
(Rom) Seit dem 1. Juli befindet sich Papst Franziskus offiziell im Urlaub. Traditionell nützt er dafür nur den Monat Juli, bleibt jedoch in Rom, verzichtet auf öffentliche Pflichttermine und kann sich so auf jene Bereiche seiner Amtsführung konzentrieren, die ihm ohnehin lieber sind. Was das ist, erfährt die Öffentlichkeit freilich nur dann, wenn Santa Marta eine Öffentlichkeit wünscht. Das gilt für die Audienz, zu der Franziskus den Außenminister des Moskauer Patriarchats empfangen hat.
Gestern nachmittag wurde der Vatikan von Metropolit Antonius von Wolokolamsk aufgesucht, der seit 2022 Leiter des Außenamtes des Moskauer Patriarchats ist. In dieser Funktion löste er kurz nach dem Ausbruch des russisch-ukrainischen Krieges Metropolit Hilarion ab, der viele Jahre die Außenkontakte der russisch-orthodoxen Kirche gepflegt hatte und seither Metropolit von Budapest und Ungarn ist.
Für Papst Franziskus bemüht sich Kardinal Matteo Zuppi, Erzbischof von Bologna und Vorsitzender der Italienischen Bischofskonferenz, um Friedensverhandlungen zwischen Rußland und der Ukraine. Gleiches versucht derzeit auch der turnusmäßige EU-Ratspräsident Viktor Orbán, der am 1. Juli dieses Amt übernahm und sogleich zu Gesprächen nach Kiew, Moskau, Peking und Washington aufbrach. Er tat damit, was in den vergangenen zweieinhalb Jahren keiner seiner fünf Vorgänger getan hat, nämlich sich aktiv um eine Friedensinitiative zu bemühen. Während die Friedensbestrebungen Zuppis von dem auf Krieg getrimmten West-Mainstream ignoriert werden, wird Orbán teils radikal angefeindet.
Offensichtlich muß man sich im Jahr 2024 dafür rechtfertigen, Frieden zu wollen. Papst Franziskus, der als peronistisch geprägter Argentinier der Pax Americana skeptisch gegenübersteht, bemüht sich um Friedensverhandlungen, die nicht, wie im März 2022 geschehen, von den geopolitischen Interessen der USA diktiert werden, die – laut Franziskus – diesen Krieg erst mit ausgelöst haben: „Vielleicht hat das Bellen der NATO an Rußlands Tür den Kremlchef dazu gebracht, schlecht zu reagieren und den Konflikt zu entfesseln. Eine Wut, von der ich nicht sagen kann, ob sie provoziert wurde, aber vielleicht wurde sie begünstigt.“
Das Verhältnis zwischen Rom und dem Moskauer Patriarchat hat sich durch den Krieg verschlechtert. Die russisch-orthodoxe Kirche steht hinter dem Staatspräsidenten Rußlands Wladimir Putin. Franziskus hingegen hatte auf eine Vermittlerfunktion gehofft und deshalb den Moskauer Patriarchen auch öffentlich getadelt.
Franziskus signalisierte damit, im Zweifel die Beziehungen zur russisch-orthodoxen Kirche seinen Friedensbemühungen auf politischer Ebene hintanzustellen.
Metropolit Antonius von Wolokolamsk, erst 39 Jahre alt, war mehrere Jahre persönlicher Sekretär von Patriarch Kyrill. Einige Zeit leitete er dann die russisch-orthodoxen Gemeinden in Italien, weshalb er mit den örtlichen Verhältnissen, auch jenen des Vatikans, vertraut ist. Für Aufsehen sorgte, als er 2011 in dieser Funktion bei einem Empfang Papst Benedikt XVI. den Fischerring küßte.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Moskauer Patriarchat (Screenshot)