
Von einer Katholikin
Kaum hat man Notiz genommen von der Note des Bayonner Bischofs Aillet zu Fiducia supplicans, richtet sich schon – wie zu befürchten war – der Sturm der Empörung gegen den der Wahrheit verpflichteten konservativen Bischof.
Am 2. Januar veröffentlichte die Vereinigung SOS homophobie auf ihrer Internetseite ein Kommuniqué, in dem sie den Bischof anklagt und seine Erklärung als „Aufruf zur Konversionstherapie“ verurteilt. Man verlangt, daß der Text von der Internetseite der Diözese Bayonne genommen oder zumindest von den Teilen gesäubert werde, die Konversionstherapien unterstützten. Der Bischof legitimiere nicht nur die Konversionstherapie, sondern erlege Paaren, die um den Segen bitten, „diskriminierende Bedingungen“ auf.
SOS Homophobie ist eine französische feministische Vereinigung zum „Kampf gegen Lesbophobie, Gayphobie, Biphobie, Transphobie und Intersexophobie“. Sie ist als gemeinnützig eingestuft und vom französischen Ministerium für Bildung und Erziehung autorisiert, ihren ergänzenden Beitrag im öffentlichen Schulwesen zu leisten, d. h., sie wird im Rahmen von Sensibilisierungsaktionen in Schulklassen eingeladen.
Auf Anfrage von Franceinfo stellte das Bistum klar, daß es sich um eine „falsche Interpretation“ handele. Es gehe dem Bischof nicht um Konversionstherapien, sondern um den Bezug zum Evangelium, das „alle Gläubigen zur Umkehr auffordere, um den richtigen Weg einzuschlagen“.
Gegenüber der Zeitung La Croix betonte er noch einmal, daß die Kirche zu einer Bekehrung zum Glauben aufruft, um das Leben in Übereinstimmung mit dem Evangelium zu bringen, und er erklärt: „Jeder Gläubige, der Christus folgen will, muß versuchen, sein Leben am Evangelium auszurichten und so gut wie möglich darauf zu hören. Ich lade also zu einem seelsorgerlichen Dialog ein, um zu erklären, was uns die Kirche über Liebe und Sexualität lehrt. Sie sagt jedem, der außerhalb der sakramentalen Ehe lebt, daß er zur Keuschheit gerufen ist (was nicht nur homosexuelle Personen betrifft). Doch handelt es sich nicht darum, das Leben der Menschen zu kontrollieren oder Zwang auszuüben, um sie zu zwingen, ihre Orientierung zu ändern. Es geht nicht darum zu urteilen, sondern einen Weg christlichen Lebens vorzuschlagen.“
Diese Reaktion ist die einzig richtige angesichts der Provokation durch SOS Homophobie, denn natürlich muß jedem klar sein, der seinen Text gelesen hat, wovon der Bischof darin nicht gesprochen hat. Und es ist offensichtlich, daß es sich um eine böswillige falsche Anschuldigung handelt durch eine absichtliche Fehldeutung des Begriffes „Konversion“.
Denn es geht um Agitation. Ziel ist die Ausschlachtung zum Zwecke populistischer LGBT-Propaganda und die Kriminalisierung des Bischofs, den man an den Pranger der „République“ stellt, gegen deren Gesetze er verstoße. Daran „erinnert“ man den Bischof und zitiert geradezu genüßlich Art. 225–4‑13 des Strafgesetzbuchs zu „Praktiken, Verhaltensweisen oder Worten, die darauf zielen, die sexuelle Orientierung oder Geschlechtsidentität einer Person, zutreffend oder vermutet, zu unterdrücken“, sowie das Gesetz vom 31. Januar 2022, das Praktiken, die auf eine Modifizierung der sexuellen Orientation oder Geschlechtsidentität einer Person abzielen, verbietet und Verstöße mit „zwei Jahren Haft und 30.000 Euro Strafe“ ahndet.
Der Bischof riskiere mit seinen Ansprüchen außerdem, daß sich Menschen selbst verleugnen müssen und dadurch von Vereinsamung, Depression oder Suizidversuchen bedroht seien. Es gebe entgegen den Behauptungen des Bischofs gar keine homosexuellen Aktivitäten oder Paare in homosexuellen Beziehungen, sondern nur Personen, deren „Integrität und Grundrechte garantiert werden müssen“.
Und das Sahnehäubchen größtmöglicher Scheinheiligkeit:
„SOS Homophobie bedauert, den öffentlichen Aufruf von Bischof Aillet zum Haß gegen die LGBTI-Gemeinde anprangern und verurteilen zu müssen, wo doch Papst Franziskus I. (das schreiben die wirklich; Anmerkung der Verfasserin) mit seiner Erklärung Fiducia supplicans einen Schritt nach vorne gemacht hatte, indem er die Segnung homosexueller und gleichgeschlechtlicher Paare erlaubte, auch wenn er die stigmatisierende und diskriminierende Behandlung von LGBTI-Personen durch die katholische Kirche nicht beendet hat.“
Immerhin: Segnungen erlaubt. Das hat man begriffen. Ein halber Punkt für Franziskus. Da kann Kardinal Fernández noch so viele rhetorische Klimmzüge machen, um das weiterhin zu verschleiern.
Bild: twitter.com/SOShomophobie (Screenshot)