(Peking) Nach einer längeren Phase des Stillstandes geht es nun Schlag auf Schlag. Gestern wurde erneut ein Bischof in der Volksrepublik China geweiht. Während die chinesischen Medien den Vatikan und Papst Franziskus nicht einmal erwähnen, versuchen dem Vatikan nahestehende kirchliche Medien den Eindruck zu erwecken, alles sei mit Zustimmung von Franziskus geschehen. Der darf aber nur mehr hinterher die vom kommunistischen Regime geschaffenen Tatsachen absegnen.
Viele Monate hatte sich nichts getan, dann erfolgte am vergangenen Donnerstag die Weihe des neuen Bischofs von Zhengzhou. Die Diözese war 70 Jahre unbesetzt geblieben, nachdem die Kommunisten den einstigen Bischof 1953 des Landes verwiesen hatten. Geweiht wurde jener Provinzstatthalter der regimehörigen Patriotischen Vereinigung.
Gestern früh wurde nun ein zweiter Bischof geweiht. Es handelt sich um den 53jährigen Antonio Sun Wenjun. Er wurde erster Bischof einer neuen Diözese. Beide Akte erfolgten einseitig durch die kommunistischen Machthaber. Sie erhoben die seit 1982 unbesetzte Apostolische Präfektur Yiduxian mit neuen Grenzen zur Diözese Weifang.
Römische Medien wie Fides, der Nachrichtendienst des Dikasteriums für die Evangelisierung der Völker, und AsiaNews, der Nachrichtendienst des Päpstlichen Instituts für die Auslandsmissionen (PIME), berichten, alles habe „mit Zustimmung Roms“ stattgefunden. Es entspreche alles „dem Willen von Papst Franziskus“ und sei „im Rahmen des Abkommens“ mit Peking erfolgt. Gemeint ist damit das 2018 zwischen dem Heiligen Stuhl und der Volksrepublik China unterzeichnete Geheimabkommen, das 2020 und 2022 jeweils auf zwei Jahre verlängert wurde. Offiziell wurde der Inhalt des Geheimabkommens nie veröffentlicht. Insider ließen aber frühzeitig wissen, daß es das heikle Thema der Bischofsernennungen regle. Auf welche Weise kann man nur erahnen.
Die beiden jüngsten Beispiele bestätigen, daß die Kommunistische Partei Chinas (KPCh) das Heft des Handelns in der Hand hält. Sie bestimmt und ernennt nach ihrem Gutdünken. Dem Heiligen Stuhl bleibt nur die Möglichkeit, nachträglich zuzustimmen. Konsultationen zu Personalentscheidungen finden vorab nicht statt. Die Machthaber in Peking demonstrieren ihre Macht.
Antonio Sun Wenjun ist 53 Jahre alt und stammt aus Weifang in der Provinz Schandong. Die Apostolische Präfektur Yiduxian war 1931 aus dem Apostolischen Vikariat Chefoo hervorgegangen und französischen Franziskanern anvertraut worden. Zwei Franziskaner, keine Bischöfe, standen nacheinander an ihrer Spitze: P. Venance Guichard (1932–1937) und P. Alexandre Digard (1938–1949). Er resignierte, als er von den Kommunisten aus dem Land gejagt wurde. So konnte ein chinesischer Franziskaner, P. John Yang Feng-Shu, das Amt übernehmen, was den Fortbestand bis 1982 als Untergrundkirche sicherte.
1948 zählte die Präfektur 0,5 Prozent Katholiken, 27 Priester, davon 14 Weltpriester und 13 Ordenspriester, 21 Pfarreien und 17 Ordensfrauen.
Das Regime errichtete 1958 die Patriotische Vereinigung als von Rom getrennte, schismatische Kirche und begann regimehörige Bischöfe einzusetzen. Auch an die Spitze der Präfektur Yiduxian setzte die Kommunistische Partei eigene Präfekten, die sich nicht in der Einheit mit Rom befanden. Diese wurden im Auftrag der Partei von regimehörigen Bischöfen auch gleich zu Bischöfen geweiht und das Gebiet als Diözese behandelt.
Die Situation in China ist seit der kommunistischen Machtübernahme kompliziert. 1988 wurde Joseph Sun Zhibin vom Regime ohne Zustimmung Roms zum Präfekten von Yiduxian ernannt und zum Bischof geweiht. Er beantragte aber nachträglich die Anerkennung durch Rom, unterwarf sich dem Papst und wurde von diesem im Amt bestätigt. Als er 2008 starb, blieb die Position jedoch unbesetzt.
Nun wurden von Rom die Grenzen der Jurisdiktion neu gezogen und den Ballungsräumen angepaßt. Aus der Apostolischen Präfektur Yiduxian wurde die Diözese Weifang.
Antonio Sun Wenjun wurde von Bischof John Fang Xingyao von Linyi geweiht, dem Bischof Joseph Yang Yongqiang von Zhoucun und Erzbischof Joseph Zhang Xianwang von Jinan assistierten. Alle drei sind von Rom und der Kommunistischen Partei anerkannt. Der weihende John Fang Xingyao wurde im Zuge der Unterzeichnung des Geheimabkommens von Rom anerkannt.
Allen drei ist zudem gemeinsam, daß sie ranghohe Vertreter der regimehörigen kirchlichen Parallelstrukturen sind. Bischof Fang Xingyao ist seit 2010 Vorsitzender der Patriotischen Vereinigung und Bischof Joseph Zhang Xianwang ist stellvertretender Vorsitzender des Chinesischen Bischofsrats, der Parallelstruktur zur Bischofskonferenz.
In Rom wird beschönigend behauptet, die Ernennung von Bischof Sun Wenjun sei bereits am 20. April 2023 erfolgt. Das ist wenig glaubwürdig, denn genau in jenen Tagen war es zu einer massiven Abkühlung gekommen, nachdem Peking Msgr. Shen Bin nach Schanghai versetzt hatte. Erst Mitte Juli bestätigte Franziskus, auch damals nachträglich, die Eigenmächtigkeit.
Kirchliche Medien betonen, daß mit Weifang vom Papst die erste Diözese in China seit der kommunistischen Machtübernahme 1949 errichtet wurde. Die Wirklichkeit ist etwas anders. Die kommunistischen Machthaber hatten die Grenzen der ehemaligen Apostolischen Präfektur angepaßt, die sie ohnehin als eigene Diözese behandelten. Franziskus segnete den staatlichen Eingriff nun lediglich nachträglich ab. Die Kommunisten entscheiden, der Papst hat nur mehr zu akzeptieren. Diese Unterordnung des Heiligen Stuhls gefällt den roten Eliten in Peking.
1949 gab es in China 147 kirchliche Jurisdiktionen: 20 Erzbistümer, 96 Bistümer, 29 Apostolische Präfekturen und zwei Administrationen. Heute beanspruchen die kommunistischen Machthaber, daß die Volksrepublik China nur mehr aus 104 Diözesen besteht (hinzu kommen noch Hongkong und Macao), weil die Diözesangrenzen vom Regime den staatlichen Verwaltungsgrenzen angepaßt wurden. Es gibt auch keine Rangunterschiede, weil es keine Erzbistümer und Kirchenprovinzen gibt.
Im Klartext: Für das Regime existiert die Diözese schon längst, war aber seit 2008 unbesetzt. Der Vatikan zog nun nach. Die Diözese zählt heute offiziell zehn Priester und sechs Ordensfrauen.
Tatsächlich hatte Franziskus selbst bereits 2021 eine Rückstufung eines Erzbistums zur Diözese und somit eine Anpassung an die Vorgaben des Regimes vorgenommen. In Rom wird aber das kleinste „Entgegenkommen“, das in Wirklichkeit keines ist, als Erfolg gefeiert.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: China Catholic (Screenshots)