(London) Nachdem Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin 2018 als erster Vertreter des Heiligen Stuhls an einem konspirativen Bilderberger-Treffen teilgenommen hatte, fällt es ihm morgen auch zu, nach über 500 Jahren als erster Vertreter Roms an der Krönung eines Königs von England bzw. Königs von Großbritannien teilzunehmen.
Letzte katholische Krönung erfolgte 1553
Die letzte Krönung eines katholischen Monarchen in Anwesenheit eines päpstlichen Legaten erfolgte in London 1509. Gekrönt wurde damals jener Heinrich VIII. aus dem walisischen Haus Tudor, der 1531 aus Eigennutz, um seine gültige Ehe auflösen zu können, die Einheit der Kirche von England mit Rom beendete, um eine ihm selbst unterstehende Staatskirche zu errichten. Der Schritt war für England schwer traumatisch, hatte sich doch derselbe König bis dahin als entschiedener Verteidiger der katholischen Kirche gegen die protestantische Reformation hervorgetan. Nun, da der König seinem Land eine eigene Kirche, einen Hybrid zwischen katholischer Kirche und Protestantismus, aufgezwungen hatte, drangen Luthertum und Calvinismus auf den britischen Inseln ein und konnten dort Wurzeln schlagen.
Es folgte eine grausame Kirchenverfolgung. Dennoch saßen seither auch katholische Monarchen auf dem Thron Englands. Das waren Maria I., die Tochter Heinrichs VIII., die ihrem katholischen Glauben treu geblieben war. Maria war die erste Frau auf dem englischen Thron. Sie regierte von 1553 bis 1558. Auch die Krönungszeremonie in der Westminster Abbey, einst eine Benediktinerabtei, seit der Reformation ein anglikanisches Kollegiatsstift, erfolgte im katholischen Ritus durch ihren katholischen Lordkanzler und Bischof von Winchester Stephan Gardiner. Die Dinge waren damals noch im Fluß, ihre Umkehrung nicht ausgeschlossen. Maria lehnte jeden Sakramentenempfang von einem von Rom abgefallenen Kleriker ab. Die protestantische Propaganda heftete ihr den diskreditierenden Beinamen „die Blutige“ an. Durch ihren frühen Tod brach ihr Versuch der Wiederherstellung der katholischen Kirche in England unter ihrer Halbschwester Elisabeth I. zusammen, die ihr auf den Thron folgte. Unerbittlich demonstrierte Elisabeth ihre antikatholische Gesinnung, indem sie sich in Westminster im selben Grab, aber über ihrer katholischen Halbschwester Maria bestatten ließ. Selbst im Tod sollte die katholische Königin durch die anglikanische Monarchin unsichtbar gemacht und die katholische Sache gedemütigt werden.
Katholisch war auch Jakob II. aus dem schottischen Königshaus Stuart. Er regierte von 1685 bis 1689. Er war seinem Bruder Karl II. auf den Thron gefolgt, der selbst auf dem Sterbebett zur katholischen Kirche zurückgekehrt war. Die Krönungszeremonie in Westminster fand, anders als bei Maria I., aber anglikanisch statt, wurde jedoch soweit geändert, daß sie den katholischen Monarchen nicht beleidigte. Den Kommunionempfang aus der Hand des anglikanischen Klerus lehnte der König ab. Vier Jahre nach seiner Thronbesteigung wurde Jakob II. von den in ihrer Rom-Feindlichkeit vereinigten anglikanischen und protestantischen Kräften gestürzt und mußte ins Exil gehen.
Weder bei der Krönung Marias noch Jakobs II. war ein Vertreter des Heiligen Stuhls zugegen. Eine solche Anwesenheit wäre angesichts der radikalen Rom-Feindlichkeit in Teilen Englands undenkbar gewesen.
Die Machtkonzentration des britischen Königshauses
1707 kam es zu einer weitreichenden Zäsur. Seit 1603 regierte das eigentliche katholische Königshaus der Stuarts auch über England. Dafür mußten sich die Monarchen, mit den genannten Ausnahmen, zur anglikanischen Gemeinschaft bekennen. 1707 wurde diese Personalunion in eine Realunion umgewandelt und Schottland und England zum Vereinigten Königreich Großbritannien zusammengeschlossen. 1714 bestieg das deutsche Welfenhaus (Haus Hannover) den britischen Thron. Durch die Ehe der letzten englischen Welfin, Königin Victoria, regiert in Großbritannien seit 1901 das ebenfalls deutsche Haus Sachsen-Coburg-Gotha, das sich wegen der antideutschen Stimmung im Ersten Weltkrieg 1917 in Windsor umbenannte.
Der englische König ist seit Heinrich VIII. zugleich auch Oberhaupt der Anglikanischen Kirche. Das gilt auch für Karl III. (Charles III.), dessen Krönung morgen in Westminster erfolgen wird.
Die Machtkonzentration des britischen Königshauses geht noch weit darüber hinaus. Es herrscht, wenn auch im Rahmen einer konstitutionellen Monarchie, über Großbritannien und in Abstufungen in anderen Völkerrechtssubjekten, darunter Kanada, Australien und Neuseeland, sowie direktem Kronbesitz wie der Insel Man und den Kanalinseln Guernsey und Jersey und steht an der Spitze der Kirche von England. Seit 1737 ist ein Mitglied der Königsfamilie auch immer Mitglied der 1717 gegründeten Großloge von England, der Mutterloge der weltweiten Freimaurerei.
Königin Victoria und Königin Elisabeth II. waren als Frauen zwar nicht selbst Logenmitglieder, hatten jedoch die Schirmherrschaft über eine Reihe von freimaurerischen Organisationen inne. Elisabeths Mann, Prinz Philipp, war Freimaurer und ebenso sind es zwei ihrer Cousins. Prinz Edward, Herzog von Kent, und sein jüngerer Bruder Prinz Michael von Kent. Beide sind Onkel zweiten Grades des neuen Königs. Der Herzog von Kent ist seit 55 Jahren Großmeister der Vereinigten Großloge von England. Sein Bruder Michael seit 40 Jahren Großmeister der Großloge der Mark Master Masons. Die Mark-Maurerei ist eines der ältesten Hochgrad-Systeme der Freimaurerei.
Drei Könige, Georg IV. (1790–1813), Eduard VII. (1874–1901) und Georg VI. (1936–1937), waren zugleich Oberhaupt der Anglikanischen Kirche und Großmeister der Vereinigten Großloge von England, der Mutterloge der weltweiten Freimaurerei.
Man kann daraus folgern, daß das britische Königshaus in seinem Reich möglichst alles direkt und selbst kontrolliert und damit auch weltweit eine führende Rolle spielt.
Die Teilnahme kirchlicher Vertreter an der nicht-katholischen Zeremonie
Das Teilnahmeverbot an akatholischen religiösen Zeremonien gilt im Gefolge des Dokuments Nostra Aetate des Zweiten Vatikanischen Konzils seit dem Ökumenischen Direktorium von 1993 als aufgehoben.
Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin wird morgen vom Apostolischen Nuntius in Großbritannien, Erzbischof Miguel Maury Buendía, begleitet werden. Beide Kirchenvertreter werden an der Zeremonie in der Westminster Abbey teilnehmen, was eine absolute Neuheit darstellt, seit sich die Eliten des Landes 1531 von Rom lossagten.
1953, als Elisabeth II. gekrönt wurde, war es Kirchenvertretern noch untersagt, an nichtkatholischen religiösen Zeremonien teilzunehmen. Die römischen Vertreter beobachteten im Freien jedoch den feierlichen Einzug in die Stiftskirche von Westminister. Der damalige Primas von England und Wales, Kardinal Bernard Griffin, Erzbischof von Westminster (gemeint ist das 1850 errichtete katholische Erzbistum), blieb der Krönungszeremonie hingegen völlig fern, zelebrierte jedoch am Vorabend eine heilige Messe für die neue Monarchin.
Hohen englischen Würdenträgern wie dem Herzog von Norfolk, dem traditionell ranghöchsten katholischen Laien des Landes, wurden Ausnahmen gewährt, um ihren zeremoniellen Pflichten bei der Krönung nachkommen zu können.
Das hat zur Folge, daß Kardinal Vincent Nichols, der derzeitige katholische Primas von England und Wales, seit bald 500 Jahren als erster katholischer Bischof bei der Krönung sogar eine Rolle spielen wird. Zuletzt hatte Erzbischof Gardiner 1553 eine zentrale Rolle gespielt, indem er Königin Maria salbte und krönte. Kardinal Nichols wird morgen in der Westminster Abbey nicht nur anwesend sein, sondern König Karl III. dort auch segnen.
Neben dem Primas von England und Wales werden morgen auch Erzbischof Eamon Martin von Armagh, Primas von Irland, und Bischof Hugh Gilbert von Aberdeen, Primas von Schottland, anwesend sein. Für Wales gilt das zusätzlich auch für Erzbischof Mark O’Toole von Cardiff.
Papst Franziskus schenkte dem neuen König und damit dem britischen Königshaus zum „Zeichen des ökumenischen Dialogs“ zwei Fragmente des heiligen Kreuzes, an das Jesus Christus geschlagen worden war. Sie wurden in das walisische Kreuz eingearbeitet, das morgen die Krönungsprozession zur Westminster Abbey anführen wird. Das Kreuz hatte Charles, der als Kronprinz bisher Fürst von Wales war, der Church in Wales (walisisch Eflwys yng Nghymru) 2020 zu ihrem hundertjährigen Bestehen geschenkt. Sie war 1920 durch den Welsh Church Act durch Lostrennung von der Church of England entstanden. Vier ihrer heute sechs Bistümer sind alte katholische Diözesen.
Text: Giuseppe Nardi
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