„Bergoglio Dein, Bergoglio mein, Jedem will er Liebling sein!“ – Pasquinaten von Stephanus Flavius


"Piazza di Pasquino" am südwestlichen Ende der Piazza Navona, auf der sich die Statue des "Pasquino" befindet. Stephanus Flavius verfaßte neue "Pasquinaten" zur Amtsführung von Papst Franziskus.
"Piazza di Pasquino" am südwestlichen Ende der Piazza Navona, auf der sich die Statue des "Pasquino" befindet. Stephanus Flavius verfaßte neue "Pasquinaten" zur Amtsführung von Papst Franziskus.

Im ver­gan­ge­nen Febru­ar wur­den in Rom die Pas­qui­na­ten wie­der­auf­ge­grif­fen, um Kri­tik an der Amts­füh­rung des regie­ren­den Pap­stes zu üben. Rund um den Vati­kan waren Pro­test­pla­ka­te mit dem Bild eines fin­ster blicken­den und schmol­len­den Fran­zis­kus ange­bracht wor­den und der Fra­ge im stadt­rö­mi­schen Dia­lekt: „Wo ist denn Dei­ne Barmherzigkeit?“
Pas­qui­no ist der Rest einer anti­ken Sta­tu­en­grup­pe in der Alt­stadt von Rom, an der in frü­he­ren Jahr­hun­der­ten näch­tens Schil­der und Pla­ka­te ange­bracht wur­den, auf denen Macht­miß­brauch ange­pran­gert oder Schwä­chen von Päp­sten und Kar­di­nä­len bloß­ge­stellt wur­den. Daher der Name Pas­qui­na­ten, die sich in repu­bli­ka­ni­scher Zeit vor allem gegen Poli­ti­ker richteten.
Kurz nach den Pla­ka­ten tauch­te im Febru­ar eine Sati­re-Aus­ga­be des Osser­va­to­re Roma­no in ita­lie­ni­scher und in eng­li­scher Fas­sung auf, mit der „das unver­wech­sel­ba­re Lehr­amt“ von Papst Fran­zis­kus aufs Korn genom­men wur­de. Im März schließ­lich erschien, als der Pas­qui­na­ten Drit­ter Streich, ein Buch mit Epi­gram­men über Papst Franziskus.
Dar­an knüp­fen nun kur­ze Spott­ge­dich­te von Ste­pha­nus Fla­vi­us an, der sich damit in die römi­schen Pas­qui­na­ten einreiht.

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Berg­o­glio Dein, Berg­o­glio mein,
Jedem will er Lieb­ling sein!
Doch wozu er gar nicht taugt:
Was stets von allen, aller­orts geglaubt.

Die Ver­se bezie­hen sich auf die Ent­las­sung des Kar­di­nal­prä­fek­ten der Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on. Der Papst – so wird erzählt – habe Kar­di­nal Mül­ler fünf Fra­gen zu The­men wie Frau­en­prie­ster­tum oder Zöli­bat gestellt. Nach­dem der Kar­di­nal den katho­li­schen Glau­ben nicht dem Zeit­geist opfern woll­te, sei er ent­las­sen worden.
Für theo­lo­gisch nicht ver­sier­te Leser: Die letz­te Zei­le bezieht sich auf den Leit­satz des hl. Vin­zenz von Lérins („  vor 450) nach dem das wahr­haft katho­lisch sei, „was über­all, immer und von allen geglaubt wor­den ist“ (Com­mo­ni­to­ri­um II, 5).

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Ratz­in­gers Theologie,
Und Jesa­jas Prophetie
Stam­men aus verschied´nen Händen.

Nur das Werk von einem Herrn,
Stammt, so sieht man gleich von fern,
Nur aus einer, aus der fremden.

Die Ver­se bezie­hen sich auf die Gruß­wor­te von Bene­dikt XVI. zur Bei­set­zungs­fei­er von Joa­chim Kar­di­nal Meis­ner – oder eigent­lich auf die Reak­ti­on Alber­to Mel­lo­nis dar­auf. Die­ser hat­te behaup­tet, die Gruß­wor­te sei­en gar nicht vom eme­ri­tier­ten Papst selbst ver­faßt. Zugleich wärm­te er das alte Gerücht auf, es gäbe einen schar­fen Kon­trast zwi­schen dem theo­lo­gi­schen Den­ken des frü­hen Ratz­in­ger und dem des spä­te­ren Kar­di­nals und Pap­stes: „Es gibt einen Pro­to-Ratz­in­ger, einen Deu­te­ro-Ratz­in­ger und jetzt auch einen Pseu­do-Ratz­in­ger mit nega­ti­ven Anspie­lun­gen auf den regie­ren­den Papst.“
In dem sel­ben Bei­trag hat der Her­aus­ge­ber die­ser Sei­te dar­auf hin­ge­wie­sen, daß es Papst Fran­zis­kus ist, der sich oft kurz nach Erschei­nen wich­ti­ger Doku­men­te aus sei­ner eige­nen Hand nicht mehr an deren Inhalt erin­nern kann.
Die Dik­ti­on ent­lehnt Alber­to Mel­lo­ni übri­gens der alt­te­sta­ment­li­chen Bibel­wis­sen­schaft. Auf­grund bestimm­ter Theo­rien zur Ent­ste­hungs­ge­schich­te des Buches Jesa­ja neh­men man­che Theo­lo­gen meh­re­re Autoren an: Sie spre­chen dann von einem Proto‑, einem Deu­te­ro- und sogar von einem Tri­to­je­sa­ja. Eine Sprech­wei­se, die wohl über­holt ist, denn es „setzt sich zuneh­mend die Ein­sicht durch, dass nicht irgend­wel­che Vor­la­gen oder Quel­len […] den von der Rezep­ti­ons­ge­mein­schaft als nor­ma­tiv aner­kann­ten Text bil­den, son­dern der Text in sei­ner vor­lie­gen­den End­ge­stalt.“[1]Lud­ger Schwi­en­horst-Schön­ber­ger, Ein­heit statt Ein­deu­tig­keit, in: Ders., Stu­di­en zum Alten Testa­ment und sei­ner Her­me­neu­tik (SBAB 40), Stutt­gart 2005, 271–279, hier 272.

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Grün­don­ners­ta­ge, die sind rar,
So wie auf sei­nem Haupt das Haar.
Sonst trock­net´ er damit fürwahr
Der Musel­frau­en-Füße Schar.

Die Ver­se bezie­hen sich auf die umstrit­te­ne Pra­xis von Papst Fran­zis­kus auch Mus­li­men oder Frau­en die Füße zu waschen.
Für weni­ger bibel­fe­ste Leser: Der Evan­ge­list Lukas (7,38) berich­tet wie eine Sün­de­rin Jesus die Füße mit ihren Trä­nen wäscht und mit ihrem Haar trocknet.

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Von Papst Leo weiß man, daß er dichtet‘,
Von Papst Fran­zen nur, daß er nicht richtet.

Johan­nes Paul gilt uns als Philosoph,
Dage­gen Fran­zens Werk als hypertroph.

Wenn Ratz­in­ger ein Theo­lo­ge ist,
So ist Berg­o­glio eben ein Sophist!

Gemeint ist übri­gens Leo XIII. (1878–1903), der noch ele­gan­te Ver­se in latei­ni­scher Spra­che schrieb. Nach anti­ker Vor­stel­lung ver­fü­gen Dich­ter über einen pri­vi­le­gier­ten Zugang zur Wahrheit.

Die­sen Zei­len hier liegt aber die Ana­ly­se des Sophis­mus von Johan­nes Hirsch­ber­ger zugrun­de. Nach ihm wird die­se Welt­an­schau­ung – das genaue Gegen­teil wah­rer Phi­lo­so­phie – von zwei Grund­ge­dan­ken getra­gen: von skep­ti­schen Rela­ti­vis­mus und vom Wil­len zur Macht. Tat­säch­lich scheint sich auch Fran­zis­kus manch­mal kein Urteil über wahr oder falsch zuzu­trau­en. Dann aber haben sei­ne Lehr­schrei­ben hyper­tro­phen Cha­rak­ter. Einer­seits wird Amo­ris lae­ti­tia manch­mal so inter­pre­tiert, als stün­de sei­ne Auto­ri­tät über dem gött­li­chen Gesetz. Ande­rer­seits behan­delt Lau­da­to si´ Fra­gen, die außer­halb des kirch­li­chen Lehr­am­tes lie­gen, wie natur­wis­sen­schaft­li­che oder öko­no­mi­sche Pro­ble­me.[2]Vgl. Johan­nes Hirsch­ber­ger, Geschich­te der Phi­lo­so­phie. Bd. 1: Alter­tum und Mit­tel­al­ter, Frei­burg i. Br. 121980, 52–58.

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Es übte gern Verrat,
Der Papst am Zölibat.
Nur lei­der nicht privat!

Man den­ke an Alex­an­der VI. (1492–1503). Per­sön­lich nahm er es mit dem Zöli­bat nicht so genau. Aber er trieb die Mis­si­on Latein­ame­ri­kas vor­an und mach­te sich mit sei­nem Zere­mo­ni­är Johan­nes Bur­ck­hard (um 1450–1506) um die Pfle­ge der Lit­ur­gie ver­dient. Schließ­lich ver­dan­ken wir ihm die abschlie­ßen­de Bit­te des Gegrü­ßet seist Du, Maria.

Text: Sta­pha­nus Flavius
Bild: MiL

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1 Lud­ger Schwi­en­horst-Schön­ber­ger, Ein­heit statt Ein­deu­tig­keit, in: Ders., Stu­di­en zum Alten Testa­ment und sei­ner Her­me­neu­tik (SBAB 40), Stutt­gart 2005, 271–279, hier 272.
2 Vgl. Johan­nes Hirsch­ber­ger, Geschich­te der Phi­lo­so­phie. Bd. 1: Alter­tum und Mit­tel­al­ter, Frei­burg i. Br. 121980, 52–58.
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1 Kommentar

  1. Geklei­det ist er wie das Lamm,
    das einst uns zu erlö­sen kam,
    dage­gen sei­nes Wor­tes Pegel
    klingt ähn­lich wie bei Marx und Hegel.

    Von Kar­di­nä­len her tönts überall:
    „Er ist gewählt in frei­er Wahl!“
    Doch denkt er eher ‚quid pro quo‘,
    „Die mich gewählt erwar­tens so.“

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