(Rom) Die Homo-Agenda ist ist nicht (nur) die Agenda von Kardinal Victor Manuel „Tucho“ Fernández. Sie ist in erster Linie die Agenda von Papst Franziskus. Dies geht aus der Insistenz hervor, mit der Franziskus die Homo-Erklärung Fiducia supplicans verteidigt. In der Tat: Wer den auffälligsten roten Faden im Pontifikat von Franziskus sucht, stößt auf die Homo-Agenda. Sein heute erschienenes Interview liefert den jüngsten Beleg. Franziskus greift dabei zu einer dialektischen Finesse. Er wirft den Kritikern Heuchelei vor. Ist das aber berechtigt?
Das neue Interview von Franziskus findet sich in der heutigen Ausgabe der Wochenzeitschrift Credere. Per vivere l’avventura della fede (Glauben. Um das Abenteuer des Glaubens zu leben), die im Verlag der Paulusfamilie erscheint. Die Paulusfamilie umfaßt die neun Gemeinschaften, fünf Orden und vier Säkularinstitute, die vom seligen Giacomo Alberione zwischen 1914 und 1960 gegründet wurden. Zu ihren besonderen Charismen gehört das Schriftenapostolat. Kernstück ist der 1927 gegründete Verlag San Paolo in Cinisello Balsamo bei Mailand, der vom männlichen Ordenszweig geführt wird. In diesem Verlag wird eine Vielzahl von Zeitschriften herausgegeben, darunter Famiglia Cristiana, die auflagenstärkste Wochenzeitschrift Italiens, das Monatsmagazin Jesus und auch Credere. Alle sind ziemlich tief im progressiven Spektrum verortet.
Die Wochenzeitschrift Credere ist die jüngste Gründung. Sie ist erst mit der Wahl von Papst Franziskus und eigens für sein Pontifikat entstanden. Die erste Ausgabe erschien 2014.
In der aktuelle Ausgabe 5/2024 (11. Jahrgang) verteidigt Franziskus nicht nur Fiducia supplicans, sondern empört sich über die Kritik an dieser von ihm gutgeheißenen Homo-Erklärung des Glaubensdikasteriums. Den Kritikern wirft er „Heuchelei“ vor. Wörtlich sagt Franziskus:
„Niemand ist empört, wenn ich meinen Segen einem Geschäftsmann gebe, der vielleicht Menschen ausbeutet: Und das ist eine sehr schwere Sünde. Aber sie sind empört, wenn ich ihn einem Homosexuellen gebe. Das ist Heuchelei! Der Kern des Dokuments ist die Gastfreundschaft“.
So antwortet der Papst auf eine Frage zu den Kontroversen, die durch die Erklärung Fiducia supplicans entstanden sind, mit der Homo-Segnungen eingeführt werden. Ist der päpstliche Vergleich aber zutreffend und ist der Vorwurf damit berechtigt?
Der ausbeuterische Geschäftsmann kommt nicht zum Papst, um sich als Ausbeuter segnen zu lassen. Ein Homo-Paar will aber als solches gesegnet werden. Genau das unterstützt Fiducia supplicans, obwohl Homosexualität als Sünde wider die Natur zum Himmel schreit. Wie ehrlich ist also die Aussage von Papst Franziskus? Spitz formuliert könnte man auch fragen: Wer betreibt hier wirklich Heuchelei?
Im Interview mit dem Herausgeber der Zeitung, Don Vincenzo Vitale, blickt Franziskus insgesamt auf die Jahre seines Pontifikats zurück und schwingt auch dabei die Keule:
„Es gibt pastorale Erfahrungen, die das einfache Volk ansprechen. Es gibt auch ‚raffinierte‘ Realitäten, die nicht ankommen, Bewegungen, die ein wenig ‚exquisit‘ sind und die dazu neigen, eine ‚Ecclesiola‘ [Kleinkirche/Sekte] zu bilden, von Leuten, die sich überlegen fühlen.“
In dem Interview wird auch die Rolle der Frauen in der Kirche angesprochen, mit der sich Franziskus und der C9-Kardinalsrat in den vergangenen beiden Tagen befaßt haben:
„Die Öffnung der Arbeit in der Kurie für Frauen ist wichtig. In der römischen Kurie gibt es jetzt mehrere Frauen, weil sie bestimmte Aufgaben besser erfüllen als wir Männer.“
Fragen nach seinem Gesundheitszustand wehrt Franziskus ab, da er sie als Zweifel an seiner Regierungsfähigkeit versteht:
„Die Kirche wird mit dem Kopf regiert, nicht mit den Beinen.“
Sein Wunsch sei es, so Franziskus, daß die Kirche den Menschen „näherkomme“:
„Wenn ich in der Verwaltung bin, ja, dann tue ich, was ich tun muß… aber wenn ich bei den Menschen bin, ist das etwas anderes. Die Menschen leiden viel: Wir Kleriker leben manchmal bequem. Wir müssen die Arbeit, das Leiden der Menschen sehen.“
Die Verteilung der päpstlichen Schelten fällt eindeutig aus.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Credere.it/Vatican.va (Screenshots)