Warum greifen radikale Juden Christen an?

Abt der Dormitio-Abtei in Jerusalem attackiert


Der Abt der Dormitio-Abtei in Jerusalem wurde am Samstag von radikalen Juden angegriffen.
Der Abt der Dormitio-Abtei in Jerusalem wurde am Samstag von radikalen Juden angegriffen.

(Jeru­sa­lem) Am Sams­tag wur­de Abt Niko­de­mus Schna­bel von der Dor­mi­tio-Abtei von Jeru­sa­lem Opfer einer Spuck­at­tacke radi­ka­ler Juden. Der Bene­dik­ti­ner ist im Ordens­kleid ein­deu­tig als Christ zu erken­nen. Das mach­te den deut­schen Ordens­mann mit­ten in Jeru­sa­lem zur Ziel­schei­be fana­ti­scher Juden. Das Latei­ni­sche Patri­ar­chat ver­ur­teil­te den „unpro­vo­zier­ten und schänd­li­chen Angriff“. Die Täter, zwei jun­ge Juden, wur­den festgenommen.

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Die Angrei­fer hat­ten den Abt bespuckt und Chri­stus und das Chri­sten­tum auf übel­ste Wei­se belei­digt. Abt Schna­bel doku­men­tier­te den Angriff mit sei­nem Smartphone.

„Die Straf­ver­fol­gung der Täter sol­cher Haß­ver­bre­chen ist ein wich­ti­ges Mit­tel zur Abschreckung und zur Ver­bes­se­rung des Sicher­heits­ge­fühls christ­li­cher Geist­li­cher im Hei­li­gen Land, vor allem in Jeru­sa­lem“, so das Latei­ni­sche Patri­ar­chat.

Ähn­li­che Attacken gegen Chri­sten, ins­be­son­de­re Prie­ster und Ordens­leu­te, häu­fen sich in Jeru­sa­lem. Die Regie­rung Netan­ja­hu ver­sprach ein har­tes Durch­grei­fen, doch dazu ist es bis­her nicht gekom­men. Zu sehr scheint die Regie­rung von poli­ti­schen Kräf­ten abhän­gig, denen die Angrei­fer nahe­ste­hen. Sie­he dazu: War­um spucken (man­che) Juden auf Nichtjuden?

Gegen­über Radio Vati­kan beton­te der Abt, daß er für sei­ne Angrei­fer bete. Schna­bel war bereits mehr­fach Ziel sol­cher Anfein­dun­gen gewor­den, die längst nicht alle media­le Auf­merk­sam­keit fän­den, wie er erklär­te. Radio Vati­kan berich­te­te gestern dazu:

„In Isra­el neh­men Spuck­at­tacken und ver­ba­le Aggres­si­on radi­ka­ler Juden gegen Geist­li­che und Ordens­leu­te seit Mona­ten zu, auch Abt Schna­bel selbst hat­te mehr­fach dar­über berich­tet. Eben­so meh­ren sich Fäl­le von Van­da­lis­mus gegen Kir­chen und reli­giö­se Ein­rich­tun­gen. Die Täter stam­men oft aus stren­g­re­li­giö­sen Tal­mud-Schu­len (Jeschi­was) und spre­chen Nicht­ju­den das Recht ab, ihre Reli­gi­on in Isra­el zu praktizieren.“

Der Angriff, der tie­fe Ver­ach­tung zeigt, wirft eine grund­sätz­li­che Fra­ge auf: Auf wel­chem Nähr­bo­den wächst der Haß auf Chri­stus und das Chri­sten­tum, daß jun­ge, streng­gläu­bi­ge Juden an einem Sab­bat zu einer sol­chen Tat schrei­ten? Was für ein Geist ist das, in dem sie erzo­gen werden?

Die sich häu­fen­den Angrif­fe gegen Chri­sten in Isra­el machen eine Sei­te des Juden­tums sicht­bar, die zwei­tau­send Jah­re alt ist. Aus­gangs­punkt ist der Ruf: „Kreu­zi­ge ihn!“ Das nach­christ­li­che Juden­tum ist aus dem Pha­ri­sä­er­tum her­vor­ge­gan­gen, also aus einer dezi­diert anti­christ­li­chen Rich­tung, ehe es sich wei­ter aus­dif­fe­ren­zier­te. Das fand sei­nen Nie­der­schlag im Tal­mud, sowohl in der Jeru­sa­le­mer als auch in der Baby­lo­ni­schen Aus­ga­be. Ein roter Faden im Tal­mud ist eine abscheu­li­che Christus‑, Mari­en- und Christenfeindlichkeit.

Das nach­christ­li­che Juden­tum hat die­se Sei­te ihrer Reli­gi­on in der Öffent­lich­keit kaum gezeigt, weil sie in der Min­der­heit waren. Tei­le pfleg­ten die­se Tra­di­ti­on aber offen­sicht­lich wei­ter. In Isra­el tritt die­se häß­li­che Sei­te heu­te auch wie­der an die Öffentlichkeit.

Wer Ant­wor­ten auf die Fra­ge nach dem Nähr­bo­den sucht, fin­det eine in dem Buch von Tho­mas Schä­fer: „Jesus im Tal­mud“ (2007). Der 1943 gebo­re­ne Schä­fer war bis 1983 Pro­fes­sor für Juda­istik am Mar­tin-Buber-Insti­tut der Uni­ver­si­tät Köln, ab 1983 an der Frei­en Uni­ver­si­tät Ber­lin und ab 1998 gleich­zei­tig Pro­fes­sor an der Uni­ver­si­tät Prin­ce­ton. Er hat­te Gast­pro­fes­su­ren an der Hebräi­schen Uni­ver­si­tät Jeru­sa­lem, am Oxford Cent­re for Post­gra­dua­te Hebrew Stu­dies, an der Uni­ver­si­tät Yale und am Jewish Theo­lo­gi­cal Semi­na­ry of Ame­ri. Neben zahl­rei­chen ande­ren Prei­sen erhielt er 1994 den Leib­niz-Preis, 2006 den Mel­lon Award und 2021 den Orden Pour le Méri­te. Bis 2019 war er Direk­tor des Jüdi­schen Muse­ums in Ber­lin.

Die Lek­tü­re des Buches ist aller­dings nur für jene emp­feh­lens­wert, die star­ke Ner­ven und einen guten Magen haben.

Die Angrif­fe haben zahl­rei­che poli­ti­sche Impli­ka­tio­nen. Sie kon­ter­ka­rie­ren den von zio­ni­sti­schen Krei­sen mit gro­ßem Auf­wand betrie­be­nen „Schul­ter­schluß“ der Chri­sten mit dem Juden­tum gegen den Islam. In den USA wur­de dafür unter den pro­te­stan­ti­schen Frei­kir­chen eine eige­ne Rich­tung mit ein­deu­tig poli­ti­scher Ziel­set­zung aufgebaut. 

Obwohl die Angrif­fe in einem für Isra­el heik­len Moment die­se „Alli­anz“ gefähr­den, da sie Chri­sten welt­weit vor den Kopf sto­ßen und eine ver­bor­ge­ne Sei­te im Juden­tum sicht­bar machen, fin­den sie den­noch statt. Die Fra­ge ist nicht die nach den jun­gen Bur­schen, deren Han­deln als „Jugend­sün­de“ abge­tan wer­den könn­te, son­dern nach den Erwach­se­nen, die hin­ter ihnen ste­hen und in ihnen die­sen Geist genährt haben.

Text: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Face­book (Screen­shot)

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