
Die neuen Consultoren des Dikasteriums für die Glaubenslehre gehören ausschließlich dem progressiven Spektrum an, und sie wurden gezielt ausgewählt. Damit ist zu rechnen, daß sie die katholische Morallehre verändern werden, besonders zu den Themen Empfängnisverhütung, Homosexualität und Ehe.
Von Stefano Fontana*
Die neuen Consultoren des Dikasteriums für die Glaubenslehre sind ernannt worden, und die Wahl fiel überwiegend zugunsten der progressiven Theologie aus. Das Rückgrat der neuen Consultoren bilden Theologen, die die Enzyklika Veritatis splendor von Johannes Paul II. immer wieder in Frage gestellt haben; die die Neuerungen von Amoris laetitia vorbereitet und unterstützt haben; die die Aussagen der Kirche zu Ehe und Sexualität ändern wollen; Theologen, die Humanae vitae für reformierbar halten; die Liebe in einem weiten Sinne und als einen Prozeß verstehen, der alle aufnimmt, wobei zugrunde gelegt wird, daß einige weiter und andere weniger weit sein können, aber niemand ausgeschlossen wird; daß sie ganz im Einklang mit den synodalen Forderungen der Neokirche stehen; daß sie viel von Gewissen und Unterscheidung sprechen und ihnen dieselbe Bedeutung beimessen, die das natürliche und göttliche Gesetz im moralischen Leben hat; und daß sie den Begriff des Naturrechts ablehnen und ihn allenfalls als Sedimentation der vielen historisch aufeinander folgenden Unterscheidungsakte interpretieren.
Es finden sich unter ihnen historische Vertreter des theologischen Progressivismus, insbesondere in der Moraltheologie, wie Aristide Fumagalli. Auch Maurizio Chiodi, der 2022 in einem in einer Dehonianer-Zeitschrift veröffentlichten Artikel sagte, daß die Lehre von Humanae vitae geändert werden könne, wurde zum Berater ernannt. Der Name Chiodi ist sehr bedeutsam, weil er eng mit den Ereignissen am Institut Johannes Paul II. für Studien über Ehe und Familie verbunden ist, wo er als Dozent von Mailand nach Rom wechselte. Man kann sagen, daß er das Symbol dieser „Operation“ von Franziskus und Erzbischof Vincenzo Paglia ist, die darauf abzielt, die Lehre von Johannes Paul II. zu diesen Themen endgültig zu beseitigen und die Physiognomie des Instituts, das er wollte und das seinen Namen trug, zu verändern.
Diejenigen, die diese Ereignisse aufmerksam verfolgt haben, waren wahrscheinlich von seiner Ernennung zum Berater des Dikasteriums von Präfekt Fernández nicht überrascht. Es gibt viele andere, von Pier Davide Guenzi, einem Moraltheologen, der den Vorsitz der Vereinigung der Moraltheologen innehat, über Antonio Staglianò, der der Päpstlichen Akademie für Theologie vorsteht, bis hin zu Giacomo Canobbio, der sich eine „demokratische Kirche“ im Sinne einer politischen Demokratie wünscht, und sogar einige historische Größen wie Basilio Petrà. Wir haben nicht die Absicht, eine Liste zu erstellen, aber es ist klar, daß die Auswahl sehr sorgfältig getroffen wurde. Wir können bereits im voraus wissen, daß ein erheblicher Prozentsatz der Berater dafür ist, die Lehre der Kirche über Empfängnisverhütung, Homosexualität, Ehe, eheliche Liebe, Theologie des Leibes und die katholische Moral im allgemeinen grundlegend zu ändern. Und wir wissen das, weil sie es bereits getan und darüber geschrieben haben und genau deshalb ernannt wurden.
In der allgemeinen Vorstellung denkt jeder von uns, wenn wir vom Dikasterium für die Glaubenslehre hören, an so etwas wie das alte Heilige Offizium. Natürlich wissen wir, daß es nicht mehr so heißt und auch keine Kongregation mehr ist, aber wir stellen uns vor, daß es etwas von der Tradition und der Autorität bewahrt hat, etwas, das mit der Verteidigung der Lehre, mit der Anprangerung von Abirrungen, mit der Warnung der Gläubigen vor Verfälschungen der Wahrheit sowohl im Bereich des Naturrechts als auch im Bereich der geoffenbarten Wahrheit verbunden ist.
Nehmen wir als Beispiel die Zeit dieses Dikasteriums während des Pontifikats von Johannes Paul II. und unter der Leitung von Kardinal Ratzinger. Im Vergleich zu früher gab es nur wenige direkte Verurteilungen, aber es wurden viele offizielle Dokumente zur Klärung heikler Fragen erstellt. Die Gläubigen denken immer noch so: Verurteilungen von Theologen und Veröffentlichungen, die von der Lehre abweichen, spielen keine Rolle, aber zumindest lehrmäßige Klarstellungen muß es weiterhin geben. Nun ist das aber nicht mehr der Fall, und wer das noch glaubt, der irrt. Die Bedeutung dieser ehemaligen Kongregation hat sich gewandelt und ist nun zu einer Anregung für theologische Forschung geworden, die auf Veränderung abzielt.
Franziskus hatte es in seinem persönlichen Brief an Kardinal Victor Manuel Fernández anläßlich seiner Ernennung zum Präfekten des Dikasteriums gesagt: Es ist notwendig, die „unmoralischen Methoden“ der Verurteilung zu vermeiden, die in der Vergangenheit angewandt wurden, Lehrirrtümer nicht mehr zu verfolgen, sondern die theologische Forschung zu fördern, das Charisma der Theologen zu stimulieren, die nicht einer „Schreibtisch-Theologie“ folgen, und alle Philosophien zu nutzen, ohne eine auszuschließen. Niemand darf also vom Dikasterium ein endgültiges Wort zu einer kontroversen Frage erwarten, sondern das Gegenteil: die Infragestellung von Gewißheiten und die Eröffnung von kontroversen Fragen. In der Tat, wenn wir alle bisher von Fernández (und von Franziskus) unterzeichneten Dokumente untersuchen, sehen wir, daß sie darauf abzielen, zu verunsichern und nichts mehr zu bestätigen, sie sind provokativ und manchmal sogar skandalös. Das neue Glaubensdikasterium lädt nicht dazu ein, an das zu glauben, was es sagt, sondern zu widersprechen, und zu diesem Zweck ernennt es diejenigen zu Beratern, die bis gestern die Theologen des Dissenses waren. Es scheint, daß die Proteste der siebziger Jahre den Palast des Heiligen Offiziums erreicht haben und von dort aus den Anspruch erheben, (widersprüchlich) normativ zu sein.
Wir glauben nicht, daß die Consultoren unbedeutend sind. Sie sind wichtiger als die Mitglieder des Dikasteriums selbst, so wie beim Zweiten Vaticanum die Theologen wichtiger waren als die Konzilsväter. Natürlich sprechen wir nicht von allen Consultoren, aber wer eine Ahnung davon hat, wie der Heilige Stuhl arbeitet, weiß, daß es Consultoren gibt, die nicht konsultiert werden, und andere, die konsultiert werden. Letzteres ist sicherlich der Fall bei der Gruppe der progressiven Theologen, die gerade ernannt wurde.
Stefano Fontana, Direktor des International Observatory Cardinal Van Thuan for the Social Doctrine of the Church; zu seinen jüngsten Publikationen gehören „La nuova Chiesa di Karl Rahner“ („Die neue Kirche von Karl Rahner. Der Theologe, der die Kapitulation vor der Welt lehrte“, Fede & Cultura, Verona 2017), gemeinsam mit Erzbischof Paolo Crepaldi von Triest „Le chiavi della questione sociale“ („Die Schlüssel der sozialen Frage. Gemeinwohl und Subsidiarität: Die Geschichte eines Mißverständnisses“, Fede & Cultura, Verona 2019), „La filosofia cristiana“ („Die christliche Philosophie. Eine Gesamtschau auf die Bereiche des Denkens“, Fede & cultura, Verona 2021).
Übersetzung: Giuseppe Nardi
Bild: VaticanNews/MiL/Vatican.va (Screenshots