
Gedanken von Uwe Lay
Wir befinden uns im Jahre 586 vor Christus. Der Staat Juda war vernichtet worden, der Reststaat Israels, die Hauptstadt mit dem religiösem Zentrum, dem Jerusalemer Tempel, vom Feinde verwüstet, und das Volk saß trauernd in Babylon exiliert. Die Geschichte des Elends, des Lebens in der Fremde, begann so für das Volk Israel.
Und: Die Priester und Leviten, sie wußten, daß sie in der Fremde keine Gottesdienste feiern durften. Denn Gott hatte Jerusalem als den einzigen Ort erwählt, wo ihm wohlgefällig die ihm gebührenden Opfer dargebracht werden dürfen. Wie kam es zu dieser Katastrophe?
Antifundamentalisten und Liberale ist das natürlich unzumutbar, aber nicht den frommen Juden. Sie bekannten: mea culpa, mea culpa, mea maxima culpa!
Das Volk Israel, seitdem sie das ihnen von Gott verheißende Land in Besitz genommen hatten, sündigten wider ihren Gott. Die Samuel- und Königsbücher bezeugen die Untreue des Volkes und ihrer Könige. Es gab Lichtmomente in der Geschichte des Volkes Gottes, aber es überwog die Untreue, und so zog Gott einen Schlußstrich: Er bestrafte es durch die militärische Niederlage und die Exilierung.
Die Priester warfen nun nicht dem König und seinen Militärs ein politisches Versagen vor, ihr hättet besser für einen Krieg vorbereitet sein sollen. Nein,mit den Propheten klagten sie: Wir haben gesündigt, und nun straft uns unser Gott. Und jetzt, exiliert, können wir Gott nicht einmal Sühneopfer darbringen, denn solche können nur im Jerusalemer Tempel Gott dargebracht werden. So mußte das Volk im Exil ohne seinen Gottesdienst leben, ohne diese so lebenswichtige Beziehung zu ihrem Gott.
Klagten sie Gott an oder beschwerten sie sich bei der Regierung Babylons, daß sie nun den so lebenswichtigen Gottesdienst einstellen mußten? Nein, sie nahmen es hin als Gottes Strafe. Aber sie taten etwas anderes in dieser gottesdienstlosen Zeit. Sie kreierten in der Not eine neue Gestalt des Gottesdienstes, als Surrogat für den Tempelkult: den Synagogengottesdienst. Das war ein reiner Wortgottesdienst ohne ein kultisches Opfer. Es war eine Geburt aus der Not des Exils heraus, aber eine Notordnung mit einer einzigartigen Erfolgsgeschichte, denn ab dem Zeitpunkt praktizierten es alle Diasporajuden so: In ihren Gastländern errichteten sie Synagogen, um dort, weil sie nicht zum Tempel pilgern konnten, Wortgottesdienste abzuhalten.
Nach der endgültigen Zerstörung des Jerusalemer Tempels wurde dieser Notgottesdienst der Synagoge sogar zu dem Gottesdienst der jüdischen Religion. Ihm fehlt aber das Herzstück der Frömmigkeit des Alten Bundes: der Jerusalemer Tempelkult. Und sie haben keine Priester mehr: So ist eine priesterlose Religion entstanden, an der dann Mohammed mit seiner neuen Religion anknüpfte wie auch dann später Martin Luther.
Ganz anders sieht das in der Katholischen Kirche aus. Die Heilige Messe der Kirche ist eine gelungene Synthese aus dem Synagogengottesdienst, der Vormesse, dem Wortteil und dem jerusalemischen Tempelkult, der nun seine Prolongierung in der Hauptmesse, der Darbringung des heiligen Meßopfers, findet.
Und jetzt?
Jetzt erleben wir, daß die Messe nicht mehr öffentlich, sondern nur noch ohne Volk, ohne Gemeinde zelebriert werden darf. Der Staat verbietet um der Volksgesundheit willen in dieser Zeit der Coronaseuche alle Arten von Versammlungen zum Schutze seiner Bürger.
Das ist ein gravierender Eingriff in die Freiheitsrechte seiner Bürger, aber es ist wirklich das Recht und sogar die Pflicht des Staates, bürgerliche Freiheitsrechte einzuschränken, wenn dies für das Gemeinwohl nötig ist. Ich mache kein Hehl daraus, daß ich die jetzige Regierung für keine gute erachte – wir werden nicht gut regiert! –, aber jetzt zolle ich unserer Regierung Respekt: In der Not wächst sie über sich hinaus, tatkräftig und entschieden setzt sie jetzt rigoristische Maßnahmen gegen viele Partikularinteressen durch, um des Allgemeinwohls willen. Jetzt erweist sich, daß dieser Staat wirklich ein Staat ist, und das ist etwas anderes als eine Serviceagentur für die Zivilgesellschaft! Die Zivilgesellschaft ist der Ort der Vielzahl von Partikularinteressen, die irgendwie ein Miteinander suchen, der Staat dagegen der Ort des Allgemeinwohls, des Volksstaates, des Nationalstaates, in dem das Volk sein Volksleben hat als allem Privatem Übergeordnetes.
Erfreulich ist nun auch, daß die Bischöfe der Katholischen Kirche, die Notlage anerkennend das staatliche Versammlungsverbot auch und gerade auch für alle kirchlichen Veranstaltungen durchsetzen. Jetzt darf nicht mehr öffentlich Gottesdienst gefeiert werden. Damit unterwirft der Staat die Kirchen so wie jede andere Vereinigung der Zivilgesellschaft einem Versammlungsverbot.
Es gibt keinen überzeugenden Grund dafür, daß Christen nun verlangen, daß der Staat sie zu privilegieren habe, daß sie weiterhin sich versammeln dürften, weil ihnen das so wichtig sei, aber allen anderen dürfe der Staat ein Versammeln verbieten um der Eindämmung der Coronaseuche willen.
Notzeiten verlangen kreative Antworten. Die Juden kreierten im babylonischen Exil den synagogalen Wortgottesdienst als Surrogat für den nicht mehr möglichen Tempelkult. Auch wir erleben nun eine Vitalisierung einer Gottesdienstform in den Zeiten der medialen Kommunikation, des Primates der virtuellen Welt in unserer Zeit der Postmoderne. Die Gottesdienste werden wie einst die von Luther so verschmähten Privat-Winkelmessen ohne eine Gemeinde, das Volk, gelesen und sie werden per Medien für viele trotzdem zugänglich gemacht.
Was ist dazu zu sagen?
Für eine gültige Messe ist allein ein zelebrierender Priester hinreichend. Es ist eine reformatorische Irrmeinug, daß die Gottesdienste in erster Linie Veranstaltungn für die Gemeinde sind.
Es ist auch ein Irrtum, wenn gemeint wird, daß nur die Gottesdienstbesucher einen Nutzen von dem Gottesdienst ziehen können.
Das Meßopfer wird von dem Priester eben immer auch für nicht Anwesende appliziert. Es wird immer zuerst Gott dargebracht, Ihm zur Ehre, aber auch um der Versöhnung mit Ihm. Deshalb würde der Staat sein Recht überschreiten, wenn er den Gottesdienst verböte, denn das Gott Geziehmende und von Ihm Gewollte darf der Staat nicht verbieten.
Er darf aber sehr wohl alle Versammlungen verbieten, auch die kirchlichen, um so die Menschen auch vor sich selbst zu schützen. Da nun die Messen in sehr erfreulicher Vielzahl durch Medien übertragen werden, muß auch eingeräumt werden, daß die Gruppe der Kirchgänger privilegiert wird! Wir können den Wortgottesdienst mithören, mitbeten und mitsingen, und für den geistlichen Nutzen macht es keinen Unterschied, ob ich eine Predigt live oder im Fernsehen übertragen höre. Hauptsache, ich höre sie.
Es gibt nur ein wirkliches Problem, daß ich die Eucharistie nicht sakramental empfangen kann.
Aber ich kann sehr wohl bei der Elevation Jesus Christus in dem gewandelten Brot und in dem Kelch anbeten und ihn dann geistlich kommunizieren. Eine heutzutage fast vergessene Weise des Empfangens und Nießens [gotisch niutan, althochdeutsch nioʒan; erhalten in genießen und nutznießen] des Altarsakramentes revitalisert sich so, auch im Verbund mit der erfreulichen Zunahme der Aussetzungen des Allerheiligsten zu Seiner Anbetung.
Kommt, lasset uns anbeten!
Urkatholische Frömmigkeitsformen beleben sich so neu – ein Gewinn für das Frömmigkeitsleben!
Aber es ist doch ein Verlust, daß wir nun nicht mehr sakramental die Eucharistie kommunizieren können.
Aber bevor wir gegen die staatlichen Schutzmaßnahmen protestieren, wie wäre es, wenn wir selbstkritisch uns befragen würden, ob wir und dieses Verbot eingehandelt haben?
Wie sollen wir denn vom Staate verlangen, einzusehen, daß uns Christen der Kirchgang etwas so Notwendiges ist, daß er uns diesen nicht verbieten darf, wenn jeden Sonntag 90 und mehr Prozent der Katholischen nicht zur Messe gehen und 97 Prozent der Evangelischen nicht zu ihren Versammlungen! Beweist das nicht unübersehbar, wie unwichtig der Gottesdienst für die überwältigende Mehrheit der Christen ist! Und nun muß, da wir Christen sind, auch von Gott die Rede sein.
Als die Frommen im babylonischen Exil einsahen, daß sie hier Gott keine Opfer darbringen konnten, klagten sie da oder bekannten sie, daß Gott ihnen den Jerusalemer Tempel nahm, weil sie soviel wider Gott gesündigt hatten? Könnten wir Christen nicht den Gedanken erwägen, ob Gott uns den Zugang zur sakramentalen Kommunion versperrt, weil zu viele sakrilegisch die Kommunion empfangen, weil wir zu viel gegen Ihn sündigen?
Aber das Negative hat auch, wie auch die Kreierung des Synagogengottesdienstes als Ersatz, etwas Positives. Die Kirche ist mit ihren Gottesdiensten in der Postmoderne angekommen, denn sie zeichnet sich durch den Primat der virtuellen Wirklichkeit aus. Es wird vielleicht in Bälde eine Selbstverständlichkeit sein, daß zumindest jede von einem Bischof zelebrierte Messe über Medien übertragen wird und von Gläubigen so mitgefeiert wird. Ob wir es wollen oder nicht, die Kirche lebt jetzt in der Postmoderne, und so selbstverständlich in ihr das Telephonieren ist, und nicht dabei geklagt wird, daß man sich dabei nicht gegenseitig in die Augen schaut so selbstverständlich muß uns die Mitfeier der Messe durch Medien werden.
Bild: Youtube/Kloster Maria Engelport
Mich hat in der Tat nicht geschmerzt, dass man nun die Ostermesse, bzw. die Osternacht nicht wie sonst gefeiert hat, außer Hochmut und Bosheit und Gleichgültigkeit und lustvoller Schändung des heiligen Messopfers sah man da häufig sowieso nichts, wenn auch die Liturgie und die verlesenen Bibeltexte Spuren der einsitgen Herrlichkeit enthielten.
Vielmehr hat mich die fortwährende Gleichgültigkeit vieler Priester und Laien geschmerzt, die ihre Chance sahen, es ärger zu treiben als vorher, durch Verbot der Mundkommunion bzw. der Entweihung des Weihwassers, dadruch dass es das nicht mehr gab, auch wenn man sich etwas hätte einfallen lassen können. Z.B. austeilen durch eine Art Weihwassergefäßspender, deren Griff man mit daneben stehendem Desinfekitionsmittel reinigt. Oder einer hätte daneben stehen können, und den Hahn bedienen. Jetzt hat man in meiner Gemeinde einfach die ganze Weihwasserflasche, die den Verschluss von Bierflaschen hatte hingestellt. Um diese dann anzufassen und dann, mit einem Trichter, der sonst zum Benzin abfüllen gebraucht wird, Weihwasser abzufüllen.
Nie hat man während der Anbetung ein gemeinsames Lied oder Gebet organisiert.
Ja, offensichtlich hatten die Priester und auch viele Laien ihre Freude an der Entweihung, deren Chance sie genutzt haben.
Das zu sehen hat geschmerzt, nicht der Ausfall an sich.
Ansonsten ist die Aussage, dass Christen um Bevorzugung bitten würden, falsch, wie der Abt Goesch zu recht gesagt hat, könnte man in der Kirche viel eher für die nötige Sicherheit, wie z.B.Scherheitsabstände sorgen, als in Supermärkten.
Erst recht wenn man bedenkt, dass noch Restaurantes auf waren, als die Versammlung zur Messe bereits verboten war.
Und wenn er die ständige Videoübertragung einer Messe als richtig, ja notwendig bezeichent, gleichzeitig aber lobt, dass wir durch die Covid Krise wieder lernen, uns geistlich einer nicht sichtbaren Messe anzuschließen, so wie die ersten Christen, so ist das ein ganz klarer Widerspruch
Der Artikel entält einige Wahrheiten, aber auch so einige Tropfen Gift.
Vernünftiger, großartiger Beitrag. Man würde wünschen und sollte meinen, dass alle Katholiken, die sich als traditionstreu verstehen, das so einsehen, verstehen und entsprechend handeln würden!
Euca, wie Recht Sie doch haben, volle Zustimmung.
Ich würde hier nicht von „Tropfen Gift“ sprechen, sondern das Kind beim Namen nennen:
In einer vermeintlich traditionell-katholischen Phiole wird uns gehörig Gift darin verabreicht.
Die reale, sakramentale Stärkung (vor allem die Segensgänge mit dem Allerheiligsten oder auch mögliche Einzelsegnungen unter Einhaltung der behördlich vorgeschriebenen Abstände) fehlte und fehlt völlig.
Lauer Klerus hat sich nur allzu gern hinter den Kirchenmauern versteckt oder sich durchaus „medial“ inszeniert.
Die vielen, wertvollen stillen Heiligen Meßopfer vergangener Zeiten waren durchaus immer an den Seitenaltären von betenden Menschen begleitet und gerade die Anwesenheit bei der Wandlung war dem mittelalterlichen Menschen das Höchste, deswegen werden die Kirchenglocken noch zur Wandlung bis heute geläutet. Gläubige früherer Jahrhunderte wollten besonders an Sonntagen bei mehreren Wandlungen in den Heiligen Messen dabei sein und gingen von Kirche zu Kirche, um betend das Mysterium zu begleiten. Das ist ein ganz anderer Zugang und hat nichts mit dem zu tun, was uns hier der Artikelverfasser glauben machen will. Wir haben keine „virtuelle Kirche“, sondern eine echte, am Mysterium durch die Gläubigen teilnehmende Kirche.