(Rom) Die Entscheidungen, ob Papst Franziskus seine Ansprachen hält oder verlesen läßt oder nichts von beidem, scheinen derzeit sehr improvisiert und teils im letzten Augenblick getroffen zu werden. Wie berichtet, wurde die Predigt am Palmsonntag zwar vorab den Medienvertretern verteilt, dann aber weder von Franziskus selbst noch von einem Mitarbeiter verlesen. Sie wurde damit zurückgezogen und gilt als nicht existent. Am Tag davor hatte Franziskus hingegen persönlich die Ansprache an die Mitarbeiter des italienischen Staatsrundfunks RAI gehalten. Gleiches tat er dann auch wieder gestern, Montag.
Seit mehreren Wochen verzichtete Franziskus auf seine Ansprachen. Er ließ die vorbereiteten Texte von verschiedenen Mitarbeitern verlesen. Es gab nur eine Ausnahme Anfang März, als er eine römische Pfarrei besuchte. Die nächste Ausnahme war am Samstag die Begegnung mit den Journalisten, Generaldirektoren und Technikern der RAI. Am nächsten Tag, dem Palmsonntag, waren daher alle überzeugt, daß Franziskus die Predigt selbst halten würde. Umso größer war die Verwunderung, als in der Zelebration auf dem Petersplatz auf die Leidensgeschichte direkt das Glaubensbekenntnis folgte. Die Predigt, die den akkreditierten Journalisten bereits übermittelt worden war, wurde einfach ausgelassen. Warum Franziskus sie auch nicht verlesen ließ, ist nicht bekannt.
Gestern, Montag, empfing Franziskus die nigerianische Gemeinschaft in Rom in Audienz. Ihnen gegenüber hielt er, erneut zur allgemeinen Überraschung, die Ansprache wieder selbst. Die jeweiligen Entscheidungen scheinen sehr spontan und improvisiert zu fallen, wobei liturgische Anlässe nachgereiht zu werden scheinen. In der Corona-Zeit erklärte der Heilige Stuhl die Generalaudienzen ja auch zu liturgischen Ereignissen, um formal die eigene radikale Maßnahmenpolitik beibehalten zu können. Am Mittwoch wird die nächste Generalaudienz stattfinden, bei der, wie schon in den vergangenen Wochen, damit gerechnet wird, daß Franziskus seine Katechese von einem Mitarbeiter verlesen läßt.
Insgesamt ist die Gesundheit des Kirchenoberhaupts deutlich angeschlagen. Bewegungen fallen ihm ziemlich schwer. Die Schmerzen dürften erheblich sein und haben nichts mit einer „Grippe“ zu tun, wie es hingegen offiziell heißt. Auch die Frage, ob Franziskus eine Ansprache selber hält oder verlesen oder ganz ausfallen läßt, steht in keinem Zusammenhang mit einer „Grippe“, sondern mit den operativen Eingriffen, denen er sich vor einiger Zeit in der Gemelli-Klinik unterziehen mußte.
Die Informationspolitik des Heiligen Stuhls zum Gesundheitszustand der Päpste ist traditionell karg und verschleiernd. Die Gründe sind vielfältig und haben auch mit einem Schutz zu tun. Es geht aber auch um das Verständnis des Papsttums, laut dem ein Pontifex seine persönlichen Gebrechen und Leiden stillschweigend erträgt und für die Kirche aufopfert. So wie auch persönliche Fasten- und Bußübungen eines Papstes nie öffentlich gemacht wurden.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Vatican.va (Screenshot)