Die beiden aktuellen Kriege, denen die mediale Aufmerksamkeit gehört, verlangen nach gründlicher Analyse, gerade auch deshalb, weil unerwartet und leichtfertig das Wort „gerechter Krieg“ wie selbstverständlich in Anspruch genommen und behauptet wird. Eine solche Analyse bietet der nachfolgende Aufsatz, der als „Redaktion“ gezeichnet ist, aber maßgeblich aus der Feder eines Priesters stammt, der der Ritterschaft angehört.
Opportuner Krieg und opportunistische Kriege
Von Sodalitium Equitum Deiparae Miseris Succurrentis*
Einleitung
Die Geschichte des Orestes, des Helden der griechischen Mythologie, ist unserer Ansicht nach symbolisch, weil sie hilft, den Inhalt des folgenden Artikels besser einzuordnen. Wir fassen sie ganz kurz zusammen.
Orestes, der Sohn von Agamemnon, war noch ein Kind, als sein Vater von Aigisthos, dem Liebhaber seiner Mutter Klytaimnestra, getötet wurde. Um demselben gewaltsamen Schicksal zu entgehen, floh er und lebte mehrere Jahre im Verborgenen. Als Erwachsener suchte Orest das Orakel in Delphi auf, um zu erfahren, ob er die Mörder seines Vaters bestrafen sollte. Die von Zeus autorisierte Antwort des Apollon stimmte zu und kündigte an, daß er an den Rand der Gesellschaft gedrängt werde, sollte er das Andenken an Agamemnon nicht ehren, indem er seinen Tod rächte. Orest beschloß daraufhin, nach Hause zurückzukehren, um die ihm vom Orakel übertragene Aufgabe zu erfüllen. In Argos angekommen, rächte er den Tod seines Vaters, indem er sowohl Aigisthos als auch seine Mutter tötete. Wegen des Muttermordes wurde Orestes von den Erinnyen, Rachegöttinnen, in den Wahnsinn getrieben und von ihnen verfolgt. Nach einer langen Irrfahrt kam er schließlich nach Athen. Dort wurde er vor dem strengen Gericht des Areopags angeklagt und dank der Intervention von Athene und Apollon freigesprochen. Letzterer unterstützte ihn mit einer leidenschaftlichen Ansprache, in der er behauptete, sein Vater sei wichtiger als seine Mutter.
Zwei parallele Kriege
Wer Augen hat, um zu sehen, und Ohren, um zu hören (was im Sinne des Evangeliums den Besitz von Klarheit des Verstandes und des Herzens bedeutet), wird die subtile Parallelität erkannt haben, die die beiden jüngsten Kriegsereignisse, die Rußland einerseits und Palästina andererseits betreffen, trotz der scheinbaren Andersartigkeit, die durch ihren jeweiligen Kontext bestimmt wird, miteinander verbindet.
In der Tat zeigen sich sowohl die russische militärische Sonderoperation in der Ukraine als auch der Angriff der militanten Palästinenserbewegung Hamas auf die israelischen Siedlungen unverhohlen – wenn auch nur jenen, die „rein“ an Verstand und Herz sind – als Folgen desselben entfernten Auslösers: der „Provokation“. Während im ersten Fall als Urheber die NATO und die beiden angelsächsischen Mächte zu erkennen sind, um auf der Linie früherer Versuche die Grenzen der Russischen Föderation zu untergraben, so wird im zweiten Fall ein solcher Auslöser dem Zionismus selbst zugeschrieben, aufgrund seiner jahrzehntelangen Invasion der Palästinensergebiete.
Diese unumstößliche Tatsache ist, gerade weil sie den wahren Ursprung der beiden Konflikte offenbart und den Grund für sie aufzeigt, auch von grundlegender und entscheidender Bedeutung, um zu verstehen, ob und welcher der vor Ort agierenden Gruppierungen eine gewisse „Rechtfertigung“ für ihr kriegerisches Vorgehen zugestanden werden muß. Und dies vor allem angesichts der verschiedenen Behauptungen der Autoren der „Provokation“, die sich nicht damit begnügen, deren Faktizität heuchlerisch zu leugnen, sondern sogar das Recht für sich in Anspruch nehmen, als Bannerträger des „gerechten Krieges“ anerkannt zu werden.
„Provokation, Aktion und Reaktion“ (oder Aigisthos-Klytaimnestra, Orest, Erinnyen)
Es scheint zunächst der Hinweis notwendig, daß die Begriffe Provokation, Aktion und Reaktion, die hier im Mittelpunkt unserer Überlegungen stehen werden, nicht nach ihrer unmittelbaren umgangssprachlichen Bedeutung, sondern nach ihrem ontologischen und metaphysischen Bezug zu akzeptieren und zu interpretieren sind. Wenn sie sich alle auf eine „Handlung“ (Aktion) beziehen, so geschieht dies jedoch auf der Grundlage ihres unterschiedlichen ontologischen Werts, den wir im Folgenden darzulegen versuchen.
Dies vorausgeschickt, scheint es fast überflüssig, darauf hinzuweisen, daß es für eine umfassende und objektive Betrachtung der fraglichen Ereignisse nicht möglich ist, den Diskurs auf eine bloße (ukrainische und israelische) „Reaktion“ zu beschränken, die auf eine (russische und palästinensische) „Aktion“ folgte, ohne der Tatsache gebührend Rechnung zu tragen, daß letztere ihrerseits gerade aus einer „Provokation“ derselben Akteure hervorging, die daraufhin reagierten. Das Versäumnis, eine solche globale Sichtweise zugrundezulegen, kann also nur Ausdruck einer partiellen Sichtweise sein, d. h. wörtlich: nicht unparteiisch, sondern parteiisch und daher „opportunistisch“.
Doch selbst eine solche Sichtweise muß korrekt formuliert sein, um zu vermeiden, daß die Dynamik, die in den drei Momenten „Provokation, Aktion und Reaktion“ im Spiel ist, als homolog betrachtet wird, als ob sie nur „linear“ einer Art „a : b = b : c“-Beziehung gehorchen könnte.
In Wahrheit ist diese ganze Herangehensweise an die Dinge, deren Ungültigkeit wir gleich belegen werden, genau das, was von den „Provokateuren“ stillschweigend angewandt wird, wenn sie es für völlig legitim halten, die Verantwortlichkeiten ihrer „Provokation“ zu übersehen und stattdessen ein positives Urteil über ihre „Reaktion“ nur auf der Grundlage der erlebten „Aktion“ fällen.
Mit anderen Worten: Sie halten es nicht nur für völlig willkürlich „vertretbar“, den wahren Anfang des Prozesses außer acht zu lassen und von ihm zu abstrahieren, als ob er vom Kontext losgelöst werden könnte, sondern sie stellen sich damit auch indirekt auf eine Äquivalenz (d. h., daß a : b = b : c entspricht), die, wie wir sagten, nicht einmal ganz korrekt ist, wenn man sie „linear“ formuliert: Denn dann würde sie nur „quantitativ“ der Bewertung der beteiligten Elemente genügen.
Und wir präzisieren, daß wir in Anlehnung an das aristotelisch-thomistische Denken unter „quantitativ“ alles „Zufällige“ und unter „qualitativ“ alles „Wesentliche“ verstehen.
Provokation und Verantwortung
Indem sie die Bewertung der eigenen „Provokation“ vom allgemeinen Kontext abstrahieren, tun diejenigen, die „auf die Aktion reagieren“, nichts anderes, als jede Handlung in ihrer „quantitativen oder akzidentellen“ Ausdehnung als abgeschlossen und als Selbstzweck zu betrachten. So ist es nicht verwunderlich, daß sie zwar nicht leugnen, daß die „Aktion“ Teil desselben kriegerischen Kontextes ist wie ihre eigene „Provokation“ (auch wenn sie diese nicht als solche zugeben), ihr aber keinen besonderen „qualitativen oder essentiellen“ Wert zugestehen. Da ohne einen solchen Wert, betrachten sie die „Provokation“ deshalb als ontologisch völlig unabhängig von den Folgen, die sie auslöst. Das aber ist nicht akzeptabel.
Zum besseren Verständnis können wir sagen, daß das „Gleichheitszeichen“ (=), das zwischen den Beziehungen „a : b“ einerseits und „b : c“ andererseits steht, keine „horizontale, gleiche und transitive“ Äquivalenz, sondern eine „vertikale, hierarchische und distributive“ Korrespondenz zwischen ihnen darstellt: Das heißt, es sanktioniert eine Vorrangstellung und eine Unterordnung der Verantwortung.
Etymologisch gesehen bedeutet der Akt des „Provozierens“ (lat. pro-voco) „hervorrufen, aufrufen, herausfordern“.
Dieses Verb findet eine Synonymie in den Bedeutungen von „anregen, aufstacheln, veranlassen“, die alle der Handlung eines Akteurs innewohnen, der durch seinen „Ruf“ ein von ihm unterschiedenes Subjekt aus der Trägheit und damit aus dem „Nichtsein“ herausholt: Kurz, er bringt es dazu, von der Fähigkeit (potentia) zur Handlung (actio) überzugehen. Die „Provokation“ ist jedoch ein besonderer Fall von „Aktion“, insofern sie einen Akt beschreibt, der sich mit einer „feindlichen und herausfordernden“ Haltung präsentiert.
Will man also die „Provokation“ im Lichte der Ethik betrachten – die das ontologische Regulierungsprinzip des freien Willens des Menschen ist –, so stellt die „Aufforderung zur Herausforderung“, die sie ausspricht, sie in eine besondere Lage: nämlich daß sie selbst es ist, die auf ihre eigene Handlung „antworten“ muss.1 Daraus ergibt sich die Pflicht, die der „Verantwortung“ (lat. responsus) jeder menschlichen Handlung eigen ist: nämlich daß die „Verantwortung“ der eigenen „Aufforderung zur Herausforderung“ die „Antwort“ auf die Folgen als „Provokation“ einschließt.
An diesem Punkt ist es leicht zu verstehen, daß, wenn man einer „horizontalen“ Interpretation der Abfolge von Beziehungen folgt, die zwischen den drei Momenten entstehen, als ob sie jeweils „in sich abgeschlossen“ wären, man zu der Absurdität gelangt, daß jene, die auf den „Provokationsruf“ von jemandem reagieren, nachdem sie dazu angeregt wurden, aus der Trägheit herauszutreten, paradoxerweise die Verantwortung dafür übernehmen würden, eine weitere „Provokation“ in Gang zu setzen: d. h. diejenige, die dann von der „Re-Aktion“ aufgegriffen würde, als ob letztere in der Tat nur eine induzierte und reflexive „Aktion“ wäre.
Man kann sich gut vorstellen, daß genau das die bekannten „Spiralen“ auslöst, die nie zu einem Ende kommen, da ein perverser Teufelskreis durch eine „Re-Aktion“ entsteht, die jedes Mal vorgibt, sich selbst zu recyclen, als wäre sie eine „Aktion“, die einfach auf eine „Provokation“ reagiert.
Im Gegenteil, um die korrekte Dialektik der drei Momente aufrechtzuerhalten, ist es notwendig, auf „vertikale“ Weise zu berücksichtigen, daß sowohl der Aufruf als auch die Antwort qualitativ zusammenfallen und im Akt desjenigen, der zunächst „provoziert“, kontextabhängig sind. Derjenige, der die „Provokation“ durchführt, d. h. derjenige, der mit einem Akt der Herausforderung zu einer „Aktion“ auffordert und „aufruft“, ist in Wirklichkeit und „zu Recht“ für den ausgelösten Prozess allein verantwortlich und muß sich für alles „verantworten“, was sich daraus ergibt.
Opportun und opportunistisch
All dies führt uns dazu, zu unterscheiden zwischen dem, was als „opportune“ Handlung und was als „opportunistische“ Handlung zu betrachten ist.
Wenn unter „opportunistisch“ ein Verhalten zu verstehen ist, bei dem man ohne Rücksicht auf „Prinzipien oder Ideale“ handelt, sondern aus den Bedingungen und Gelegenheiten „des Augenblicks“ Gewinne und Vorteile zieht, verstehen wir, daß die Handlungen, die wir als „horizontal“, d. h. als „in sich geschlossen“ definiert haben, zu dieser Definition gehören; all jene Handlungen, die, da ihnen die „Gesamtsicht“ fehlt, ihre Daseinsberechtigung in der Selbstrechtfertigung haben.
Im Umkehrschluß fallen alle anderen Handlungen, die zwar in eine Dynamik der „Anpassung“ an die Erfordernisse des Augenblicks eingebunden sind, aber im Lichte eines von außen kommenden Impulses, für den sie ursprünglich nicht verantwortlich sind, in die Kategorie des „Opportunen“.
Das Adjektiv „opportun“ (lat. ob-portus) hat nicht zufällig die etymologische Bedeutung von „das, was zum Hafen treibt“: es bezeichnet also den „Wind“, der eben „von außen“ auf die Segel eines Schiffes einwirkt.
Um auf die drei zur Diskussion stehenden Begriffe (Provokation, Aktion und Reaktion) zurückzukommen, so ist nur der mittlere (Aktion) wirklich „opportun“. In bezug auf den ersten (Provokation), weil er von der Provokation den Impuls zum Handeln erhält und ihn nicht ausübt, weil er ihn aus sich selbst erarbeitet hat. In bezug auf den dritten (Reaktion) hingegen, weil die Reaktion nur scheinbar durch einen äußeren Anstoß getrieben wird. In Wahrheit versucht sie, indem sie die idealen Prinzipien, die nur in einer Gesamtbetrachtung sichtbar werden, nicht berücksichtigt, sondern sich auf die ausschließliche Bewertung des Augenblicks beschränkt, nachdem sie ihn aus dem allgemeinen Kontext herausgelöst hat, „opportunistisch“, Gewinne und Vorteile zu erzielen, wobei sie die ursprüngliche Verantwortung, die in ihrer eigenen „Provokation“ liegt, außer acht läßt.
Wie sich im übrigen aus der Etymologie des Begriffs „Reaktion“ ableiten läßt, bedeutet dieser „rückwärts handeln, rückwärts gehen, rückwärts wiederholen“, was, kurz gesagt, auf einen unnatürlichen Anspruch hinausläuft, „gegen den Wind zu segeln“ durch eine „umgekehrte“ Anpassung an die ontologische Ordnung der Dinge.
Gerechter Krieg und unrechtmäßige Kriege
An dieser Stelle ist es folgerichtig, daß ein Krieg „opportun“ sein muß, um „gerecht“ und legitim zu sein. Umgekehrt kann ein „opportunistischer“ Krieg nur in die Kategorie der „Ungerechtigkeit“ und der Unrechtmäßigkeit fallen.
Wie bereits erwähnt, haben die politischen, journalistischen und intellektuellen Positionen jener, die sich auf die Seite der Kräfte gestellt haben, die diese Ereignisse „provoziert“ haben, seit Beginn der beiden Kriegsereignisse, auf die wir uns in diesen Überlegungen beziehen, in zunehmendem Maße dazu tendiert, nicht nur deren ursprüngliche Verantwortung in unangemessener Weise zu leugnen, sondern sogar deren „Reaktion“ zu „rechtfertigen“ und sie somit als „gerecht“ anzusehen. Dies alles im Namen einer moralischen Notwendigkeit, gegen diese „Aktionen“ zu „reagieren“, nachdem man sie durch die Einordnung in die Kategorien „Aggression“ und „terroristische Handlungen“ reduktiv diskreditiert hatte.
In diesem Zusammenhang halten wir es für notwendig, den besonderen Fall einer Zeitung zu stigmatisieren, die zudem eine der ideologisch am stärksten im säkularen Sinne ausgerichteten ist und die merkwürdigerweise für ihre Thesen sogar den Gedanken des heiligen Augustinus, des Theoretikers des „gerechten Krieges“, als unbequem empfindet. In dem Bestreben, die „provozierenden“ Kräfte als Träger dieses „gerechten Krieges“ anzuerkennen, wurde die Lehre des Augustinus zu einer Reihe von Schlußfolgerungen ad usum Delphini gezwungen, die in Wahrheit ihren Sinn entstellt und ihre legitimen Absichten mystifiziert haben.
Der Verfasser des Leitartikels sowie der Herausgeber der Zeitung berufen sich auf eine neue Lesart der Epistola 189 des Bischofs von Hippo, um auf die vom Vatikan vorgebrachten „pazifistischen“ Ausnahmen hinsichtlich der Nichtexistenz eines „gerechten Krieges“ zu reagieren.2 In der Tat hatte die kirchliche Autorität beabsichtigt, sich auf diese Weise zu äußern, um eine Position der ausgewogenen Äquidistanz zwischen den gegnerischen kriegführenden Kräften einzunehmen und somit für den Frieden einzutreten, angesichts dessen, was im Gegenteil die moralische Unzulässigkeit eines jeden Krieges wäre.
Der Vorwurf des Leitartikels an den Vatikan, er stelle sich weder eindeutig und exklusiv auf die Seite jener kriegführenden Kräfte, die „reagiert“ haben, noch habe er diese uneingeschränkt als „Kräfte des Guten“ anerkannt, klingt ziemlich voreingenommen und tendenziös.
Wie immer, wenn die Ethik mit der Moral verwechselt wird – erstere bezieht sich auf die Grundsätze, letztere auf die Anwendungen –, erweisen sich die beiden oben genannten Positionen trotz ihrer Gegensätzlichkeit als gleichermaßen irreführend und demagogisch, da sie sich auf einen begrenzten, quantitativen und horizontalen Bereich beschränken. Die moralische Sphäre verkommt nämlich, wenn sie der vertikalen, qualitativen und offenen Verbindung mit den metaphysischen Prinzipien beraubt wird, die der Ethik eigen ist, zu einem instrumentellen, heuchlerischen Moralismus, der ein Selbstzweck ist.
Auf den selbstgerechten und entmannten „Pazifismus“, der heute bei den modernistischen Katholiken an der Spitze der katholischen Kirche so in Mode ist, können wir dann einfach mit den starken, ontologisch aufrüttelnden Worten von Pater Divo Barsotti (1914–2006) antworten: Mönch, Priester, Prediger und Schriftsteller sowie Gründer der Gemeinschaft der Kinder Gottes:
„Im Grunde ist der Krieg der Normalzustand des Menschen wegen der Sünde. Wir müssen uns darüber im klaren sein, daß den Nationen niemals Frieden gepredigt werden kann, denn wenn wir zu den Nationen vom Frieden sprechen, ist unsere Sprache immer demagogisch, so als ob wir nicht mehr anerkennen würden, daß es Sünde in der Welt gibt und daß Spannungen eine zwangsläufige Folge der Sünde sind. Gibt es keinen Krieg mit Waffen, dann wird es einen Wirtschaftskrieg geben; gibt es keinen Wirtschaftskrieg, dann wird es einen Kulturkrieg geben; gibt es keinen Kulturkrieg, dann wird es einen Religionskrieg geben; gibt es keinen Religionskrieg, dann wird es einen Rassenkrieg geben… Ohne [Krieg] geht es nicht, da ist wenig zu machen!
Es ist schrecklich! Mir scheint, daß die Sprache nicht nur demagogisch, sondern auch gefährlich ist, denn wenn wir von Dingen sprechen, die wir nicht versprechen können, von Dingen, die wir nicht schenken können, dann wird unsere Sprache immer mehr oder weniger von anderen instrumentalisiert. Und dann werden wir nicht zu ‚Gesandten Gottes‘, sondern zu Gesandten einer Macht: entweder der westlichen Kultur gegen andere Kulturen oder der USA gegen Rußland. Wir sind nur soweit Gesandte Gottes, als wir die Gnade bringen, und die Gnade wird nie einem ganzen Volk zuteil. Wenn wir beichten, dann beichtet jeder für sich, einer nach dem anderen!
Gibt es noch Sünden in dieser Welt? Wenn es Sünden gibt, dann gibt es auch Krieg. Zwangsläufig! Es ist sinnlos, die Menschen zu täuschen und sie an der Nase herumzuführen, indem man ihnen vom Frieden erzählt. DEN Frieden gibt es auf Erden nicht; Frieden kann man nur persönlich besitzen, in dem Maße, in dem sich der einzelne zu Gott bekehrt.“3
Andererseits ist es nicht einmal möglich, die Position des genannten Leitartiklers auf irgendeine Weise zu legitimieren, dessen Parameter ebenfalls von einem ideologischen und demagogischen „Moralismus“ geprägt sind. Und zwar gerade wegen seiner falschen und völlig eigennützigen Beschwörung des „gerechten Krieges“, einer Beschwörung, die einige notwendige und entscheidende Voraussetzungen ausläßt, die auch in der augustinischen Lehre enthalten sind.
Um genau zu sein, geht er von einem kurzen Fragment der erwähnten Epistola aus und entnimmt dem Text folgende Passage:
„Der Friede muß im Willen liegen und der Krieg nur eine Notwendigkeit sein, damit Gott uns aus der Notwendigkeit befreit und uns im Frieden bewahrt. Denn man sucht den Frieden nicht, um den Krieg zu provozieren, sondern man führt den Krieg, um den Frieden zu erlangen! Wenn du also Krieg führst, sei vom Frieden beseelt, damit du, wenn du siegst, diejenigen, die du besiegst, zum Guten des Friedens führst.“4
Angesichts dieses wohlwollenden Zugeständnisses des heiligen Augustinus hinsichtlich der Notwendigkeit einiger Kriege (d. h. jener, die auf die Erlangung des Friedens abzielen), kommt der Verfasser des Leitartikels zu dem Schluß, daß es tatsächlich einen „gerechten Krieg“ gibt, der „[…] einen gerechten Grund, eine richtige Absicht, den Einsatz von Waffen als letztes Mittel, eine begründete Hoffnung auf Erfolg im Angriff und die Verhältnismäßigkeit im Angriff umfaßt.“5
All dies sei natürlich den kriegerischen Kräften zuzuschreiben, die sich auf die Seite der „Reaktion“ gestellt haben.
Soweit nichts Besonderes, außer dem vorhersehbaren Versuch des Journalisten, „Wasser auf seine Mühlen zu leiten“. Die dem Augustinusbriefes entnommene Passage ist jedoch in zwei andere Überlegungen eingebettet:
„Wenn ihr also die Waffen ergreift, um zu kämpfen, denk vor allem daran, daß deine eigene körperliche Kraft eine Gabe Gottes ist; dann wird es dir nicht einmal in den Sinn kommen, eine Gabe Gottes gegen ihn zu mißbrauchen. Denn das gegebene Wort muß man auch gegenüber dem Feind, gegen den man Krieg führt, halten; wie viel mehr muß man es gegenüber dem Freund halten, für den man kämpft! […] Deshalb soll die Notwendigkeit und nicht der Wille das Motiv sein, den kämpfenden Feind aus dem Weg zu räumen. Auf die gleiche Weise, wie man Gewalt gegenüber jenen anwendet, die sich auflehnen und Widerstand leisten, muß man Barmherzigkeit walten lassen gegenüber jenen, die besiegt oder gefangen sind, vor allem, wenn man nicht befürchten muß, daß sie den Frieden stören.“ 6
Es ist klar, daß Augustinus daher auch die „Achtung vor dem gegebenen Wort“ und die „Barmherzigkeit“ zu den Eigenschaften derer zählt, die sich als Akteure in einem „gerechten Krieg“ erkennen wollen. Einen entscheidenden Wendepunkt für die Identifizierung der Eigenschaften, die zu einem solchen Krieg gehören, bietet der Kirchenlehrer schließlich im Rahmen eines anderen seiner Werke.
Im VI. Buch seiner Quaestiones in Heptateuchum heißt es nämlich:
„Als gerechte Kriege aber werden allgemein solche definiert, die Vergehen rächen, wenn über ein Volk oder einen Staat in einem Krieg geurteilt wird, weil es es entweder unterläßt, das zu rächen, was von den eigenen Leuten ungerechtfertigt getan wurde, oder das zurückzuzahlen, was durch Vergehen weggenommen worden ist. Aber auch diese Art des Krieges ist zweifellos gerecht, wie Gott es befiehlt, bei dem es keine Ungerechtigkeit gibt und der weiß, was einem jeden zu tun ist. In diesem Krieg muß der Anführer des Heeres oder das Volk selbst gerichtet werden, nicht so sehr der Urheber des Krieges als vielmehr der Diener.“7
Bei dieser Gelegenheit erklärt Augustinus kurz und bündig, daß der „gerechte Krieg“ nicht nur in der unmittelbaren Suche nach Frieden besteht, sondern auch in der Wiedergutmachung eines Unrechts; und zwar dann, wenn eine Gemeinschaft ein Unrecht nicht bestraft, das einige ihrer Mitglieder gegenüber einer anderen Gemeinschaft begangen haben, oder nicht zurückgibt, was diese der anderen zu Unrecht genommen hat. In diesem Fall ist das Unrecht nicht demjenigen anzulasten, der den Krieg führt, sondern demjenigen, der ihn „provoziert“ hat.
Wir haben den Eindruck, daß die Position des Herausgebers der genannten Zeitung nicht der gelassenen Objektivität entspricht, die er von anderen erwartet. In der Tat beschönigt er den fehlenden Respekt für die „Barmherzigkeit und ein gegebenes Wort“ gegenüber den Feinden, wie ihn jene kriegführenden Kräfte an den Tag legen, mit denen er aus affektivem Moralismus sympathisiert. Vielmehr – um nur einige Beispiele zu nennen – berücksichtigt er gar nicht, daß die israelische Regierung ihrer Pflicht nicht nachkommt, sowohl die von ihren Siedlern begangenen Übergriffe zu bestrafen als auch die von ihnen unrechtmäßig besetzten und den Palästinensern durch Ausflüchte, Vorwand und Drohungen weggenommenen Gebiete zurückzugeben. Er scheint auch zu vergessen, daß die Gebiete, die Rußland der Ukraine streitig macht, historisch bereits zu Rußland gehörten.
Aber auf die bereits hinlänglich bekannten Umstände all dieser Tatsachen wollen wir hier nicht weiter eingehen.
Schlußfolgerung und letzter Zweifel
Obwohl ein ernsthafter Diskurs über die Lehre vom „gerechten Krieg“ einer eingehenden Untersuchung bedürfte, schon um sich nicht in oberflächlichen und interessengeleiteten journalistischen Zitaten8 zu verlieren, genügt es hier zumindest, daran zu erinnern, daß der heilige Augustinus eine solche Konzeption mit dem Ziel ausarbeitet, nicht den Krieg zu legitimieren, und noch weniger, von der Praktikabilität eines „menschlichen Friedens“ zu überzeugen, der in der Lage ist, auf die „Pax Dei“ zu verzichten. Und das sagen wir, bei allem Respekt sowohl vor dem zitierten Journalisten als auch dem Vatikan!
Wenn überhaupt, dann wollte der Kirchenlehrer der Möglichkeit, den Krieg zu erklären (ius ad bellum), Grenzen setzen, indem er drei Bedingungen aufstellte: gerechter Grund, rechte Absicht und legitime Autorität. Die Scholastik und insbesondere der heilige Thomas von Aquin fügten zwei weitere Kriterien hinzu: die ultima ratio (Krieg erst nach Ausschöpfung aller diplomatischen Lösungsversuche) und den debitus modus, der das ius in bello (das Kriegsrecht, also den Einsatz legitimer Mittel und Schutz der Zivilbevölkerung) betrifft.
Wir haben nicht den Eindruck, daß die für die initiativ erfolgten „Provokationen“ verantwortlichen Kräfte, die sich selbst zu den Vorreitern des „gerechten Krieges“ zählen, sich bisher durch die uneingeschränkte Einhaltung aller oben genannten Voraussetzungen ausgezeichnet haben.
Sie sind es also nicht, die die Anerkennung und den Beifall der öffentlichen Meinung, geschweige denn die Billigung Gottes, für ein nicht vorhandenes ethisch-moralisches Verdienst beanspruchen können, das ihren „Reaktionen“ zugrunde liegt.
Aber hier taucht ein nicht einmal so „hamletischer“ Zweifel auf.
Am Ende all unserer Argumentationslinien scheint es uns, daß wir bisher Überlegungen angestellt haben, die, obwohl wir die Metaphysik, die Ethik und die traditionellen Lehren bemüht haben, zu Schlußfolgerungen führen, die letztlich ziemlich offensichtlich und selbstverständlich sind.
Kann es aber sein, daß die für die „Provokation“ verantwortlichen politisch-militärischen Anführer Menschen sind, die der Logik der Dinge so gar keine Beachtung schenken?
Was aber, wenn wir uns, was sie betrifft, irren sollten? Was, wenn es nicht so ist, wie wir es bisher angenommen haben, und es keine „intellektuelle Kurzsichtigkeit“ oder eine bloße Verweigerung „aus Bequemlichkeit“ ist, die sie daran hindert, diesen qualitativen Zusammenhang zwischen Provokation, Aktion und Reaktion zu erkennen, den wir behaupten? Und was, wenn es im Gegensatz zu dem, was wir wahrzunehmen schienen, gar nicht stimmt, daß sie die bestehende Beziehung zwischen „Reaktion“ und „Provokation“ nicht gebührend berücksichtigen?
Wir wollen damit sagen: Was wäre, wenn wir zu naiv sind, um zu erkennen, daß ihre „Provokation“ mit der präzisen, gezielten und bewußten Absicht erfolgte (so verborgen wie die des Trojanischen Pferdes), zuerst die „Aktion“ zu provozieren und in Wirklichkeit bereits den nächsten Schritt, ihre eigene „Reaktion“, zu „legitimieren“, als ob diese „gerecht und opportun“ wäre?
*Die Ritterschaft Mariens, Hilfe der Bedürftigen, entfaltet ein reiches Schriftenapostolat für den „guten Kampf“ zur Verteidigung der heiligen Kirche, des heiligen Glaubens und der Bedürftigen und Unterdrückten. Die geistlichen Assistenten sind P. Serafino Tognetti, Mönch und Priester der Gemeinschaft der Kinder Gottes, Fra Mario Rusconi, Eremit, und Don Curzio Nitoglia, Kaplan eines Frauensordens bei Rom.
Übersetzung: Giuseppe Nardi
Bild: Regina Equitum
1 Das ist es, was Heidegger meint, wenn er von der Antwort auf den „Ruf des Seins“ spricht: eine „Stimme des Gewissens“, die allerdings nicht moralisch-religiös konnotiert ist, sondern als Wahrnehmung der eigenen Existenz. Eine Antwort auf einen solchen Ruf sanktioniert die Öffnung des Seins für das „authentische Leben“. Wenn „Authentizität“ in der Beziehung zum anderen eine Beziehung impliziert, die vom anderen selbst ausgeht, so drückt sich „Unauthentizität“ unter anderem in dem Willen aus, den anderen zu beherrschen.
2 Claudio Cerasa: Caro Papa, la guerra giusta esiste [Lieber Papst, es gibt den gerechten Krieg], in: Il Foglio, Leitartikel, vom 29. Dezember 2023. Il Foglio ist die akzentuierteste transatlantische, philosemitische und zionistische Tageszeitung Italiens, Anm. GN.
3 Divo Barsotti: Questo è il mio testamento [Das ist mein Testament], 1974.
4 Augustinus: Epist. 189,6.
5 Claudio Cerasa: Caro Papa… in: Il Foglio, Leitartikel, vom 29. Dezember 2023
6 Augustinus: Epist. 189,6.
7 Augustinus: Quaestiones in Heptateuchum VI: PL 34,781.
8 Für eine ausreichend erläuternde Diskussion des Themas siehe Don Curzio Nitoglia: Die Ukraine-Frage, in: Regina equitum.
Palästina ist ein Kunstprodukt der Great Reset-Gruppe, Israel und Palästina sind Werkzeuge um permanente Unruhe im Nahen Osten zu schaffen, und quasi auf Knopfdruck Unruhen gegen den jeweils unbeliebsamen Kontrahenten im Nahen Osten schaffen zu können.
Palästina ist kein Land, sondern eine Region in Israel, die sowohl von palästinensischen Arabern also auch Juden seit Jahrhunderten bewohnt wird. Ich empfehle dringend, hierzu wenigstens bei Wikipedia die Vitae des ungalublichen Konvertiten und Missionars, Alphons Maria Ratisbonne zu lesen.
Und wenn Russland mit Palästina gleichgesetzt werden soll, hat etwa Russland seine Invasion in der Ukraine mit derart sadistischen Foltershows begonnen wie die palästinensischen Araber?
Wieviele diplomatische Lösungen hat Russland seit 2014 gesucht, wie viele die palästinensische Autonomiebehörde?
Wer würde Deutschen das Recht zu sprechen so etwas in Polen anzustellen, wie die Palästinenser in Israel (ich wohne nicht allzuweit von der Grenze entfernt.) Welcher Deutsche würde den Wunsch haben so etwas zu tun? Und Stettin war nun wirklich seit Jahrhunderten die Hauptstand Pommerns, wo keine Polen lebten. Die Enteignung fand in etwa dem gleichen Zeitraum statt, wenige Jahre bevor der Staat Israel gegründet wurde
Richtig, keiner, nicht einmal der perverseste, brutalste, deutsche Neonazi würde so etwas wagen laut zu sagen.
Und, war ist mit Russland Solidarität nach wenigen Wochen aufgeflammt? Nein. Und mit den palästinensischen Arabern? Ja. Aber wenn Ihnen soviel an diesen Menschen liegt, fragen Sie doch einen, der mit der Hamas aufwuchs und gearbeitet hat, nämlich Mosab Hassan Yussef.
https://www.nzz.ch/international/der-sohn-eines-terroristen-stieg-aus-der-hamas-aus-und-wurde-zu-einem-der-schaerfsten-kritiker-der-organisation-ld.1761989
Wer immer diesen Text geschrieben hat, er lügt.
Pfui, es bleibt dabei: „Wer Juda flucht, ist selbst verflucht“, wie im Buch Numeri steht!