(Rom) Ersetzt Papst Franziskus Kardinal Gerhard Müller an der Spitze der Glaubenskongregation durch Kardinal Sean O’Malley? In unregelmäßigen Abständen werden entsprechende Gerüchte gestreut. Die jüngsten kommen aus Argentinien.
Entsprechende Gerüchte sind Ausdruck von externen Einmischungsversuchen, aber auch von progressiver Unduldsamkeit. Einige Kirchenkreise würden die 1542 errichtete Kongregation für die Glaubenslehre gleich ganz abschaffen. Den seit Juni 2012 amtierenden Glaubenspräfekten, Gerhard Kardinal Müller empfinden sie dementsprechend als „Leiden“. Gegen den Kardinal spricht für manche allein die Tatsache, daß er von Papst Benedikt XVI. ernannt wurde. Es ist ein offenes Geheimnis, daß es zwischen dem Kirchenverständnis von Papst Franziskus und jenem des Kardinalpräfekten einige Unterschiede gibt.
So werden von derselben Seite auch Meldungen über eine bevorstehende Abberufung von Kardinal Müller gestreut. Es ist dabei nicht leicht abzuschätzen, ob es sich um bloßes Wunschdenken handelt, um interne „Empfehlung“ an Papst Franziskus oder externe Interferenzen, oder ob die Gerüchte Substanz haben. Der Grund dafür hängt mit der Tatsache zusammen, daß das Anliegen auch von Kreisen vorgebracht wird, mit denen sich Papst Franziskus umgibt.
Tatsache ist, daß Papst Franziskus zwei Formen des Umgangs mit institutionellen Mitarbeitern praktiziert, die nicht sein Wohlwollen genießen. Konkret sind damit führende Kurienvertreter gemeint, die sich nicht auf seiner „Wellenlänge“ befinden oder es gewagt haben, Bedenken gegen Regierungsmaßnahmen zu äußern: er ersetzt sie durch ihm ergebenere Kirchenvertreter oder beläßt sie im Amt, isoliert und marginalisiert sie aber. Letzteres trifft auf Kardinal Müller zu.
Kardinal O’Malley als künftiger Glaubenspräfekt?
Der jüngste Vorstoß stammt von der argentinischen Tageszeitung Claràn. In der gestrigen Sonntagsausgabe veröffentlichte der Rom-Korrespondent Julio Algañaraz einen ganzseitigen Artikel
„Der Papst geht mit seiner Erneuerung vorwärts und ersetzt den Wächter der Orthodoxie“.
Die Tageszeitung weiter: „In den nächsten Wochen könnte es Ankündigungen geben.“ Und:
„Es geht um Kardinal Gerhard Müller, mit dem er sich hart gekreuzt hat. Er wird einen Bischof ernennen, der der Öffnung nähersteht.“
Als Hauptgrund für die angeblich bevorstehende Ablöse des Kardinals nennt die Tageszeitung seinen Widerstand gegen die „Öffnungen“ des Papstes gegenüber den wiederverheirateten Geschiedenen. Auch der Papst könne die Lehre Jesu Christi nicht ändern, läßt Müller seit über einem Jahr wissen, und Lehre und Praxis müßten übereinstimmen. Direkte Kritik am Kirchenoberhaupt übt der Kardinal nicht. Der Wink ist jedoch eindeutig.
Als potentiellen Nachfolger nennt Claràn den Erzbischof von Boston, Kardinal Sean O’Malley. Der Kapuziner gehört bereits dem Kardinalsstand an und vertritt – vom Papst ernannt – seit April 2013 Nordamerika im C9-Kardinalsrat. Zudem ist er Vorsitzender der Päpstlichen Kinderschutzkommission. Er ist überzeugter Lebensschützer und gilt als konservativ, aber „flexibler“ als Müller.
O’Malley hatte sich einen Namen gemacht, als er 2003 von Papst Johannes Paul II. als Nachfolger von Kardinal Francis Law zum Erzbischof von Boston ernannt wurde. Kardinal Law mußte zurücktreten, als ihm vorgeworfen wurde, gegen Päderasten unter seinen Priestern nicht ausreichend vorgegangen zu sein. Um die Schadensersatzforderungen von Mißbrauchsopfern zahlen zu können, verkaufte der Kapuziner O’Malley auch die erzbischöfliche Residenz.
2006 erhob ihn Papst Benedikt XVI. in den Kardinalsrang, aber erst am vergangenen 14. Januar ernannte ihn Papst Franziskus zum Mitglied der Glaubenskongregation.
Claràn schrieb gestern:
„Favorit für die Ernennung ist der Erzbischof von Boston, Kardinal Sean O’Malley, 73 Jahre, den Bergoglio nicht zufällig vor kurzem zum Mitglied der Glaubenskongregation ernannte.“
Auch im Kampf gegen den sexuellen Kindesmißbrauch waren der Papst und der Glaubenspräfekt übrigens aneinandergeraten, weil Kardinal Müller die noch von Benedikt XVI. ausgegebene Parole von der „Nulltoleranz“ sehr ernstnimmt.
Oder Victor Manuel „Tucho“ Fernández?
Gegen Ende des Artikels nennt der Claràn-Korrespondent einen weiteren Kandidaten, wenn ihm Julio Algañaraz auch geringere Chancen zuschreibt:
„Es gibt noch andere Kandidaten für die Ersetzung von Kardinal Müller, wenn der Papst so entscheidet. Einer von ihnen ist der argentinische Erzbischof Victor Manuel ‚Tucho‘ Fernández, ein von Bergoglio sehr gefragter Theologe, Rektor der Katholischen Universität von Argentinien. Viele denken jedoch, daß Franziskus keinen Landsmann ernennen wird wegen der Reaktionen, die das von Seiten der Ultrakonservativen verursachen könnte, die den Papst des patriotischen Nepotismus bezichtigen.“
Potentielle Papstkritiker denunziert Claràn als „Ultrakonservative“ und hebt die Frage auf die „patriotische“ Ebene. Kritikern geht es nicht aber nicht um die Herkunft, sondern um die Positionen von Victor Manuel Fernández. Als Bergoglio noch Erzbischof von Buenos Aires war, setzte er Fernández gegen starke Widerstände der römischen Bildungskongregation als Rektor der Katholischen Universität durch. Gleich nach seiner Wahl zum Papst erhob er ihn zum Titularerzbischof. Bereits in Buenos Aires galt „Tucho“ als Ghostwriter des Papstes. Als solcher pendet Fernández seit dem jüngsten Konklave zwischen der argentinischen Hauptstadt und dem Vatikan hin und her.
Glaubenstreuen Kirchenvertretern gilt er als „schlechter Ratgeber“ (Messa in Latino). Er gehörte dem Redaktionsteam für das umstrittenen, nachsynodale Schreiben Amoris laetitia an. Einige Passagen sind wörtlich aus früheren Publikationen von Fernández übernommen worden. Kardinal Müller bezeichnete ihn. ohne ihn namentlich zu nennen, im Zusammenhang mit dem Konflikt um Amoris laetitia als „häretisch“. Es wäre daher eine Art Treppenwitz der Geschichte, sollte ausgerechnet Fernández zum Nachfolger seines Kritikers Kardinal Müller ernannt werden.
Einstweilen sind die von Claràn Genannten, Kardinal O’Malley und Erzbischof Fernández, in die Liste bereits früher vorgebrachter Kandidaten für die Müller-Nachfolge einzureihen, darunter Kardinal Schönborn (Erzbischof von Wien) und Erzbischof Bruno Forte von Chieti-Vasto.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Wikicommons/Claràn (Screenshots)
„Patriotischer Nepotismus“ – kein guter Katholik wird dem Papst das vorwerfen, denn es träfe dann ja auch Benedikt XVI. und den derzeitigen Präfekt der Glaubenskongregation.
wobei Müller und Tucho-Kissme-Fernandez schon unterschiedliche theologische Kaliber sind…
Kardinal Müller ist weithin überschätzt als Theologe (ich finde das, was er schreibt, ziemlich verschwurbelt), außerdem ist er ein Todfeind der Piusbruderschaft (er bremst die Einigung, nicht Papst Franziskus) und ein Freund der Befreiungstheologie.
Don Nicola Bux sagt es, dass wir dem Papst keinen Gehorsam schuldig sind, wenn er von der Lehre abweicht. Papst Benedikt, der letzte Papst der wahren Lehre Christi, führt die Lehre weiter, indem er Card. Sarah, in der Liturgie bestärkt, indem er Prof. Georg May in der Beurteilung der ungläubigen katholischen und protestantischen Theologie zustimmt. Und wenn nun Card. Müller entlassen wird, dann ist der Weg frei für eine unabhängige Kommission, die den Papst und die Gläubigen im Glauben unterweist, im Wohlwollen von Papst Benedikt.
Es ist mir jetzt neu, dass ein Theologe sich ein Urteil darüber anmaßen darf, ob ein Papst von der Lehre abweicht oder nicht. In allen wesentliche Glaubensaussagen ist der Papst ja ohnehin vor Irrtümern gefeit. Das ist zumindest Lehre der Kirche.