(Rom) Am 29. Februar wurde der Generalobere der Priesterbruderschaft St. Petrus (FSSP) von Papst Franziskus in Audienz empfangen. Einige Tage später herrscht etwas mehr Klarheit über den Inhalt des Gesprächs. Eine Reihe von Fragen bleibt jedoch offen. Die Petrusbruderschaft ist die größte traditionsverbundenen Gemeinschaft, die sich in voller Einheit mit Rom befindet, entsprechend bedeutsam war die Begegnung.
Die erste Mitteilung über die Audienz erfolgte durch das vatikanische Presseamt im Tagesbulletin des 29. Februar. Generaloberer der Petrusbruderschaft ist seit 2018 der polnische Priester Andrzej Komorowski. Das Generalhaus der altrituellen Priesterbruderschaft befindet sich in Freiburg im Üechtland in der Schweiz.
Das offizielle Kommuniqué
Während der Heilige Stuhl keine weitere Stellungnahme zur Audienz abgab, veröffentlichte das Generalat der Petrusbruderschaft am 1. März ein offizielles Kommuniqué, das in verschiedenen Sprachen auf den Internetseiten der FSSP publiziert wurde. Hier der Inhalt der deutschen Fassung des Kommuniqués:
„Am Donnerstag, dem 29. Februar 2024, wurde Pater Andrzej Komorowski, Generaloberer der Priesterbruderschaft St. Petrus, von Papst Franziskus in Privataudienz empfangen. Begleitet wurde er dabei von Pater Benoît Paul-Joseph, Distriktoberer der Bruderschaft in Frankreich, und Pater Vincent Ribeton, Regens des Priesterseminars St. Petrus in Wigratzbad. Die Einladung erfolgte auf Anfrage der Petrusbruderschaft.
Das Treffen bot die Gelegenheit, dem Heiligen Vater für das Dekret vom 11. Februar 2022 zu danken, mit dem der Papst die besondere liturgische Stellung der Priesterbruderschaft St. Petrus bestätigt hatte. Dem Papst wurde aber auch von den Schwierigkeiten berichtet, die sich bei der Anwendung dieses Dekrets gezeigt hatten. Der Heilige Vater zeigte sich verständnisvoll und ermunterte die Priesterbruderschaft St. Petrus, durch ihr eigenes Charisma der kirchlichen Gemeinschaft immer mehr zu dienen. Pater Komorowski teilte dem Heiligen Vater außerdem mit, dass das Dekret von 2022 genau an dem Tag erlassen wurde, an dem sich die Petrusbruderschaft dem Unbefleckten Herzen Mariens weihte. Dieses Zusammentreffen der Ereignisse würdigte der Heilige Vater als ein Zeichen der göttlichen Vorsehung.“
Ein solcher Besuch im Vatikan ist unter den derzeitigen Bedingungen kein Spaziergang. Es könnten böse Überraschungen warten. Pater Komorowski und seine Begleiter haben den Gang dennoch gewagt. Das Ergebnis fiel grundsätzlich positiver aus, als es manche befürchtet hatten. Das Motu proprio Traditionis custodes vom Juli 2021 zielt zwar vordringlich auf die Zurückdrängung und Beseitung des überlieferten Ritus unter dem Weltklerus und außerhalb der Ecclesia-Dei-Gemeinschaften ab, erlaubt aber auch ein weitgehendes Abwürgen der Ecclesia-Dei-Gemeinschaften selbst. Im strengen Sinn verfügen die Ecclesia-Dei-Gemeinschaften seit Traditionis custodes nur mehr über eine abgesicherte Erlaubnis, im überlieferten Ritus zu zelebrieren, in ihren kanonisch eigenen Kirchen und Kapellen. Doch wie viele sind diese, abgesehen von mehr oder weniger kleinen Hauskapellen? Und selbst dazu ist zu sagen, daß Rechtssicherheit anders aussieht.
Das vertrauliche interne Kommuniqué
So ist ein Detail zur Audienz der Vorwoche alles andere als irrelevant: Bereits am 29. Februar hatte das Generalat ein internes Schreiben über das Treffen „ad usum Cleri“ herausgegeben. Es richtete sich an alle Mitglieder der FSSP mit dem ausdrücklichen Zusatz, daß diese Mitteilung vertraulich zu behandeln und nicht für die Verbreitung außerhalb der FSSP bestimmt sei. Dieses interne Schreiben enthält etwas mehr an Information. Hier der Wortlaut des vertraulichen Schreibens, das von Edward Pentin (National Catholic Register) auf X (Twitter) veröffentlicht wurde:
„Audienz bei Papst Franziskus
Aufgrund einer Bitte der Petrusbruderschaft an den Papst, ausgedrückt in einem
Brief vom 8. Dezember 2023 von Pater Benoît Paul-Joseph und Pater Vincent Ribeton mit der Zustimmung von Pater Andrzej Komorowski, antwortete der Heilige Vater
am 12. Dezember 2023, indem er unsere Mitbrüder zu einem Treffen mit ihm einlud. Er
empfing sie am Donnerstag, dem 29. Februar 2024, in Privataudienz im Vatikan.Das Treffen bot ihnen die Gelegenheit, dem Heiligen Vater für das Dekret vom 11. Februar 2022 zu danken, mit dem der Papst die besondere liturgische Stellung der Priesterbruderschaft St. Petrus bestätigt hatte, aber auch, um ihn über die Schwierigkeiten zu informieren, die bei der Anwendung dieses Dekrets aufgetreten sind.
Pater Komorowski informierte den Heiligen Vater darüber, daß das Dekret vom Papst am Tag der Weihe der FSSP an das Unbefleckte Herz Mariens am Ende einer gemeinsamen Gebetsnovene unterzeichnet worden sei. Der Papst kommentierte dies, indem er die Augen hob und mit dem Zeigefinger zum Himmel zeigte: ‚Das kommt von Gott!‘.
Der Papst zeigte großes Verständnis für die Schwierigkeiten in verschiedenen Diözesen, insbesondere in Frankreich. Er freute sich über die Fruchtbarkeit der Petrusbruderschaft in bezug auf die Berufungen und war tief beeindruckt von der Vitalität unserer Ausbildungshäuser. Er lud die Bruderschaft St. Petrus ein, die kirchliche Gemeinschaft durch ihr eigenes Charisma und die Bemühungen jedes ihrer Mitglieder weiter auszubauen, wobei er den Wunsch äußerte, die Freiheit jedes einzelnen Priesters zu respektieren für die Konzelebration der Chrisam-Messe oder zumindest für die Anwesenheit und die eucharistische Kommunion der Priester bei dieser Feier. Er ermutigte zur weiteren Kommunikation mit dem Dikasterium für die Institute geweihten Lebens und für die Gesellschaften apostolischen Lebens. Die Audienz dauerte etwa 25 Minuten.“
Die Passage mit der päpstlichen Aufforderung zur Teilnahme der Petrusbrüder an der Chrisam-Messe im Novus Ordo Missae und der eucharistischen Kommunion findet sich im öffentlichen Kommuniqué nicht. Diese von Franziskus geäußerte Forderung ist nicht neu. 2022 pochte er gegenüber französischen Bischöfen darauf. Sie stellt unverändert eine grundsätzliche Belastung dar. Die Teilnahmeforderung wird zurecht als eine Art Loyalitätstest gesehen. Zur Frage der Chrisam-Messe und weshalb die Ecclesia-Dei-Gemeinschaft die Teilnahme vermeiden sollte, veröffentlichte Peter Kwasniewski 2022 eine umfassende Analyse.
Einige Bischöfe wollten schon vor Traditionis custodes die Priester der Ecclesia-Dei-Gemeinschaften dazu zwingen, an der Chrisam-Messe im Novus Ordo Missae teilzunehmen. Ein französischer Oberhirte versteifte sich darin sosehr, bis er die Petrusbruderschaft schließlich aus seiner Diözese verbannte.
Beide Stellungnahmen sind aus Sicht der Petrusbruderschaft verständlich. Allerdings, ein wichtiges Detail, ist das sogenannte Dekret vom 11. Februar 2022 bisher nicht in den Acta Apostolicae Sedis (AAS) veröffentlicht worden.
Die Unruhe in der Tradition in einem unruhigen Pontifikat
Die Audienz für den Generaloberen der Petrusbruderschaft sorgte für erhebliche Aufregung in der geschundenen traditionsverbundenen Welt. Insgesamt fallen die Kommentare zwiespältig aus. Zwei Reaktionen:
„Ich glaube nicht, daß Bergoglio eine so tiefe Dankbarkeit verdient oder daß er für ein Minimum an Verständnis für das Wohl der Kirche, ihrer Priester und des Volkes Gottes empfänglich ist, solange er Traditionis custodes nicht in den Schrank gestellt hat.“
„Obwohl ich froh bin, daß der bergoglianische Hammer heute nicht auf die FSSP fällt, schlage ich vor, daß sie ihre Schutzhelme aufbehalten sollten.“
Das Gesamtbild der Reaktionen, ob in Europa oder in in anderen Erdteilen, besonders in den USA, zeigt, wie tief das Mißtrauen gegenüber Santa Marta eingewurzelt ist – aus gutem Grund. Franziskus läßt die Tradition außerhalb der Ecclesia-Dei-Gemeinschaft stückweise abwürgen, wie die jüngsten Beispiele aus England und den USA zeigen, während er gegenüber Ecclesia-Dei-Gemeinschaften gönnerhaft auftritt und sich dafür danken läßt, daß man am Leben gelassen wird. Er tut dies wohlwissend, daß er diesen 2021 ein Damoklesschwert über den Kopf gehängt hat. Die geäußerte Dankbarkeit der FSSP-Delegation ist angesichts dieser Situation jedoch durchaus verständlich, denn was wäre die Alternative? Besseres ist im derzeitigen Pontifikat nicht zu erwarten.
In diesem Zusammenhang fällt auch auf, wieviel bzw. wenig Zeit sich Franziskus für die Begegnung nahm, wenn man bedenkt, welche tiefsitzende Aversion er gegen den überlieferten Ritus und die Tradition hegt und seine apodiktische Beurteilung traditionsverbundener Gemeinschaften als Horte der „Ideologie“. Die Privataudienz am 29. Februar war seit zwei Jahren der einzige offizielle Termin, um mit Vertretern der Tradition sprechen zu können. Franziskus scheint an einem grundsätzlichen Gespräch wenig interessiert zu sein.
Bekannt ist hingegen seine Vorliebe, Personen in prekären Situationen an sich zu binden, da deren Dankbarkeit gesichert ist. Dazu gehört es offensichtlich auch, diese prekäre Situation selbst erst zu schaffen. Während Benedikt XVI. mit dem Motu proprio Summorum Pontificum Rechtssicherheit zu schaffen suchte, um dadurch die Voraussetzungen zu schöpfen, die eine fruchtbare Entfaltung der Tradition in der Kirche möglich macht, setzt Franziskus auf das genaue Gegenteil. Die Daumenschraube, die er ansetzt, schränkt diese Entfaltung nach außen stark ein. Vor allem verhindert sie, daß von Seiten der Ecclesia-Dei-Gemeinschaften sichtbarer Widerstand gegen seine innerkirchliche Agenda laut wird. Es darf bezweifelt werden, daß bei der Audienz am vergangenen Donnerstag beispielsweise über die Homo-Segnungen von Fiducia supplicans oder die „Synodalisierung“ der Kirche und ähnliche Steckenpferde von Santa Marta gesprochen wurde.
Und schließlich: Am 29. Februar fanden insgesamt mehrere Audienzen statt, wie das vatikanische Presseamt verlautbarte. Von allen anderen wurden offizielle Fotos veröffentlicht, was bisher in diesem Ausmaß nicht der Fall war. Einzig von der Audienz der Petrusbrüder mit Franziskus nicht. Das entsprechende Bild wurde von Petrusbruderschaft veröffentlicht.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: VaticanMedia/MiL (Screenshot)