Franziskus-Schelte gegen die Kirche des „Involutionismus“

Die Heiligsprechung des Zweiten Vatikanischen Konzils


Gestern wurde Papst Johannes Paul I. seliggesprochen. Mit dem "Papst des Lächelns" sind nun alle Konzilspäpste zu den Altären erhoben.
Gestern wurde Papst Johannes Paul I. seliggesprochen. Mit dem "Papst des Lächelns" sind nun alle Konzilspäpste zu den Altären erhoben.

(Rom) Für die Ver­eh­rer von Johan­nes Paul I., für Albi­no Lucia­ni, der 1978 für nur 33 Tage den Stuhl des Petrus ein­ge­nom­men hat­te, war gestern ein gro­ßer Tag. Der Papst des Lächelns aus der nord­ita­lie­ni­schen Pro­vinz Bel­lu­no wur­de selig­ge­spro­chen. Damit wur­de eine letz­te „Lücke“ geschlos­sen und zugleich von Papst Fran­zis­kus ein wei­te­rer Pfeil abgeschossen.

Die Heiligsprechung des Zweiten Vatikanischen Konzils?

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Papst Lucia­ni war Patri­arch von Vene­dig gewe­sen, als er auf die Cathe­dra Petri gewählt wur­de. Als sol­cher hat­te er – ganz der Linie der ita­lie­ni­schen Bischö­fe fol­gend – radi­kal die Lit­ur­gie­re­form von 1969/​70 mit einem Ver­bot des über­lie­fer­ten Ritus durch­ge­setzt. Über sein Pon­ti­fi­kat läßt sich wenig aus­sa­gen, da es zu kurz währ­te, um even­tu­el­le Kurs­be­stim­mun­gen erken­nen zu können.

Für die Ver­eh­rer des Zwei­ten Vati­ka­ni­schen Kon­zils wur­de eine letz­te Lücke geschlos­sen: Alle Kon­zil­s­päp­ste – leben­de aus­ge­nom­men; Papa Lucia­ni hat­te als Bischof von Vitto­rio Vene­to zu den Kon­zils­vä­tern gehört – sind seit gestern zu den Altä­ren erho­ben, eine in der Kir­chen­ge­schich­te nur mit der früh­christ­li­chen Mär­ty­rer­zeit zu ver­glei­chen­de Kanonisierungsdichte.

Aller­dings könn­te die Zeit der Apo­stel und der gro­ßen Kir­chen­ver­fol­gun­gen kaum ver­schie­de­ner sein von der Zeit der äuße­ren Pracht­ent­fal­tung des jüng­sten Kon­zils und des histo­risch bei­spiel­lo­sen Nie­der­gangs, der auf die­ses folgte.

Hin­ter der Kano­ni­sie­rung der Kon­zil­s­päp­ste wird als eigent­li­che Absicht eine Hei­lig­spre­chung des Kon­zils ver­mu­tet, das unan­tast­bar gemacht wer­den soll.

Es gibt jedoch auch eine ande­re The­se, die jener ersten nicht wider­spre­chen muß, jedoch einen ande­ren Akzent setzt. Denmnach sei die Erhe­bung aller Päp­ste seit dem Zwei­ten Vati­ka­ni­schen Kon­zil eine Reak­ti­on auf die Desta­bi­li­se­rung, die für die Kir­che seit dem Kon­zil folg­te. Die mit Nach­druck beton­te Anhäng­lich­keit gegen­über dem Papst wäre dem­nach ein „letz­ter“ Anker eines ver­un­si­cher­ten Vol­kes Gottes.

Wir wol­len als gläu­bi­ge Kin­der der Kir­che auf das Prü­fungs­ver­fah­ren durch die römi­sche Kon­gre­ga­ti­on für die Selig- und Hei­lig­spre­chungs­pro­zes­se (nun­mehr Dik­aste­ri­um) ver­trau­en, daß der Papst des Lächelns wür­dig zu den Altä­ren erho­ben wurde.

Der päpstliche Seitenhieb: Der Feind der Kirche steht …

Papst Fran­zis­kus nütz­te jeden­falls die Gele­gen­heit, um einen sei­ner berüch­tig­ten Pfei­le abzu­schie­ßen, dies­mal gegen den „Invo­lu­tio­nis­mus“ in der Kir­che. Dabei han­delt es sich um eine wei­te­re Wort­neu­schöp­fung des Kir­chen­ober­haupts. Als jüng­ste Neo­lo­gis­men hat­te es soeben „Indiet­ris­mus“ und „Indiet­ri­sten“ ein­ge­führt, womit Fran­zis­kus die Ver­tre­ter der Tra­di­ti­on bedach­te, die er als rück­wärts­ge­wandt dis­kre­di­tier­te – als jene, die „zurück“ in die Ver­gan­gen­heit wollten.

Gestern nahm Fran­zis­kus wäh­rend der Mes­se zur Selig­spre­chung von Johan­nes Paul I. gegen Ende sei­ner Pre­digt Stel­lung:

„Mit sei­nem Lächeln gelang es Papst Johan­nes Paul I., die Güte des Herrn zu ver­mit­teln. Schön ist eine Kir­che mit einem hei­te­ren Gesicht, mit einem gelas­se­nen Gesicht, mit einem lächeln­den Gesicht, eine Kir­che, die ihre Türen nie ver­schließt, die die Her­zen nicht ver­bit­tert, die nicht jam­mert und kei­nen Groll hegt, die nicht zor­nig und unduld­sam ist, die sich nicht mür­risch zeigt, die nicht an Nost­al­gie lei­det und in einen ‚Invo­lu­tio­nis­mus“ verfällt.“

Der deut­sche Über­set­zungs­dienst des Hei­li­gen Stuhls sah offen­sicht­lich die Not­wen­dig­keit die­ses unbe­kann­te Wort durch einen ver­ständ­li­chen Begriff zu erset­zen. In der deut­schen Über­set­zung heißt es nämlich:

„[…] eine Kir­che, die ihre Türen nie ver­schließt, die die Her­zen nicht ver­bit­tert, die nicht jam­mert und kei­nen Groll hegt, die nicht zor­nig und unduld­sam ist, die sich nicht mür­risch zeigt, die nicht an Nost­al­gie lei­det und in eine Rück­wärts­ge­wandt­heit verfällt.“

Über­haupt wei­sen die Über­set­zun­gen des Vati­kans den Weg zu die­sem Wort, denn es fin­det sich nur in der spa­ni­schen Fas­sung und dort unter Anfüh­rungs­zei­chen, also jener Spra­che, in der Fran­zis­kus sei­ne Gedan­ken ent­wickelt haben dürf­te. Selbst der ita­lie­ni­sche Über­set­zungs­dienst wuß­te nichts mit dem Wort anzu­fan­gen und voll­zog einen Rück­griff auf die vor­he­ri­ge päpst­li­che Neu­schöp­fung „Indiet­ris­mus“. Glei­ches gilt, wenn auch unter Ver­wen­dung unter­schied­li­cher Begrif­fe, für alle ande­ren Übersetzungen.

Damit ist der Inhalt aus­rei­chend klar­ge­stellt. „Invo­lu­tio­nis­mus“ meint syn­onym „Indiet­ris­mus“. Es han­delt sich dabei um die wie­der­hol­te Schel­te jener Kräf­te der Kir­che, die sich dem „Aggior­na­men­to“ und der Anpas­sung an die Welt ver­wei­gern und zugleich – anders als von Fran­zis­kus offen­sicht­lich ange­nom­men oder unter­stellt – den Nach­weis erbrin­gen, daß die zwei­tau­send­jäh­ri­ge Tra­di­ti­on der Kir­che unge­bro­chen frucht­bar und leben­dig ist. 

Fran­zis­kus attackier­te gestern also erneut die Tra­di­ti­on, indem er, ohne es zu nen­nen, das Motu pro­prio Tra­di­tio­nis cus­to­des ver­tei­dig­te. Er habe gegen den „indiet­ri­sti­schen Rausch“ ein­schrei­ten müs­sen, so die päpst­li­che Recht­fer­ti­gung für Tra­di­tio­nis cus­to­des vom 29. Juli gegen­über den kana­di­schen Jesuiten.

Der schreck­lich­ste Feind der Kir­che ist, geht es nach Fran­zis­kus, die Tradition

Nachvollziehung politischer Kategorien?

Neun­ein­halb Jah­re des Fran­zis­kus-Pon­ti­fi­kats bestä­ti­gen: Für den regie­ren­den Papst ist der schreck­lich­ste Kir­chen­feind die Tra­di­ti­on. Der „Poli­ti­ker auf dem Papst­thron“ voll­zieht dar­in, kirch­lich dekli­niert, eine lin­ke Maxi­me nach, die da lau­tet: „Der Feind steht rechts“. In der sozia­li­sti­schen Urfas­sung meint das: „Der Feind ist der Faschis­mus“. Die­sem kate­go­ri­schen Denk­feh­ler lie­gen poli­ti­sche Ver­wick­lun­gen zugrun­de, die ideo­lo­gi­scher Natur sind, also genau jener Kate­go­rie ent­sprin­gen, die Fran­zis­kus mit Nach­druck den Wor­ten nach kri­ti­siert, aller­dings dabei der Tra­di­ti­on zum Vor­wurf macht. Ein Denk­feh­ler gebiert dem­nach wei­te­re Denkfehler. 

Im kon­kre­ten Fall han­delt es sich um einen zwangs­läu­fi­gen Pro­zeß, denn der Denk­feh­ler ist in Wirk­lich­keit kei­ner, son­dern eine ideo­lo­gisch gewoll­te Wei­chen­stel­lung, denn der Faschis­mus war histo­risch eine Reak­ti­on auf den Kom­mu­nis­mus. Im Umkehr­schluß: kein Faschis­mus ohne Kom­mu­nis­mus. Die­se histo­ri­sche Meta­the­se wur­de über­zeu­gend vom Histo­ri­ker Ernst Nol­te auf­ge­zeigt und nach­ge­wie­sen – unter dem Geto­be einer uner­bitt­li­chen Ableh­nung der ent­larv­ten Linken.

Was aber hat all das, haben all die­se poli­ti­schen und ideo­lo­gi­schen Kate­go­rien mit einem Papst und sei­nen Aus­sa­gen zu tun? 

Die­se Fra­ge gilt nach wie vor als gro­ßes Rät­sel des der­zei­ti­gen Pon­ti­fi­kats. Eini­ge Autoren wie Geor­ge Neu­mayr und Rober­to de Mat­tei haben ver­sucht, die­ses Rät­sel zu lüf­ten. Bei­de ver­wei­sen auf die Prä­gung des jun­gen Jor­ge Mario Berg­o­glio durch den Pero­nis­mus, jenen Cau­dil­lo-Popu­lis­mus, der Argen­ti­ni­en nach dem Zwei­ten Welt­krieg präg­te. Eine sich dem euro­päi­schen Den­ken teils sich ent­zie­hen­de, da auf die Gestalt Juan Dom­in­go Peróns zuge­schnit­te­ne poli­ti­sche Rich­tung. Hin­zu kom­men Aus­sa­gen von Fran­zis­kus selbst, laut denen zu den ihn prä­gen­den Figu­ren eini­ge Kom­mu­ni­sten gehörten.

Der Sache man­gelt es nicht an einer offen­bar unfrei­wil­li­gen Poin­te, denn „Invo­lu­ti­on“ steht in direk­tem Zusam­men­hang mit „Evo­lu­ti­on“. In der Tat fin­den sich die raren Hin­wei­se auf die­se Wort­schöp­fung im Kon­text der heu­te ver­pön­ten Ras­sen­leh­re und des wenig christ­li­chen Den­kers Juli­us Evo­la. Man könn­te nun sagen, daß sich der Kreis viel­leicht auf irgend­ei­ne Wei­se schließt im Sin­ne einer Art von ras­si­sti­schem Anti­ras­sis­mus, wie ihn Black Lives Mat­ter pro­pa­giert und wie ihn Papst Fran­zis­kus, laut sei­nem frei­mau­re­ri­schen Freund Euge­nio Scal­fa­ri, in einer „Theo­lo­gie der Ver­mi­schung“ als gene­rell anzu­stre­ben­des „Mesti­zen­tum“ für die Mensch­heit wünscht.

Man steht einer Viel­zahl von offe­nen Fra­gen gegen­über, die an die­ser Stel­le aber nicht wei­ter ver­tieft wer­den sollen.

Die bei der gest­ri­gen Pre­digt vor­ge­tra­ge­ne Schel­te wirft viel­mehr die kon­kre­te Fra­ge auf, ob die Aus­sa­ge von Fran­zis­kus auf ihn selbst anzu­wen­den ist: Ist es nicht viel­mehr er, der aus Nost­al­gie und „Indiet­ris­mus“ die Kir­che in die spä­ten 60er und frü­hen 70er Jah­re zurück­füh­ren will?

Papst Fran­zis­kus mit Ita­li­ens Staats­prä­si­den­ten Ser­gio Mat­tar­el­la (Bild) im Rah­men der gest­ri­gen Fei­er­lich­kei­ten zur Selig­spre­chung von Johan­nes Paul I.

Text: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Vati​can​.va/​NLM (Screen­shots)

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