
(Rom) Am 21. Juli veröffentlichte der Heilige Stuhl eine Distanzierung vom deutschen Synodalen Weg. Nur neun Tage später distanzierte sich Papst Franziskus von der Distanzierung – mit allen zu erwartenden Konsquenzen. Oder auch nicht? Oder doch? Die Zerrüttung der Glaubwürdigkeit römischer Entscheidungen fördert allenthalben Verwirrung.
Die römische „Erklärung des Heiligen Stuhls“ vom 21. Juli war nicht gezeichnet. Wer hatte sie geschrieben, wer sie erlassen? Wer hat sie zu verantworten? Wieviel Gewicht kommt einem „herrenlosen“ Dokument zu?
Die fehlende Unterschrift war kein Zufall. Sie hatte ihren Grund, weshalb darüber auch gleich darüber spekuliert wurde, ob Papst Franziskus sich eine Hintertür offenhalten wolle. Genau diese Tür wurde von Franziskus am vergangenen Samstag bei der ersten sich bietenden Gelegenheit auch prompt genützt.
Am 30. Juli stellte sich der Papst auf dem Rückflug von Kanada nach Rom gewohnheitsgemäß den Fragen der mitreisenden Journalisten. Dabei sagte er zum Synodalen Weg:
„Ich habe alles gesagt, was ich über den [deutschen] synodalen Weg zu sagen hatte, mehr werde ich nicht sagen.“
Distanzierte sich Franziskus damit auch schon von der jüngsten „Erklärung des Heiligen Stuhls“, obwohl diese erst neun Tage zuvor veröffentlicht worden war? Das Fragezeichen kann getrost weggelassen werden. Franziskus verfolgt eine Strategie und handelt taktisch. Seine Schwäche liegt, wenn schon, in der fehlenden Konsequenz und in seiner Sprunghaftigkeit.
Seine Distanzierung von seiner Distanzierung, der Heilige Stuhl ist er, geht aus der Art und Weise hervor, wie Franziskus auf dem Flug von Kanada nach Rom auf eine sehr konkrete Frage reagierte, die ihm von Severina Elisabeth Bartonitschek (KNA) gestellt wurde:
Severina Elisabeth Bartonitschek: Guten Abend. Heiliger Vater, Sie haben gestern auch von der Brüderlichkeit der Kirche gesprochen, von einer Gemeinschaft, die es versteht, zuzuhören und in den Dialog zu treten, die eine gute Qualität der Beziehungen fördert. Aber vor einigen Tagen gab es die Erklärung des Heiligen Stuhls zum Synodalen Weg in Deutschland, ohne Unterschrift. Glauben Sie, daß diese Art der Kommunikation zum Dialog beiträgt oder ihn eher behindert?
Papst Franziskus: Zunächst einmal wurde dieses Kommuniqué vom Staatssekretariat verfaßt… es war ein Fehler, das nicht zu sagen… Ich glaube, es hieß Kommuniqué des Staatssekretariats, aber ich bin mir nicht sicher. Es war ein Fehler, ihn nicht als Staatssekretariat zu unterzeichnen, aber es war ein Fehler des Amtes, nicht des bösen Willens. Und über den synodalen Weg habe ich einen Brief geschrieben, ich habe es allein getan: einen Monat lang gebetet, nachgedacht, beraten. Und ich habe alles gesagt, was ich über den synodalen Weg zu sagen hatte, mehr werde ich nicht sagen, und es ist das päpstliche Lehramt über den Synodalen Weg, dieser Brief, den ich vor zwei Jahren geschrieben habe. Ich habe die Kurie übersprungen, denn ich habe keine Konsultationen (in der Kurie) durchgeführt, nichts. Ich bin meinen eigenen Weg gegangen, auch als Hirte (für) eine Kirche, die einen Weg sucht, als Bruder, als Vater und als Gläubiger. Und dies ist meine Botschaft. Ich weiß, daß es nicht einfach ist, aber es steht alles in diesem Brief. Ich danke Ihnen.
Papst Franziskus nahm Bezug auf sein Schreiben an das pilgernde Volk Gottes in Deutschland vom 29. Juni 2019. Für dieses Schreiben sei er, allein er, verantwortlich. Darin habe er „alles“ gesagt, was er zum synodalen Weg zu sagen habe. Die Distanzierung von der Distanzierung „des Heiligen Stuhls“ vom deutschen Synodalen Weg ist unmißverständlich. Diese stamme „vom Staatssekretariat“, so Franziskus. Mit ihr habe er nichts zu tun und überhaupt sei sie kritikwürdig, denn sie wurde nicht einmal unterschrieben.
Die Darstellung ist unglaubwürdig. Franziskus klärt deshalb auch nicht auf, wer (der Kardinalstaatssekretär?) oder welches Büro im Staatssekretariat es gewagt haben soll, ohne Einwilligung des Papstes ein Dokument im Namen des „Heiligen Stuhls“ zu veröffentlichen.
Franziskus ist ein gewiefter Taktiker: Er ließ mit der „Erklärung“ zuerst die außer Rand und Band geratenen deutschen Synodalfanatiker verschrecken, um sich ihnen dann als „freundlicher“ Papst zu präsentieren, der sich von der „bösen“ Römischen Kurie, dem Klassiker unter den Feindbildern deutscher Modernisten, distanziert. Denn die Kurie, so der von Franziskus erweckte Eindruck, habe hinter seinem Rücken gehandelt. Der mit Striemen gezüchtigte Stiefelknecht bekommt zum Dank die Rehabilitierung postwendend dazu, denn die Kurie habe zwar „falsch“ gehandelt, aber ohne böse Absicht.
Falsch ist aber falsch. Damit rückte Franziskus, wenn auch ganz bergoglianisch indirekt und implizit, vom römischen Tadel am deutschen Synodalen Weg ab. Also doch keine Deutschenschelte? Keine Maßregelung für Kardinal Marx und Bischof Bätzing? Jein, jene Zwitterpartikel, die das Pontifikat von Franziskus widerspiegelt. Immerhin können Marx & Bätzing, DBK und ZdK sich ihrer Sache nicht ganz sicher sein, denn Franziskus, der auf vielen Hochzeiten tanzt, will sich nicht einfangen lassen.
Bei der fliegenden Pressekonferenz gab er der DBK-Mehrheit und dem ZdK allerdings eine gewichtige Versicherung, indem er erklärte, in der Causa „Synodaler Weg“ nichts anderes mehr zu sagen („mehr werde ich nicht sagen“).
Die römische Intervention, dem deutschen Synodalen Weg Einhalt zu gebieten, hatte damit eine Verfallszeit von gerade einmal neun Tagen. Auf diese Weise zertrümmert Franziskus auch die Ernsthaftigkeit und Glaubwürdigkeit der Römischen Kurie – offenbar mit Absicht.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Vatican.va (Screenshot)