
Das kommunistische Regime der Volksrepublik China hat den ersten Bischof während des Pontifikats von Leo XIV. eingesetzt. Wie wird der neue Papst mit dem geheimen Abkommen mit Peking umgehen?
Am heutigen Mittwoch fand die feierliche Amtseinführung von Msgr. Joseph Lin Yuntuan statt. Papst Leo XIV. hatte ihn am 5. Juni zum Weihbischof von Fuzhou in der chinesischen Provinz Fujian ernannt.
Diese „Ernennung“ wurde – wie in derartigen Fällen üblich – zuerst vom Informationsportal der regimehörigen Patriotischen Vereinigung bekanntgegeben. In dem Bericht wurde, wie bereits in der Vergangenheit, weder die Zustimmung des Heiligen Stuhls erwähnt noch überhaupt auf diesen Bezug genommen.
Bis heute liegt auch keine offizielle Erklärung zur Einsetzung zweier Bischöfe durch das Regime während der Sedisvakanz in Rom vor.
Msgr. Lin Yuntuan war bislang Untergrundbischof. Nun wurde er zum Weihbischof des „offiziellen“, also regimehörigen Bischofs von Fuzhou ernannt. Dieses Vorgehen entspricht exakt dem Muster, das die Kommunistische Partei Chinas (KPCh) durchsetzen will: In der von Papst Franziskus angestrebten „Versöhnung“ zwischen der romtreuen Untergrundkirche und der regimehörigen schismatischen Kirche stehen die vom Regime eingesetzten Bischöfe an der Spitze der Diözesen, während sich die versöhnungsbereiten Untergrundbischöfe mit der Rolle eines Weihbischofs begnügen müssen.
Das Geheimabkommen von 2018 wurde nie veröffentlicht, doch ist inoffiziell bekannt, daß Franziskus das Nominierungsrecht für Bischofsernennungen faktisch an Chinas Kommunisten abgetreten hat. Dem Papst bleibt nur die Bestätigung der von der KPCh ausgewählten Kandidaten. Bislang ist kein Fall bekannt, in dem Rom einen Kandidaten abgelehnt hätte. Das Abkommen wurde nach dreimaliger Verlängerung um je zwei Jahre im Herbst 2024 erstmals um vier Jahre verlängert.
Der regimehörige Diözesanbischof von Fuzhou, Msgr. Cai Bingrui, war von Franziskus im Januar dieses Jahres bestätigt worden. Der Vatikan beharrt darauf, daß die eigentliche Ernennung dem Papst obliege. Diese Feststellung ist formalrechtlich relevant, spielt in der Praxis jedoch keine Rolle, da das Regime in Peking andernfalls seine Kandidaten ohnehin eigenmächtig einsetzen würde – wie es bereits in den vergangenen Jahrzehnten gehandhabt wurde. Msgr. Cai war die letzte Bischofsernennung von Franziskus in der Volksrepublik China.
Der Heilige Stuhl spricht von einem „bedeutenden Schritt“, der den „Weg der kirchlichen Gemeinschaft“ bestätige, der dem Abkommen mit Peking zugrunde liege. Inoffiziell heißt es, man müsse in den sauren Apfel beißen, um das höhere Gut der Einheit der Kirche zurückzugewinnen.
Wie erst heute bekanntgegeben wurde, war der heute 73jährige Msgr. Lin Yuntuan bereits 2017 für die Untergrundkirche zum Bischof geweiht worden. Sein nunmehriger Diözesanbischof, Msgr. Cai Bingrui, ist mit 57 Jahren deutlich jünger und war zuvor „offizieller“ Bischof von Xiamen.
Die chinesischen Staatsmedien betonen, daß der neue Weihbischof „geschworen“ habe, „die Verfassung und die Gesetze des Landes zu achten, die Einheit des Vaterlandes und die gesellschaftliche Harmonie zu wahren, das Land und die Religion zu lieben, dem Grundsatz der Unabhängigkeit und Selbstverwaltung der Kirche zu folgen, die Richtung der Sinisierung des Katholizismus in unserem Land zu verfolgen und zum umfassenden Aufbau eines modernen sozialistischen Staates sowie zur allseitigen Förderung der großen Wiedergeburt der chinesischen Nation beizutragen“.
Die kommunistischen Machthaber verstehen unter dieser Formel die vollständige Unterwerfung unter ihre Entscheidungen und den absoluten Vorrang Pekings – auch vor Rom. In Rom hofft man, daß das in der Praxis nicht zu eng gesehen werde.
Die Herausforderung besteht nun darin, zu beobachten, welche konkrete Rolle Weihbischof Lin Yuntuan bei der Leitung der Diözese tatsächlich übernehmen wird und inwieweit seine Anwesenheit dazu beitragen kann, die Kluft zwischen den „offiziellen“ Katholiken und den Gläubigen der Untergrundkirche zu überbrücken.
Man hofft, daß sich die Dinge günstiger entwickeln als in der Nachbardiözese Mindong. Dort hatte der Vatikan 2018 ein ähnliches Modell gewählt: Der „offizielle“ Bischof Msgr. Zhan Silu wurde zum Diözesanbischof ernannt, während der bisherige Untergrundbischof Msgr. Vinzenz Guo Xijin ihm als Weihbischof unterstellt wurde. Diese „Kohabitation“ währte jedoch nur kurze Zeit. Msgr. Guo, aus der Diözesanleitung ausgeschlossen und völlig marginalisiert, verzichtete bereits nach zwei Jahren auf sein Amt. Auch nach seinem Rücktritt muß er erhebliche Einschränkungen hinnehmen, da die von der Partei kontrollierten kirchlichen Gremien es nicht dulden, daß sich viele Gläubige weiterhin, auch nur geistlich, auf ihn berufen.
Aus den offiziellen Stellungnahmen Roms zum heutigen Ereignis geht hervor, daß der Heilige Stuhl das 2018 mit Peking unterzeichnete Geheimabkommen weiter umsetzen will.
Noch ist unklar, wie Leo XIV. mit den beiden Bischöfen verfahren wird, die von Peking während der römischen Sedisvakanz einseitig eingesetzt wurden. In der Diözese Shanghai wurde ein neuer Weihbischof, in der Diözese Xinxiang ein neuer Diözesanbischof bestellt – und dies völlig ohne päpstliche Zustimmung. Xinxiang ist für Rom nach wie vor eine Apostolische Präfektur, die 1936 von Pius XI. errichtet wurde. Seit 1958 ist der Sitz vakant. Letzter Apostolischer Präfekt im Bischofsrang war der deutsche Steyler Missionar Pater Johannes Schütte. Seit 1940 wirkte er als Missionar im Land der Mitte. 1948 ernannte ihn Pius XII. zum Präfekten von Xinxiang, doch kurz nach der Machtübernahme der Kommunisten wurde er inhaftiert und 1951 des Landes verwiesen. Mit seiner Wahl zum Generaloberen der Steyler Missionare legte er sein Amt als Präfekt von Xianxiang, das er ohnehin nicht mehr ausüben konnte, nieder. Das kommunistische Regime erhob die Präfektur einseitig zur Diözese.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: AsiaNews