi­fi­kan­ten Anstieg der Beru­fun­gen regi­striert sowie ein wach­sen­des Enga­ge­ment der Insti­tu­te bei der spi­ri­tu­el­len und intel­lek­tu­el­len Aus­bil­dung – wenn­gleich die­se Rea­li­tä­ten zah­len­mä­ßig klein, aber kei­nes­wegs mar­gi­nal im Leben der Kir­che sind.

In spa­nisch­spra­chi­gen Län­dern scheint das Inter­es­se der Bischö­fe an Sum­morum Pon­ti­fi­cum gering zu sein – obwohl es auch dort Gläu­bi­ge mit ent­spre­chen­der Nach­fra­ge gibt. Auch unter den ita­lie­ni­schen Bischö­fen zeigt sich meist wenig Wert­schät­zung für die „außer­or­dent­li­che Form“ und die dies­be­züg­li­chen Rege­lun­gen – mit eini­gen Aus­nah­men. Die Gläu­bi­gen hin­ge­gen sind Bene­dikt XVI. und Papst Fran­zis­kus sehr dank­bar, weil sie durch Sum­morum Pon­ti­fi­cum aus einem kirch­li­chen Leben in der „Klan­de­st­in­i­tät“, Ableh­nung und Spott sowie aus dem Macht­miß­brauch man­cher Bischö­fe gegen­über ihnen und ihren Prie­stern befreit wur­den. In den letz­ten Jah­ren haben sich vie­le sta­bi­le Grup­pen gebil­det, die oft als Ver­ei­ne orga­ni­siert sind und die latei­nisch-gre­go­ria­ni­sche Lit­ur­gie erbitten.

Eini­ge Bischö­fe wün­schen sich eine Rück­kehr zur Indult-Situa­ti­on, um mehr Kon­trol­le zu erlan­gen. Die Mehr­heit der ant­wor­ten­den Bischö­fe jedoch ist über­zeugt: Eine Ände­rung des Sum­morum Pon­ti­fi­cum wür­de mehr Scha­den als Nut­zen brin­gen. Eine Abschwä­chung oder Auf­he­bung wür­de die durch das Motu Pro­prio geschaf­fe­ne Befrie­dung wie­der zer­stö­ren. Der Erz­bi­schof von Mai­land äußert: „Ich habe den Ein­druck, daß jeder aus­drück­li­che Ein­griff mehr Scha­den als Nut­zen bringt: Wird die Linie von Sum­morum Pon­ti­fi­cum bestä­tigt, wer­den die kri­ti­schen Reak­tio­nen des Kle­rus (und ande­rer) zuneh­men. Wird sie abge­lehnt, neh­men die Reak­tio­nen der Anhän­ger des alten Ritus an Dis­sens und Groll zu.“ Daher sei es bes­ser, den ein­ge­schla­ge­nen Weg fort­zu­set­zen und Erschüt­te­run­gen zu vermeiden.

Ande­re beto­nen, daß eine Ände­rung der Rechts­la­ge vie­le Gläu­bi­ge ent­täu­schen und zur Abwan­de­rung in Rich­tung FSSPX oder ande­rer Grup­pen füh­ren wür­de – und so den Ein­druck bestä­ti­gen könn­te, „Rom gebe mit der einen Hand, um mit der ande­ren wie­der zu neh­men“. Eine Ände­rung könn­te lit­ur­gi­sche Krie­ge neu ent­fa­chen, ein neu­es Schis­ma begün­sti­gen und zwei Päp­ste – Johan­nes Paul II. und Bene­dikt XVI. – dele­gi­ti­mie­ren, die sich für die­se Gläu­bi­gen ein­ge­setzt haben.

Ein Vor­schlag, der in eini­gen Ant­wor­ten erscheint und als Fazit die­nen könn­te: Man soll­te – bei gleich­zei­ti­ger Bekräf­ti­gung der nach­kon­zi­lia­ren lit­ur­gi­schen Reform – in den Semi­na­ren und theo­lo­gi­schen Fakul­tä­ten Stu­di­en­mo­du­le zu bei­den For­men des römi­schen Ritus ein­füh­ren. Ziel wäre es, den Reich­tum bei­der For­men im Dienst am christ­li­chen Myste­ri­um in der gan­zen Kir­che bewußt zu machen und eine fried­li­che Grund­la­ge für deren Fei­er in den Orts­kir­chen mit geeig­ne­ten Prie­stern zu schaffen.

Zum Schluß schrieb ein Bischof von den Phil­ip­pi­nen in sei­ner Ant­wort: „Laßt die Leu­te frei wäh­len.“ Bene­dikt XVI. sag­te 2008 bei sei­nem Besuch in Frank­reich zur Bischofs­kon­fe­renz über das Sum­morum Pon­ti­fi­cum: „Ich weiß um die Schwie­rig­kei­ten, denen Sie begeg­nen, aber ich zweif­le nicht dar­an, daß Sie in ange­mes­se­ner Zeit zu Lösun­gen kom­men wer­den, die alle zufrie­den­stel­len, sodaß das naht­lo­se Gewand Chri­sti nicht wei­ter zer­ris­sen wird. Nie­mand ist in der Kir­che über­flüs­sig. Jeder, aus­nahms­los, muß sich in ihr ‚zu Hau­se‘ füh­len – nie­mals abge­lehnt. Gott, der alle Men­schen liebt und nicht will, daß jemand ver­lo­ren gehe, hat uns die­se Mis­si­on anver­traut, indem er uns zu Hir­ten sei­ner Her­de gemacht hat. Dafür kön­nen wir ihm nur dan­ken. Sei­en wir stets Die­ner der Ein­heit.“ Papst Fran­zis­kus hat die­se Wor­te Bene­dikts XVI. auf­ge­nom­men, sie sich zu eigen gemacht und sie als Maß­stab gegen jede Form von Spal­tung und Aus­gren­zung in der Kir­che bekräf­tigt. In gewis­ser Wei­se könn­ten genau die­se Wor­te auch für uns heu­te Richt­schnur und Beur­tei­lungs­kri­te­ri­um sein.

Einleitung/​Übersetzung: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: MiL

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