(London) Am 5. Juli 2019 war die südenglische Stadt Portsmouth für einen kurzen, aber bedeutenden Augenblick so etwas wie der Mittelpunkt der katholischen Welt, ohne daß diese davon wußte. Die Küstenstadt ist der Geburtsort von Charles Dickens und war Ausgangspunkt der alliierten Landung in der Normandie. Sie ist seit 1882 aber auch Sitz eines Bischofs, nachdem in England nach über 300 Jahren des Verbots die katholische Hierarchie wiedererrichtet werden konnte.
Seit 2012, ernannt durch Papst Benedikt XVI., leitet Msgr. Philip Anthony Egan das Bistum mit rund 250.000 Katholiken (acht Prozent der Bevölkerung). Bischof Egan weihte am vergangenen 5. Juli in der Kathedrale St. John the Evangelist vier Franziskaner zu Priestern – im überlieferten Ritus.
Bei den Brüdern des heiligen Franz von Assisi handelt es sich um ehemalige Franziskaner der Immakulata, die von Bischof Egan in seine Diözese Portsmouth inkardiniert wurden.
Der Orden der Franziskaner der Immakulata, gegründet von P. Stefano Maria Manelli, erträgt seit Sommer 2013 einen schweren Leidensweg. Der noch junge Orden, den es zum ursprünglichen Charisma des heiligen Ordensgründers zurückdrängte, folgte Papst Benedikt XVI. im Motu proprio Summorum Pontificum und wurde von einem neurituellen Orden zu einem altrituellen Orden, da er sich in seinem Charisma der Tradition verpflichtet wußte. Unterstellt blieb er aber, eine völlige Ausnahme, der römischen Ordenskongregation. In der Seelsorge war der Orden birituell, ordensintern altrituell. Die erst 1990 kanonisch errichtete Gemeinschaft wuchs rasch und erhielt auch aus Europa beträchtliche Berufungen. Gegen Ende des Pontifikats von Benedikt XVI. schien es, als könnten die Franziskaner der Immakulata sogar zu einem Vorbild für andere neurituelle Orden werden. Vor allem junge Angehörige anderer Orden interessierten sich für ihren Weg.
Wenige Monate nach dem Papstwechsel kam jedoch die Wende. Die schützende Hand von Benedikt XVI. wurde durch die strafende Hand von Franziskus ersetzt. Im Juli 2013 wurde die Ordensleitung durch die Ordenskongregation abgesetzt und der Orden ohne Nennung von Gründen unter die Verwaltung eines Kommissars gestellt. Dieser wütete im Orden und zertrümmerte viel von dem, was aufgebaut worden war. Mit dem Kommissars-Erlaß durch Rom war dem Orden die Zelebration im überlieferten Ritus verboten worden. Damit wurde kein Zweifel gelassen, gegen wen und was sich die harte Maßnahme richtete. Alle diesbezüglichen Beschlüsse wurden für null und nichtig erklärt. Jeder Priester hatte einzeln um eine Sondererlaubnis anzusuchen, wenn er auch künftig im überlieferten Ritus zelebrieren wollte. Klöster wurden aufgehoben, das ordensinteren Priesterseminar geschlossen und dem Orden anvertraute Wallfahrtskirchen und Meßorte entzogen.
Gegen den Ordensgründer und Generaloberen, bis der Kommissar kam, wurde eine Verleumdungskampagne betrieben, die auch vor Gericht ausgetragen wurde. Der Kommissar scheiterte damit auf peinliche Weise und verstärkte den Eindruck einer willkürlichen und ideologisch motivierten Verfolgung. Nicht nur die Berufungen brachen ein, auch die Ordensbrüder selbst drängte es, den Orden zu verlassen, weil das ursprüngliche Ordenscharisma beseitigt wurde. An dieser Stelle wurde die ganze Härte, manche sprechen sogar von Gehäßigkeit der Verfolger sichtbar. Den Ordensbrüdern, die den Orden als altrituellen Orden neu konstituieren und sich dadurch der Päpstlichen Kommission Ecclesia Dei (heute eine Abteilung der Glaubenskongregation) unterstellen wollten, wurde dies verweigert. Den Ordensbrüdern, die darauf den Orden verlassen wollten und um Entbindung von den Gelübden baten, um einen ganz neuen Orden zu gründen, wurde dies verboten. Der damalige Kommissar drohte italienischen Bischöfen, Franziskaner der Immakulata in ihren Diözesen Aufnahme zu gewähren. Der Bischof von Albenga-Imperia, der den Orden besonders gefördert hatte, ihm dort drei Niederlassungen gewährte, Wallfahrtskirchen anvertraute und es wagte, den Orden gegen ungerechtfertigte Verfolgung zu verteidigen, wurde von Papst Franziskus emeritiert.
Ebenso erging es einem philippinischen Bischof, der ehemalige Franziskaner der Immakulata in seinem Bistum aufnahm und darin unterstützte, dort einen neuen Orden zu gründen.
Andere fanden Zuflucht in England, die bisher von Rom geduldet wurde, weil sie ihr Charisma ohne Aufsehen leben. Bischof Egan gewährte einem der brillanten Köpfe des Ordens, P. Serafino M. Lanzetta, eine neue Heimstatt. 2015 vertraute er ihm die Pfarrei St. Mary in Gosport an und ernannte ihn zum Pfarrer. P. Lanzetta machte aus der neurituellen Pfarrei eine birituelle. Der möglich gewordene Wechsel fiel mit dem Tod des ersten römischen Kommissars, dem Kapuziner Fidenzio Volpi, zusammen.
P. Lanzetta ermöglichte weiteren Brüdern seines Ordens die Niederlassung in Gosport. So fand auch das Exil der vier Seminaristen ein Ende, die sich mitten im Studium befanden, als der Sturm über den Orden hereinbrach. Vor wenigen Tagen wurden sie von Bischof Egan, ihrer Sensibilität folgend, in der überlieferten Form des Römischen Ritus zu Priestern geweiht.
Im Bistum Portsmouth können die ehemaligen Franziskaner der Immakulata leben. Ihre Gemeinschaft nennt sich Familie der Unbefleckten Jungfrau und des heiligen Franziskus. Sie zählt bereits neun Mitglieder an Priestern, Brüdern und Seminaristen. Bisher wirkten zusammen mit P. Lanzetta zwei weitere Priester in Gosport, die nun durch die vier Neupriester Fra Philemon, Fra Rosario, Fra Faustinus und Fra Michael verstärkt werden. Damit kann die Zahl der erreichten Meßorte ausgeweitet werden. Wohin die Priester der neuen Gemeinschaft kommen, dorthin bringen sie auch den überlieferten Ritus und die Tradition.
Bischof Egan bemühte sich in den vergangenen Jahren mit besonderer Sensibilität um die Priester und die Gläubigen, die dem überlieferten Ritus verbunden sind. Im September 2018 errichtete er in Reading einer Personalpfarrei des überlieferten Ritus, die er der Petrusbruderschaft (FSSP) anvertraute. Im März 2019 stattete er der St. Michael’s School in Burghclere einen Besuch ab, die sich in seinem Bistum befindet und von der Piusbruderschaft (FSSPX) betrieben wird.
In Gosport ist ein Same zu einer kleinen Pflanze geworden.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: MiL/MyAlbum/Saint Marys
Eine wunderbare Nachricht. Wo die einen zerschlagen, bauen die anderen auf. Die „Pflanze“ ist noch klein, möge sie wachsen und gedeihen und viele Brüder im Geist von P. Manelli anziehen.
Der überlieferte Ritus wird nicht untergehen. Diese Pontifikat wird zu Ende gehen . Mehr brauch ich nicht dazu zusagen .