Der in Ungnade gefallene „Papabile“

Wie Kardinal Zuppi die Gunst von Papst Franziskus verlor


Kardinal Matteo Maria Zuppi mit Papst Franziskus während einer Generalaudienz. Man beachte die absurden Corona-Maskenregeln.
Kardinal Matteo Maria Zuppi mit Papst Franziskus während einer Generalaudienz. Man beachte die absurden Corona-Maskenregeln.

(Rom) Kar­di­nal Matteo Maria Zup­pi ist Berich­ten zufol­ge bei Fran­zis­kus in Ungna­de gefal­len und wird nicht mehr als Vor­sit­zen­der der ita­lie­ni­schen Bischö­fe in Betracht gezo­gen. Dabei galt er noch vor kur­zem als „Papa­bi­le“ und mög­li­cher Nach­fol­ger von Papst Fran­zis­kus. Der Grund dafür, daß ein pro­gres­si­ver Pur­pur­trä­ger die Gunst von Fran­zis­kus ver­lie­ren könn­te, ist kaum zu erraten. 

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Gestern ver­öf­fent­lich­te der Cor­rie­re del­la Sera, Ita­li­ens bedeu­tend­ste Tages­zei­tung, ein Inter­view mit Papst Fran­zis­kus, das zu eini­gen The­men ein wenig den Blick auf die Hin­ter­grün­de frei­gibt. Ein The­ma betrifft die inner­kirch­li­chen Ver­hält­nis­se in Ita­li­en und das näch­ste Konklave.

Vor­der­grün­dig geht es um den näch­sten Vor­sit­zen­den der Ita­lie­ni­schen Bischofs­kon­fe­renz. Des­sen Aus­wahl erfolgt anders als bei allen ande­ren Bischofs­kon­fe­ren­zen, denn Mit­glied der Ita­lie­ni­schen Bischofs­kon­fe­renz ist auch der Bischof von Rom. Da es undenk­bar ist, daß der Papst unter dem Vor­sitz eines mit Mehr­heit, aber viel­leicht nicht von ihm gewähl­ten Bischofs ste­hen muß, ist der Bischof von Rom auto­ma­tisch auch Vor­sit­zen­der der Bischofs­kon­fe­renz. Dem Papst ist es aber nicht mög­lich, die Ver­pflich­tun­gen eines Vor­sit­zen­den wahr­zu­neh­men, wes­halb er einen ande­ren Bischof als sei­nen Ver­tre­ter zum Vor­sit­zen­den ernennt. Eben­so kommt dem Papst die Ernen­nung des Gene­ral­se­kre­tärs der Bischofs­kon­fe­renz zu.

Fran­zis­kus hat­te 2013 als Vor­sit­zen­den den noch von Bene­dikt XVI. ernann­ten Kar­di­nal Ange­lo Bag­nas­co über­nom­men. Sobald des­sen Man­dat zu Ende war, ernann­te Fran­zis­kus 2017 sei­nen eige­nen Ver­trau­ens­mann: Erz­bi­schof Gual­tie­ro Bas­set­ti von Peru­gia. Die­sen hat­te er bereits 2014 zum Kar­di­nal kre­iert, um die Kir­che in Ita­li­en wis­sen zu las­sen, wem sei­ne Gunst gehört. Zugleich ließ er Inha­ber bedeu­ten­de­rer Bischofs­stüh­le, die tra­di­tio­nell mit der Kar­di­nals­wür­de ver­bun­den waren, unberücksichtigt.

Nun voll­ende­te Kar­di­nal Bas­set­ti Anfang April sein 80. Lebens­jahr. Er ist damit nicht mehr Papst­wäh­ler. Mit sei­ner Eme­ri­tie­rung wird jeden Moment gerech­net. Das fünf­jäh­ri­ge Man­dat als Vor­sit­zen­der der Ita­lie­ni­schen Bischofs­kon­fe­renz läuft mit dem 24. Mai aus.

Als ein mög­li­cher Nach­fol­ger wur­de wie­der­holt Kar­di­nal Matteo Maria Zup­pi genannt, der Erz­bi­schof von Bolo­gna und rang­höch­ster Kir­chen­mann der Gemein­schaft von Sant’Egidio ist.

Was aber sag­te Fran­zis­kus gestern in dem Inter­view des Cor­rie­re del­la Sera?

„… die näch­ste Ver­samm­lung wird den neu­en Prä­si­den­ten der Ita­lie­ni­schen Bischofs­kon­fe­renz wäh­len müs­sen, und ich ver­su­che, jeman­den zu fin­den, der einen guten Wech­sel her­bei­füh­ren will. Ich bevor­zu­ge, daß es ein Kar­di­nal ist, jemand mit Auto­ri­tät. Und der die Mög­lich­keit hat, den Sekre­tär aus­zu­wäh­len, jemand, der sagen kann: Ich möch­te mit die­ser Per­son zusammenarbeiten.“

Damit schei­den eine Rei­he von zuletzt genann­ten Kan­di­da­ten aus, weil sie kei­ne Kar­di­nä­le sind. Doch auch Zup­pi, der Kar­di­nal ist und der bis­her die Gunst von Fran­zis­kus genoß, hät­te der­zeit kei­ne Chan­ce mehr, Vor­sit­zen­der der Bischofs­kon­fe­renz zu werden.

Was aber ist gesche­hen, daß ein pro­gres­si­ver Kar­di­nal bei Fran­zis­kus in Ungna­de fällt?

Kar­di­nal Zup­pi büß­te die päpst­li­che Gunst ein wegen der Art und Wei­se, mit der von ihm das Motu pro­prio Tra­di­tio­nis cus­to­des ange­wandt wur­de. Mit die­sem Motu pro­prio besei­tig­te Papst Fran­zis­kus die Frei­hei­ten, die Bene­dikt XVI. dem über­lie­fer­ten Ritus gewährt hatte.

In Ita­li­en ist seit dem Motu pro­prio Eccle­sia Dei von 1988 jene Grup­pe von Bischö­fen ton­an­ge­bend, die gegen­über der Tra­di­ti­on und dem über­lie­fer­ten Ritus eine ableh­nen­de Hal­tung ein­neh­men. Die­se akti­ve Min­der­heit, die von einer gleich­gül­ti­gen Mehr­heit gedeckt ist, wirk­te nach der Wahl von Papst Fran­zis­kus jah­re­lang auf eine Rück­gän­gig­ma­chung des Motu pro­prio Sum­morum Pon­ti­fi­cum von Bene­dikt XVI. hin. Mit dem am 16. Juli 2021 von Papst Fran­zis­kus erlas­se­nen Motu pro­prio Tra­di­tio­nis cus­to­des hat­ten sie ihr Ziel erreicht.

Tra­di­ti­ons­feind­li­che Bischö­fe besei­tig­ten in den ver­gan­ge­nen zehn Mona­ten die Spu­ren der Tra­di­ti­on im neu­ri­tu­el­len Kle­rus. Kar­di­nal Zup­pi, als Pur­pur­trä­ger und als Erz­bi­schof von Bolo­gna einer der füh­ren­den Kir­chen­män­ner des Lan­des, ent­schied sich für eine mil­de­re Aus­le­gung. Er erlaub­te wei­ter­hin die Fei­er der über­lie­fer­ten Mes­se mit der Ein­schrän­kung, daß kei­ne Pfarr­kir­che stän­di­ger Meß­ort sein dür­fe. Radi­ka­le­re Krei­se hin­ter­brach­ten Zup­pis Hal­tung Papst Fran­zis­kus, und taten es auf pro­vo­kan­te Weise. 

Andrea Gagli­ar­duc­ci (CNA) gehör­te zu jenen, die Zup­pi als Bas­set­ti-Nach­fol­ger nann­ten. Gestern bezog Gagli­ar­duc­ci in einem CNA-Arti­kel einen Satz von Papst Fran­zis­kus im Cor­rie­re-del­la-Sera-Inter­view auf die Wahl des Vor­sit­zen­den der Bischofskonferenz:

„Wäh­rend ande­re Bischö­fe die Anord­nun­gen des Pap­stes buch­sta­ben­ge­nau anwand­ten, nahm der 66-jäh­ri­ge Kar­di­nal eine ver­söhn­li­che­re Hal­tung ein. In San­ta Mar­ta, der päpst­li­chen Resi­denz, wird geflü­stert, daß Papst Fran­zis­kus Gerüch­te zu Ohren gekom­men sei­en, Zup­pi hand­le im Hin­blick auf ein künf­ti­ges Kon­kla­ve. Dies dürf­te die Sym­pa­thie des Pap­stes für den Erz­bi­schof von Bolo­gna, der eng mit der ein­fluß­rei­chen Gemein­schaft von San­t’E­gi­dio ver­bun­den ist, ver­rin­gert haben.“

Im Klar­text: Kar­di­nal Zup­pi fiel offen­bar in Ungna­de, weil er die engen Mög­lich­kei­ten gewähr­te, die Tra­di­tio­nis cus­to­des bie­tet, wäh­rend eine Rei­he von Bischö­fen welt­weit das Motu pro­prio auf eige­ne Initia­ti­ve noch dra­ko­ni­scher umsetz­ten, als dar­in geschrie­ben steht. Eine sol­che Eigen­in­itia­ti­ve berg­o­glia­ni­scher Bischö­fe, die „ver­ste­hen“, was Fran­zis­kus wünscht, weiß der argen­ti­ni­sche Papst durch­aus zu schätzen.

Die Gemein­schaft von San­t’E­gi­dio ist dafür bekannt, stra­te­gisch zu den­ken und durch­aus Inter­es­se an Füh­rungs­po­si­tio­nen zu haben. Ob es Kar­di­nal Zup­pi aber noch gelin­gen kann, bis zur Ent­schei­dung die Gunst des Pap­stes wiederzuerlangen?

Text: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Vati­can­Me­dia (Screen­shot)

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