
Von Wolfram Schrems*
In den letzten Jahren äußerten sich freiheitliche Politiker erfreulich positiv im Sinne des Schutzes des ungeborenen Menschenlebens. Familiensprecherin Rosa Ecker und Nationalratsabgeordneter Wolfgang Zanger meldeten sich dazu im Parlament zu Wort. Freilich waren die Stellungnahmen nicht so „vollständig“ und konsequent, wie wir das gerne hören würden. Die schändliche Fristenlösung bleibt etwa immer unangetastet. Natürlich werden sich Politiker kaum engagieren, wenn die kirchliche Führung ihre eigene Lehre verleugnet und das Unrechtsbewußtsein im Volk unterminiert.
Umso erstaunlicher und erfreulicher ist, daß der junge Tiroler Politiker Fabian Walch, aus dem Lechtal gebürtig, Gemeinderatsabgeordneter in Innsbruck und Ersatzmitglied im Tiroler Landtag, bei der Landtagssitzung am 19. März eine ausgezeichnete Rede zum Thema Lebensschutz hielt.
Weil das, wie die Dinge heute nun einmal stehen, unerwartet und überraschend kam, hier eine Darstellung der Rede und eine Hintergrundinformation:
Landtagsabgeordneter Fabian Walch als Kundgebungsteilnehmer und Mahner mit gesundem Menschenverstand
Walch bezog sich in seiner Rede zunächst auf den hl. Josef als den Schutzpatron der Familien. Er habe am 8. März, dem „Weltfrauentag“, am Marsch fürs Leben in Innsbruck (eine Veranstaltung von Jugend für das Leben) teilgenommen.1
Dort sei es „hitzig“ gewesen. Walch redete direkt allfällig anwesende Polizeischüler an. Diese mögen sich schon einmal auf „linksextreme Chaoten“ einstellen. Walch zitierte den bei der linken Gegendemonstration skandierten Spruch My Body – My Choice und kritisierte, daß man das während Corona nicht gehört habe. Der Körper, der „keine Wahlmöglichkeit“ habe, sei aber der Körper des ungeborenen Kindes.
Walch meinte, daß keine Frau „leichtfertig“ abtreiben würde, darüber brauche man nicht zu reden.
Er wolle die Aufmerksamkeit auf die Zahlen hinlenken, wiewohl es keine valide Zahlen gebe. Nach Schätzungen des Abtreibungsarztes Dr. Christian Fiala im Verhütungsreport 2015 würden pro Jahr 30.000 bis 35.000 Abtreibungen durchgeführt, das sei die Einwohnerzahl des Bezirks Reutte (des Heimatbezirks des Abgeordneten). Da die Fristenlösung seit 1975 in Kraft sei, hätten nach dieser Berechnung 1,5 Millionen Kinder nicht das Licht der Welt erblickt.
Die Geburtenrate sei so niedrig wie noch nie, in Österreich habe eine Frau derzeit statistisch nur 1,32 Kinder. Darauf gab es den widerlichen und blasphemischen Zwischenruf „Gott sei Dank“ durch die Landesrätin Eva Pawlata (SPÖ).2 Die Dreistigkeit dieser Äußerung verblüffte auch den erfahrenen Redner Walch.
Nach einer kurzen Schrecksekunde ob dieser unverhohlen ausgedrückten Lebensfeindlichkeit kam Walch auf die Notwendigkeit, die statistischen Zahlen zur Abtreibung zu betrachten.
Walch stellte einen internationalen Vergleich an: Die Schweiz habe etwa gleich viele Einwohner wie Österreich, aber viel weniger Abtreibungen, „nur“ 10.000.
Walch regt an, darüber im Landtag zu reden und anonyme Motiverforschungen einzuführen.
Er referiert Umfrageergebnisse der Organisation Pro femina, die Frauen im Schwangerschaftskonflikt berät, und der ELSA-Studie (Erfahrungen und Lebenslagen ungewollt Schwangerer – Angebote der Beratung und Versorgung). „Biographische Gründe“, also Karriereüberlegungen, Partnerschaftsprobleme und Beziehungsstatus, sowie finanzielle und persönliche Überlastung führen oft zur Abtreibung. Die Vergewaltigung als worst case betreffe nur weniger als ein Prozent der Frauen.
Walch schlägt dann eine bessere finanzielle, persönliche und psychotherapeutische Unterstützung im Land Tirol vor, übrigens auch nach Geburt des Kindes. Natürlich müßten auch die Männer in die Pflicht genommen werden.
Walch kommt auf die von Fairändern in Auftrag gegebene IMAS-Studie von 2022 zu sprechen. Es seien „erstaunliche“ Zahlen, die die Politik als Auftrag verstehen müßte: 77% wünschen sich mehr Unterstützung von Schwangeren im Konfliktfall, 75% sehen steigenden Druck in Richtung Abtreibung, 84% wünschen sich mehr Hilfe für Familien bei Verdachtsdiagnose möglicher Behinderung.
Auch die Adoption solle laut der Erhebung der IMAS-Studie gefördert werden. Es solle auch mehr Motiverforschung geben. Walch zitiert, daß jede zweite der betroffenen Frauen angibt, „starkem Druck ausgesetzt“ zu sein.
Walch stellt dann etwas fest, was Ärzte, Psychotherapeuten und Lebensschützer (etwa die Berater des Lebenszentrums Wien und von Rachels Weinberg) schon lange wissen:
Frauen leiden an Abtreibungen.
Walch zitiert eine weltweite Metaanalyse von zweiundzwanzig Studien, 877.000 Frauen seien untersucht worden. 81% der Frauen entwickelten nach der Abtreibung ein Risiko für Depression, Alkoholabusus und Suizidgefährdung. 10% aller psychischen Probleme bei Frauen hingen mit Abtreibung zusammen. Diese Zahlen stammten aus dem British Journal for Psychiatry.
Am Schluß stellt Walch klar: Schwangerschaft ist keine Krankheit. Er kritisiert die falsche Prioritätensetzung in Tirol: Die Landesregierung wolle die Mietkosten für die Abtreibungspraxis übernehmen, die Aktion Leben bekomme aber nichts. Die von ihr angeforderten 10.000 Euro seien vom Innsbrucker Gemeinderat abgelehnt worden.
Er schloß: Gehen wir in uns. Jedes Mal, wenn eine Frau sich fürs Leben entscheidet, ist es ein Gewinn für die Gesellschaft. –
Soweit aus der Rede.
Hintergrund: Das sprichwörtliche „heilige Land Tirol“ gibt es nicht mehr
In Tirol war einst der katholische Glaube tief verwurzelt. Das Land machte 1796 im Angesicht der französischen Invasion sogar offiziell ein Gelöbnis an das Heiligste Herz Jesu. Nach dem Zweiten Vaticanum begann sich der Glaube, höchstwahrscheinlich bereits vielerorts nur mehr Fassade, zu verflüchtigen. Einen entscheidenden Einfluß übte dabei die Theologische Fakultät der Universität Innsbruck, die dem Jesuitenorden übertragen ist, aus. Unzählige Priester und Laien wurden im Zeichen des Rahnerschen Theologie- und Sprachmassakers dem Glauben entfremdet. Die Moraltheologie lehrte dann, daß es kein intrinsece malum gebe – damit war der Lebensschutz nicht mehr begründbar. Die Folgen sehen wir überall – auch in Tirol, das unter einer ÖVP-SPÖ-Regierung Abtreibungsmöglichkeiten fördert. –
Als desaströs für Glaube und Moral erwies sich auch das Wirken der Innsbrucker Diözesanbischöfe Reinhold Stecher (amtierend 1981–1997), Manfred Scheuer (2003–2015) und Hermann Glettler (ab 2017). Letzterer fällt seit seiner Zeit als Pfarrer in Graz mit seiner Obsession für perverse „Kunst“ im Kirchenraum auf.
Von einer katholischen Prägung Tirols kann nicht mehr die Rede sein. Die führenden kirchlichen und theologischen Kräfte in Tirol würden das auch gar nicht bedauern. –
Der jetzige, seit 2022 amtierende Landeshauptmann von Tirol, Anton Mattle (ÖVP), beschloß nach dem schlechten Abschneiden bei den Landtagswahlen, nicht mit der FPÖ, die den zweiten Platz errungen hatte, eine Koalition zu bilden, sondern unverständlicherweise mit der drittplazierten SPÖ. Damit übernahm er de facto die Pro-Abtreibungs-Politik seines Koalitionspartners (und unterstützt implizit die Antifa-Umtriebe seiner Landesrätin Eva Pawlata). Wie man hören kann, fand sich aber die längste Zeit kein Arzt für den Mord an ungeborenen Kindern, erst seit kurzem sei jemand im Gespräch.
Berücksichtigt man zudem das Verhalten der ÖVP in Salzburg und Vorarlberg in bezug auf Abtreibung und Lebensschutz, so wird man sagen müssen, daß es sich bei diesen Leuten um Opportunisten und Verräter handelt.
Resümee: die FPÖ und der „unvollständige“ Lebensschutz
Da das sogenannte „Dritte Lager“, also die geistigen Erben der Revolution von 1848, die Burschenschaft und die Freiheitliche Partei Österreichs, historisch gegen Thron und Altar eingestellt ist, hielt man sich dort bis etwa in die neunziger Jahre fern von allem, was „klerikal“ aussieht. Das hat sich aber mittlerweile stark verändert. In den letzten beiden Jahrzehnten haben mehr und mehr Repräsentanten dieses Lagers eingesehen, daß man auf die Dauer nicht vom Mythos 1848 leben kann (etwa in diesen Worten konnte man es von einem in diesem Lager verwurzelten Intellektuellen im persönlichen Gespräch hören).
Manche sind auch für einen Gedankenaustausch mit Katholiken offen: Eines der Resultate sind etwa meine auch auf dieser Seite veröffentlichten Beiträge im Attersee Report des Atterseekreises in der FPÖ.
Der Schutz des ungeborenen Lebens ist allerdings kein katholisches Spezifikum, sondern eine Forderung des Naturrechtes. Dafür legt etwa der noble Hippokrates (460–370 v. Chr.) Zeugnis ab. Leider hat man auch in Österreich dieses Niveau längst unterschritten. Daß mit Fabian Walch ein freiheitlicher Politiker die Sünden gegen das Leben offenherzig anspricht, ist – wie schon eingangs gesagt – überraschend und erfreulich.
Diese Einschätzung gilt auch dann, wenn wir nicht jedes Detail der Rede unterschreiben: Walch sagte etwa, daß keine Frau „leichtfertig“ abtreibe. Dagegen wird man einwenden müssen, daß in den letzten Jahrzehnten extremer Zynismus Einzug gehalten hat. Für manche Frauen scheint der Schritt zur Abtreibung tatsächlich keine große Sache zu sein. Im Milieu der kämpferischen Feministinnen verbittet man sich sogar auch Motivforschung und Hilfe im Schwangerschaftskonflikt, weil man dort für das völlig uneingeschränkte Recht, über Leben und Tod zu entscheiden, ja, sogar für die Abtreibung als feministische „Selbstermächtigung“, eintritt. Als Lebensschützer hören wir das etwa von SPÖ-Frauen seit vielen Jahren.
Walch erwähnt auch die Aktion Leben und bemängelt, daß sie in Innsbruck nicht gefördert wird. Die Aktion Leben (in Österreich, nicht mit der inhaltlich ganz anders ausgerichteten Aktion Leben in Deutschland zu verwechseln) ist aber längst für Fristenlösung, „ergebnisoffene Beratung“ und Verhütungspropaganda (damit implizit für „ungewollte“ Schwangerschaften). Sie distanziert sich zudem immer wieder von den „radikalen“ Lebensschützern. Erfahrungsberichte aus Oberösterreich, Kärnten und auch Tirol können gerne nachgereicht werden. Die Aktion Leben war jetzt seit etwa 1984 Teil des Systems. Daß ihr jetzt gemäß Abg. Walch eine Förderung in Innsbruck verweigert wird, könnte ein Anzeichen dafür sein, daß der sprichwörtliche Mohr seine Schuldigkeit getan hat und jetzt gehen kann.
Walch spricht in seiner Rede die verwerfliche Fristenlösung leider nicht an. Die Parteilinie der FPÖ ist offensichtlich, soweit man das beobachten kann, die Aufrechterhaltung des Status quo, um nicht eine noch schlechtere Rechtslage zu bekommen. Der Journalist Andreas Wailzer hatte ja im Jänner geleakte Informationen aus den ersten Koalitionsverhandlungen von ÖVP, SPÖ und NEOS publiziert. Diese deuteten auf erhebliche Verschlechterungen im Lebensschutz und vermehrte Drangsalierung der Lebensschützer hin. Der ÖVP muß man erfahrungsgemäß jede Schäbigkeit zutrauen.3
Da noch dazu die kirchliche Obrigkeit die Fristenlösung mittlerweile unwidersprochen hinnimmt und somit gegen den Weltkatechismus handelt (hier KKK 2273), dessen Redaktionssekretär Kardinal Schönborn war, werden wir dem Herrn Landtagsabgeordneten selbstverständlich keinen Vorwurf machen.
Im Gegenteil werden ihm Dank und Anerkennung ausgesprochen. Das war ein Schritt in die richtige Richtung. Wir hoffen, daß die FPÖ sich dieses Anliegens verstärkt annimmt.
*Wolfram Schrems, Mag. theol., Mag. phil., Katechist, Pro Lifer, politisch interessiert, intensiver Gedankenaustausch mit dem „Dritten Lager“.
Bild: Jugend für das Leben
1 Hier ein Zusammenschnitt durch die vielversprechende Initiative Christkönigtum des ehemaligen Kickboxprofis und Konvertiten Gordon Haupt auf YT.
2 Diese ist eine rabiate Abtreibungspropagandistin, die 2023 mit der „Antifa“ gegen Pro-Life-Demonstrationen auf die Straße ging. Die SPÖ kennt meiner Beobachtung der letzten 35 Jahre nach keine Abgrenzung zum gewaltbereiten Linksradikalismus.
3 Im aktuellen Regierungsprogramm findet sich auch der Punkt „Prüfung der rechtlichen Rahmenbedingungen zum Schutz von Gesundheitseinrichtungen“, was wohl eine verklausulierte Drohung mit Bannmeilen vor Tötungsstätten ist. Man will auch gratis Verhütungsmittel an Schulen zur Verfügung stellen, was man als verantwortungslos und krank bezeichnen muß. Das kann nur zu mehr Geschlechtskrankheiten, psychischen Problemen und „ungewollten Schwangerschaften“ führen (beide Punkte auf S. 134).
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