Von Demosthenes
Wer nicht aus Argentinien stammt oder dort lebt, tut sich schwer, das Phänomen des Peronismus zu verstehen. Um sich die Aufgabe zu erleichtern, wird er daher meist einer anderen vertrauten Realität zugeordnet: wahlweise dem Sozialismus, der Christdemokratie, der progressiven Bewegung oder einer nicht näher definierten Variante des Populismus. Zugleich ist es ziemlich weit verbreitet, den derzeitigen Papst als Peronisten zu bezeichnen. Die Schlußfolgerung scheint einfach: Vom Papst wird ein für Sozialisten, Populisten usw. typisches Verhalten erwartet.
Wenn es jedoch um konkrete päpstliche Handlungen geht, erweisen sich die Schablonen aus anderen Ländern als unzureichend. Weder die Fakten noch die Beweggründe stimmen.
Tatsache ist, daß der Peronismus ein ganz spezielles argentinisches Phänomen ist, das sich nicht mit den Realitäten in anderen Ländern vergleichen läßt. Es handelt sich dabei, anders als meist vermutet, nicht um eine Bewegung/Partei, die auf einer konzeptionellen Entwicklung beruht, sondern um ein Machtinstrument. Eine Struktur, um Macht zu erlangen, zu nutzen, zu erhalten und zu vergrößern. Es gibt Peronisten von links, von rechts und der Mitte. Es gibt Konservative und Revolutionäre. Sie alle haben ihre Gründe, sich als Peronisten zu betrachten, indem sie sich auf Momente im Leben Juan Domingo Peróns oder in der Geschichte der Justitialistischen Bewegung oder Partei berufen.
Es ist schwierig, gemeinsame Elemente für alle zu finden, die sich als Peronisten bezeichnen. Es gibt Aspekte, die für viele Peronisten typisch sind, wie der Schutz der Arbeiter, die Abneigung gegenüber den USA, der Wunsch, die Armen zu begünstigen, die Tendenz zum Etatismus, usw. An dieser Stelle sollen jedoch bestimmte Elemente hervorgehoben werden, die sich nicht auf die konzeptionell-affektive Facette des Peronismus beziehen, sondern auf seine Funktionswirklichkeit in fast allen seinen Aspekten. Es handelt sich um folgende Elemente:
- der Primat der Macht;
- das Unbehagen an dem Exzellenten;
- der Vorrang der Taktik vor der Strategie.
Es ist klar, daß es sich hierbei um eine Vereinfachung und Verallgemeinerung handelt, die nicht den Anspruch erhebt, die gesamte Realität des Peronismus zu erfassen.
Der derzeitige Papst schafft es, in seiner Person den echten Porteño [Bewohner von Buenos Aires], den gewundenen Jesuiten und den unersättlichen Peronisten zu vereinen. In diesem Artikel werden wir uns auf seine peronistische Seite beschränken. Auf andere Aspekte der päpstlichen Persönlichkeit, wie die verwickelte Psychologie, den prägenden Lebensweg, die akademische Begrenztheit, die sich – mit abnehmender Wirksamkeit – wiederholenden Strategien oder die Sympathie für Grenz- und Gesetzesübertreter (einschließlich, paradoxerweise, der Piusbruderschaft), wird hingegen nicht eingegangen.
Schauen wir uns an, wie sich die oben genannten Merkmale in der Persönlichkeit von Papst Franziskus widerspiegeln.
1. Der Primat der Macht
In dieser Hinsicht ist der Werdegang des derzeitigen Papstes linear. Die meisten seiner Handlungen zielen darauf ab, Macht zu erlangen, zu nutzen, zu bewahren oder zu vergrößern.
Dies muß hervorgehoben werden, weil in seinem Zusammenhang oft gewisse konzeptionelle Widersprüche betont werden, in die er gerät. Bei anderen Menschen könnten diese tiefe innere Verwerfungen oder kalkulierten Verrat bedeuten. Im Fall von Bergoglio ist der theoretische Widerspruch jedoch nicht von großer Bedeutung. Er kann heute etwas sagen und nach einiger Zeit ohne große Schwierigkeiten eine Idee vertreten, die mit dem, was er zuvor gesagt hat, unvereinbar ist, solange alles dem angepeilten Ziel dient. Auf die Ausbreitung freimaurerischer Ideen und Ideale kann eine Verurteilung der Freimaurer folgen und später aber die Erlaubnis, mit ihnen in einen engen Dialog zu treten. Auf die Kritik an „bestimmten Linken“ (man erinnere sich an seine Äußerungen im Fall Osorno in Chile) folgt die Gunst und Sympathie für zahlreiche linke Persönlichkeiten. In Wirklichkeit ist dieser Widerspruch für diejenigen, die Ideen in den Vordergrund stellen, offensichtlich. Für Franziskus aber zählen nicht Ideen, sondern Entscheidungen und Taten. Er ist kein Theoretiker, sondern ein Politiker. Hier gilt einer seiner berühmten Aphorismen: „Die Realität steht über der Idee.“ Perón sagte: „Die einzige Wahrheit ist die Realität.“
Aus dieser Logik heraus wird auch das Recht als ein bloßes Instrument in den Händen des Machthabers verstanden. Diese Sichtweise erklärt bestimmte Verhaltensweisen, die für einen Juristen irritierend sind oder die sich aus widersprüchlichen Rechtsauffassungen ergeben: zum Beispiel die Änderung von Prozeßregeln in einem laufenden Verfahren (man erinnere sich an die Vorgänge im Prozeß gegen Kardinal Becciu); die Verteidigung der Vorschriftsmäßigkeit oder Unvorschriftsmäßigkeit bestimmter strafrechtlicher Handlungen je nach Angeklagtem; der Empfang oder die Ernennung von Richtern, die Verfechter rechtsstaatlicher Prinzipien sind, bei gleichzeitiger Einschränkung des Rechts auf Verteidigung für bestimmte Angeklagte. Auch hier hat das praktische Ergebnis Vorrang. Rechtsnormen werden eben dann herangezogen, wenn damit ein konkretes Ziel verfolgt werden kann. Kann das gewünschte Ziel nicht durch das Gesetz erreicht werden, wird an die Gnade appelliert oder einfach so gehandelt, als gäbe es die Norm nicht. Im Justizbereich wird die risikobehaftete Unabhängigkeit der Gerichte dadurch neutralisiert, daß ihr tatsächliches Handeln auf ein Minimum reduziert wird, es sei denn, es gibt für das gewünschte Ergebnis eine gewisse Garantie. Das Recht kann also nicht zum Hindernis werden, da es als Machtinstrument verstanden wird. Es ist vielmehr sogar ein Mittel zur Rache, wie schon Perón sagte: „Keine Gerechtigkeit für den Feind.“
Jede starke zwischengeschaltete Organisation ist ein Hindernis für jene, die die höchste Macht ausüben. Ein florierender katholischer Verein – im wahren Wortsinn – trifft seine internen Entscheidungen relativ autonom, sodaß er im Alltag einen größeren Einfluß auf seine Mitglieder hat als der Papst. Wenn also die Ausrichtung der Führungsebene kirchlicher Organisationen auf die vatikanische Macht schwach ist, wird das tägliche Handeln faktisch zu einer Grenze für den päpstlichen Willen. In diesem Zusammenhang sind institutionelle Interventionen (brüderliche Visitationen bei Bischöfen, die Einsetzung von Kommissaren bei Ordensgemeinschaften oder Laienbewegungen usw.) ein wichtiges Mittel, um diesen Widerstand zu brechen. Die päpstlichen Entscheidungen sollen nicht durch den Filter der mittleren Führungsebene laufen. Wer noch nicht einem Kommissar unterstellt wurde, wird sich aus Angst davor von sich aus den Anweisungen des Machthabers unterwerfen. In diesem Sinn müssen auch die Befugnis zur Absetzung von Bischöfen und auch die Ablehnung lebenslanger Vorsitzender oder Oberer in der Leitung katholischer Vereinigungen und Gemeinschaften verstanden werden.
Innerhalb der kirchlichen Struktur sollten die unteren Positionen, immer laut peronistischer Sichtweise, so wenig Autorität wie möglich haben. Die Trennung zwischen formaler Autorität und realer Macht in der mittleren Führungsebene verläuft in diesem Sinne. Der Leiter eines Dikasteriums kann daher eine rein dekorative Figur sein, weil der direkte Kontakt zum Papst über irgendeinen Untergebenen des Dikasteriums und nicht über den Präfekten läuft. Dieser Untergebene kontrolliert dann seinen Chef, der sich dadurch in einer heiklen Situation befindet. Das praktische Ergebnis ist, daß die untergeordneten Behörden dazu neigen, weniger selbst zu entscheiden, sondern päpstliche Beschlüsse abzuwarten und auszuführen bzw. nur solche Maßnahmen durchzuführen, von denen sie mit Sicherheit wissen, daß sie die Zustimmung des Machthabers haben.
Die innerkirchlichen Verfahrensregeln können zu einer Situation führen, die für den Machthaber frustrierend sein kann. Wenn ein Papst einen Bischof aus einer Namensliste auswählen muß, die er von den Nuntiaturen erhält, wird er zu einem Gefangenen der Strukturen. Ähnlich verhält es sich mit Selig- und Heiligsprechungen. Der Verzicht auf reguläre Verfahren, auf äußere Zeichen der Autorität oder auf Protokolle und Zeremonien zeigt also, daß derjenige, der die Macht hat, sich nicht unterwirft. Das wird dann als Effizienz, Befreiung von Zeichen der Vergangenheit oder Verzicht auf überflüssige Formen getarnt.
Das Gleiche gilt für die Belohnung von Verdiensten. Es gibt keine Bischofssitze mehr, die mit der Kardinalswürde verbunden sind, da diese die Papstwahl bedingen würden. Eine vom Papst empfangene Auszeichnung darf nicht auf einem Recht beruhen, sondern hat demnach ihren alleinigen Ursprung im Willen des Souveräns. Je exzentrischer die Entscheidung, desto mehr befindet sich der Geehrte gegenüber dem Papst in der Schuld.
Außerdem ist keine Situation endgültig. Wer heute zum Kardinal befördert wird, kann morgen auch wieder aus dem Kardinalskollegium ausgeschlossen werden. Alles ist vorläufig. Die ständige Angst, überraschend die erlangten Vorteile auch wieder verlieren zu können, ist ein großartiges Instrument zur Unterwerfung.
Wenn eine Angelegenheit schwierig oder kompliziert ist, wird die Verantwortung auf unpersönliche Realitäten oder Instanzen übertragen. Ein Beispiel dafür ist das Beharren von Franziskus, daß sich die von ihm verfolgte Politik darauf beschränke, umzusetzen, was die Kardinäle während des Konklaves beschlossen hätten. Die anschließend ernannten Kommissionen ermöglichen es ihm, eine Entscheidung zu treffen oder zu verschieben, ohne die Verantwortung dafür zu übernehmen, da der politische Preis auf eine unpersönliche Realität übertragen wurde. Ein weiterer Vorteil: Franziskus erwirbt sich auf diese Weise den Ruf eines demokratischen Managers, der die Weisheit besitze, auf den Rat von Experten zu hören.
2. Das Unbehagen an dem Exzellenten
Das zweite Merkmal ist das Unbehagen an allem Hervorragenden. Bei Franziskus gibt es, anders als es scheinen mag, keine Verachtung des Geldes und keinen Wunsch nach Sparsamkeit. Was es hingegen gibt, ist ein Widerstand und ein Unbehagen gegenüber allem, was Qualität hat und herausragt.
Die Anwendungen sind auch hier vielfältig. Er wohnt in Santa Marta, weil er sich in einer geräumigen Wohnung im Vatikan nicht wohlfühlt; außerdem will er nicht isoliert sein, was einen Machtverlust bedeuten würde (damit schuf er übrigens den geeigneten Rahmen für informelle Bitten an den Souverän, die so formlos vorgebracht werden können). Zudem: Seine Liturgie ist low cost. Er verwendet häßliche liturgische Gewänder nicht aus Sparsamkeit, sondern weil er sich darin wohlfühlt. Hochwertige Stolen sind schwer und unbequem. Seine alten Schuhe sind bequem, während er neue erst eingehen müßte. Er hat das klassische Konzert erster Güte, das seinerzeit zu seinen Ehren veranstaltet wurde, deshalb nicht besucht, weil er diese Art von Musik nicht hören mag.
Auch wenn versucht wird, dies alles als Zeichen der Bescheidenheit und Sparsamkeit darzustellen, ist klar, daß es sich nicht um eine Frage des Geldes handelt. Wenn das allgemeine Kriterium die Sparsamkeit wäre, würde es auf alle Entscheidungen projiziert werden. Es gibt jedoch kein finanzielles Problem, minderwertige lateinamerikanische Musiker oder mittelmäßige Dozenten nach Rom zu holen. Es gibt auch kein Geldproblem, wenn es um die enormen Ausgaben für die Weltjugendtage oder die vielen Treffen aller Art geht, die im Vatikan stattfinden.
Aber es muß beschönigt werden. Das Leben in Santa Marta wird als Beispiel für Demut und Sparsamkeit oder auch als Mittel des psychologischen Ausgleichs erklärt. Seine gesamte Kleidung – einschließlich der liturgischen Gewänder – wird als Ausdruck von Einfachheit und Armut bezeichnet. Seine Weigerung, an dem Konzert teilzunehmen, wird als Ablehnung des Renaissance-Pomps dargestellt.
Darüber hinaus zeigt sein Verhalten, daß die Erreichung wichtiger Ziele keine Qualitätsinstrumente erfordert. Mit einem Text ohne theologischen Tiefgang kann eine bedeutende Veränderung in der Disziplin oder in der Liturgie der Kirche herbeigeführt werden. Und schließlich ist es doch auch ein Zeichen von Macht, wenn seriöse Intellektuelle ernsthafte Analysen mittelmäßiger Dokumente vorlegen. Das ist ein offizieller Triumph des Vulgären.
3. Der Vorrang der Taktik vor der Strategie
Oder anders ausgedrückt: Das Kurzfristige wird dem Langfristigen vorgezogen. Das Leben ist schließlich kurz. Die Langfristigkeit liegt in weiter Ferne, und die Entscheidungen, deren Auswirkungen die Intensität der Macht und die Popularität eines Herrschers, der sein Amt im fortgeschrittenen Alter antritt, wirklich beeinflussen, sind die kurzfristigen.
Hier sind die Determiniertheiten zu finden, denen der Papst Priorität einräumt. Auf der taktischen Ebene versucht der Papst, keine Entscheidungen abzugeben. Die Ernennung seiner wirklichen Mitarbeiter, die Beeinflussung unmittelbarer Wahlprozesse, die aktuelle Zustimmung der Medien, die Wirtschaftsführung, die er für entscheidend hält, die politischen Operationen, die ihn interessieren, usw. sind alle ihm vorbehalten. Generell gesagt: Der Papst muß die Möglichkeit haben, in jede Art von Entscheidung einzugreifen, wenn er dies wünscht.
Die übliche Pressearbeit unterstützt das Narrativ: eines Reformpapstes, der in allen Bereichen der Kirche unumkehrbare Veränderungen herbeiführt; daß diejenigen, die sich ihm widersetzen, nur eine Minderheit, aber mächtig, konservativ und in überholten Strukturen verankert sind, von denen sie profitieren, durch die wiederholte Erzeugung von Erwartungen auf einschneidende Veränderungen, bei denen systematisch ein Elefant angekündigt, aber eine Maus daraus wird.
Die ständigen Änderungen im Medienbetrieb sind Teil der Kurzfristigkeit. In regelmäßigen Abständen müssen neue Feinde, überraschende Gesten und große erwartete Veränderungen suggeriert werden, deren Publizität die Bedeutung des Führers am Leben erhält.
Die Betonung der Taktik ist auch ein Problem der Begrenztheit, das den meisten Menschen gemeinsam ist. Nur wenige Menschen sind in der Lage, Entscheidungen zu treffen, die einen tiefen und dauerhaften Eindruck hinterlassen. Die meisten von uns sind mittelmäßig und handeln im Rahmen unserer Möglichkeiten.
Übersetzung: Giuseppe Nardi
Bild: Caminante Wanderer
Welcher Art Peronist Jorge M. Bergoglio auch immer sein mag: Mir stellt sich nahezu täglich die gleiche Frage: Wer hat diesen Mann bloß zum Papst gemacht? Das kann doch unmöglich der Heilige Geist gewesen sein. Aber wer war es dann?
Na immerhin hat der Papst alle Menschen zu Kinder Gottes erklärt. Er ist eben Humanist.
Dann spielt es keine Rolle, ob er damit Titel und Gnade entwertet..
das gesamte Evangelium entwertet…
Jesus Christus selbst entwertet
Der Papst schafft immer mehr Verwirrung in der Kirche, da stellt sich die Frage wer hinter dem Geist der Verwirrung steckt. Nun, die Antwort ist einfach, es ist der Diabolos, der Durcheinanderwerfer. Der heilige Geist schafft Klarheit und keine Verwirrung.