Franziskus und der globale Peronismus

Macht erlangen, nutzen, erhalten und vergrößern


Juan Domingo Perón, Papst Franziskus und der Peronismus
Juan Domingo Perón, Papst Franziskus und der Peronismus

Von Demo­sthe­nes

Anzei­ge

Wer nicht aus Argen­ti­ni­en stammt oder dort lebt, tut sich schwer, das Phä­no­men des Pero­nis­mus zu ver­ste­hen. Um sich die Auf­ga­be zu erleich­tern, wird er daher meist einer ande­ren ver­trau­ten Rea­li­tät zuge­ord­net: wahl­wei­se dem Sozia­lis­mus, der Christ­de­mo­kra­tie, der pro­gres­si­ven Bewe­gung oder einer nicht näher defi­nier­ten Vari­an­te des Popu­lis­mus. Zugleich ist es ziem­lich weit ver­brei­tet, den der­zei­ti­gen Papst als Pero­ni­sten zu bezeich­nen. Die Schluß­fol­ge­rung scheint ein­fach: Vom Papst wird ein für Sozia­li­sten, Popu­li­sten usw. typi­sches Ver­hal­ten erwartet.

Wenn es jedoch um kon­kre­te päpst­li­che Hand­lun­gen geht, erwei­sen sich die Scha­blo­nen aus ande­ren Län­dern als unzu­rei­chend. Weder die Fak­ten noch die Beweg­grün­de stimmen.

Tat­sa­che ist, daß der Pero­nis­mus ein ganz spe­zi­el­les argen­ti­ni­sches Phä­no­men ist, das sich nicht mit den Rea­li­tä­ten in ande­ren Län­dern ver­glei­chen läßt. Es han­delt sich dabei, anders als meist ver­mu­tet, nicht um eine Bewegung/​Partei, die auf einer kon­zep­tio­nel­len Ent­wick­lung beruht, son­dern um ein Macht­in­stru­ment. Eine Struk­tur, um Macht zu erlan­gen, zu nut­zen, zu erhal­ten und zu ver­grö­ßern. Es gibt Pero­ni­sten von links, von rechts und der Mit­te. Es gibt Kon­ser­va­ti­ve und Revo­lu­tio­nä­re. Sie alle haben ihre Grün­de, sich als Pero­ni­sten zu betrach­ten, indem sie sich auf Momen­te im Leben Juan Dom­in­go Peróns oder in der Geschich­te der Justi­tia­li­sti­schen Bewe­gung oder Par­tei berufen.

Es ist schwie­rig, gemein­sa­me Ele­men­te für alle zu fin­den, die sich als Pero­ni­sten bezeich­nen. Es gibt Aspek­te, die für vie­le Pero­ni­sten typisch sind, wie der Schutz der Arbei­ter, die Abnei­gung gegen­über den USA, der Wunsch, die Armen zu begün­sti­gen, die Ten­denz zum Eta­tis­mus, usw. An die­ser Stel­le sol­len jedoch bestimm­te Ele­men­te her­vor­ge­ho­ben wer­den, die sich nicht auf die kon­zep­tio­nell-affek­ti­ve Facet­te des Pero­nis­mus bezie­hen, son­dern auf sei­ne Funk­ti­ons­wirk­lich­keit in fast allen sei­nen Aspek­ten. Es han­delt sich um fol­gen­de Elemente:

  1. der Pri­mat der Macht;
  2. das Unbe­ha­gen an dem Exzellenten;
  3. der Vor­rang der Tak­tik vor der Strategie.

Es ist klar, daß es sich hier­bei um eine Ver­ein­fa­chung und Ver­all­ge­mei­ne­rung han­delt, die nicht den Anspruch erhebt, die gesam­te Rea­li­tät des Pero­nis­mus zu erfassen.

Der der­zei­ti­ge Papst schafft es, in sei­ner Per­son den ech­ten Por­te­ño [Bewoh­ner von Bue­nos Aires], den gewun­de­nen Jesui­ten und den uner­sätt­li­chen Pero­ni­sten zu ver­ei­nen. In die­sem Arti­kel wer­den wir uns auf sei­ne pero­ni­sti­sche Sei­te beschrän­ken. Auf ande­re Aspek­te der päpst­li­chen Per­sön­lich­keit, wie die ver­wickel­te Psy­cho­lo­gie, den prä­gen­den Lebens­weg, die aka­de­mi­sche Begrenzt­heit, die sich – mit abneh­men­der Wirk­sam­keit – wie­der­ho­len­den Stra­te­gien oder die Sym­pa­thie für Grenz- und Geset­zes­über­tre­ter (ein­schließ­lich, para­do­xer­wei­se, der Pius­bru­der­schaft), wird hin­ge­gen nicht eingegangen.

Schau­en wir uns an, wie sich die oben genann­ten Merk­ma­le in der Per­sön­lich­keit von Papst Fran­zis­kus widerspiegeln.

1. Der Primat der Macht

In die­ser Hin­sicht ist der Wer­de­gang des der­zei­ti­gen Pap­stes line­ar. Die mei­sten sei­ner Hand­lun­gen zie­len dar­auf ab, Macht zu erlan­gen, zu nut­zen, zu bewah­ren oder zu vergrößern.

Dies muß her­vor­ge­ho­ben wer­den, weil in sei­nem Zusam­men­hang oft gewis­se kon­zep­tio­nel­le Wider­sprü­che betont wer­den, in die er gerät. Bei ande­ren Men­schen könn­ten die­se tie­fe inne­re Ver­wer­fun­gen oder kal­ku­lier­ten Ver­rat bedeu­ten. Im Fall von Berg­o­glio ist der theo­re­ti­sche Wider­spruch jedoch nicht von gro­ßer Bedeu­tung. Er kann heu­te etwas sagen und nach eini­ger Zeit ohne gro­ße Schwie­rig­kei­ten eine Idee ver­tre­ten, die mit dem, was er zuvor gesagt hat, unver­ein­bar ist, solan­ge alles dem ange­peil­ten Ziel dient. Auf die Aus­brei­tung frei­mau­re­ri­scher Ideen und Idea­le kann eine Ver­ur­tei­lung der Frei­mau­rer fol­gen und spä­ter aber die Erlaub­nis, mit ihnen in einen engen Dia­log zu tre­ten. Auf die Kri­tik an „bestimm­ten Lin­ken“ (man erin­ne­re sich an sei­ne Äuße­run­gen im Fall Osor­no in Chi­le) folgt die Gunst und Sym­pa­thie für zahl­rei­che lin­ke Per­sön­lich­kei­ten. In Wirk­lich­keit ist die­ser Wider­spruch für die­je­ni­gen, die Ideen in den Vor­der­grund stel­len, offen­sicht­lich. Für Fran­zis­kus aber zäh­len nicht Ideen, son­dern Ent­schei­dun­gen und Taten. Er ist kein Theo­re­ti­ker, son­dern ein Poli­ti­ker. Hier gilt einer sei­ner berühm­ten Apho­ris­men: „Die Rea­li­tät steht über der Idee.“ Perón sag­te: „Die ein­zi­ge Wahr­heit ist die Realität.“

Aus die­ser Logik her­aus wird auch das Recht als ein blo­ßes Instru­ment in den Hän­den des Macht­ha­bers ver­stan­den. Die­se Sicht­wei­se erklärt bestimm­te Ver­hal­tens­wei­sen, die für einen Juri­sten irri­tie­rend sind oder die sich aus wider­sprüch­li­chen Rechts­auf­fas­sun­gen erge­ben: zum Bei­spiel die Ände­rung von Pro­zeß­re­geln in einem lau­fen­den Ver­fah­ren (man erin­ne­re sich an die Vor­gän­ge im Pro­zeß gegen Kar­di­nal Becciu); die Ver­tei­di­gung der Vor­schrifts­mä­ßig­keit oder Unvor­schrifts­mä­ßig­keit bestimm­ter straf­recht­li­cher Hand­lun­gen je nach Ange­klag­tem; der Emp­fang oder die Ernen­nung von Rich­tern, die Ver­fech­ter rechts­staat­li­cher Prin­zi­pi­en sind, bei gleich­zei­ti­ger Ein­schrän­kung des Rechts auf Ver­tei­di­gung für bestimm­te Ange­klag­te. Auch hier hat das prak­ti­sche Ergeb­nis Vor­rang. Rechts­nor­men wer­den eben dann her­an­ge­zo­gen, wenn damit ein kon­kre­tes Ziel ver­folgt wer­den kann. Kann das gewünsch­te Ziel nicht durch das Gesetz erreicht wer­den, wird an die Gna­de appel­liert oder ein­fach so gehan­delt, als gäbe es die Norm nicht. Im Justiz­be­reich wird die risi­ko­be­haf­te­te Unab­hän­gig­keit der Gerich­te dadurch neu­tra­li­siert, daß ihr tat­säch­li­ches Han­deln auf ein Mini­mum redu­ziert wird, es sei denn, es gibt für das gewünsch­te Ergeb­nis eine gewis­se Garan­tie. Das Recht kann also nicht zum Hin­der­nis wer­den, da es als Macht­in­stru­ment ver­stan­den wird. Es ist viel­mehr sogar ein Mit­tel zur Rache, wie schon Perón sag­te: „Kei­ne Gerech­tig­keit für den Feind.“

Jede star­ke zwi­schen­ge­schal­te­te Orga­ni­sa­ti­on ist ein Hin­der­nis für jene, die die höch­ste Macht aus­üben. Ein flo­rie­ren­der katho­li­scher Ver­ein – im wah­ren Wort­sinn – trifft sei­ne inter­nen Ent­schei­dun­gen rela­tiv auto­nom, sodaß er im All­tag einen grö­ße­ren Ein­fluß auf sei­ne Mit­glie­der hat als der Papst. Wenn also die Aus­rich­tung der Füh­rungs­ebe­ne kirch­li­cher Orga­ni­sa­tio­nen auf die vati­ka­ni­sche Macht schwach ist, wird das täg­li­che Han­deln fak­tisch zu einer Gren­ze für den päpst­li­chen Wil­len. In die­sem Zusam­men­hang sind insti­tu­tio­nel­le Inter­ven­tio­nen (brü­der­li­che Visi­ta­tio­nen bei Bischö­fen, die Ein­set­zung von Kom­mis­sa­ren bei Ordens­ge­mein­schaf­ten oder Lai­en­be­we­gun­gen usw.) ein wich­ti­ges Mit­tel, um die­sen Wider­stand zu bre­chen. Die päpst­li­chen Ent­schei­dun­gen sol­len nicht durch den Fil­ter der mitt­le­ren Füh­rungs­ebe­ne lau­fen. Wer noch nicht einem Kom­mis­sar unter­stellt wur­de, wird sich aus Angst davor von sich aus den Anwei­sun­gen des Macht­ha­bers unter­wer­fen. In die­sem Sinn müs­sen auch die Befug­nis zur Abset­zung von Bischö­fen und auch die Ableh­nung lebens­lan­ger Vor­sit­zen­der oder Obe­rer in der Lei­tung katho­li­scher Ver­ei­ni­gun­gen und Gemein­schaf­ten ver­stan­den werden.

Inner­halb der kirch­li­chen Struk­tur soll­ten die unte­ren Posi­tio­nen, immer laut pero­ni­sti­scher Sicht­wei­se, so wenig Auto­ri­tät wie mög­lich haben. Die Tren­nung zwi­schen for­ma­ler Auto­ri­tät und rea­ler Macht in der mitt­le­ren Füh­rungs­ebe­ne ver­läuft in die­sem Sin­ne. Der Lei­ter eines Dik­aste­ri­ums kann daher eine rein deko­ra­ti­ve Figur sein, weil der direk­te Kon­takt zum Papst über irgend­ei­nen Unter­ge­be­nen des Dik­aste­ri­ums und nicht über den Prä­fek­ten läuft. Die­ser Unter­ge­be­ne kon­trol­liert dann sei­nen Chef, der sich dadurch in einer heik­len Situa­ti­on befin­det. Das prak­ti­sche Ergeb­nis ist, daß die unter­ge­ord­ne­ten Behör­den dazu nei­gen, weni­ger selbst zu ent­schei­den, son­dern päpst­li­che Beschlüs­se abzu­war­ten und aus­zu­füh­ren bzw. nur sol­che Maß­nah­men durch­zu­füh­ren, von denen sie mit Sicher­heit wis­sen, daß sie die Zustim­mung des Macht­ha­bers haben.

Die inner­kirch­li­chen Ver­fah­rens­re­geln kön­nen zu einer Situa­ti­on füh­ren, die für den Macht­ha­ber fru­strie­rend sein kann. Wenn ein Papst einen Bischof aus einer Namens­li­ste aus­wäh­len muß, die er von den Nun­tia­tu­ren erhält, wird er zu einem Gefan­ge­nen der Struk­tu­ren. Ähn­lich ver­hält es sich mit Selig- und Hei­lig­spre­chun­gen. Der Ver­zicht auf regu­lä­re Ver­fah­ren, auf äuße­re Zei­chen der Auto­ri­tät oder auf Pro­to­kol­le und Zere­mo­nien zeigt also, daß der­je­ni­ge, der die Macht hat, sich nicht unter­wirft. Das wird dann als Effi­zi­enz, Befrei­ung von Zei­chen der Ver­gan­gen­heit oder Ver­zicht auf über­flüs­si­ge For­men getarnt.

Das Glei­che gilt für die Beloh­nung von Ver­dien­sten. Es gibt kei­ne Bischofs­sit­ze mehr, die mit der Kar­di­nals­wür­de ver­bun­den sind, da die­se die Papst­wahl bedin­gen wür­den. Eine vom Papst emp­fan­ge­ne Aus­zeich­nung darf nicht auf einem Recht beru­hen, son­dern hat dem­nach ihren allei­ni­gen Ursprung im Wil­len des Sou­ve­räns. Je exzen­tri­scher die Ent­schei­dung, desto mehr befin­det sich der Geehr­te gegen­über dem Papst in der Schuld.

Außer­dem ist kei­ne Situa­ti­on end­gül­tig. Wer heu­te zum Kar­di­nal beför­dert wird, kann mor­gen auch wie­der aus dem Kar­di­nals­kol­le­gi­um aus­ge­schlos­sen wer­den. Alles ist vor­läu­fig. Die stän­di­ge Angst, über­ra­schend die erlang­ten Vor­tei­le auch wie­der ver­lie­ren zu kön­nen, ist ein groß­ar­ti­ges Instru­ment zur Unterwerfung.

Wenn eine Ange­le­gen­heit schwie­rig oder kom­pli­ziert ist, wird die Ver­ant­wor­tung auf unper­sön­li­che Rea­li­tä­ten oder Instan­zen über­tra­gen. Ein Bei­spiel dafür ist das Behar­ren von Fran­zis­kus, daß sich die von ihm ver­folg­te Poli­tik dar­auf beschrän­ke, umzu­set­zen, was die Kar­di­nä­le wäh­rend des Kon­kla­ves beschlos­sen hät­ten. Die anschlie­ßend ernann­ten Kom­mis­sio­nen ermög­li­chen es ihm, eine Ent­schei­dung zu tref­fen oder zu ver­schie­ben, ohne die Ver­ant­wor­tung dafür zu über­neh­men, da der poli­ti­sche Preis auf eine unper­sön­li­che Rea­li­tät über­tra­gen wur­de. Ein wei­te­rer Vor­teil: Fran­zis­kus erwirbt sich auf die­se Wei­se den Ruf eines demo­kra­ti­schen Mana­gers, der die Weis­heit besit­ze, auf den Rat von Exper­ten zu hören.

2. Das Unbehagen an dem Exzellenten

Das zwei­te Merk­mal ist das Unbe­ha­gen an allem Her­vor­ra­gen­den. Bei Fran­zis­kus gibt es, anders als es schei­nen mag, kei­ne Ver­ach­tung des Gel­des und kei­nen Wunsch nach Spar­sam­keit. Was es hin­ge­gen gibt, ist ein Wider­stand und ein Unbe­ha­gen gegen­über allem, was Qua­li­tät hat und herausragt.

Die Anwen­dun­gen sind auch hier viel­fäl­tig. Er wohnt in San­ta Mar­ta, weil er sich in einer geräu­mi­gen Woh­nung im Vati­kan nicht wohl­fühlt; außer­dem will er nicht iso­liert sein, was einen Macht­ver­lust bedeu­ten wür­de (damit schuf er übri­gens den geeig­ne­ten Rah­men für infor­mel­le Bit­ten an den Sou­ve­rän, die so form­los vor­ge­bracht wer­den kön­nen). Zudem: Sei­ne Lit­ur­gie ist low cost. Er ver­wen­det häß­li­che lit­ur­gi­sche Gewän­der nicht aus Spar­sam­keit, son­dern weil er sich dar­in wohl­fühlt. Hoch­wer­ti­ge Sto­len sind schwer und unbe­quem. Sei­ne alten Schu­he sind bequem, wäh­rend er neue erst ein­ge­hen müß­te. Er hat das klas­si­sche Kon­zert erster Güte, das sei­ner­zeit zu sei­nen Ehren ver­an­stal­tet wur­de, des­halb nicht besucht, weil er die­se Art von Musik nicht hören mag.

Auch wenn ver­sucht wird, dies alles als Zei­chen der Beschei­den­heit und Spar­sam­keit dar­zu­stel­len, ist klar, daß es sich nicht um eine Fra­ge des Gel­des han­delt. Wenn das all­ge­mei­ne Kri­te­ri­um die Spar­sam­keit wäre, wür­de es auf alle Ent­schei­dun­gen pro­ji­ziert wer­den. Es gibt jedoch kein finan­zi­el­les Pro­blem, min­der­wer­ti­ge latein­ame­ri­ka­ni­sche Musi­ker oder mit­tel­mä­ßi­ge Dozen­ten nach Rom zu holen. Es gibt auch kein Geld­pro­blem, wenn es um die enor­men Aus­ga­ben für die Welt­ju­gend­ta­ge oder die vie­len Tref­fen aller Art geht, die im Vati­kan stattfinden.

Aber es muß beschö­nigt wer­den. Das Leben in San­ta Mar­ta wird als Bei­spiel für Demut und Spar­sam­keit oder auch als Mit­tel des psy­cho­lo­gi­schen Aus­gleichs erklärt. Sei­ne gesam­te Klei­dung – ein­schließ­lich der lit­ur­gi­schen Gewän­der – wird als Aus­druck von Ein­fach­heit und Armut bezeich­net. Sei­ne Wei­ge­rung, an dem Kon­zert teil­zu­neh­men, wird als Ableh­nung des Renais­sance-Pomps dargestellt.

Dar­über hin­aus zeigt sein Ver­hal­ten, daß die Errei­chung wich­ti­ger Zie­le kei­ne Qua­li­täts­in­stru­men­te erfor­dert. Mit einem Text ohne theo­lo­gi­schen Tief­gang kann eine bedeu­ten­de Ver­än­de­rung in der Dis­zi­plin oder in der Lit­ur­gie der Kir­che her­bei­ge­führt wer­den. Und schließ­lich ist es doch auch ein Zei­chen von Macht, wenn seriö­se Intel­lek­tu­el­le ernst­haf­te Ana­ly­sen mit­tel­mä­ßi­ger Doku­men­te vor­le­gen. Das ist ein offi­zi­el­ler Tri­umph des Vulgären.

3. Der Vorrang der Taktik vor der Strategie

Oder anders aus­ge­drückt: Das Kurz­fri­sti­ge wird dem Lang­fri­sti­gen vor­ge­zo­gen. Das Leben ist schließ­lich kurz. Die Lang­fri­stig­keit liegt in wei­ter Fer­ne, und die Ent­schei­dun­gen, deren Aus­wir­kun­gen die Inten­si­tät der Macht und die Popu­la­ri­tät eines Herr­schers, der sein Amt im fort­ge­schrit­te­nen Alter antritt, wirk­lich beein­flus­sen, sind die kurzfristigen.

Hier sind die Deter­mi­niert­hei­ten zu fin­den, denen der Papst Prio­ri­tät ein­räumt. Auf der tak­ti­schen Ebe­ne ver­sucht der Papst, kei­ne Ent­schei­dun­gen abzu­ge­ben. Die Ernen­nung sei­ner wirk­li­chen Mit­ar­bei­ter, die Beein­flus­sung unmit­tel­ba­rer Wahl­pro­zes­se, die aktu­el­le Zustim­mung der Medi­en, die Wirt­schafts­füh­rung, die er für ent­schei­dend hält, die poli­ti­schen Ope­ra­tio­nen, die ihn inter­es­sie­ren, usw. sind alle ihm vor­be­hal­ten. Gene­rell gesagt: Der Papst muß die Mög­lich­keit haben, in jede Art von Ent­schei­dung ein­zu­grei­fen, wenn er dies wünscht.

Die übli­che Pres­se­ar­beit unter­stützt das Nar­ra­tiv: eines Reform­pap­stes, der in allen Berei­chen der Kir­che unum­kehr­ba­re Ver­än­de­run­gen her­bei­führt; daß die­je­ni­gen, die sich ihm wider­set­zen, nur eine Min­der­heit, aber mäch­tig, kon­ser­va­tiv und in über­hol­ten Struk­tu­ren ver­an­kert sind, von denen sie pro­fi­tie­ren, durch die wie­der­hol­te Erzeu­gung von Erwar­tun­gen auf ein­schnei­den­de Ver­än­de­run­gen, bei denen syste­ma­tisch ein Ele­fant ange­kün­digt, aber eine Maus dar­aus wird.

Die stän­di­gen Ände­run­gen im Medi­en­be­trieb sind Teil der Kurz­fri­stig­keit. In regel­mä­ßi­gen Abstän­den müs­sen neue Fein­de, über­ra­schen­de Gesten und gro­ße erwar­te­te Ver­än­de­run­gen sug­ge­riert wer­den, deren Publi­zi­tät die Bedeu­tung des Füh­rers am Leben erhält.

Die Beto­nung der Tak­tik ist auch ein Pro­blem der Begrenzt­heit, das den mei­sten Men­schen gemein­sam ist. Nur weni­ge Men­schen sind in der Lage, Ent­schei­dun­gen zu tref­fen, die einen tie­fen und dau­er­haf­ten Ein­druck hin­ter­las­sen. Die mei­sten von uns sind mit­tel­mä­ßig und han­deln im Rah­men unse­rer Möglichkeiten.

Über­set­zung: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Cami­nan­te Wanderer

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