Erzbischof Wolfgang Haas von Papst Franziskus emeritiert

Das zähe Ringen um eine (verhinderte) kirchliche Erneuerung im deutschen Sprachraum


Erzbischof Wolfgang Haas wurde von Papst Franziskus, kurz nach Vollendung seines 75. Lebensjahres, als Erzbischof von Vaduz emeritiert.
Erzbischof Wolfgang Haas wurde von Papst Franziskus, kurz nach Vollendung seines 75. Lebensjahres, als Erzbischof von Vaduz emeritiert.

(Rom) Am 20. Sep­tem­ber akzep­tier­te Papst Fran­zis­kus das vom Kir­chen­recht vor­ge­schrie­be­ne Rück­tritts­an­ge­bot von Msgr. Wolf­gang Haas, dem Erz­bi­schof von Vaduz, des­sen Juris­dik­ti­on das Für­sten­tum Liech­ten­stein umfaßte.

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Am ver­gan­ge­nen 7. August hat­te Erz­bi­schof Haas sein 75. Lebens­jahr voll­endet. Das bot Papst Fran­zis­kus, der selbst kurz vor Voll­endung des 87. Lebens­jah­res steht, die Gele­gen­heit, den ersten Bischof des Erz­bis­tums Vaduz zu eme­ri­tie­ren. So jung ist die Diö­ze­se nämlich.

Fran­zis­kus beließ Msgr. Haas, was durch­aus denk­bar und nicht unüb­lich gewe­sen wäre, auch nicht bis zur Amts­ein­füh­rung sei­nes Nach­fol­gers als Apo­sto­li­schen Admi­ni­stra­tor in sei­ner Diö­ze­se. Zum Apo­sto­li­schen Admi­ni­stra­tor sede vacan­te et ad nutum Sanc­tae Sedis setz­te der Papst statt­des­sen Bischof Ben­no Elbs von der öster­rei­chi­schen Diö­ze­se Feld­kirch ein.

Wap­pen von Msgr. Haas als Erz­bi­schof von Vaduz

Das Für­sten­tum Liech­ten­stein gehör­te seit der Anti­ke zum Bis­tum Chur. Msgr. Haas selbst ist gebür­ti­ger Vadu­zer. Der pro­mo­vier­te Kir­chen­recht­ler wur­de 1974 zum Prie­ster sei­ner Hei­mat­diö­ze­se Chur geweiht, deren Kanz­ler und Offi­zi­al am Diö­ze­san­ge­richt er spä­ter wurde.

1988 ernann­te ihn Papst Johan­nes Paul II. auf Wunsch des damals amtie­ren­den Chu­rer Bischofs Johan­nes Von­der­ach zu des­sen Koad­ju­tor mit Nach­fol­ge­recht. Auf die­se Wei­se wur­de das dem Chu­rer Dom­ka­pi­tel zuste­hen­de Recht der frei­en Bischofs­wahl umgan­gen, ein Recht, das nur einer Min­der­heit alter Diö­ze­sen zusteht.

In den 80er Jah­ren ver­such­te Papst Johan­nes Paul II. eine Wen­de im deut­schen Sprach­raum durch Ernen­nung glau­bens­treu­er Bischö­fe, die sich inner­kirch­lich ent­schlos­se­ner moder­ni­sti­schen Bestre­bun­gen wider­set­zen und in der Gesell­schaft das kirch­li­che Pro­fil schär­fen wür­den. Den Auf­takt dazu mach­te 1986 in Öster­reich die Ernen­nung des Bene­dik­ti­ners Hans Her­mann Gro­ër zum neu­en Erz­bi­schof von Wien. Die­ser „restau­ra­ti­ve“ Ver­such Roms stieß auf den ver­ein­ten Wider­stand pro­gres­si­ver Kir­chen­krei­se und kir­chen­fer­ner und kir­chen­feind­li­cher Krei­se in Poli­tik, Medi­en und Kultur.

Die in jenen Jah­ren erfolg­ten Bischofs­er­nen­nun­gen wur­den hef­tig durch Medi­en­kam­pa­gnen bekämpft, wobei radi­ka­le Klein­grup­pen am Tag der Bischofs­wei­hen bzw. Amts­ein­füh­run­gen auch ver­such­ten, das Haupt­por­tal der Bischofs­kir­che zu blockie­ren. Bezeich­nend für die dama­li­ge Situa­ti­on war die Epi­so­de bei der Bischofs­wei­he von Msgr. Haas am 22. Mai 1988, als Msgr. Kurt Krenn (1936–2014), der im Jahr zuvor zum Weih­bi­schof von Wien ernannt und am 26. April 1987 im Wie­ner Ste­phans­dom zum Bischof geweiht wor­den war, zu Demon­stran­ten, die sich vor das Haupt­por­tal der Chu­rer Bischofs­kir­che gelegt hat­ten, sag­te: „Ken­nen wir uns nicht? Sie sind doch schon bei mei­ner Bischofs­wei­he vor dem Dom in Wien gele­gen“. Im Gegen­satz zu ande­ren Bischö­fen wei­ger­te sich Bischof Krenn, den Demon­stran­ten zu wei­chen und die Bischofs­kir­che durch einen Sei­ten­ein­gang zu betre­ten. Die öffent­li­che Mei­nung bestimm­ten jedoch die wenig wohl­ge­son­ne­nen Main­stream­m­e­di­en, denen es auf­grund ihrer Macht sogar gelang, Tei­le des gläu­bi­gen Vol­kes aufwiegelten.

1990 wur­de Msgr. Haas als Nach­fol­ger von Msgr. Von­der­ach zum Bischof von Chur, was den Wider­stand noch stei­ger­te. Dabei kam es zu offe­nem Unge­hor­sam pro­gres­si­ver Prie­ster­grup­pen. Ihnen nahe­ste­hen­de Lai­en­grup­pen nutz­ten vor allem das schwei­ze­ri­sche Staats­kir­chen­sy­stem, das die Kir­chen­fi­nan­zen par­al­le­len Struk­tu­ren auf Kan­tons­ebe­ne in die Hand gibt, um Druck auf die Diö­ze­san­lei­tung aus­zu­üben. Das Bis­tum Chur umfaßt meh­re­re Kan­to­ne und ist somit mit einer Viel­zahl sehr unter­schied­li­cher Rea­li­tä­ten kon­fron­tiert. Per­so­nal­ent­schei­dun­gen, der Ver­such einer Erneue­rung des Prie­ster­se­mi­nars und kon­tro­ver­se gesell­schafts­po­li­ti­sche The­men führ­ten zu einem Dau­er­kon­flikt, da Bischof Haas nicht davor zurück­schreck­te. Genau das war die ursprüng­li­che römi­sche Inten­ti­on, das per­ma­nen­te Zurück­wei­chen vor dem sich vom Glau­ben immer wei­ter ent­fer­nen­den Zeit­geist zu been­den. Das führ­te aber dazu, daß ihn auch wohl­mei­nen­de, aber kon­flikt­scheue­re Krei­se im Stich lie­ßen, die sich nach Ruhe sehnten.

Wap­pen von Msgr. Haas als Bischof von Chur

Die Erneue­rung der Prie­ster­aus­bil­dung zog, auf­grund der all­ge­mein pre­kä­ren Situa­ti­on, bald Prie­ster­kan­di­da­ten aus dem gan­zen deut­schen Sprach­raum an. Die­ses Auf­blü­hen des Chu­rer Prie­ster­se­mi­nars stand – ein Phä­no­men, das sich auch in ande­ren Län­dern und Diö­ze­sen bis heu­te beob­ach­ten läßt – im kras­sen Gegen­satz zum Nie­der­gang pro­gres­si­ver Prie­ster­se­mi­na­re und schür­te neu­en Neid und Zorn. Mit immer neu­en, auf­ge­bausch­ten, ver­zerr­ten und auch unwah­ren Kla­gen gegen Haas in der Öffent­lich­keit und in Rom wur­de ver­sucht, den Bischof zur Resi­gna­ti­on oder den Hei­li­gen Stuhl zum Ein­len­ken zu zwin­gen. Wie gegen ande­re Bischö­fe jener kur­zen Ära kon­ser­va­ti­ver Bischofs­er­nen­nun­gen im deut­schen Sprach­raum durch Johan­nes Paul II., trat eine regel­rech­te Jagd­ge­sell­schaft in Erschei­nung, die ent­schlos­sen war, nicht locker­zu­las­sen, bevor der ins Visier genom­me­ne Bischof gestürzt war. Das Sze­na­rio soll­te sich mehr­fach wie­der­ho­len. Zu den jüng­sten Opfern gehör­ten Bischof Krenn in St. Pöl­ten (2004), der kurz­zei­tig ernann­te Weih­bi­schof Wag­ner in Linz (2009), Bischof Mixa in Augs­burg (2010) und Bischof Tebartz-van Elst in Lim­burg (2014). Seit­her waren sol­che Treib­jag­den nicht mehr not­wen­dig, da Papst Fran­zis­kus bei Bischofs­er­nen­nun­gen einen ganz ande­ren Kurs ver­folgt („Er sucht immer den pro­gres­siv­sten Kan­di­da­ten“).

1997 war es soweit: Rom knick­te ein. Um des Frie­dens bzw. der Ruhe wil­len wur­de eine ziem­lich kom­pli­zier­te Ope­ra­ti­on durch­ge­führt. Bischof Haas wur­de als Bischof von Chur abbe­ru­fen und dafür gleich­zei­tig das Für­sten­tum Liech­ten­stein nach 1600 Jah­ren der Zuge­hö­rig­keit aus dem Bis­tum her­aus­ge­löst und als eige­nes Bis­tum errich­tet. Um zu signa­li­sie­ren, daß der Hei­li­ge Stuhl die­ser ihm auf­ge­nö­tig­ten Akti­on nur wider­wil­lig nach­kam, wur­de das neue Bis­tum gleich zum Erz­bis­tum erho­ben und direkt dem Hei­li­gen Stuhl unter­stellt. Auf die­se Wei­se wur­de Bischof Haas gewis­ser­ma­ßen „weg­be­för­dert“, indem er sein Bis­tum ver­lor, aber mit einem neu­en, wenn auch win­zi­gen Bis­tum ent­schä­digt und im Rang zum Erz­bi­schof erhöht wur­de. Die Hal­tung des Hei­li­gen Stuhls gegen die pro­gres­si­ven Kir­chen­re­bel­len zeig­te sich auch dar­in, daß Bischof Haas nach sei­ner Beru­fung nach Vaduz wei­ter­hin Apo­sto­li­scher Admi­ni­stra­tor von Chur blieb, bis nach fast neun Mona­ten sein Nach­fol­ger ins Amt ein­ge­führt wur­de. Anders hält es nun Fran­zis­kus. Ins­ge­samt aber konn­te kein Zwei­fel bestehen: Die pro­gres­si­ven Kra­kee­ler und Intri­gan­ten hat­ten gegen Bischof Haas obsiegt. Vor allem an die besten Krei­se im deut­schen Sprach­raum wur­de ein fata­les Signal aus­ge­sandt, näm­lich, daß sie sich der Rücken­deckung Roms nicht sicher sein konn­ten, viel­mehr damit rech­nen muß­ten, bei Bedarf aus kir­chen­po­li­ti­schen Grün­den fal­len­ge­las­sen zu werden. 

Im klei­nen, aber fei­nen Für­sten­tum Liech­ten­stein wuß­te man damals zwar nicht recht, wie einem geschieht, doch das katho­li­sche Für­sten­haus akzep­tier­te den päpst­li­chen Wunsch und so konn­te der Über­gang weit­ge­hend rei­bungs­los erfol­gen. Erz­bi­schof Haas, einem erklär­ten Freund des über­lie­fer­ten Ritus, gelang es wei­ter­hin, wenn auch nun mit beschei­de­ne­ren Mit­teln, Prie­ster­be­ru­fun­gen anzu­zie­hen, mehr als sein Bis­tum Prie­ster brauch­te. Das ermög­lich­te es, groß­zü­gig Prie­ster aus­zu­lei­hen. Mehr­fach spen­de­te Erz­bi­schof Haas Kan­di­da­ten der Prie­ster­bru­der­schaft St. Petrus die Wei­hen, deren euro­päi­sches Prie­ster­se­mi­nar sich im nahe­ge­le­ge­nen Wigratz­bad (Diö­ze­se Augs­burg) befin­det, so auch am 4. März 2023, als er in Gestratz die Nie­de­ren Wei­hen spendete.

Anfang März spen­de­te Erz­bi­schof Haas Kan­di­da­ten der Petrus­bru­der­schaft die Nie­de­ren Weihen.

Als Erz­bi­schof von Vaduz ging Haas sei­nen Weg gerad­li­nig wei­ter. Er bil­de­te eine neue Gene­ra­ti­on von Prie­stern aus, die ein ver­ti­ka­les, über­na­tür­li­ches Kir­chen­ver­ständ­nis prägt, das sich kate­go­risch vom hori­zon­ta­len pro­gres­si­ven Ver­ständ­nis einer sich selbst auf­lö­sen­den Kir­che unter­schei­det. Seit 2011 wei­ger­te er sich, beim jähr­li­chen Staats­akt zum Natio­nal­fei­er­tag eine Mes­se zu zele­brie­ren, weil er dar­in ein „fal­sches bezie­hungs­wei­se unehr­li­ches Zei­chen gegen­über der Öffent­lich­keit“ sah. Grund dafür war die Hal­tung der liech­ten­stei­ni­schen Staats­re­gie­rung zur Homo­se­xua­li­tät (durch deren Aner­ken­nung durch Schaf­fung insti­tu­tio­na­li­sier­ter ein­ge­tra­ge­ner Part­ner­schaf­ten) und zur Abtreibung.

In Chur wur­de es nach sei­ner Ver­set­zung etwas ruhi­ger, wenn­gleich Rom wei­ter­hin ver­such­te, die kirch­li­che Erneue­rung in die­sem wich­tig­sten Schwei­zer Bis­tum auf­recht­zu­er­hal­ten. Die­sem Ver­such war 2007 die Ernen­nung von Msgr. Vitus Huon­der durch Papst Bene­dikt XVI. zu ver­dan­ken. Wie nun Erz­bi­schof Haas wur­de auch Bischof Huon­der von Papst Fran­zis­kus eme­ri­tiert. Er lebt heu­te in einem Haus der Prie­ster­bru­der­schaft St. Pius X. und bemüht sich um die Wie­der­her­stel­lung der vol­len Ein­heit zwi­schen Ecô­ne und Rom. Die vom Chu­rer Dom­ka­pi­tel 2019 vor­ge­schla­ge­nen Kan­di­da­ten wur­den von Fran­zis­kus alle­samt abge­lehnt. Im Den­ken von Fran­zis­kus spielt die Per­so­nal­po­li­tik als Macht­fak­tor eine zu zen­tra­le Rolle.

Gegen Erz­bi­schof Haas wur­de auch in Vaduz ange­kämpft. Dem päpst­li­chen Vor­bild fol­gend, wur­de sei­ne Nähe zur Tra­di­ti­on zu einem Haupt­an­griffs­feld. Der im Brust­ton des Skan­dals geschleu­der­te Vor­wurf lau­te­te, das Erz­bis­tum Vaduz sei zu einem „Hot­spot der Tra­di­tio­na­li­sten“ geworden.

Erz­bi­schof Haas mögen noch vie­le Jah­re des segens­rei­chen Schaf­fens geschenkt sein!

Text: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: FSSPX/​Wikicommons/​FSSP (Screen­shots)

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  1. „Wie nun Erz­bi­schof Haas wur­de auch Bischof Huon­der von Papst Fran­zis­kus eme­ri­tiert. Er lebt heu­te in einem Haus der Prie­ster­bru­der­schaft St. Pius X. und bemüht sich um die Wie­der­her­stel­lung der vol­len Ein­heit zwi­schen Ecô­ne und Rom.“

    Fra­ge: Wie soll die „Wie­der­her­stel­lung der vol­len Ein­heit zwi­schen Ecô­ne und Rom“ gesche­hen, solan­ge Rom nicht zur wah­ren unver­fälsch­ten und unver­kürz­ten Tra­di­ti­on zurück­kehrt? Wird hier nicht kräf­tig Augen­wi­sche­rei betrieben?

    Und was heißt „Wie­der­her­stel­lung“? Hat es jemals zuvor eine vol­le Ein­heit zwi­schen Ecô­ne und Rom gegeben?
    Die Prie­ster­bru­der­schaft St. Pius X. wur­de von Erz­bi­schof Mar­cel Lefeb­v­re 1970 gegrün­det und vom dama­li­gen Orts­bi­schof ledig­lich als „Pia Uno“ (mild­tä­ti­ge Ver­ei­ni­gung) für eine Dau­er von 6 Jah­ren „ad expe­ri­men­tum“ (auf Pro­be) für errich­tet erklärt. (Sie­he das Buch „Apo­lo­gia Pro Mar­cel Lefeb­v­re“ von Micha­el Davis, 1. Auflage)

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