
Seit der Meldung, daß Santa Marta auch der größten und lebendigsten Wallfahrt der Tradition zu Leibe rücken will, der Pfingstwallfahrt der Jugend Paris–Chartres, ist Feuer am Dach. Die Unruhe vor allem unter Frankreichs Traditionalisten ist enorm. Erfaßt wird von ihr, aufgrund der heutigen Massenkommunikationsmittel, aber die ganze traditionelle katholische Welt. Und es ist wieder einmal Santa Marta, das Spannungen mit den traditionellen Katholiken sucht. Diese sind für den regierenden Papst und seine Entourage eben ein Feindbild. Sie sind unfreiwillig allein durch ihre bloße Existenz der Spiegel, den sich niemand vorhalten lassen will, schon gar nicht der Papst, „der von den Rändern kam“. Während noch darüber beraten wird, ob die Abschlußmesse der internationalen Jugendwallfahrt 2025 in der Kathedrale von Chartres verboten wird, wurde der überlieferte Ritus bereits still und leise aus der wiederaufgebauten Kathedrale Notre-Dame in Paris hinausgeworfen.
Der Besuch auf Korsika
In zwei Tagen wird Papst Franziskus Frankreich besuchen, wo die Traditionalisten in Aufruhr sind. Um genau zu sein, besucht er nicht Frankreich, sondern die zur Frankreich gehörende Mittelmeerinsel Korsika, die eigentlich mehr mit Italien zu tun hat als mit der lateinischen Schwester jenseits der Alpen, aber das hat historische, sprachliche, ethnische und kulturelle Gründe und trifft einen Nerv, den manche im revolutionär geprägten Frankreich und der daraus hervorgegangenen Staatsnation nicht so gerne hören. Der Besuch von Franziskus auf der Insel hat allerdings, wenn auch unausgesprochen, durchaus damit zu tun.
Korsika blickt auf eine lange Tradition des Widerstandes gegen die zentralistische Staatsmacht in Paris zurück. Frankreich reagierte jahrzehntelang mit Repression, weil Abweichungen von der oktroyierten Staatsnation ebenso wie bei Elsässern, Deutschlothringern, Flamen, Bretonen, Basken, Katalanen oder Okzitanen nicht geduldet werden. Nach den jüngsten gewaltsamen Ausschreitungen 2022, die durch die Ermordung eines korsischen Freiheitskämpfers – Frankreichs Behörden nannten ihn einen Terroristen – im Gefängnis ausgelöst wurden, stellte Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron eine Autonomie in Aussicht, sprich, eine Form der Selbstverwaltung, die nicht nur ein Alibi sein soll, sondern diesen Namen verdient. Aufgrund der schlechten Erfahrungen mit dem „Mutterland“, dem die Insel mit Napoleon Bonaparte den größten Diktator Europas schenkte, sind die Korsen nach wie vor skeptisch. Sie befürchten, wieder einmal vertröstet und an der Nase herumgeführt zu werden. Das do ut des zwischen Paris und Ajaccio soll lauten: Autonomie gegen Verzicht auf Separatismus. Ob den Worten Taten folgen werden, auf beiden Seiten, muß sich erst zeigen. Im vergangenen Frühjahr stimmte das Inselparlament jedenfalls einer Verfassungsänderung im Sinne einer Autonomie zu. Papst Franziskus will diesen Autonomieprozeß unterstützen, ohne dies laut zu sagen und sich in innerfranzösische Angelegenheiten einzumischen. Der Zentralstaat in Paris erhofft sich eine mäßigende Wirkung, um in dem gerade von zentrifugalen Kräften gebeutelten Frankreich zumindest die korsische Front ruhig zu halten.
Zum besseren Verständnis: Im zuletzt 2021 gewählten Regionalparlament der Insel bilden korsische Autonomisten und Separatisten mit 41 von 63 Mandaten gemeinsam eine deutliche Mehrheit. Die Autonomisten verfügen über 18 Sitze und stellen den Regierungschef. Die Separatisten halten 13 Mandate. Dieser Mehrheit stehen 22 Abgeordnete der Opposition gegenüber, das sind jene Kräfte, die eine enge Anbindung an den französischen Zentralstaat wünschen.
Angriff auf die Tradition
Offiziell will Papst Franziskus auf Korsika die Volksfrömmigkeit herausstreichen. Parallel brodelt es auf dem französischen Festland aber, nachdem La Croix, die Tageszeitung der französischen Bischöfe, geschrieben hatte, daß Santa Marta Repressionen gegen die Pfingstwallfahrt Paris–Chartres beabsichtigt. Ein Verbot, die Abschlußmesse im überlieferten Ritus in der Kathedrale von Chartres zelebrieren zu dürfen, sei bereits ausformuliert und warte nur mehr auf die letztinstanzliche Zustimmung von Franziskus. Katholisches.info berichtete bereits die Hintergründe und das System, mit dem von Rom seit 2023 gegen große Wallfahrten der Tradition vorgegangen wird.
Nach dem Aufschrei bemühen sich verschiedene Kreise um Beruhigung. So schreibt heute die Tageszeitung Le Figaro, daß ihrem Rom-Korrespondenten keine Informationen vorliegen, daß es bereits das genannte Dekret zum Verbot der Abschlußmesse gebe.
„Weder der Vatikan noch das Dikasterium für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung haben ein Schreiben zu diesem Thema an die französische Bischofskonferenz, die Diözese Chartres oder die Organisatoren der Wallfahrt geschickt“, schreibt Jean-Marie Guénois in der heutigen Ausgabe der bürgerlichen Zeitung.
Nun ist das mit solchen inoffiziellen Dementis in Rom so eine Sache. Guénois selbst muß im nächsten Satz einräumen:
„Das Gerücht stützt sich auf informelle Äußerungen einer römischen Behörde, die auf die geltenden Regeln hinweist, ohne eine endgültige Entscheidung getroffen zu haben.“
Damit bestätigt der Figaro-Korrespondent, daß die Frage tatsächlich im Gottesdienstdikasterium auf der Tagesordnung steht.

Tatsächlich ist noch nichts entschieden, weil noch die letzte Zustimmung von Franziskus fehlt. Tatsache aber ist, daß Kirchenführer sowohl in Frankreich als auch in Rom eine strengere Gangart gegen die Tradition wünschen. Noch strenger? Man kann es kaum glauben. Gemeint ist also, daß bestimmte Kirchenführer die Tradition radikal und bedingungslos eliminieren wollen und das auch im Kernland der Tradition, in Frankreich, der Heimat von Erzbischof Marcel Lefebvre. Im Gegenzug dazu versuchen andere Kirchenmänner auf Mäßigung zu drängen, um radikale Eingriffe zu vermeiden.
Bisher konnten die Ortsbischöfe selbst Entscheidungen in der Frage der Zelebration des überlieferten Ritus treffen. 2023 wurden sie von Rom einseitig entmachtet, das alle Gewalt an sich zog. Damit stellt sich die Frage seither ganz anders, prinzipieller, ideologischer. Bekanntlich wirft Franziskus den Traditionalisten vor, „ideologisch“ motiviert zu sein, liefert aber selbst, persönlich und seine engsten Mitarbeiter, laufend Belege, daß es sich gerade andersherum verhält, daß nämlich Santa Marta von ideologischen Ressentiments getrieben scheint.
Der internationalen Wallfahrt der Tradition nach Rom wurde die Zelebration der Abschlußmesse im Petersdom bereits 2023 verweigert. In diesem Jahr traf dasselbe Verbot auch die Jugendwallfahrt der Tradition zum spanischen Marienwallfahrtsort Covadonga. Die Marschrichtung ist klar abgesteckt.
Besuch der französischen Bischöfe in Rom
Wie wird Franziskus nun im Fall der großen Jugendwallfahrt Paris–Chartres entscheiden? Das weiß niemand. Der argentinische Papst ist unberechenbar. Le Figaro prophezeit, sollte Franziskus die Traditionalisten offen bekämpfen, „ist es klar, daß dieser Teil der Kirchenfamilie nicht aufhören wird zu wachsen“. Dieses Wachstum zeige sich bereits seit dem Erlaß des Motu proprio Traditionis custodes von 2021, mit dem der überlieferte Ritus aus der Weltkirche ausgetilgt werden soll, ausgenommen das Sondergehege der sogenannten Ecclesia-Dei-Gemeinschaften. Die Öffnung der Kirche gegenüber der Tradition, die Benedikt XVI. mit seinem Motu proprio Summorum Pontificum angestoßen hatte, wurde von Franziskus mit Stumpf und Stiel aus dem Leib der Kirche wieder ausgerissen.
Wer immer behaupten würde zu wissen, was Franziskus nun in dieser Frage entscheiden wird, könnte keine Glaubwürdigkeit für sich beanspruchen. Es kann eine Zufallsbegegnung der „richtigen“ Person alles ändern. Das kann niemand vorhersagen. Den Sonntag wird Franziskus auf Korsika verbringen. Von Montag bis Mittwoch werden sich Teile des französischen Episkopats zum Ad-limina-Besuch in Rom aufhalten und dabei auch mit Franziskus zusammentreffen. Es gilt als sicher, daß die Frage der Tradition und der großen Jugendwallfahrt nach Chartres zur Sprache kommen wird. Denkbar ist auch, daß Franziskus auf dem Rückflug von Korsika nach Rom schon am Sonntag abend im Rahmen der fliegenden Pressekonferenz auf das Thema angesprochen wird. Bekanntlich müssen alle Fragen der mitreisenden Journalisten vorab genehmigt werden. Sollte die Frage zugelassen werden, will Franziskus dazu Stellung nehmen.
Überlieferter Ritus aus der wiederaufgebauten Kathedrale Notre-Dame in Paris verbannt
Bereits jetzt steht fest, daß die Jugendwallfahrt auch 2025 in Paris nicht mehr von der Kathedrale Notre-Dame aufbrechen wird können. Durch den bis heute nicht aufgeklärten Brand im April 2019 erfolgte eine zwangsläufige Verlagerung der Auftaktmesse nach Saint-Sulpice. Mit der Wiedereröffnung der Kathedrale, die vor wenigen Tagen gefeiert wurde, stünde der Rückkehr der Wallfahrt der Tradition nichts mehr im Weg. Die Kirchenoberen sehen das aber anders. Santa Marta sieht es anders. Und der amtierende Erzbischof von Paris Laurent Ulrich ist nicht gewillt, sich wegen der Tradition mit Rom anzulegen. Die brandbedingte Verschiebung wird als willkommener Anlaß mißbraucht, die Traditionalisten und den überlieferten Ritus aus Notre-Dame de Paris auszuschließen. Ein traditionsfeindliches Rom findet immer und überall Wege, die Tradition zu schikanieren.
Das Verbot, die Abschlußmesse in der Kathedrale von Chartres zelebrieren zu dürfen, würde die Wallfahrt an ihrem Zielort „enthaupten“. Seit 1989 konnte das heilige Meßopfer in der Kathedrale von Chartres gefeiert werden, seit sich die Piusbruderschaft gespalten hatte und ihre eigenen Jugendwallfahrt organisiert, während die neuentstandenen Ecclesia-Dei-Gemeinschaften in die volle Einheit mit Rom zurückgekehrt waren.
Rom lehnt seit Monaten systematisch jedes Ansuchen ab, mit dem um die Erlaubnis ersucht wird, in einer der vielen Kathedralen der Welt das heilige Meßopfer im überlieferten Ritus zelebrieren zu können. Santa Marta will auch dem allerletzten in der Kirche zu verstehen geben, daß der überlieferte Ritus unerwünscht und bestenfalls ein Ritus zweiter Klasse ist. Wer dennoch daran festhalten will, wird mit Füßen getreten. Er will es ja offensichtlich nicht anders, so die Logik des bergoglianischen Hofstaates.
Und als wollte Santa Marta die Gerüchteküche noch etwas anheizen, empfing Franziskus gestern Kardinal Arthur Roche, den deklariert traditionsfeindlichen Präfekten des Gottesdienstdikasteriums, in Audienz. Über Roches Schreibtisch ging das Zelebrationsverbot in Notre-Dame de Paris. Auf seinem Schreibtisch liegt bereits das Zelebrationsverbot auch in Notre-Dame de Chartres…
So sitzt der Schrecken noch in vielen Kirchengliedern, daß im Vorjahr genau in der Adventszeit das unsägliche Dokument Fiducia supplicans wie eine Bombe den Weihnachtsfrieden zerfetzte. Die Anspannung ist groß, daß Franziskus den Advent zum Zünden der nächsten Bombe nützen könnte. Wie auch schon 2021, als der eben genannte Arthur Roche im Advent die eigenwillige Kapriole schlug, sich selbst Dubia zu Traditionis custodes vorzulegen und gegen die Tradition zu beantworten. In der Tat ist bis heute nicht bekannt, von wem ihm bzw. Franziskus die angeblichen Dubia vorgelegt wurden, die man in der römischen Behörde so „vortrefflich“ zu eigenen Gunsten zu nützen wußte.
Franziskus rief im Juli 2013, wenige Monate nach seiner Wahl, den Jugendlichen beim Weltjugendtag in Rio de Janeiro zu: „Macht Unruhe!“, was auch als „Macht Lärm!“, „Macht Chaos!“ oder „Stiftet Unruhe!“ übersetzt wurde. Es besteht kein Zweifel: Franziskus ist ein Meister darin, die Welt der Tradition nicht nur stiefmütterlich durch Kindesweglegung zu mißhandeln, sondern auch große Unruhe zu stiften.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: VaticanNews/Pèlerinage de Chrétienté (Screenshots)