(Peking) Am 1. September treten in der Volksrepublik China neue drakonische Maßnahmen für Kirchen in Kraft. Laut Angaben von Bitter Winter sind sie „noch schlimmer“, als der zuvor bekanntgewordene Entwurf es befürchten hatte lassen. Die Kirchen sollen in das Propagandasystem der Kommunistischen Partei eingebunden werden.
Man wußte bereits seit einiger Zeit, daß eine neue „Verwaltungsmaßnahme für religiöse Stätten“ in Vorbereitung war, die jene von 2005 ersetzen sollte. Gerüchte waren durchgesickert, als der Entwurf zur „Stellungnahme“ an verschiedenste Stellen verteilt wurde. „Normalerweise ist das eine kosmetische Übung in einer Pseudodemokratie. Anmerkungen werden ignoriert und Entwürfe werden zu Gesetzen“, so InfoCatolica.
In diesem Fall ist es allerdings anders. Die beschlossenen Maßnahmen wurden nachgeschärft und sind noch restriktiver, als es der Entwurf vorsah: Religiöse Einrichtungen, allen voran Kirchen, Tempel, Moscheen usw., haben ab dem 1. September aktiv Propaganda der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh) zu verbreiten. Bei Weigerung droht die Auflösung und Liquidierung der Stätte. Die neue „Verwaltungsmaßnahme“ sieht strenge Bestimmungen zur Aufnahme von Propagandainhalten in Predigten und Ansprachen vor. Ebenso haben Kultorte „Studiengruppen“ zu bilden, in denen die Dokumente der KPCh zu vermitteln sind.
Außerdem gilt ab dem 1. September ein landesweites Verbot, außerhalb von Tempeln und Kirchen große religiöse Statuen im Freien aufzustellen. Dieses Verbot gilt auch für Privatpersonen. In den stärker christlichen Provinzen wurde bereits in den vergangenen fünfzehn Jahren eine radikale Verdrängung „zu sichtbarer“ christlicher Symbole aus der Öffentlichkeit betrieben, indem Kreuze, Christus‑, Marien- und Heiligenfiguren abgetragen und entfernt wurden.
Die in der neuen Bestimmung verwendete Formulierung lautet: „Stätten religiöser Aktivitäten“, damit sind jene Klöster, Tempel, Moscheen gemeint, die staatlich registriert sind. Die katholische Untergrundkirche hat sich davon ferngehalten und ist dadurch nicht gebunden, was dem Staat allerdings die Gelegenheit bietet, sie noch härter zu verfolgen.
Die Registrierungspflicht war bereits in der bisherigen „Verwaltungsmaßnahme“ vorgeschrieben. Neu ist die Verpflichtung, aktiv ein Instrument der KPCh-Propaganda zu werden. Daran ist ab 1. September die Registrierung gekoppelt. Wer die Propagandavorgaben der Kommunistischen Partei nicht erfüllt, kann die Registrierung schnell wieder verlieren. Konkret wird verlangt, „die Führung der KPCh und das sozialistische System zu unterstützen, [Xi Jinpings] sozialistisches Gedankengut mit chinesischen Merkmalen umzusetzen, die Verfassung, Gesetze, Verordnungen, Vorschriften und einschlägigen Bestimmungen zur Verwaltung religiöser Angelegenheiten einzuhalten und die Grundwerte des Sozialismus zu praktizieren“. Dazu gehört auch die von Staats- und Parteichef Xi Jinping verlangte „Sinisierung“ der Religion.
Parallel dazu will das kommunistische Regime die Masse der Bevölkerung als Instrument der Überwachung rekrutieren. Es sollen Kanäle eingerichtet werden, über die Einzelpersonen „verdächtige“ Dinge oder auch Personen und Einrichtungen loben können, die „für das Vaterland arbeiten“. Die ersten Ankündigungen in diese Richtung kommen vom Ministerium für die öffentliche Sicherheit. Es soll zur „Normalität“ werden, daß die Masse der Bevölkerung „an der Verteidigung des Staates“ mitwirkt. Konkret ist damit die Bespitzelung und Denunziation gemeint. Die einzelnen Bürger sollen ihre Mitbürger überwachen.
In einem Post auf dem offiziellen WeChat-Kanal des Ministeriums wurde ein Appell an die Bevölkerung veröffentlicht, daß Spionage, Gegenspionage und Überwachung eine „Aufgabe für alle“ werden soll. Im Westen wurden die jüngsten Entwicklungen kaum registriert. Die US-Regierung wurde deshalb hellhörig, weil neue Bestimmungen zum Verbot des Datentransfers an nicht näher genannte Dritte auch in China tätige US-amerikanische Firmen betreffen könnte.
Ziel beider Maßnahmen, sowohl jener zu den religiösen Stätten als auch der Masseneinbindung in die Spionage und Gegenspionage und der Aufruf zur Denunziation, ist, die uneingeschränkte Führungsposition der Kommunistischen Partei Chinas abzusichern.
Kritik aus den USA, China betreibe Internetspionage, wurde von Peking umgehend zurückgewiesen und die USA als „Imperium des Hacking“ bezeichnet. Gerade deshalb, so der chinesische Minister für die öffentliche Sicherheit Chen Yixin, sei eine „Volksbeteiligung“ für den Aufbau einer „Verteidigungslinie“ notwendig.
Staats- und Parteichef Xi Jinping forderte bei seiner Ansprache zum 96. Gründungsfest der chinesischen Volksbefreiungsarmee eine „Beschleunigung“ der „Modernisierung“ der Streitkräfte. Diese müßten „die Kampffähigkeit und die schnelle Einsatzbereitschaft“ verstärken.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Bitter Winter (Screenshot)