Als Berlusconi versuchte, Eluana Englaro zu retten

Ein unmenschlicher Kulturkampf


Gebetsvigil für Eluana Englaro vor dem Krankenhaus in Udine 2009
Gebetsvigil für Eluana Englaro vor dem Krankenhaus in Udine 2009

„Sil­vio Ber­lus­co­ni ist tot und wir kön­nen nur noch für sei­ne See­le beten“, schreibt der Histo­ri­ker und Publi­zist Pao­lo Deot­to, der bis 2019 Chef­re­dak­teur der Inter­net­pu­bli­ka­ti­on Ris­cos­sa Cri­stia­na war. In einem Moment, in der, vor allem im Aus­land, das lin­ke Medi­en­mo­no­pol der Nach­welt ein ver­zerr­tes Bild von Ber­lus­co­ni auf­zwin­gen will, erin­nert Deot­to an einen ganz beson­de­ren Aspekt in des­sen Zeit als Ita­li­ens Mini­ster­prä­si­dent. Hier sein Text:

Als Berlusconi versuchte, Eluana Englaro zu retten

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Von Pao­lo Deotto

Ich stel­le fest, daß kaum – oder bes­ser gesagt gar nicht – über eine schreck­li­che Ange­le­gen­heit gespro­chen wird, die sich ereig­ne­te, als Ber­lus­co­ni sei­ner vier­ten und letz­ten Regie­rung vor­stand: den Mord an Elu­a­na Eng­la­ro, der unter dem Deck­man­tel der ‚Lega­li­tät‘ began­gen wur­de. Ein abscheu­li­ches Ver­bre­chen, das Ber­lus­co­ni ver­geb­lich zu ver­hin­dern such­te, behin­dert von jenem Gior­gio Napo­li­ta­no, einem alten und unver­welk­li­chen Kom­mu­ni­sten, Bar­den der Schön­hei­ten der Roten Armee, die das unga­ri­sche Volk mas­sa­krier­te, und damals Prä­si­dent der Republik.

Für jene, die sich an die Affä­re Elu­a­na Eng­la­ro nicht erin­nern soll­ten, lie­fert fol­gen­der Arti­kel die nöti­gen Informationen:

Knapp läßt sich sagen, daß Elu­a­na Eng­la­ro ein­und­zwan­zig Jah­re alt war, als sie am 18. Janu­ar 1992 bei einem Auto­un­fall schwe­re Ver­let­zun­gen erlitt. Sie starb nicht und fiel auch nicht in ein Koma. Sie fiel in ein Wach­ko­ma, wie Gian­lui­gi Gig­li, Pro­fes­sor für Neu­ro­lo­gie an der Uni­ver­si­tät Udi­ne, damals zusammenfaßte:

"Eluana liegt nicht im Koma, sie befindet sich in einem Wachkoma [...]. Der Unterschied ist fundamental: Sie ist nicht an das Bett gefesselt, sie schläft und wacht auf, sie ist nicht an ein Beatmungsgerät angeschlossen, sie bewegt ihre Augen. Sie kann sich nicht selbständig ernähren, aber es geht ihr gut und sie nimmt keine Medikamente ein.“

Kurz­um, die jun­ge Frau wur­de über eine Son­de ernährt, weil sie nicht in der Lage war, sich selb­stän­dig zu ernäh­ren. Es han­del­te sich nicht um einen „the­ra­peu­ti­schen Übereifer“.

Sie wur­de den Schwe­stern des Pfle­ge­heims „Bea­to Lui­gi Tala­mo­ni“ in Lec­co am Comer See in der Lom­bar­dei, ihrer Hei­mat­stadt, anver­traut und so lie­be­voll betreut, daß die Ordens­frau­en sie als „Teil der Fami­lie“ betrachteten.

Der Vater von Elu­a­na, Beppi­no Eng­la­ro, dem die Justiz­be­hör­de die Vor­mund­schaft für sei­ne Toch­ter über­tra­gen hat­te, begann eini­ge Jah­re nach dem Unfall einen lang­wie­ri­gen Rechts­streit, in dem er vor Gericht – und spä­ter vor Beru­fungs­in­stan­zen und dem Höchst­ge­richt – bean­trag­te, die Ernäh­rung und Flüs­sig­keits­zu­fuhr sei­ner Toch­ter ein­zu­stel­len, sie also ster­ben zu las­sen, und das auf der Grund­la­ge eines angeb­li­chen, aber nie doku­men­tier­ten „Wil­lens“ der Toch­ter, die Jah­re zuvor erklärt habe, sie wol­le kein „lebens­un­wer­tes Leben“ führen.

Wir wie­der­ho­len und beto­nen: Es gab kei­ne Unter­la­gen, die die Aus­sa­gen von Beppi­no Eng­la­ro bele­gen konnten.

Das Gerichts­ver­fah­ren war lang­wie­rig, aber am Ende fand Beppi­no Eng­la­ro den für ihn rich­ti­gen Rich­ter und die ersehn­te „Geneh­mi­gung“ zum Töten wur­de erteilt. Es kam zu wei­te­ren Ver­zö­ge­run­gen, weil die Regi­on Lom­bar­dei (damals regiert vom Katho­li­ken Rober­to For­mi­go­ni) allen Gesund­heits­ein­rich­tun­gen in der Lom­bar­dei unter­sag­te, die jun­ge Elu­a­na auf­zu­neh­men, um sie zu töten. Die Ordens­frau­en von Lec­co, die sich um Elu­a­na küm­mer­ten, baten ver­geb­lich dar­um, sie nicht zu töten, und ver­pflich­te­ten sich, sie kosten­los zu pfle­gen, damit der öffent­li­chen Hand kei­ne finan­zi­el­le Bela­stung entstehe.

Elu­a­na wur­de zwangs­wei­se auf gericht­li­che Anord­nung aus dem Pfle­ge­heim in Lec­co abtrans­por­tiert und in ein öffent­li­ches Kran­ken­haus der damals links­re­gier­ten Regi­on Fri­aul gebracht.

Dort starb Elu­a­na Eng­la­ro am 9. Febru­ar 2009, nach­dem ihr Nah­rung und Was­ser vor­ent­hal­ten wor­den waren. Man ließ sie ver­hun­gern und verdursten.

Als im Kran­ken­haus tat­säch­lich die Ver­sor­gung Elu­a­nas ein­ge­stellt wor­den war, erließ die damals von Sil­vio Ber­lus­co­ni geführ­te ita­lie­ni­sche Regie­rung drei Tage vor Elu­a­nas Tod, so lan­ge dau­er­te ihr Über­le­bens­kampf, in extre­mis ein eige­nes Geset­zes­de­kret, um das Ver­bre­chen zu ver­hin­dern. Aber es war alles umsonst: Staats­prä­si­dent Napo­li­ta­no ließ ver­lau­ten, daß er das Dekret wegen „Zwei­feln an der Ver­fas­sungs­mä­ßig­keit“ nicht unter­zeich­nen wer­de. In der Prä­si­di­al­kanz­lei wuß­te man, daß durch die­se Blocka­de­hal­tung die Zeit für Elu­a­na uner­bitt­lich ablief. Der Staats­prä­si­dent stell­te sich wil­lent­lich auf die Sei­te der Kul­tur des Todes.

Die Aus­re­de Napo­li­ta­nos war gro­tesk, zumal die gan­ze Ange­le­gen­heit unter Miß­ach­tung selbst des for­mel­len Rechts durch­ge­führt wor­den war. Jen­seits aller mensch­li­chen und mora­li­schen Erwä­gun­gen (ist es nicht teuf­lisch, einen Vater zu sehen, der vom Wunsch beses­sen ist, sei­ne Toch­ter töten zu las­sen?) haben die Rich­ter über Din­ge ent­schie­den, die nicht in ihre Zustän­dig­keit fal­len. Dies führ­te zu der Absur­di­tät, daß ein Zivil­ge­richt in einem Staat wie Ita­li­en, der die Todes­stra­fe nicht zuläßt, tat­säch­lich ein Todes­ur­teil für eine unschul­di­ge Per­son aussprach.

Aber offen­sicht­lich hat sich in die­ser gan­zen Ange­le­gen­heit kaum jemand um die arme Elu­a­na geküm­mert. Oder sagen wir bes­ser: Jene, die sie ster­ben las­sen woll­ten, über­tön­ten alle ande­ren. Elu­a­nas Lei­den dien­te dazu, die öffent­li­che Mei­nung für die Lega­li­sie­rung der Eutha­na­sie zu gewin­nen. Die teuf­li­sche Kul­tur des Todes sah im Fall Elu­a­na die Gele­gen­heit zum Vor­marsch, und die Justiz, die immer bereit ist, in der Luft zu schnüf­feln, um die „poli­ti­sche Kor­rekt­heit“ zu über­prü­fen, spiel­te ihre Rol­le. Die Ver­fech­ter der „pro­gres­si­ven“ Kul­tur des Todes mach­ten einen Glau­bens­streit dar­aus, den sie, wie es ihre Art ist, mit aller Ver­bis­sen­heit aus­foch­ten und in ihrer Blind­heit, wie so oft, nicht sahen, daß es nicht um eine ideo­lo­gi­sche Fra­ge, son­dern um ein Men­schen­le­ben ging. Inten­si­ve Bemü­hun­gen der Regie­rung Ber­lus­co­ni fruch­te­ten nichts: Napo­li­ta­no ließ sich nicht umstimmen.

Elu­a­na wur­de getö­tet, und es sei dar­an erin­nert, daß eine Abge­ord­ne­te, die sich selbst als „katho­lisch“ bezeich­ne­te, eine gewis­se Rosy Bin­di – eine ehe­ma­li­ge EU-Abge­ord­ne­te der Christ­de­mo­kra­ten, die es nach dem Zusam­men­bruch ihrer Par­tei bis zur Vor­sit­zen­den der damals neu­ge­grün­de­ten Links­de­mo­kra­ten (PD) brach­te und 1996–2000 Gesund­heits­mi­ni­ste­rin und 2006–2008 Fami­li­en­mi­ni­ste­rin war – Napo­li­ta­no lob­te, weil er mit sei­ner Wei­ge­rung „die Ver­fas­sung ver­tei­digt“ habe. Die kom­mu­ni­sti­sche Tages­zei­tung Il Mani­festo fei­er­te Elu­a­nas Tod als „Geschenk“ an die Menschheit.

Ver­rückt. Oder sagen wir bes­ser: der Stoff, aus dem die Dämo­nen sind.

Sil­vio Ber­lus­co­ni ver­such­te, sich die­sem Grau­en zu wider­set­zen. Ver­geb­lich. Das „neue Ita­li­en“ war auf dem Vor­marsch, mit all sei­nem Schmutz und sei­nem Alp­traum, den wir jetzt täg­lich erle­ben. Es war nicht „sein“ Ita­li­en, so wie es auch nicht das unse­re ist.

Sil­vio Ber­lus­co­ni ist tot und wir beten für ihn. Aber ich emp­fand es als mei­ne Pflicht, an die­se Affä­re zu erin­nern. Möge er in Frie­den ruhen.

Einleitung/​Übersetzung: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: UCCR

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