Von opportunen und opportunistischen Kriegen

Provokation, Aktion, Reaktion


Die beiden aktuellen Kriege in der Ukraine und im Gazastreifen verlangen nach einer grundsätzlichen Betrachtung in einem Moment, da die Säbel rasseln und leichtfertig das Wort Krieg und "gerechter Krieg" im Mund geführt wird.
Die beiden aktuellen Kriege in der Ukraine und im Gazastreifen verlangen nach einer grundsätzlichen Betrachtung in einem Moment, da die Säbel rasseln und leichtfertig das Wort Krieg und "gerechter Krieg" im Mund geführt wird.

Die bei­den aktu­el­len Krie­ge, denen die media­le Auf­merk­sam­keit gehört, ver­lan­gen nach gründ­li­cher Ana­ly­se, gera­de auch des­halb, weil uner­war­tet und leicht­fer­tig das Wort „gerech­ter Krieg“ wie selbst­ver­ständ­lich in Anspruch genom­men und behaup­tet wird. Eine sol­che Ana­ly­se bie­tet der nach­fol­gen­de Auf­satz, der als „Redak­ti­on“ gezeich­net ist, aber maß­geb­lich aus der Feder eines Prie­sters stammt, der der Rit­ter­schaft angehört.

Opportuner Krieg und opportunistische Kriege

Anzei­ge

Von Soda­li­ti­um Equi­tum Dei­parae Mise­ris Suc­cur­ren­tis*

Einleitung

Die Geschich­te des Ore­stes, des Hel­den der grie­chi­schen Mytho­lo­gie, ist unse­rer Ansicht nach sym­bo­lisch, weil sie hilft, den Inhalt des fol­gen­den Arti­kels bes­ser ein­zu­ord­nen. Wir fas­sen sie ganz kurz zusammen.

Ore­stes, der Sohn von Aga­mem­non, war noch ein Kind, als sein Vater von Aigist­hos, dem Lieb­ha­ber sei­ner Mut­ter Kly­taim­ne­stra, getö­tet wur­de. Um dem­sel­ben gewalt­sa­men Schick­sal zu ent­ge­hen, floh er und leb­te meh­re­re Jah­re im Ver­bor­ge­nen. Als Erwach­se­ner such­te Orest das Ora­kel in Del­phi auf, um zu erfah­ren, ob er die Mör­der sei­nes Vaters bestra­fen soll­te. Die von Zeus auto­ri­sier­te Ant­wort des Apol­lon stimm­te zu und kün­dig­te an, daß er an den Rand der Gesell­schaft gedrängt wer­de, soll­te er das Andenken an Aga­mem­non nicht ehren, indem er sei­nen Tod räch­te. Orest beschloß dar­auf­hin, nach Hau­se zurück­zu­keh­ren, um die ihm vom Ora­kel über­tra­ge­ne Auf­ga­be zu erfül­len. In Argos ange­kom­men, räch­te er den Tod sei­nes Vaters, indem er sowohl Aigist­hos als auch sei­ne Mut­ter töte­te. Wegen des Mut­ter­mor­des wur­de Ore­stes von den Erin­ny­en, Rache­göt­tin­nen, in den Wahn­sinn getrie­ben und von ihnen ver­folgt. Nach einer lan­gen Irr­fahrt kam er schließ­lich nach Athen. Dort wur­de er vor dem stren­gen Gericht des Areo­pags ange­klagt und dank der Inter­ven­ti­on von Athe­ne und Apol­lon frei­ge­spro­chen. Letz­te­rer unter­stütz­te ihn mit einer lei­den­schaft­li­chen Anspra­che, in der er behaup­te­te, sein Vater sei wich­ti­ger als sei­ne Mutter.

Zwei parallele Kriege

Wer Augen hat, um zu sehen, und Ohren, um zu hören (was im Sin­ne des Evan­ge­li­ums den Besitz von Klar­heit des Ver­stan­des und des Her­zens bedeu­tet), wird die sub­ti­le Par­al­le­li­tät erkannt haben, die die bei­den jüng­sten Kriegs­er­eig­nis­se, die Ruß­land einer­seits und Palä­sti­na ande­rer­seits betref­fen, trotz der schein­ba­ren Anders­ar­tig­keit, die durch ihren jewei­li­gen Kon­text bestimmt wird, mit­ein­an­der verbindet.

In der Tat zei­gen sich sowohl die rus­si­sche mili­tä­ri­sche Son­der­ope­ra­ti­on in der Ukrai­ne als auch der Angriff der mili­tan­ten Palä­sti­nen­ser­be­we­gung Hamas auf die israe­li­schen Sied­lun­gen unver­hoh­len – wenn auch nur jenen, die „rein“ an Ver­stand und Herz sind – als Fol­gen des­sel­ben ent­fern­ten Aus­lö­sers: der „Pro­vo­ka­ti­on“. Wäh­rend im ersten Fall als Urhe­ber die NATO und die bei­den angel­säch­si­schen Mäch­te zu erken­nen sind, um auf der Linie frü­he­rer Ver­su­che die Gren­zen der Rus­si­schen Föde­ra­ti­on zu unter­gra­ben, so wird im zwei­ten Fall ein sol­cher Aus­lö­ser dem Zio­nis­mus selbst zuge­schrie­ben, auf­grund sei­ner jahr­zehn­te­lan­gen Inva­si­on der Palä­sti­nen­ser­ge­bie­te.

Die­se unum­stöß­li­che Tat­sa­che ist, gera­de weil sie den wah­ren Ursprung der bei­den Kon­flik­te offen­bart und den Grund für sie auf­zeigt, auch von grund­le­gen­der und ent­schei­den­der Bedeu­tung, um zu ver­ste­hen, ob und wel­cher der vor Ort agie­ren­den Grup­pie­run­gen eine gewis­se „Recht­fer­ti­gung“ für ihr krie­ge­ri­sches Vor­ge­hen zuge­stan­den wer­den muß. Und dies vor allem ange­sichts der ver­schie­de­nen Behaup­tun­gen der Autoren der „Pro­vo­ka­ti­on“, die sich nicht damit begnü­gen, deren Fak­ti­zi­tät heuch­le­risch zu leug­nen, son­dern sogar das Recht für sich in Anspruch neh­men, als Ban­ner­trä­ger des „gerech­ten Krie­ges“ aner­kannt zu werden.

„Provokation, Aktion und Reaktion“ (oder Aigisthos-Klytaimnestra, Orest, Erinnyen)

Es scheint zunächst der Hin­weis not­wen­dig, daß die Begrif­fe Pro­vo­ka­ti­on, Akti­on und Reak­ti­on, die hier im Mit­tel­punkt unse­rer Über­le­gun­gen ste­hen wer­den, nicht nach ihrer unmit­tel­ba­ren umgangs­sprach­li­chen Bedeu­tung, son­dern nach ihrem onto­lo­gi­schen und meta­phy­si­schen Bezug zu akzep­tie­ren und zu inter­pre­tie­ren sind. Wenn sie sich alle auf eine „Hand­lung“ (Akti­on) bezie­hen, so geschieht dies jedoch auf der Grund­la­ge ihres unter­schied­li­chen onto­lo­gi­schen Werts, den wir im Fol­gen­den dar­zu­le­gen versuchen.

Dies vor­aus­ge­schickt, scheint es fast über­flüs­sig, dar­auf hin­zu­wei­sen, daß es für eine umfas­sen­de und objek­ti­ve Betrach­tung der frag­li­chen Ereig­nis­se nicht mög­lich ist, den Dis­kurs auf eine blo­ße (ukrai­ni­sche und israe­li­sche) „Reak­ti­on“ zu beschrän­ken, die auf eine (rus­si­sche und palä­sti­nen­si­sche) „Akti­on“ folg­te, ohne der Tat­sa­che gebüh­rend Rech­nung zu tra­gen, daß letz­te­re ihrer­seits gera­de aus einer „Pro­vo­ka­ti­on“ der­sel­ben Akteu­re her­vor­ging, die dar­auf­hin reagier­ten. Das Ver­säum­nis, eine sol­che glo­ba­le Sicht­wei­se zugrun­de­zu­le­gen, kann also nur Aus­druck einer par­ti­el­len Sicht­wei­se sein, d. h. wört­lich: nicht unpar­tei­isch, son­dern par­tei­isch und daher „oppor­tu­ni­stisch“.

Doch selbst eine sol­che Sicht­wei­se muß kor­rekt for­mu­liert sein, um zu ver­mei­den, daß die Dyna­mik, die in den drei Momen­ten „Pro­vo­ka­ti­on, Akti­on und Reak­ti­on“ im Spiel ist, als homo­log betrach­tet wird, als ob sie nur „line­ar“ einer Art „a : b = b : c“-Beziehung gehor­chen könnte.

In Wahr­heit ist die­se gan­ze Her­an­ge­hens­wei­se an die Din­ge, deren Ungül­tig­keit wir gleich bele­gen wer­den, genau das, was von den „Pro­vo­ka­teu­ren“ still­schwei­gend ange­wandt wird, wenn sie es für völ­lig legi­tim hal­ten, die Ver­ant­wort­lich­kei­ten ihrer „Pro­vo­ka­ti­on“ zu über­se­hen und statt­des­sen ein posi­ti­ves Urteil über ihre „Reak­ti­on“ nur auf der Grund­la­ge der erleb­ten „Akti­on“ fällen.

Mit ande­ren Wor­ten: Sie hal­ten es nicht nur für völ­lig will­kür­lich „ver­tret­bar“, den wah­ren Anfang des Pro­zes­ses außer acht zu las­sen und von ihm zu abstra­hie­ren, als ob er vom Kon­text los­ge­löst wer­den könn­te, son­dern sie stel­len sich damit auch indi­rekt auf eine Äqui­va­lenz (d. h., daß a : b = b : c ent­spricht), die, wie wir sag­ten, nicht ein­mal ganz kor­rekt ist, wenn man sie „line­ar“ for­mu­liert: Denn dann wür­de sie nur „quan­ti­ta­tiv“ der Bewer­tung der betei­lig­ten Ele­men­te genügen.

Und wir prä­zi­sie­ren, daß wir in Anleh­nung an das ari­sto­te­lisch-tho­mi­sti­sche Den­ken unter „quan­ti­ta­tiv“ alles „Zufäl­li­ge“ und unter „qua­li­ta­tiv“ alles „Wesent­li­che“ verstehen.

Provokation und Verantwortung

Indem sie die Bewer­tung der eige­nen „Pro­vo­ka­ti­on“ vom all­ge­mei­nen Kon­text abstra­hie­ren, tun die­je­ni­gen, die „auf die Akti­on reagie­ren“, nichts ande­res, als jede Hand­lung in ihrer „quan­ti­ta­ti­ven oder akzi­den­tel­len“ Aus­deh­nung als abge­schlos­sen und als Selbst­zweck zu betrach­ten. So ist es nicht ver­wun­der­lich, daß sie zwar nicht leug­nen, daß die „Akti­on“ Teil des­sel­ben krie­ge­ri­schen Kon­tex­tes ist wie ihre eige­ne „Pro­vo­ka­ti­on“ (auch wenn sie die­se nicht als sol­che zuge­ben), ihr aber kei­nen beson­de­ren „qua­li­ta­ti­ven oder essen­ti­el­len“ Wert zuge­ste­hen. Da ohne einen sol­chen Wert, betrach­ten sie die „Pro­vo­ka­ti­on“ des­halb als onto­lo­gisch völ­lig unab­hän­gig von den Fol­gen, die sie aus­löst. Das aber ist nicht akzeptabel.

Zum bes­se­ren Ver­ständ­nis kön­nen wir sagen, daß das „Gleich­heits­zei­chen“ (=), das zwi­schen den Bezie­hun­gen „a : b“ einer­seits und „b : c“ ande­rer­seits steht, kei­ne „hori­zon­ta­le, glei­che und tran­si­ti­ve“ Äqui­va­lenz, son­dern eine „ver­ti­ka­le, hier­ar­chi­sche und dis­tri­bu­ti­ve“ Kor­re­spon­denz zwi­schen ihnen dar­stellt: Das heißt, es sank­tio­niert eine Vor­rang­stel­lung und eine Unter­ord­nung der Verantwortung.

Ety­mo­lo­gisch gese­hen bedeu­tet der Akt des „Pro­vo­zie­rens“ (lat. pro-voco) „her­vor­ru­fen, auf­ru­fen, herausfordern“.

Die­ses Verb fin­det eine Syn­ony­mie in den Bedeu­tun­gen von „anre­gen, auf­sta­cheln, ver­an­las­sen“, die alle der Hand­lung eines Akteurs inne­woh­nen, der durch sei­nen „Ruf“ ein von ihm unter­schie­de­nes Sub­jekt aus der Träg­heit und damit aus dem „Nicht­sein“ her­aus­holt: Kurz, er bringt es dazu, von der Fähig­keit (poten­tia) zur Hand­lung (actio) über­zu­ge­hen. Die „Pro­vo­ka­ti­on“ ist jedoch ein beson­de­rer Fall von „Akti­on“, inso­fern sie einen Akt beschreibt, der sich mit einer „feind­li­chen und her­aus­for­dern­den“ Hal­tung präsentiert.

Will man also die „Pro­vo­ka­ti­on“ im Lich­te der Ethik betrach­ten – die das onto­lo­gi­sche Regu­lie­rungs­prin­zip des frei­en Wil­lens des Men­schen ist –, so stellt die „Auf­for­de­rung zur Her­aus­for­de­rung“, die sie aus­spricht, sie in eine beson­de­re Lage: näm­lich daß sie selbst es ist, die auf ihre eige­ne Hand­lung „ant­wor­ten“ muss.1 Dar­aus ergibt sich die Pflicht, die der „Ver­ant­wor­tung“ (lat. respon­sus) jeder mensch­li­chen Hand­lung eigen ist: näm­lich daß die „Ver­ant­wor­tung“ der eige­nen „Auf­for­de­rung zur Her­aus­for­de­rung“ die „Ant­wort“ auf die Fol­gen als „Pro­vo­ka­ti­on“ einschließt.

An die­sem Punkt ist es leicht zu ver­ste­hen, daß, wenn man einer „hori­zon­ta­len“ Inter­pre­ta­ti­on der Abfol­ge von Bezie­hun­gen folgt, die zwi­schen den drei Momen­ten ent­ste­hen, als ob sie jeweils „in sich abge­schlos­sen“ wären, man zu der Absur­di­tät gelangt, daß jene, die auf den „Pro­vo­ka­ti­ons­ruf“ von jeman­dem reagie­ren, nach­dem sie dazu ange­regt wur­den, aus der Träg­heit her­aus­zu­tre­ten, para­do­xer­wei­se die Ver­ant­wor­tung dafür über­neh­men wür­den, eine wei­te­re „Pro­vo­ka­ti­on“ in Gang zu set­zen: d. h. die­je­ni­ge, die dann von der „Re-Akti­on“ auf­ge­grif­fen wür­de, als ob letz­te­re in der Tat nur eine indu­zier­te und refle­xi­ve „Akti­on“ wäre.

Man kann sich gut vor­stel­len, daß genau das die bekann­ten „Spi­ra­len“ aus­löst, die nie zu einem Ende kom­men, da ein per­ver­ser Teu­fels­kreis durch eine „Re-Akti­on“ ent­steht, die jedes Mal vor­gibt, sich selbst zu recy­clen, als wäre sie eine „Akti­on“, die ein­fach auf eine „Pro­vo­ka­ti­on“ reagiert.

Im Gegen­teil, um die kor­rek­te Dia­lek­tik der drei Momen­te auf­recht­zu­er­hal­ten, ist es not­wen­dig, auf „ver­ti­ka­le“ Wei­se zu berück­sich­ti­gen, daß sowohl der Auf­ruf als auch die Ant­wort qua­li­ta­tiv zusam­men­fal­len und im Akt des­je­ni­gen, der zunächst „pro­vo­ziert“, kon­text­ab­hän­gig sind. Der­je­ni­ge, der die „Pro­vo­ka­ti­on“ durch­führt, d. h. der­je­ni­ge, der mit einem Akt der Her­aus­for­de­rung zu einer „Akti­on“ auf­for­dert und „auf­ruft“, ist in Wirk­lich­keit und „zu Recht“ für den aus­ge­lö­sten Pro­zess allein ver­ant­wort­lich und muß sich für alles „ver­ant­wor­ten“, was sich dar­aus ergibt.

Opportun und opportunistisch

All dies führt uns dazu, zu unter­schei­den zwi­schen dem, was als „oppor­tu­ne“ Hand­lung und was als „oppor­tu­ni­sti­sche“ Hand­lung zu betrach­ten ist.

Wenn unter „oppor­tu­ni­stisch“ ein Ver­hal­ten zu ver­ste­hen ist, bei dem man ohne Rück­sicht auf „Prin­zi­pi­en oder Idea­le“ han­delt, son­dern aus den Bedin­gun­gen und Gele­gen­hei­ten „des Augen­blicks“ Gewin­ne und Vor­tei­le zieht, ver­ste­hen wir, daß die Hand­lun­gen, die wir als „hori­zon­tal“, d. h. als „in sich geschlos­sen“ defi­niert haben, zu die­ser Defi­ni­ti­on gehö­ren; all jene Hand­lun­gen, die, da ihnen die „Gesamt­sicht“ fehlt, ihre Daseins­be­rech­ti­gung in der Selbst­recht­fer­ti­gung haben.

Im Umkehr­schluß fal­len alle ande­ren Hand­lun­gen, die zwar in eine Dyna­mik der „Anpas­sung“ an die Erfor­der­nis­se des Augen­blicks ein­ge­bun­den sind, aber im Lich­te eines von außen kom­men­den Impul­ses, für den sie ursprüng­lich nicht ver­ant­wort­lich sind, in die Kate­go­rie des „Oppor­tu­nen“.

Das Adjek­tiv „oppor­tun“ (lat. ob-por­tus) hat nicht zufäl­lig die ety­mo­lo­gi­sche Bedeu­tung von „das, was zum Hafen treibt“: es bezeich­net also den „Wind“, der eben „von außen“ auf die Segel eines Schif­fes einwirkt.

Um auf die drei zur Dis­kus­si­on ste­hen­den Begrif­fe (Pro­vo­ka­ti­on, Akti­on und Reak­ti­on) zurück­zu­kom­men, so ist nur der mitt­le­re (Akti­on) wirk­lich „oppor­tun“. In bezug auf den ersten (Pro­vo­ka­ti­on), weil er von der Pro­vo­ka­ti­on den Impuls zum Han­deln erhält und ihn nicht aus­übt, weil er ihn aus sich selbst erar­bei­tet hat. In bezug auf den drit­ten (Reak­ti­on) hin­ge­gen, weil die Reak­ti­on nur schein­bar durch einen äuße­ren Anstoß getrie­ben wird. In Wahr­heit ver­sucht sie, indem sie die idea­len Prin­zi­pi­en, die nur in einer Gesamt­be­trach­tung sicht­bar wer­den, nicht berück­sich­tigt, son­dern sich auf die aus­schließ­li­che Bewer­tung des Augen­blicks beschränkt, nach­dem sie ihn aus dem all­ge­mei­nen Kon­text her­aus­ge­löst hat, „oppor­tu­ni­stisch“, Gewin­ne und Vor­tei­le zu erzie­len, wobei sie die ursprüng­li­che Ver­ant­wor­tung, die in ihrer eige­nen „Pro­vo­ka­ti­on“ liegt, außer acht läßt.

Wie sich im übri­gen aus der Ety­mo­lo­gie des Begriffs „Reak­ti­on“ ablei­ten läßt, bedeu­tet die­ser „rück­wärts han­deln, rück­wärts gehen, rück­wärts wie­der­ho­len“, was, kurz gesagt, auf einen unna­tür­li­chen Anspruch hin­aus­läuft, „gegen den Wind zu segeln“ durch eine „umge­kehr­te“ Anpas­sung an die onto­lo­gi­sche Ord­nung der Dinge.

Gerechter Krieg und unrechtmäßige Kriege

An die­ser Stel­le ist es fol­ge­rich­tig, daß ein Krieg „oppor­tun“ sein muß, um „gerecht“ und legi­tim zu sein. Umge­kehrt kann ein „oppor­tu­ni­sti­scher“ Krieg nur in die Kate­go­rie der „Unge­rech­tig­keit“ und der Unrecht­mä­ßig­keit fallen.

Wie bereits erwähnt, haben die poli­ti­schen, jour­na­li­sti­schen und intel­lek­tu­el­len Posi­tio­nen jener, die sich auf die Sei­te der Kräf­te gestellt haben, die die­se Ereig­nis­se „pro­vo­ziert“ haben, seit Beginn der bei­den Kriegs­er­eig­nis­se, auf die wir uns in die­sen Über­le­gun­gen bezie­hen, in zuneh­men­dem Maße dazu ten­diert, nicht nur deren ursprüng­li­che Ver­ant­wor­tung in unan­ge­mes­se­ner Wei­se zu leug­nen, son­dern sogar deren „Reak­ti­on“ zu „recht­fer­ti­gen“ und sie somit als „gerecht“ anzu­se­hen. Dies alles im Namen einer mora­li­schen Not­wen­dig­keit, gegen die­se „Aktio­nen“ zu „reagie­ren“, nach­dem man sie durch die Ein­ord­nung in die Kate­go­rien „Aggres­si­on“ und „ter­ro­ri­sti­sche Hand­lun­gen“ reduk­tiv dis­kre­di­tiert hatte.

In die­sem Zusam­men­hang hal­ten wir es für not­wen­dig, den beson­de­ren Fall einer Zei­tung zu stig­ma­ti­sie­ren, die zudem eine der ideo­lo­gisch am stärk­sten im säku­la­ren Sin­ne aus­ge­rich­te­ten ist und die merk­wür­di­ger­wei­se für ihre The­sen sogar den Gedan­ken des hei­li­gen Augu­sti­nus, des Theo­re­ti­kers des „gerech­ten Krie­ges“, als unbe­quem emp­fin­det. In dem Bestre­ben, die „pro­vo­zie­ren­den“ Kräf­te als Trä­ger die­ses „gerech­ten Krie­ges“ anzu­er­ken­nen, wur­de die Leh­re des Augu­sti­nus zu einer Rei­he von Schluß­fol­ge­run­gen ad usum Del­phi­ni gezwun­gen, die in Wahr­heit ihren Sinn ent­stellt und ihre legi­ti­men Absich­ten mysti­fi­ziert haben.

Der Ver­fas­ser des Leit­ar­ti­kels sowie der Her­aus­ge­ber der Zei­tung beru­fen sich auf eine neue Les­art der Epi­sto­la 189 des Bischofs von Hip­po, um auf die vom Vati­kan vor­ge­brach­ten „pazi­fi­sti­schen“ Aus­nah­men hin­sicht­lich der Nicht­exi­stenz eines „gerech­ten Krie­ges“ zu reagie­ren.2 In der Tat hat­te die kirch­li­che Auto­ri­tät beab­sich­tigt, sich auf die­se Wei­se zu äußern, um eine Posi­ti­on der aus­ge­wo­ge­nen Äqui­di­stanz zwi­schen den geg­ne­ri­schen krieg­füh­ren­den Kräf­ten ein­zu­neh­men und somit für den Frie­den ein­zu­tre­ten, ange­sichts des­sen, was im Gegen­teil die mora­li­sche Unzu­läs­sig­keit eines jeden Krie­ges wäre.

Der Vor­wurf des Leit­ar­ti­kels an den Vati­kan, er stel­le sich weder ein­deu­tig und exklu­siv auf die Sei­te jener krieg­füh­ren­den Kräf­te, die „reagiert“ haben, noch habe er die­se unein­ge­schränkt als „Kräf­te des Guten“ aner­kannt, klingt ziem­lich vor­ein­ge­nom­men und tendenziös.

Wie immer, wenn die Ethik mit der Moral ver­wech­selt wird – erste­re bezieht sich auf die Grund­sät­ze, letz­te­re auf die Anwen­dun­gen –, erwei­sen sich die bei­den oben genann­ten Posi­tio­nen trotz ihrer Gegen­sätz­lich­keit als glei­cher­ma­ßen irre­füh­rend und dem­ago­gisch, da sie sich auf einen begrenz­ten, quan­ti­ta­ti­ven und hori­zon­ta­len Bereich beschrän­ken. Die mora­li­sche Sphä­re ver­kommt näm­lich, wenn sie der ver­ti­ka­len, qua­li­ta­ti­ven und offe­nen Ver­bin­dung mit den meta­phy­si­schen Prin­zi­pi­en beraubt wird, die der Ethik eigen ist, zu einem instru­men­tel­len, heuch­le­ri­schen Mora­lis­mus, der ein Selbst­zweck ist.

Auf den selbst­ge­rech­ten und ent­mann­ten „Pazi­fis­mus“, der heu­te bei den moder­ni­sti­schen Katho­li­ken an der Spit­ze der katho­li­schen Kir­che so in Mode ist, kön­nen wir dann ein­fach mit den star­ken, onto­lo­gisch auf­rüt­teln­den Wor­ten von Pater Divo Bar­sot­ti (1914–2006) ant­wor­ten: Mönch, Prie­ster, Pre­di­ger und Schrift­stel­ler sowie Grün­der der Gemein­schaft der Kin­der Got­tes:

„Im Grun­de ist der Krieg der Nor­mal­zu­stand des Men­schen wegen der Sün­de. Wir müs­sen uns dar­über im kla­ren sein, daß den Natio­nen nie­mals Frie­den gepre­digt wer­den kann, denn wenn wir zu den Natio­nen vom Frie­den spre­chen, ist unse­re Spra­che immer dem­ago­gisch, so als ob wir nicht mehr aner­ken­nen wür­den, daß es Sün­de in der Welt gibt und daß Span­nun­gen eine zwangs­läu­fi­ge Fol­ge der Sün­de sind. Gibt es kei­nen Krieg mit Waf­fen, dann wird es einen Wirt­schafts­krieg geben; gibt es kei­nen Wirt­schafts­krieg, dann wird es einen Kul­tur­krieg geben; gibt es kei­nen Kul­tur­krieg, dann wird es einen Reli­gi­ons­krieg geben; gibt es kei­nen Reli­gi­ons­krieg, dann wird es einen Ras­sen­krieg geben… Ohne [Krieg] geht es nicht, da ist wenig zu machen!

Es ist schreck­lich! Mir scheint, daß die Spra­che nicht nur dem­ago­gisch, son­dern auch gefähr­lich ist, denn wenn wir von Din­gen spre­chen, die wir nicht ver­spre­chen kön­nen, von Din­gen, die wir nicht schen­ken kön­nen, dann wird unse­re Spra­che immer mehr oder weni­ger von ande­ren instru­men­ta­li­siert. Und dann wer­den wir nicht zu ‚Gesand­ten Got­tes‘, son­dern zu Gesand­ten einer Macht: ent­we­der der west­li­chen Kul­tur gegen ande­re Kul­tu­ren oder der USA gegen Ruß­land. Wir sind nur soweit Gesand­te Got­tes, als wir die Gna­de brin­gen, und die Gna­de wird nie einem gan­zen Volk zuteil. Wenn wir beich­ten, dann beich­tet jeder für sich, einer nach dem anderen!

Gibt es noch Sün­den in die­ser Welt? Wenn es Sün­den gibt, dann gibt es auch Krieg. Zwangs­läu­fig! Es ist sinn­los, die Men­schen zu täu­schen und sie an der Nase her­um­zu­füh­ren, indem man ihnen vom Frie­den erzählt. DEN Frie­den gibt es auf Erden nicht; Frie­den kann man nur per­sön­lich besit­zen, in dem Maße, in dem sich der ein­zel­ne zu Gott bekehrt.“3

Ande­rer­seits ist es nicht ein­mal mög­lich, die Posi­ti­on des genann­ten Leit­ar­tik­lers auf irgend­ei­ne Wei­se zu legi­ti­mie­ren, des­sen Para­me­ter eben­falls von einem ideo­lo­gi­schen und dem­ago­gi­schen „Mora­lis­mus“ geprägt sind. Und zwar gera­de wegen sei­ner fal­schen und völ­lig eigen­nüt­zi­gen Beschwö­rung des „gerech­ten Krie­ges“, einer Beschwö­rung, die eini­ge not­wen­di­ge und ent­schei­den­de Vor­aus­set­zun­gen aus­läßt, die auch in der augu­sti­ni­schen Leh­re ent­hal­ten sind.

Um genau zu sein, geht er von einem kur­zen Frag­ment der erwähn­ten Epi­sto­la aus und ent­nimmt dem Text fol­gen­de Passage:

„Der Frie­de muß im Wil­len lie­gen und der Krieg nur eine Not­wen­dig­keit sein, damit Gott uns aus der Not­wen­dig­keit befreit und uns im Frie­den bewahrt. Denn man sucht den Frie­den nicht, um den Krieg zu pro­vo­zie­ren, son­dern man führt den Krieg, um den Frie­den zu erlan­gen! Wenn du also Krieg führst, sei vom Frie­den beseelt, damit du, wenn du siegst, die­je­ni­gen, die du besiegst, zum Guten des Frie­dens führst.“4

Ange­sichts die­ses wohl­wol­len­den Zuge­ständ­nis­ses des hei­li­gen Augu­sti­nus hin­sicht­lich der Not­wen­dig­keit eini­ger Krie­ge (d. h. jener, die auf die Erlan­gung des Frie­dens abzie­len), kommt der Ver­fas­ser des Leit­ar­ti­kels zu dem Schluß, daß es tat­säch­lich einen „gerech­ten Krieg“ gibt, der „[…] einen gerech­ten Grund, eine rich­ti­ge Absicht, den Ein­satz von Waf­fen als letz­tes Mit­tel, eine begrün­de­te Hoff­nung auf Erfolg im Angriff und die Ver­hält­nis­mä­ßig­keit im Angriff umfaßt.“5

All dies sei natür­lich den krie­ge­ri­schen Kräf­ten zuzu­schrei­ben, die sich auf die Sei­te der „Reak­ti­on“ gestellt haben.

Soweit nichts Beson­de­res, außer dem vor­her­seh­ba­ren Ver­such des Jour­na­li­sten, „Was­ser auf sei­ne Müh­len zu lei­ten“. Die dem Augu­sti­nus­brie­fes ent­nom­me­ne Pas­sa­ge ist jedoch in zwei ande­re Über­le­gun­gen eingebettet:

„Wenn ihr also die Waf­fen ergreift, um zu kämp­fen, denk vor allem dar­an, daß dei­ne eige­ne kör­per­li­che Kraft eine Gabe Got­tes ist; dann wird es dir nicht ein­mal in den Sinn kom­men, eine Gabe Got­tes gegen ihn zu miß­brau­chen. Denn das gege­be­ne Wort muß man auch gegen­über dem Feind, gegen den man Krieg führt, hal­ten; wie viel mehr muß man es gegen­über dem Freund hal­ten, für den man kämpft! […] Des­halb soll die Not­wen­dig­keit und nicht der Wil­le das Motiv sein, den kämp­fen­den Feind aus dem Weg zu räu­men. Auf die glei­che Wei­se, wie man Gewalt gegen­über jenen anwen­det, die sich auf­leh­nen und Wider­stand lei­sten, muß man Barm­her­zig­keit wal­ten las­sen gegen­über jenen, die besiegt oder gefan­gen sind, vor allem, wenn man nicht befürch­ten muß, daß sie den Frie­den stö­ren.“ 6

Es ist klar, daß Augu­sti­nus daher auch die „Ach­tung vor dem gege­be­nen Wort“ und die „Barm­her­zig­keit“ zu den Eigen­schaf­ten derer zählt, die sich als Akteu­re in einem „gerech­ten Krieg“ erken­nen wol­len. Einen ent­schei­den­den Wen­de­punkt für die Iden­ti­fi­zie­rung der Eigen­schaf­ten, die zu einem sol­chen Krieg gehö­ren, bie­tet der Kir­chen­leh­rer schließ­lich im Rah­men eines ande­ren sei­ner Werke.

Im VI. Buch sei­ner Quae­stio­nes in Hep­t­ateuchum heißt es nämlich:

„Als gerech­te Krie­ge aber wer­den all­ge­mein sol­che defi­niert, die Ver­ge­hen rächen, wenn über ein Volk oder einen Staat in einem Krieg geur­teilt wird, weil es es ent­we­der unter­läßt, das zu rächen, was von den eige­nen Leu­ten unge­recht­fer­tigt getan wur­de, oder das zurück­zu­zah­len, was durch Ver­ge­hen weg­ge­nom­men wor­den ist. Aber auch die­se Art des Krie­ges ist zwei­fel­los gerecht, wie Gott es befiehlt, bei dem es kei­ne Unge­rech­tig­keit gibt und der weiß, was einem jeden zu tun ist. In die­sem Krieg muß der Anfüh­rer des Hee­res oder das Volk selbst gerich­tet wer­den, nicht so sehr der Urhe­ber des Krie­ges als viel­mehr der Die­ner.“7

Bei die­ser Gele­gen­heit erklärt Augu­sti­nus kurz und bün­dig, daß der „gerech­te Krieg“ nicht nur in der unmit­tel­ba­ren Suche nach Frie­den besteht, son­dern auch in der Wie­der­gut­ma­chung eines Unrechts; und zwar dann, wenn eine Gemein­schaft ein Unrecht nicht bestraft, das eini­ge ihrer Mit­glie­der gegen­über einer ande­ren Gemein­schaft began­gen haben, oder nicht zurück­gibt, was die­se der ande­ren zu Unrecht genom­men hat. In die­sem Fall ist das Unrecht nicht dem­je­ni­gen anzu­la­sten, der den Krieg führt, son­dern dem­je­ni­gen, der ihn „pro­vo­ziert“ hat.

Wir haben den Ein­druck, daß die Posi­ti­on des Her­aus­ge­bers der genann­ten Zei­tung nicht der gelas­se­nen Objek­ti­vi­tät ent­spricht, die er von ande­ren erwar­tet. In der Tat beschö­nigt er den feh­len­den Respekt für die „Barm­her­zig­keit und ein gege­be­nes Wort“ gegen­über den Fein­den, wie ihn jene krieg­füh­ren­den Kräf­te an den Tag legen, mit denen er aus affek­ti­vem Mora­lis­mus sym­pa­thi­siert. Viel­mehr – um nur eini­ge Bei­spie­le zu nen­nen – berück­sich­tigt er gar nicht, daß die israe­li­sche Regie­rung ihrer Pflicht nicht nach­kommt, sowohl die von ihren Sied­lern began­ge­nen Über­grif­fe zu bestra­fen als auch die von ihnen unrecht­mä­ßig besetz­ten und den Palä­sti­nen­sern durch Aus­flüch­te, Vor­wand und Dro­hun­gen weg­ge­nom­me­nen Gebie­te zurück­zu­ge­ben. Er scheint auch zu ver­ges­sen, daß die Gebie­te, die Ruß­land der Ukrai­ne strei­tig macht, histo­risch bereits zu Ruß­land gehörten.

Aber auf die bereits hin­läng­lich bekann­ten Umstän­de all die­ser Tat­sa­chen wol­len wir hier nicht wei­ter eingehen.

Schlußfolgerung und letzter Zweifel

Obwohl ein ernst­haf­ter Dis­kurs über die Leh­re vom „gerech­ten Krieg“ einer ein­ge­hen­den Unter­su­chung bedürf­te, schon um sich nicht in ober­fläch­li­chen und inter­es­sen­ge­lei­te­ten jour­na­li­sti­schen Zita­ten8 zu ver­lie­ren, genügt es hier zumin­dest, dar­an zu erin­nern, daß der hei­li­ge Augu­sti­nus eine sol­che Kon­zep­ti­on mit dem Ziel aus­ar­bei­tet, nicht den Krieg zu legi­ti­mie­ren, und noch weni­ger, von der Prak­ti­ka­bi­li­tät eines „mensch­li­chen Frie­dens“ zu über­zeu­gen, der in der Lage ist, auf die „Pax Dei“ zu ver­zich­ten. Und das sagen wir, bei allem Respekt sowohl vor dem zitier­ten Jour­na­li­sten als auch dem Vatikan!

Wenn über­haupt, dann woll­te der Kir­chen­leh­rer der Mög­lich­keit, den Krieg zu erklä­ren (ius ad bel­lum), Gren­zen set­zen, indem er drei Bedin­gun­gen auf­stell­te: gerech­ter Grund, rech­te Absicht und legi­ti­me Auto­ri­tät. Die Scho­la­stik und ins­be­son­de­re der hei­li­ge Tho­mas von Aquin füg­ten zwei wei­te­re Kri­te­ri­en hin­zu: die ulti­ma ratio (Krieg erst nach Aus­schöp­fung aller diplo­ma­ti­schen Lösungs­ver­su­che) und den debi­tus modus, der das ius in bel­lo (das Kriegs­recht, also den Ein­satz legi­ti­mer Mit­tel und Schutz der Zivil­be­völ­ke­rung) betrifft.

Wir haben nicht den Ein­druck, daß die für die initia­tiv erfolg­ten „Pro­vo­ka­tio­nen“ ver­ant­wort­li­chen Kräf­te, die sich selbst zu den Vor­rei­tern des „gerech­ten Krie­ges“ zäh­len, sich bis­her durch die unein­ge­schränk­te Ein­hal­tung aller oben genann­ten Vor­aus­set­zun­gen aus­ge­zeich­net haben.

Sie sind es also nicht, die die Aner­ken­nung und den Bei­fall der öffent­li­chen Mei­nung, geschwei­ge denn die Bil­li­gung Got­tes, für ein nicht vor­han­de­nes ethisch-mora­li­sches Ver­dienst bean­spru­chen kön­nen, das ihren „Reak­tio­nen“ zugrun­de liegt.

Aber hier taucht ein nicht ein­mal so „ham­le­ti­scher“ Zwei­fel auf.

Am Ende all unse­rer Argu­men­ta­ti­ons­li­ni­en scheint es uns, daß wir bis­her Über­le­gun­gen ange­stellt haben, die, obwohl wir die Meta­phy­sik, die Ethik und die tra­di­tio­nel­len Leh­ren bemüht haben, zu Schluß­fol­ge­run­gen füh­ren, die letzt­lich ziem­lich offen­sicht­lich und selbst­ver­ständ­lich sind.

Kann es aber sein, daß die für die „Pro­vo­ka­ti­on“ ver­ant­wort­li­chen poli­tisch-mili­tä­ri­schen Anfüh­rer Men­schen sind, die der Logik der Din­ge so gar kei­ne Beach­tung schenken?

Was aber, wenn wir uns, was sie betrifft, irren soll­ten? Was, wenn es nicht so ist, wie wir es bis­her ange­nom­men haben, und es kei­ne „intel­lek­tu­el­le Kurz­sich­tig­keit“ oder eine blo­ße Ver­wei­ge­rung „aus Bequem­lich­keit“ ist, die sie dar­an hin­dert, die­sen qua­li­ta­ti­ven Zusam­men­hang zwi­schen Pro­vo­ka­ti­on, Akti­on und Reak­ti­on zu erken­nen, den wir behaup­ten? Und was, wenn es im Gegen­satz zu dem, was wir wahr­zu­neh­men schie­nen, gar nicht stimmt, daß sie die bestehen­de Bezie­hung zwi­schen „Reak­ti­on“ und „Pro­vo­ka­ti­on“ nicht gebüh­rend berücksichtigen?

Wir wol­len damit sagen: Was wäre, wenn wir zu naiv sind, um zu erken­nen, daß ihre „Pro­vo­ka­ti­on“ mit der prä­zi­sen, geziel­ten und bewuß­ten Absicht erfolg­te (so ver­bor­gen wie die des Tro­ja­ni­schen Pfer­des), zuerst die „Akti­on“ zu pro­vo­zie­ren und in Wirk­lich­keit bereits den näch­sten Schritt, ihre eige­ne „Reak­ti­on“, zu „legi­ti­mie­ren“, als ob die­se „gerecht und oppor­tun“ wäre?

*Die Rit­ter­schaft Mari­ens, Hil­fe der Bedürf­ti­gen, ent­fal­tet ein rei­ches Schrif­ten­apo­sto­lat für den „guten Kampf“ zur Ver­tei­di­gung der hei­li­gen Kir­che, des hei­li­gen Glau­bens und der Bedürf­ti­gen und Unter­drück­ten. Die geist­li­chen Assi­sten­ten sind P. Ser­a­fi­no Tognet­ti, Mönch und Prie­ster der Gemein­schaft der Kin­der Got­tes, Fra Mario Rus­co­ni, Ere­mit, und Don Cur­zio Nito­glia, Kaplan eines Frau­en­s­or­dens bei Rom.

Über­set­zung: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Regi­na Equitum


1 Das ist es, was Heid­eg­ger meint, wenn er von der Ant­wort auf den „Ruf des Seins“ spricht: eine „Stim­me des Gewis­sens“, die aller­dings nicht mora­lisch-reli­gi­ös kon­no­tiert ist, son­dern als Wahr­neh­mung der eige­nen Exi­stenz. Eine Ant­wort auf einen sol­chen Ruf sank­tio­niert die Öff­nung des Seins für das „authen­ti­sche Leben“. Wenn „Authen­ti­zi­tät“ in der Bezie­hung zum ande­ren eine Bezie­hung impli­ziert, die vom ande­ren selbst aus­geht, so drückt sich „Unau­then­ti­zi­tät“ unter ande­rem in dem Wil­len aus, den ande­ren zu beherrschen.

2 Clau­dio Cera­sa: Caro Papa, la guer­ra giu­s­ta esi­ste [Lie­ber Papst, es gibt den gerech­ten Krieg], in: Il Foglio, Leit­ar­ti­kel, vom 29. Dezem­ber 2023. Il Foglio ist die akzen­tu­ier­te­ste trans­at­lan­ti­sche, phi­lo­se­mi­ti­sche und zio­ni­sti­sche Tages­zei­tung Ita­li­ens, Anm. GN.

3 Divo Bar­sot­ti: Que­sto è il mio testa­men­to [Das ist mein Testa­ment], 1974.

4 Augu­sti­nus: Epist. 189,6.

5 Clau­dio Cera­sa: Caro Papa… in: Il Foglio, Leit­ar­ti­kel, vom 29. Dezem­ber 2023

6 Augu­sti­nus: Epist. 189,6.

7 Augu­sti­nus: Quae­stio­nes in Hep­t­ateuchum VI: PL 34,781.

8 Für eine aus­rei­chend erläu­tern­de Dis­kus­si­on des The­mas sie­he Don Cur­zio Nito­glia: Die Ukrai­ne-Fra­ge, in: Regi­na equitum.

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