Die Weihnachtskrippe, ein Weg, die Menschwerdung Gottes zu sehen

Der 800. Geburtstag der Krippe des heiligen Franz von Assisi


Die diesjährige Weihnachtskrippe auf dem Petersplatz ist deren Erfindung durch den heiligen Franz von Assisi vor 800 Jahren gewidmet
Die diesjährige Weihnachtskrippe auf dem Petersplatz ist deren Erfindung durch den heiligen Franz von Assisi vor 800 Jahren gewidmet

Von Johan­nes Thiel

Anzei­ge

Im Jahr 1223 emp­fand der hei­li­ge Fran­zis­kus in jener Hei­li­gen Nacht in dem klei­nen Ort Greccio im Apen­nin hin­ter Rom den Wunsch, die Geburt des Got­tes­soh­nes, der Fleisch gewor­den ist, sze­nisch nach­emp­fun­den zu sehen. So ent­stand die gro­ße und schö­ne, inzwi­schen 800 Jah­re alte Tra­di­ti­on der Weihnachtskrippe.

Nach zwei­fel­haf­ten Krip­pen auf dem Peters­platz, wie jener homo-ero­ti­schen im Jahr 2017 oder der Mars­men­schen-Krip­pe im Jahr 2020. Dann klaff­te eine Lücke, da Fran­zis­kus „wegen Coro­na“ den tra­di­tio­nel­len Besuch bei der Weih­nachts­krip­pe auf dem Peters­platz absag­te. In die­sem Jahr ist die gro­ße Krip­pe des Vati­kans dem 800. Jah­res­tag der ersten Krip­pe gewid­met, die auf eine Initia­ti­ve des hei­li­gen Franz von Assi­si zurück­ging. Die am Sams­tag abend in einer klei­nen Fei­er geseg­ne­te Krip­pe (und auch der beleuch­te­te Weih­nachts­baum) ist im Ver­gleich beson­ders schön gelun­gen, wenn auch in der Dra­ma­tur­gie unge­wohnt. Die Höh­le zeigt die fres­ken­ver­zier­te Apsis einer alten Fel­sen­kir­che und den hei­li­gen Fran­zis­kus an der Krip­pe, der das Jesus­kind in sei­nen Hän­den hält.

Der hei­li­ge Fran­zis­kus befand sich wahr­schein­lich auf dem Rück­weg von Rom, wo Papst Hono­ri­us III. am 29. Novem­ber 1223 sei­ne Ordens­re­gel bestä­tigt hat­te. Viel­leicht hat­te der Hei­li­ge noch die pracht­vol­len Mosai­ke in der päpst­li­chen Basi­li­ka San­ta Maria Mag­gio­re vor Augen, die die Geburt Jesu dar­stel­len. Auf dem Rück­weg streb­te er in das Tal von Rie­ti, wo der Über­lie­fe­rung nach die Bret­ter der Krip­pe von Bet­le­hem auf­be­wahrt wer­den. Die Höh­len von Greccio erin­nern ihn an die Höh­len von Beth­le­hem, die er viel­leicht auf sei­ner Rei­se ins Hei­li­ge Land gese­hen hat. Es ist fast Weih­nach­ten und Fran­zis­kus ver­spür­te das inni­ge Bedürf­nis, das gro­ße Ereig­nis der Mensch­wer­dung „mit den Augen zu sehen“.

Die­ser Wunsch ist es, der Fran­zis­kus ver­an­laßt, sei­nen Freund Johan­nes zu bit­ten, ihm bei der Ver­wirk­li­chung sei­ner Idee zu hel­fen. So ent­stand, was wir heu­te Krip­pe nennen.

Die Idee des heiligen Franziskus

Fran­zis­kus möch­te das Kind von Beth­le­hem mit allen wahr­neh­men. Er bringt auch dar­in das Bewußt­sein zum Aus­druck, daß der christ­li­che Glau­ben kei­ne Idee, kei­ne Phi­lo­so­phie und nicht ein­mal eine Reli­gi­on ist, son­dern ein Ereig­nis, eine Tat­sa­che: „Et ver­bum caro fac­tum est“ (Joh 1,14), „und das Wort ist Fleisch gewor­den und hat unter uns gewohnt“.

Fran­zis­kus, der in jener Hei­li­gen Nacht vor 800 Jah­ren die Weih­nachts­krip­pe „erfin­det“, stellt den pla­sti­schen Bezug zwi­schen der Geburt und der hei­li­gen Eucha­ri­stie her. Der Herr ist Fleisch gewor­den, um sich für unse­re Sün­den zu opfern.

Tho­mas von Cela­no, sein Bio­graph, beschreibt die Szene:

„Der Hei­li­ge steht eksta­tisch vor der Krip­pe, sein Geist bebt vor Zer­knir­schung und unbe­schreib­li­cher Freu­de. Dann zele­briert der Prie­ster fei­er­lich die Eucha­ri­stie über der Krip­pe, und er selbst genießt einen Trost, den er nie zuvor geko­stet hat“ (FF.469).

Die Krip­pe des Fran­zis­kus in Greccio ist von Schlicht­heit geprägt, von einer ent­waff­nen­den Wesent­lich­keit. Es gibt den Ochs und den Esel, die Krip­pe, das Heu und den Altar, auf dem die hei­li­ge Eucha­ri­stie gefei­ert wird. Es geht ganz um das Wesentliche.

Die heiligen Geheimnisse

Der hei­li­ge Fran­zis­kus war ganz von der Anbe­tung der hei­lig­sten Eucha­ri­stie beseelt. In sei­nem Testa­ment aus dem Jahr 1226 beschreibt Fran­zis­kus sei­ne Lie­be zur Kir­che und zur Eucha­ri­stie mit den fol­gen­den Worten:

„Und der Herr gab mir so viel Glau­ben an die Kir­che, daß ich ein­fach bete­te und sag­te: ‚Wir beten Dich an, Herr Jesus Chri­stus, in allen Dei­nen Got­tes­häu­sern, die es auf der gan­zen Welt gibt, und wir seg­nen Dich, denn durch Dein hei­li­ges Kreuz hast Du die Welt erlöst.
Da gab und gibt mir der Herr so viel Ver­trau­en zu den Prie­stern, die nach der Form der hei­li­gen römi­schen Kir­che leben, wegen ihrer Ord­nung, daß ich, wenn sie mich ver­fol­gen soll­ten, zu ihnen Zuflucht neh­men wür­de. Und wenn ich so viel Weis­heit hät­te wie Salo­mo und den armen Prie­stern die­ser Welt in den Pfar­rei­en begeg­ne­te, in denen sie leben, woll­te ich nicht gegen ihren Wil­len pre­di­gen. Und die­se und alle ande­ren will ich fürch­ten, lie­ben und ehren wie mei­ne Her­ren, und ich will kei­ne Sün­de an ihnen sehen, denn in ihnen sehe ich den Sohn Got­tes, und sie sind mei­ne Her­ren. Und ich tue dies, weil ich von dem aller­höch­sten Sohn Got­tes nichts ande­res leib­lich in die­ser Welt sehe als sei­nen hei­lig­sten Leib und sein hei­lig­stes Blut, die sie allein kon­se­krie­ren und die sie allein den ande­ren spenden.

Und die­se hei­lig­sten Geheim­nis­se sol­len vor allem geehrt, ver­ehrt und an kost­ba­re Orte gestellt wer­den. Und wo immer ich Sei­ne hei­lig­sten Namen und Sei­ne Wor­te an unwür­di­gen Orten geschrie­ben fin­de, möch­te ich sie ein­sam­meln, und ich bete, daß sie ein­ge­sam­melt und an einen wür­di­gen Ort gebracht wer­den. Und wir müs­sen alle Theo­lo­gen und die­je­ni­gen, die das gött­li­che Wort ver­kün­den, ehren und respek­tie­ren eben­so wie die­je­ni­gen, die uns Geist und Leben geben“ (FF.111–115).

Eine dramaturgische Wiedergabe

Das unauf­lös­li­che Band der Lie­be zu den Sakra­men­ten und der Lie­be zur Kir­che, die sie spen­det, ist ein struk­tu­rie­ren­des Ele­ment sei­ner eige­nen Lebens­er­fah­rung. Die glei­che Armut muß für Fran­zis­kus vor den lit­ur­gi­schen Gegen­stän­den zurück­wei­chen, die kost­bar sein müs­sen, weil sie Chri­stus selbst ent­hal­ten, der in der Eucha­ri­stie gegen­wär­tig ist.

Am Ende sei­nes Berichts über die Krip­pe von Greccio beleuch­tet Tho­mas von Cela­no das gro­ße Ereig­nis von Greccio mehr als jedes ande­re Wort und gibt uns die tie­fe Bedeu­tung der „thea­tra­li­schen“ Geste von Fran­zis­kus wieder:

„Das Heu, das in die Krip­pe gelegt wor­den war, wur­de auf­be­wahrt, auf daß der Herr in Sei­ner Barm­her­zig­keit damit Gän­se und ande­re Tie­re hei­le. Und tat­säch­lich geschah es, daß in jener Gegend Stu­ten und ande­re Tie­re, die von ver­schie­de­nen Krank­hei­ten befal­len waren, durch den Ver­zehr die­ses Heus von ihnen befreit wur­den. Sogar eini­ge Frau­en, die wäh­rend einer müh­sa­men und schmerz­haf­ten Geburt ein wenig von die­sem Heu auf sich selbst leg­ten, wur­den glück­lich ent­bun­den. Auf die glei­che Wei­se haben zahl­rei­che Män­ner und Frau­en ihre Gesund­heit wiedererlangt.

Heu­te ist die­ser Ort dem Herrn geweiht, und über der Krip­pe wur­de ein Altar errich­tet und eine Kir­che zu Ehren des hei­li­gen Fran­zis­kus geweiht, sodaß dort, wo einst die Tie­re Heu fra­ßen, nun die Men­schen zur Nah­rung der See­le und zur Hei­li­gung des Lei­bes das Fleisch des unbe­fleck­ten Lam­mes, Jesus Chri­stus, unse­res Herrn, essen kön­nen, der sich in unend­li­cher Lie­be für uns hin­ge­ge­ben hat. Er lebt und regiert mit dem Vater und dem Hei­li­gen Geist ver­herr­licht in alle Ewig­keit. Amen“ (FF.471).

Bild: MiL


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