
(Rom) Papst Franziskus verdoppelte am vergangenen Freitag die Zahl der Mitglieder der Päpstlichen Kommission für den Schutz von Minderjährigen unter dem Eindruck jüngster Ereignisse auf zwanzig. Wird das aber etwas nutzen, solange das eigentliche Problem nicht beim Namen genannt wird?
Bischof Carlos Ximenes Belo, Salesianer und Friedensnobelpreisträger, wurde von seiner Vergangenheit in seiner Heimat Osttimor eingeholt. Der „Held von Osttimor“ wird bezichtigt, in den 90er Jahren Minderjährige sexuell mißbraucht zu haben. Die Kirche bestrafte ihn 2002 durch Emeritierung, allerdings ohne Nennung von Gründen. Seither wirkt der Bischof als Hilfspriester in Mosambik. Nun aber fordert die „Welt“ seine Bestrafung oder zumindest Ermittlungen gegen ihn: Dazu gehören nicht nur Medien und die „üblichen Bekannten“, wie die umstrittene „Opferhilfsorganisation“ SNAP in den USA, sondern auch Stéphane Dujarric de la Rivière1, der Sprecher von UNO-Generalsekretär António Guterres. Dujarric de la Rivière1 sagte gegenüber der Presseagentur AP:
„Diese Anschuldigungen sind wirklich schockierend und müssen gründlich untersucht werden.“
In der portugiesischsprachigen Welt kocht derzeit der sexuelle Mißbrauchsskandal durch Kleriker hoch und der UNO-Generalsekretär ist Portugiese. Osttimor war eine ehemalige portugiesische Kolonie und im Zusammenhang mit einer weiteren ehemaligen Kolonie wurden in diesen Tagen Vorwürfe laut, welche die Kirche bis nach Lissabon erschüttern. Die bebt dort bereits wegen eines Skandals in der Diözese Lissabon.
Anfangsverdacht gegen den Vorsitzenden der Bischofskonferenz
Am Samstag wurde bekannt, daß die portugiesische Staatsanwaltschaft gegen den Vorsitzenden der Portugiesischen Bischofskonferenz José Ornelas de Carvalho, Bischof von Leiria-Fátima, ermittelt. Papst Franziskus hatte den ehemaligen Generaloberen des Dehonianerordens 2015 zum Bischof von Stúbal und am vergangenen 28. Januar zum neuen Bischof der Diözese Leiria-Fátima ernannt, in der sich einer der weltweit bekanntesten Marienwallfahrtsorte befindet. Seit 2020 ist Msgr. Ornelas Vorsitzender der Portugiesischen Bischofskonferenz.

Ein Lehrer wandte sich an Portugals Staatspräsidenten Marcelo Rebelo de Sousa, der die Eingabe an die Staatsanwaltschaft weiterleitete. Bischof Ornelas wird vorgeworfen, als Generaloberer der Dehonianer nicht gegen Mißbrauchsvorwürfe an einer Schule in Mosambik, einer ehemaligen portugiesischen Kolonie, vorgegangen zu sein.
Obwohl sich auch der degradierte Bischof Ximenes Belo seit 2004 als Hilfspriester in Mosambik aufhält, steht er in keinem Zusammenhang mit den neuen Vorwürfen. Sie betreffen die Schule Centro Polivalente Leão Dehon in der Stadt Gurúè, die von italienischen Dehonianern geführt wird. Auch die Mißbrauchsvorwürfe betreffen einen italienischen Dehonianer.
Die portugiesische Staatsanwaltschaft hat erst Vorerhebungen eingeleitet. Bischof Ornelas wird offiziell nicht als „Verdächtiger“ geführt. Die Vorwürfe gegen ihn wurden von João Oliveira erhoben, demselben portugiesischen Lehrer, der 2011 durch den Bericht eines Schülers die Mißbrauchsvorwürfe gegen das Centro Polivalente Leão Dehon in Gurúè erhob. An der Schule sollen einige Kinder aus dem nahen Waisenhaus mißbraucht worden sein, das ebenfalls von einem italienischen Dehonianer geführt wurde. Dem damaligen Generaloberen des Ordens wirft Oliveira vor, untätig geblieben zu sein.
Bischof Ornelas verteidigt sich mit dem Hinweis, die Sache 2011 sehr wohl untersucht zu haben. Es habe in dem ihn betreffenden Zeitraum, als er von 2003 bis 2015 Generaloberer war, aber keine Hinweise auf Kindesmißbrauch gegeben.
Die Angelegenheit wird im Vatikan ernst genommen. Am selben 1. Oktober, an dem in Portugal Medien die Ermittlungen im Zusammenhang mit Bischof Ornelas enthüllten, empfing Papst Franziskus in Rom den Vorsitzenden der Portugiesischen Bischofskonferenz und den Apostolischen Nuntius in Portugal bereits in Audienz.
Am vergangenen 5. August war schon Manuel José Kardinal Clemente, der Patriarch von Lissabon, von Franziskus empfangen worden. Dem Patriarchen wird ebenfalls vorgeworfen, nicht gegen einen des sexuellen Mißbrauchs verdächtigen Priester in der Diözese Lissabon vorgegangen zu sein. Der Kardinal, 2013 von Franziskus ernannt und 2015 in den Kardinalsrang erhoben, soll bereits im Sommer seine Bereitschaft signalisiert haben, vorzeitig abzudanken.
Die Welle der Vorwürfe, die Portugal trifft, ist geballt.
Kinderschutzkommission erweitert
Vor diesem Hintergrund erweiterte Papst Franziskus, über die jüngsten Anschuldigungen in Portugal schon vor den Medienberichten informiert, die vatikanische Kinderschutzkommission um weitere Mitglieder. Aufgabe dieser 2014 von Franziskus errichteten und seit 2015 aktiven Kommission ist es, Lücken bei der Aufdeckung von Mißbrauchsfällen zu schließen und solche insgesamt abzustellen.
Zehn neue Mitglieder werden die bisherigen zehn Mitglieder ergänzen und die Arbeit unter dem Vorsitz von Kardinal Seán O’Malley fortsetzen.
Die neuen Mitglieder sind Pfarrer Tim Brennan MSC (Australien); Maud de Boer-Buquicchio (Niederlande); Teresa Devlin (Irland); Emilie Rivet Duval (Mauritius); Prof. Irma Patricia Espinosa Hernández (Mexiko); Msgr. Peter Karam OLM (Libanon); Ewa Kusz (Polen); Sr. Teresa Nyadombo Annah HLMC (Simbabwe); Sr. Niluka Perrera (Sri Lanka) und Msgr. Thibault Verny (Frankreich).
Die bisherigen Mitglieder sind: Msgr. Luis Manuel Ali Herrera (Kolumbien); Prof. Ernesto Caffo (Italien); Sr. Arina Gonsalves RJM (Indien); Nelson Giovanelli Rosendo Dos Santos (Brasilien); Sinalelea Fe’ao (Tonga); Teresa Kettelkamp (USA); Prof. Benyam Mezmur (Äthiopien); Neville Owen (Australien) und P. Hans Zollner SJ (Deutschland).
Die Kommission ist in mehrfacher Weise paritätisch besetzt mit zehn Frauen und zehn Männern, während zehn Laien neben zehn Klerikern und Ordensleuten tätig sein werden. 60 Prozent der Mitglieder stammen aus der südlichen Hemisphäre.
Soweit die Politik der Gesten.
Was aber bringt sie, solange Papst Franziskus und die ihn umgebenden Kirchenführer sich weigern, das eigentliche Problem, die Homosexualität, beim Namen zu nennen? Mindestens 80 Prozent aller sexuellen Mißbrauchsfälle durch Kleriker betreffen homosexuellen Mißbrauch. Die größte Vertuschung des Gesamtproblems, das der Kirche seit Jahren einen ungeheuren Ansehensverlust verursacht, ist die Vertuschung der Homosexualität.
Die Benennung des Hauptproblems stünde im offenen Widerspruch zu der von Papst Franziskus und von einer ihn umgebenden homophilen Fronde in der Kirche angestrebten Anerkennung der Homosexualität. Diese wird vom weltlichen Mainstream als Kniefall vor der politischen Korrektheit gefordert, während in Zusammenarbeit mit der Homo-Lobby eine geradezu frenetische Homosexualisierung des öffentlichen Raums betrieben wird.
Daneben wird auch offen anzusprechen sein, daß sich die Kirche ihrer selbst willen dem Mißbrauch mit aller Energie entgegenstemmen muß, nicht weil eine Welt sie dazu auffordert, die an den eigenen Widersprüchen zu ersticken droht. Die Explosion des homosexuellen Mißbrauchs in der Kirche ist ein Produkt der sexuellen 68er-Revolution. Dieselbe Welt, die diese Revolution hervorgebracht hat, zeigt mit dem Finger auf die Kirche, weil ihr die Kirche als solche ein Ärgernis ist, während sie selbst sich anschickt, die Pädophilie salonfähig zu machen.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Youtube/Publico (Screenshots)
1 Biographische Randnotiz: Stéphane Dujarric de la Rivière ist der Sproß einer französischen Adelsfamilie aus der Dordogne. Seine Eltern sind die Historikerin Anka (Anne) Mühlstein und der Investmentberater François Dujarric de la Rivière. Als Stéphane Dujarric de la Rivière 1995 in Rom die Italoamerikanerin Ilaria Quadrani heiratete – er war damals ABC-Journalist, sie Mitarbeiterin eines Londoner Kunsthändlers –, berichtete sogar die New York Times darüber. Stéphane Dujarric de la Rivière wurde erstmals 2005 Sprecher des UNO-Generalsekretärs (damals Kofi Annan) und gehört seither zur Spitze der UNO-Funktionäre. Seine Großmutter mütterlicherseits war eine Rothschild (Diane de Rothschild, Tochter von Robert de Rothschild), sein Großvater der polnisch-jüdische Diplomat Anatol Mühlstein, während sein Großvater väterlicherseits der bekannte Hygieniker und Virologe René Dujarric de la Rivière war, der den Bazillus der Spanischen Grippe entdeckte, in den 20er Jahren von der Rockefeller Foundation finanzierte Forschungen betrieb, die von Rassehygienikern gerne zitiert wurden, und dessen Rolle in den frühen 40er Jahren als Stellvertreter des Eugenikers und Agnostikers Alexis Carrel ungeklärt ist.
Carrel war 1906 von der Rockefeller Foundation angeworben worden und lebte und wirkte bis 1939 in den USA. 1912 erhielt er den Medizinnobelpreis. Er vertrat Teile der Rassenlehre und zeigte sich begeistert von den Maßnahmen des nationalsozialistischen Deutschen Reichs zur Rassenhygiene. 1936 gründete Carrel zusammen mit dem Jesuiten Pierre Teilhard de Chardin das Centre pour l’étude des problèmes humains, ohne sich dann aber in diesem zu engagieren. Kurz vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs nach Frankreich zurückgekehrt, trieb die 1941 gegründete Fondation française pour l’étude des problèmes humains unter Carrels Leitung, laut Max Lafont und Lucien Bonnafé, Programme voran, denen in der ersten Hälfte der 40er Jahre in den französischen psychiatrischen Kliniken über 40.000 Behinderte zum Opfer fielen.
René Dujarric de la Rivière war mit der Mäzenin Marcelle Friedmann verheiratet, die der Pariser Oberschicht entstammte und in der Zwischenkriegszeit zur katholischen Kirche konvertierte, während ihr Bruder, der Soziologe und Historiker Georges Friedmann, zum überzeugten Kommunisten wurde, der die Sowjetunion unterstützte. Wegen harmloser Kritik an den Massenhinrichtungen unter Stalin wurde er 1938 aus allen „pazifistischen“ und kommunistischen Organisationen ausgeschlossen, hielt jedoch zeitlebens am „demokratischen Sozialismus mit menschlichem Antlitz“ fest. Dujarric de la Rivières Mutter Anka Mühlstein wurde unter anderem von der Académie Française ausgezeichnet für ihre Biographie über ihren Ururgroßvater Jakob Mayer Rothschild (1792–1868), den Begründer des französischen Zweigs der einflußreichen Bankiersfamilie.