
(Rom) Klerikaler Humor gilt als spezielle Form des Humors. Für Außenstehende fällt er durch eine feine Klinge auf, ist aber nicht immer ganz nachvollziehbar. Dazu gehört vielleicht auch die Tatsache, daß beide Päpste, sowohl Benedikt XVI. als auch Franziskus, das ehemalige Grab von Johannes Paul II. als letzte Ruhestätte für sich auserkoren hatten. Im Vatikan hieß es wegen dieser „Konkurrenz“ scherzhaft, daß der das Grab erhält, der als erster stirbt. Man könnte meinen, das sei etwas zynisch. Die Kleriker, die das aussprachen, konnten sich jedoch auf eine gewichtige Quelle berufen: Papst Franziskus selbst.
Die Tageszeitung Libero erinnerte am Sonntag an diesen „Grabstreit“ mit der Schlagzeile: „Bergoglio träumte von Benedikts Grab“, erzählte aber eine neue Version der Geschichte.
In den Vatikanischen Grotten war die Grabstätte von Johannes Paul II. (1978–2005) freigeworden, als dessen sterbliche Überreste im Zuge seiner Seligsprechung 2011 in den Petersdom übergeführt wurden.
Zuvor hatte sich an dieser Stelle bereits das Grab von Johannes XXIII. (1958–1963) befunden. Dessen sterbliche Überreste waren bereits 2001 nach seiner Seligsprechung in den Petersdom übergeführt worden. Die einzige freie Grabnische in den Vatikanischen Grotten hat es also in jeder Hinsicht in sich. Ihre Geschichte ist beachtlich und reicht von Johannes XXIII. über Johannes Paul II. bis zu Benedikt XVI.

Doch schon vor einiger Zeit fiel in den Vatikanischen Grotten unter den zahlreichen Papstgräbern ein Sarkophag aus weißem Marmor ohne Inschrift auf. Dieser Sarkophag ist tatsächlich leer. Er wurde 2016 auf ausdrückliche Anweisung von Papst Franziskus aufgestellt. Den Anstoß dazu bekam Franziskus, als er am Allerseelentag 2015 den Gräbern seiner Vorgänger den traditionellen Besuch abstattete. Libero nennt fälschlich die Jahre 2018/2019. Katholisches.info berichtete jedoch bereits im März 2016: Papst Franziskus bestimmte seine Grablege – das Grab von Johannes XXIII.
Nachdem Franziskus an verschiedenen Papstgräbern gebetet hatte, blieb er plötzlich stehen und zeigte auf die einstige Grablege von Johannes Paul II. und Johannes XXIII. Beide Päpste waren von Franziskus 2014 in einer kirchenpolitischen Hauruck-Aktion zusammen heiliggesprochen worden. Der regierende Papst sagte:
„Das wird mein Grab sein. Wenn ich sterbe, will ich hier begraben werden.“
Die Folge sei Aufregung und Verlegenheit unter den päpstlichen Zeremoniären gewesen, so Franco Capozza in Libero. Es habe wenig gefehlt, daß Kardinal Angelo Comastri, der damalige Erzpriester von Sankt Peter und Vorsitzende der Dombauhütte, die Fassung verloren hätte. Nur der päpstliche Zeremonienmeister, damals noch Msgr. Guido Marini, bewahrte Selbstbeherrschung und fand den Mut das Wort zu ergreifen:
„Heiliger Vater, wirklich, hier würde Benedikt XVI. gerne begraben werden. Er hat diesen Wunsch mehrfach geäußert.“
Capozza schildert die darauf folgende Szene.
Den wagemutigen Zeremonienmeister trafen die Augenblitze von Franziskus, „der hochmütig antwortete“:
„Wir werden sehen, wer zuerst stirbt, in der Zwischenzeit lasse man einen ähnlichen Sarkophag wie diesen herstellen.“
Dabei zeigte Franziskus auf den Sarkophag von Johannes Paul I., der sich zusammen mit dem prächtigen Bronzegrab von Benedikt XV. genau gegenüber der damals freien Grabnische befindet. Eine ähnliche Aussage wie die von Franziskus war bisher Kardinal Comastri zugeschrieben worden, der aber offenbar nur die Worte des Papstes zitierte.
Benedikt XVI. hatte seinen Grabwunsch nicht nur wegen der Verbundenheit mit seinem polnischen Vorgänger Johannes Paul II. gewählt, sondern vor allem, weil er dem „Friedenspapst“ Benedikt XV. nahe sein wollte, der von 1914 bis 1922 regierte und im Ersten Weltkrieg, den er ein „sinnloses Blutbad“ nannte, mit Nachdruck seine Stimme für den Frieden erhob, aber kaum gehört wurde. An ihm hatte sich Joseph Ratzinger orientiert, als er 2005 seinen Papstnamen wählte.

Schon im März 2016 war der von Franziskus gewollte und von ihm für Benedikt XVI. vorgesehene Sarkophag fertiggestellt. Die Handwerker der Dombauhütten hatten den Auftrag schnell erfüllt. Die Aufstellung des leeren Sarkophags blieb nicht unbemerkt. Vatikansprecher Federico Lombardi versuchte zu beruhigen, indem er auf „Platzmangel“ verwies. Es gab nur mehr eine freie Nische, jene, in der sich bereits das Grab von Johannes Paul II. und Johannes XXIII. befunden hatte. Der Vatikansprecher ließ dabei offen, welches Grab für welchen Papst vorgesehen war. Die Existenz zweier Päpste, soviel war einleuchtend, verlangte danach, auch für zwei Gräber vorzusorgen. Es gab seither wiederholte Wortmeldungen von Persönlichkeiten, die dem einen oder dem anderen Papst nahestehen, die den jeweiligen Grabwunsch deponierten. Zuletzt sorgte Peter Seewald, der Biograph und persönliche Freund von Benedikt XVI., im Sommer 2020 für einen Schlagabtausch. Bei Bergoglianern schimmerte dabei der Versuch durch, auch im Grab eine Kontinuität mit Johannes XXIII. zu betonen.
Doch es kam dann anders: Benedikt XVI. hatte, um die Sache wissend, seinen Grabwunsch in seinem Testament festgeschrieben. Papst Franziskus habe deshalb, so Capozza, nicht mehr anders gekonnt, als den letzten Wunsch seines Vorgängers zu erfüllen und die Bestattung in der Grabnische von Johannes Paul II. zu erlauben. Zudem: Benedikt war als erster gestorben und hatte damit den Vorzug. Ob Franziskus seine Aussage so gemeint hatte, muß offenbleiben.
Damit wird der von Franziskus in Auftrag gegebene Sarkophag auch tatsächlich seine letzte Ruhestätte sein. Da weitere Anweisungen fehlten, fiel die Gestaltung des Sarkophags sehr schlicht aus, wesentlich schlichter als jener von Johannes Paul I., an dem Hochreliefe mit Engelsdarstellungen angebracht sind, die noch aus Alt-Sankt Peter stammen, dem ursprünglichen Petersdom von Kaiser Konstantin dem Großen, der 326 vollendet wurde und bis 1503 bestand, als mit seinem Abbruch begonnen wurde, um den heutigen Petersdom zu errichten.

Text: Giuseppe Nardi
Bild: Libero/Wikicommons/MiL