
(Rom) In den ersten sechs Monaten von 2018 wurde von Papst Franziskus zu drei Fragen in entscheidenden Momenten eine Kehrtwendung vollzogen. „Er gab aber nie zu verstehen, ob sie definitiv und ehrlich gemeint sind“, so der Vatikanist Sandro Magister.
Dritte Kehrtwende: Fall Barros
Die sichtbarste Kehrtwende machte Franziskus zu Chile. Dort schwelte seit dreieinhalb Jahren ein Konflikt um die Ernennung des Karadima-Zöglings Juan Barros Madrid zum Bischof von Osorno. Ihm war der Schock über den sexuellen Mißbrauch von Minderjährigen durch den 2011 von der Glaubenskongregation verurteilten, nunmehrigen Ex-Priester Fernando Karadima vorausgegangen. Insgesamt bedeutete die Angelegenheit einen schweren Vertrauensverlust für die Kirche.
Als Papst Franziskus die Sache mit einem Besuch Chiles zu den Akten legen wollte, geschah das genaue Gegenteil. Durch die wenig sensible, um nicht zu sagen arrogante Art, mit der Franziskus mit der Kritik und den Kritikern umging, explodierte die Sache erst richtig.
Bis Ende Januar zeigte sich Franziskus unerschütterlich von der Unschuld Barros‘ überzeugt und verteidigte ihn mit einer Entschiedenheit, die Barros selbst vielleicht gar nicht so recht war. Immerhin bat dieser zweimal um die Emeritierung, die von Franziskus als „Schuldeingeständnis“ abgelehnt wurde.
Erst als dem Papst so wohlgesonnene Medien wie die New York Times und die großen, internationalen Presseagenturen Kritik übten, begann Franziskus einzulenken. Er ernannte einen Päpstlichen Sondergesandten, der ihm im März einen Bericht von 2.400 Seiten vorlegte. Erstmals informierte sich Franziskus wirklich über die Hintergründe und Zusammenhänge. Plötzlich sah die Welt etwas anders aus.
Chiles Bischofskonferenz forderte schließlich, angeführt vom amtierenden Primas, Ricardo Kardinal Ezzati, den Rücktritt von Bischof Barros. Ein Schritt, der in Rom gar nicht gerne gesehen wurde. Schließlich entschied sich Franziskus für eine Massenemeritierung. Sie soll den chilenischen Episkopat von Karadima-Zöglingen reinigen. Fünf von acht kolportierten Emeritierungen sind bisher erfolgt. Auch Kardinal Ezzati soll den Hut nehmen müssen, weil er sich den Affront gegenüber dem Papst geleitet hatte. Noch befindet er sich allerdings im Amt
Franziskus gestand auch öffentlich „Fehler“ ein, die er „aus Mangel an wahrheitsgemäßer Information“ begangen habe.
Damit tauchte die Frage auf, wer Franziskus falsch informiert hatte.
Der Hauptverdacht fiel auf den persönlichen Freund und ehemaligen Primas von Chile, Francisco Kardinal Errazuriz. Ihn hatte Franziskus 2013 zum Vertreter Südamerikas im von ihm errichteten C9-Kardinalsrat ernannt.
Die spanische Nachrichtenseite InfoVaticana enthüllte schließlich, daß mehr noch der spanische Jesuit German Arana im Fall Barros der „Papstflüsterer“ war. Arana wählt die künftigen Vatikandiplomaten aus. Das Diplomatische Korps bildet ein wichtiges Rückgrat des derzeitigen Pontifikats. Der Einfluß Aranas ist weit größer als bisher bekannt, weil er öffentlich kaum in Erscheinung tritt.
Da Arana auch nach dem Barros-Debakel zum engeren Kreis um Papst Franziskus gehört, scheint der Verweis auf den Jesuiten, der ursprünglich von einem dem Papst nahestehenden Journalisten ausging, zumindest auch den Zweck zu haben, Franziskus zu entlasten. Der Papst schätzt loyale Mitarbeiter.
„Der Kreis seiner Vertrauten ist der Schwachpunkt von Franziskus. Angesichts der Präzedenzfälle scheint es aber höchst unwahrscheinlich, daß er eine künftige, wirkliche Kehrtwende genau in diesem Bereich vollziehen wird, um auf drastische Weise sauber zu machen.“
Text: Giuseppe Nardi
Bild: InfoCatolica