Kardinal Zuppi in Moskau

Die päpstliche Friedensmission zwischen Moskau und Kiew


Kardinal Matteo Zuppi, der päpstliche Sondergesandte, betete vor Beginn seiner Gespräche vor der Wladimirskaja in Moskau.
Kardinal Matteo Zuppi, der päpstliche Sondergesandte, betete vor Beginn seiner Gespräche vor der Wladimirskaja in Moskau.

(Rom) Kar­di­nal Matteo Zup­pi, der päpst­li­che Son­der­ge­sand­te zur Frie­dens­ver­mitt­lung zwi­schen Ruß­land und der Ukrai­ne, hält sich seit Diens­tag abend in Mos­kau auf. Gestern führ­te er erste Gesprä­che und wird noch heu­te in der rus­si­schen Haupt­stadt verweilen.

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Vor den Begeg­nun­gen bete­te der Kar­di­nal vor der Wla­di­mir­ska­ja in der Kir­che des hei­li­gen Niko­laus von Tol­mat­schach in der Tret­ja­kow-Gale­rie. Die Wla­di­mirs­ja­ka ist eine Iko­ne aus der Zeit um 1100 und zeigt die Got­tes­mut­ter von Wla­di­mir. Sie zählt zu den bedeu­tend­sten Iko­nen der Rus und ist ein rus­si­sches Natio­nal­denk­mal. Sie stammt wahr­schein­lich aus Kon­stan­ti­no­pel und wur­de zunächst in Kiew, dem ursprüng­li­chen Zen­trum der Rus, auf­be­wahrt. Wegen des Mon­go­len­sturms wur­de sie nach Wla­di­mir, öst­lich von Mos­kau, in Sicher­heit gebracht. Seit 1395 wird sie in Mos­kau aufbewahrt. 

Dann traf Zup­pi, der auch Vor­sit­zen­der der Ita­lie­ni­schen Bischofs­kon­fe­renz ist, mit Juri Uscha­kow zusam­men, dem Bera­ter für inter­na­tio­na­le Ange­le­gen­hei­ten des rus­si­schen Staats­prä­si­den­ten Wla­di­mir Putin, wie der Kreml bekanntgab.

Wie Kreml-Spre­cher Dmit­ri Pes­kow in sei­ner täg­li­chen Pres­se­kon­fe­renz mit­teil­te, spra­chen die bei­den über „die Situa­ti­on rund um den Kon­flikt in der Ukrai­ne und natür­lich über mög­li­che Wege einer poli­ti­schen und diplo­ma­ti­schen Lösung“. Dabei beton­te Peskow:

„Wir schät­zen die Bemü­hun­gen und Initia­ti­ven des Vati­kans, eine fried­li­che Lösung für die Kri­se in der Ukrai­ne zu fin­den, sehr und begrü­ßen den Wunsch des Pap­stes, zur Been­di­gung des bewaff­ne­ten Kon­flikts in der Ukrai­ne beizutragen.“

Papst Fran­zis­kus äußer­te gestern zeit­gleich mit den Gesprä­chen sei­nes Son­der­ge­sand­ten in Mos­kau den Wunsch, daß in der Ukrai­ne „bald“ Frie­den herr­schen möge.

„Es gibt viel Leid in der Ukrai­ne, das soll­ten wir nicht ver­ges­sen“, sag­te der Papst am Ende einer Gene­ral­au­di­enz auf dem Petersplatz.

Der Vati­kan erklär­te am Diens­tag, daß es das Haup­ziel der Frie­dens­in­itia­ti­ve von Papst Fran­zis­kus sei, „zu Gesten der Mensch­lich­keit zu ermu­ti­gen, die dazu bei­tra­gen kön­nen, eine Lösung für die der­zei­ti­ge tra­gi­sche Situa­ti­on und Wege zu einem gerech­ten Frie­den zu finden“.

Ruß­lands Prä­si­dent Wla­di­mir Putin hat­te bei meh­re­ren Gele­gen­hei­ten erklärt, er sei offen für die Prü­fung aller Frie­dens­vor­schlä­ge, ob aus dem Vati­kan, Bra­si­li­en, Afri­ka oder Chi­na, aber die Ukrai­ne wol­le nicht mit Ruß­land verhandeln.

Zugleich deu­tet Mos­kau an, daß Kiew die „Rea­li­tä­ten vor Ort“ akzep­tie­ren müs­se, womit der Anschluß der Krim (2014) und die Anne­xio­nen der vier ukrai­ni­schen Regio­nen (2022) gemeint schei­nen. Mos­kau hat­te bei den Waf­fen­still­stands­ver­hand­lun­gen von Istan­bul, die Kiew letzt­lich aber plat­zen ließ, Ende März 2022 nur die für die Ukrai­ne ohne­hin schon seit 2014 ver­lo­re­ne Krim gefor­dert; nun hat sich der Preis nach einem wei­te­ren Kriegs­jahr erhöht.

Der Besuch von Kar­di­nal Zup­pi erfolgt drei Wochen nach sei­nem Besuch in Kiew, wo er mit dem ukrai­ni­schen Prä­si­den­ten Wolo­dym­ir Selen­skyj zusam­men­traf, der bekräf­tig­te, was er bereits am 13. Mai in Rom gesagt hat­te: Er wer­de die Ein­stel­lung der Feind­se­lig­kei­ten ohne einen rus­si­schen Rück­zug aus allen ukrai­ni­schen Gebie­ten nicht akzeptieren.

Der Lei­ter des ukrai­ni­schen Prä­si­di­al­am­tes, Andri Jer­mak, begrüß­te am Diens­tag zwar die Rei­se des ita­lie­ni­schen Kar­di­nals nach Mos­kau, sofern sie zu Fort­schrit­ten „bei der Rück­kehr ukrai­ni­scher Kriegs­ge­fan­ge­ner und nach Ruß­land ver­schlepp­ter Kin­der“ bei­tra­ge. Tat­säch­lich ver­mit­telt der Vati­kan seit Kriegs­aus­bruch beim gegen­sei­ti­gen Gefan­ge­nen­aus­tausch. Ruß­land bezeich­net die Behaup­tung, die zu einer Ankla­ge des Inter­na­tio­na­len Straf­ge­richts­hofs in Den Haag gegen Putin und die rus­si­sche Kin­der­schutz­be­auf­trag­te Mari­ja Lwo­wa-Belo­wa führ­te, es sei­en Zig­tau­sen­de von ukrai­ni­schen Kin­dern „ver­schleppt“ wor­den, als ukrai­ni­sche Pro­pa­gan­da. Im ver­gan­ge­nen April sag­te Lwo­wa-Belo­wa in der Schwei­zer Welt­wo­che, daß zum dama­li­gen Stand „noch sechs“ Kin­der, die aus dem Kriegs­ge­biet „in Sicher­heit“ gebracht wor­den waren, nicht an ihre Eltern in der Ukrai­ne zurück­ge­ge­ben wer­den konn­ten, weil sich die­se nicht mehr in der Ukrai­ne auf­hiel­ten, man sich aber mit Hil­fe des Inter­na­tio­na­len Komi­tees des Roten Kreu­zes dar­um bemü­he. Die Über­ga­be rus­si­scher Kriegs­ge­fan­ge­ner an Mos­kau erwähn­te Jer­mak nicht. Statt­des­sen wie­der­hol­te er, womit Selen­skyj bereits am 13. Mai nach sei­ner Begeg­nung mit Papst Fran­zis­kus außer­halb des bel­li­zi­sti­schen Main­streams irri­tiert hatte:

„Wir brau­chen kei­ne Ver­mitt­lung. Wir ver­trau­en Ruß­land nicht, und wir glau­ben, daß sich das nicht ändern wird.“

Text: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Avve­ni­re (Screen­shot)

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