(Rom) Mit dem Motu proprio Authenticum charismatis schränkt Papst Franziskus das Recht der Diözesanbischöfe ein, geistliche Orden und Gemeinschaften des geweihten Lebens ohne Zustimmung von Rom zu errichten. Die Grundlage dafür hatte Franziskus bereits 2016 geschaffen.
Authenticum charismatis ist der Titel des Apostolischen Schreibens in der Form eines Motu proprio, mit dem der can. 579 des Codex Iuris Canonici über die Einrichtung von Instituten des geweihten Lebens und von Gesellschaften des apostolischen Lebens durch Diözesanbischöfe geändert wird.
„Episcopi dioecesani, in suo quisque territorio, instituta vitae consecratae formali decreto valide erigere possunt, praevia licentia Sedis Apostolicae scripto data.“
In ihrem Jurisdiktionsbereich dürfen die Diözesanbischöfe nur mehr mit vorheriger schriftlicher Genehmigung des Apostolischen Stuhls Institute des geweihten Lebens errichten, also jene Gemeinschaften, die vom gläubigen Volk gemeinhin als Orden bezeichnet werden. Das ist die Kernaussage des neuen Motu proprio, das von Franziskus an Allerheiligen unterzeichnet wurde und das am kommenden 10. November in Kraft treten wird.
Bisher war keine vorherige, schriftliche Erlaubnis beim Heiligen Stuhl einzuholen, damit ein Diözesanbischof in seinem Bistum eine geistliche Gemeinschaft errichten konnte, was in der Regel der erste Schritt zur allgemeinen kirchlichen Anerkennung ist. Der Papst schreibt in Authenticum charismatis:
„Ein klares Zeichen für die Echtheit eines Charismas ist seine Spiritualität, seine Fähigkeit, sich zum Wohl aller harmonisch in das Leben des heiligen, treuen Volkes Gottes zu integrieren. Aus diesem Grund haben die Gläubigen das Recht, von den Hirten bezüglich der Echtheit der Charismen und der Zuverlässigkeit derer, die sich als Gründer präsentieren, gewarnt zu werden.
Im Apostolischen Schreiben spricht Franziskus, von einer „kirchlichen Verantwortung der Hirten der jeweiligen Ortskirchen“, die Unterscheidung über die Spiritualität und die Zuverlässigkeit von Charismen vorzunehmen. Diözesanbischöfe haben die „entscheidende Aufgabe, die Zweckmäßigkeit der Einrichtung neuer Institute für das geweihte Leben und neuer Gesellschaften des apostolischen Lebens zu bewerten“. Es sei richtig, auf die Gaben zu antworten, die der Geist in der jeweiligen Ortskirche hervorruft, und sie großzügig mit Dank zu begrüßen. Zu gleicher Zeit, so Franziskus unter Berufung auf das Dekret Perfectae caritatis (Nr. 19), sei es zu vermeiden, daß „unklugerweise Institute entstehen, die nutzlos oder nicht mit ausreichender Kraft ausgestattet sind“.
In Rom wurde 2016 noch ein Grund genannt. Durch die Zentralisierung wird es Ordensleuten erschwert, einen Start oder Neustart zu schaffen. Ehemalige Ordensangehörige der Franziskaner der Immakulata sind diesen Weg mit Hilfe von Diözesanbischöfen teils erfolgreich, teils weniger erfolgreich gegangen.
Ab dem 10. November kommt dem Heiligen Stuhl die Letztentscheidung über die Errichtung eines neuen Ordens oder eines Instituts des geweihten Lebens zu. Der Vatikan zieht die Zuständigkeiten, die mit der Anerkennungsfrage verbunden sind, an sich und spricht davon, dadurch die Diözesanbischöfe „bei der Unterscheidung begleiten“ zu können.
Die Änderung macht eine Errichtung diözesanen Rechts eigentlich obsolet. Die Kirche unterscheidet zwischen Instituten diözesanen Rechts und solchen päpstlichen Rechts. Während letztere vom Heiligen Stuhl errichtet werden und „unmittelbar und ausschließlich der Gewalt des Apostolischen Stuhls“ unterstehen, werden erstere aufgrund der Jurisdiktionsvollmacht eines Diözesanbischofs in seiner Diözese errichtet und unterstehen seiner Aufsicht und Zuständigkeit.
In der Regel bildet sich eine kleine Gemeinschaft von Gläubigen, die nach einem bestimmten Charisma gemeinschaftlich zusammenleben will. Sie ersucht den Diözesanbischof, in dessen Diözese sie lebt, um die kirchenrechtliche Anerkennung. Dieser prüft die Regel oder Konstitution und die Gemeinschaft insgesamt, ob sie mit der katholischen Glaubenslehre und der kirchlichen Ordnung übereinstimmen. Eine besondere Aufmerksamkeit gilt der Beständigkeit der Gemeinschaft. So wie die Gemeinschaft erst entstehen und wachsen muß, nimmt auch ihre Prüfung Jahre in Anspruch. Entsprechend lange zieht sich das Anerkennungsverfahren hin. Die Anerkennung durch den Bischof erfolgt zunächst provisorisch, ad experimentum, auf einige Jahre. Bei Bewährung erfolgt sie dann unbefristet.
Nach weiteren Jahren einer positiven Entwicklung und Ausbreitung ersuchen die Orden meist um Anerkennung als Institut päpstlichen Rechts. Was eine erneute Prüfungszeit erfordert und wiederum zunächst provisorisch und erst bei Bewährung unbefristet gewährt wird. Dafür können die anerkannten Orden weltweit tätig werden.
Franziskus schreibt im neuen Motu proprio:
„Die Vitalität der neuen Institute und Gesellschaften muß von der Autorität der Kirche geprüft werden“, die dafür zuständig ist. Es geht darum, die „Echtheit des Gründungszwecks“ zu erkennen, der sie inspiriert, aber auch „die übermäßige Vermehrung ähnlicher Institute zu vermeiden“. Denn diese könne zu einer „schädlichen Fragmentierung in zu kleine Gruppen“ führen.
Aus diesem Grund, so Franziskus, seien neue Orden und Institute offiziell durch den Heiligen Stuhl anzuerkennen, dem in der Frage die Letztentscheidung zukomme. Im Motu proprio verweist der Papst darauf, daß jede kanonische Errichtung dieser Art die „Diözesansphäre überschreitet und sie für die Weltkirche relevant macht“.
Bereits im Mai 2016 hatte Papst Franziskus mit einem Reskript ex audientia eine Beschneidung der Vollmachten der Diözesanbischöfe durch die Verpflichtung durchgeführt, für die diözesane Anerkennung die Zustimmung des Heiligen Stuhls einzuholen. Das Reskript legte eine Zustimmung Roms ad validitatem fest und erklärte Dekrete zur Errichtung eines Instituts diözesanen Rechts, das ohne Zustimmung Roms errichtet wurde, für null und nichtig.
Das Reskript stammt vom 11. Mai 2016 und wurde wenige Tage später im Osservatore Romano veröffentlicht. Der gleiche Vorgang wird am 10. November mit dem Motu proprio erfolgen..
„Der Heilige Vater Franziskus hat in der Audienz, die dem unterzeichneten Staatssekretär am 4. April 2016 gewährt wurde, festgelegt, daß die vorherige Konsultierung des Heiligen Stuhls als ad valididatem für die Errichtung eines diözesanen Instituts des geweihten Lebens bei Strafe der Nichtigkeit des Errichtungsdekrets des Instituts notwendig ist.“
Das Reskript trat mit 1. Juni 2016 in Kraft. Das Motu proprio stellt nun die mit höchster Autorität für die ganze Weltkirche erlassene Durchführungsbestimmung dar und ist das Gegenteil von „Dezentralisierung“ und „Synodalisierung“.
Text: Giuseppe Nardi
Bild : Vatican.va (Screenshot)