
Die Logen geben sich bescheiden und wollen nur ein philanthropischer Verein sein. So präsentieren sie sich selbst und so möchten sie gerne gesehen werden. In Wirklichkeit versuchen sie Wahlen zu beeinflussen und üben massiven Druck auf politische Entscheidungsträger aus. Die Präsidentschaftswahlen in Frankreich, dem Mutterland der irregulären Freimaurerei, sind der jüngste Beleg.
Die sieben wichtigsten Freimaurer-Obödienzen Frankreichs haben einen gemeinsamen Appell unterzeichnet, in dem sie den künftigen Inhaber des Präsidentenamtes an die von ihnen gewünschten Prioritäten erinnern.
Als erstes Ziel verlangen sie den Kampf gegen „Identitätsimpulse“, was nicht nur eine Absage an die kulturelle, ethnische und religiöse Identität der europäischen Völker bedeutet, sondern deren Bekämpfung einfordert. Der erste Feind der Logen ist demnach die Identitäts- und Souveränitätsbewegung. Dieser ist Marine Le Pen, Macrons Konkurrentin in der Stichwahl um das Präsidentenamt, verbunden.
Zweitens fordern die beschürzten Brüder „die Bindung an die Werte der Republik, das humanistische und universalistische Ideal“. Die Freimaurerei erhebt Anspruch auf die „Große Revolution“ von 1789 und ihre Ideen. Daraus leitet sie ihren Anspruch auf die republikanischen Institutionen ab. Im Umkehrschluß verlangt sie vom künftigen Staatsoberhaupt eine Absage an die katholische Kirche, die seit dem Gesetz zur Trennung von Staat und Kirche von 1905 weitgehend aus dem öffentlichen und politischen Lebens des Landes ausgesperrt ist – und so soll es laut den Logenbrüdern auch bleiben.
Die Freimaurerei legt damit ein Bekenntnis zum Globalismus ab, was eine überflüssige Pflichtübung zu sein scheint, ist sie doch selbst sein Ursprung und Erfinder. Seit der Corona-Krise sehen manche die globalistischen Ideen in einer existenziellen Krise. Die Politik der offenen Grenzen sei durch Reisebeschränkungen und Grünen Paß zum Relikt der Vergangenheit geworden. Die Lieferketten hätten sich als bedenklich fragil erwiesen, was zu weitreichenden Änderungen im Bereich von Produktion, Handel und Logistik führen werde. Tatsache ist jedoch, daß das globalistische, abtreibungsfreundliche Öko-Gender-Programm der internationaler Agenturen, von der UNO bis zur EU, und die dahinterstehenden „starken Mächte“ wie die Open Society Foundations von George Soros, die Bill and Melinda Gates Foundation und andere „Philantropen“ mehr weiterhin den Ton angeben.
Marine Le Pen und ihr Rassemblement National werden im Appell der Freimaurer nicht namentlich genannt. Die Warnung vor einem Wahlsieg Le Pens ist dennoch explizit. Die Logen warnen davor, „für Bewegungen zu stimmen, die Haß und Diskriminierung predigen“. Das ist eine böswillige Unterstellung zur Diskreditierung des Gegners, mit der aber schon in der Vergangenheit erfolgreich gearbeitet wurde – nicht nur in Frankreich.
Versuche von Vertretern des Rassemblement National in den vergangenen Jahren, mit den Freimaurern einen Burgfrieden zu erreichen, erweisen sich als törichtes Unterfangen, das zudem Glaubwürdigkeit gekostet hat.
Die Logen greifen mit ihrem Appell in das politische Leben ein. Das ist laut französischem Gesetz ihr gutes Recht, doch sollten sie damit aufhören, sich als unpolitischen Verein zu behaupten. Mehr noch: Im kollektiven Bewußtsein gelang es relativ erfolgreich die Meinung zu verankern, wer einen politischen Einfluß der Freimaurer behaupte, sei ein „Verschwörungstheoretiker“ und mache sich lächerlich. Das Gegenteil entspricht den Tatsachen, gerade in Frankreich.
Erst vor kurzem verlangte der unabhängige Senator Jean-Louis Masson Rechenschaft von Premierminister Jean Castex über die Bevorzugung jener, die familiäre oder politische Beziehungen haben oder verborgenen Netzwerken wie der Freimaurerei angehören überall dort, wo öffentlich ausgeschriebene Wettbewerbe und Auswahlverfahren durch direkte Ernennungen ersetzt wurden. Immer mehr Positionen werden auf diese Weise vergeben, was „völlig subjektiven und willkürlichen Bewertungen“ Tür und Tor öffne, so Masson.
Die Anklage des Senators müßte ein Weckruf sein und die Titelseiten der Medien und die abendlichen Diskussionsrunden im Fernsehen füllen, doch nichts dergleichen ist geschehen. Die Journalisten haben Massons Aussagen „übersehen“, dabei weiß er sehr genau, wovon er spricht. Bereits 1997 hatte er eine wütende Reaktion des mächtigen Großorients von Frankreich provoziert, als er auf dessen Einfluß auf das Justizwesen aufmerksam machte. Masson sagte damals:
„Wenn Sekten eine Bedrohung für den Einzelnen sein können, kann die Unterwanderung der Gesellschaft durch verborgene Organisationen auch die Interessen der gesamten Gemeinschaft destabilisieren. Die Freimaurer haben die Polizei und die Justiz infiltriert und unterhalten parallele Entscheidungsstrukturen, die die ordnungsgemäße Ausübung des Rechts untergraben. Nichts untergräbt das Vertrauen in öffentliche Einrichtungen mehr als das Wissen, daß Beamte Mitglieder eines Geheimbundes sind. Das Mißtrauen gegenüber dem, was als geheime Hierarchie, ja sogar als Instrument der Klientelpolitik wahrgenommen wird, hält an. Im Ausland und auch in Frankreich gibt es zahlreiche Beispiele für die Unterwanderung des Justiz- und Verwaltungssystems und der Wirtschaft und Politik.“
Die beschürzten Brüder sind eben nicht bloß Philanthropen oder Geschäftsleute, sondern bilden ein jahrhundertealtes Netzwerk der Macht, das sie bei Bedarf auch zur sozialen Destabilisierung nützen. Da sie geheim und unsichtbar in die bestehende Ordnung eingreifen, geschieht dies in einer subversiven Rolle.
Macron, der Kandidat der Logen
Die Absage an Marine Le Pen bedeutet für die Stichwahl die Unterstützung für Emmanuel Macron, wie es nicht anders zu erwarten war. Wie der Einfluß der Logen funktioniert, zeigte sich bei den Präsidentschaftswahlen 2017, bei denen Macron in den Élyséepalast gewählt wurde. Zuvor lud der Großorient von Frankreich zwei Personen, getrennt, zu einem Vorstellungsabend. Offiziell hielten sie am Großmeistersitz jeweils einen Vortrag mit anschließender Diskussion. Die Auswahl erhellt, wer laut Logenbrüder für das höchste Amt im Staat in Frage kommt – und wer nicht. Eingeladen wurden der damals noch weitgehend unbekannte Emmanuel Macron, der Mitglied der Sozialistischen Partei und Wirtschaftsminister des sozialistischen Staatspräsidenten Hollande war, und Jean-Luc Mélenchon, ebenfalls früher sozialistisches Parteimitglied und ehemaliger Minister einer sozialistischen Regierung, der in der Zwischenzeit die radikale Linke hinter sich gesammelt hatte.
Der Großorient entschied sich für Macron, woran sich seither nichts geändert hat. Diese Vorgeschichte erklärt, warum Mélenchon seine Wähler, immerhin fast 22 Prozent, aufgerufen hat, bei der Stichwahl Macron oder ungültig zu wählen. Mélenchon hat keine offenen Rechnungen mit Macron zu begleichen, dafür sorgt offenbar die Loge. Während die Logenmitgliedschaft Macrons wie ein Staatsgeheimnis gehütet wird, ist jene Mélenchons bekannt. 2018 ließ er sich zwar vom Großorient „suspendieren“ – wie man es von Österreichs Bundespräsidenten Alexander Van der Bellen kennt – und liebäugelte etwas mit den linksgerichteten korsischen Nationalisten, was dem Großorient mißfiel, doch an dem festgeknüpften Logennetzwerk ist nicht zu zweifeln.
Bereits 2017 hatten Macrons Paten und Wahlstrategen darauf hingearbeitet, daß Le Pen in die Stichwahl kommt, weil in diesem Fall der Wahlsieg Macrons als sicher galt. Der bürgerliche Gegenkandidat François Fillon wurde durch kurz vor dem ersten Wahlgang durch die „Enthüllung“ angeblicher Unkorrektheiten zu Fall gebracht. Als Fillon Premierminister war, wollten ihn die Freimaurer bereits 2011 stürzen, was mißlang. 2017 rächten sie sich dann.
2022 gestaltete sich der Ausgang der ersten Wahlrunde noch besser. Das Absinken von Bürgerlichen und Sozialisten, der beiden starken Kräfte der Fünften Republik, in die Bedeutungslosigkeit, läßt Macron alles in der sogenannten Mitte aufsaugen, während ihm nur mehr die Ränder rechts und links Konkurrenz machen. Mit Mélenchon ist das zudem eine „Konkurrenz“, mit der die Freimaurerei gut leben kann. Für Marine Le Pen rechnet die Loge mit einer Wiederholung ihrer Niederlage von 2017. Ob sie am Ende 34, 44 oder 49 Prozent erhält, spielt keine Rolle, solange sie eine Stimme hinter Macron bleibt– und daß dem so sein wird, dafür sind die Logen mit ihrem Appell in den Ring gestiegen.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Corrispondenza Romana